Erschienen in Ausgabe: No 103 (09/2014) | Letzte Änderung: 03.09.14 |
von Nathan Warszawski
Vor fünf Jahren wurde das Kairos-Palästina-Dokument von
nicht-katholischen Christen im Nahen Osten verfasst und weltweit verteilt.
„Kairos“ ist der griechische Gott des günstigen Zeitpunktes.
http://www.kairospalestine.ps/sites/default/Documents/German.pdf
Der Nicht-Theologe versteht erst nach mehrmaligem Lesen das religiös
verbrämte Papier. Das Dokument kulminiert in die Forderung, Israel militärisch,
wirtschaftlich und finanziell zu boykottieren und so zu destabilisieren. Dieser
selektive religiöse Boykott-Aufruf eines einzigen Landes wird noch
heute ganz oder teilweise von arabischen, islamischen und
sozialistischen Staaten, von anglikanischen protestantischen Kirchen (Baptisten)
und von säkularen (Aachener Friedenspreis) und religiösen (pax Christi) Pazifisten
befolgt. Der wirtschaftliche Schaden für Israel hält sich in Grenzen.
Als Grund für den einzigartigen Boykott-Aufruf des Kairos-Dokumentes
wird im Jahre 2009 die schlechte wirtschaftliche und humanitäre Lage der
palästinensischen Araber in den von Israel kontrollierten arabischen
Autonomie-Gebieten angegeben. Doch schon damals war Lebensstandard der
arabischen Palästinenser der höchste in der arabischen Welt, sieht man von den superreichen
Erdöl exportierenden Staaten ab. Im Vergleich zu der humanitären Lage
arabischer Palästinenser in den angrenzenden arabischen Bruderländern Libanon,
Syrien, Irak und Ägypten, wo arabische Palästinenser keinen Grund und Boden
erwerben, keine Einheimische heiraten und bestimmte gut bezahlte Berufe nicht
ausüben dürfen, ist das Leben der arabischen Palästinenser in den
Autonomie-Gebieten mehr als zufriedenstellend. Dies gilt nicht für Gaza, wo die
terroristische Vereinigung namens „Hamas“ regiert. Gegenüber den Zuständen in
den meisten anderen arabischen und muslimischen Staaten, die gewöhnlich
autoritär bis diktatorisch regiert werden, ist das Leben der arabischen
Palästinensern in den Autonomie-Gebieten beneidenswert, wenn auch bedeutend
weniger angenehm als für Juden und Araber in Israel.
Die aktuellen Ereignisse in der arabischen Welt lassen nun die
wahren Gründe des Kairos-Palästina-Dokumentes erkennen.
Nicht erst seit 2009 haben die christlichen Führer in den Ländern
des Nahen Osten die Gefahr des Verschwindens des Christentums in ihrer Region
bemerkt. In allen arabischen und
islamischen Ländern nimmt die Zahl der Christen absolut und prozentual ab. Die
Ursachen sind die höhere Fruchtbarkeitsrate muslimischer Frauen, Krieg, Auswanderung
der Christen, deren Verfolgung und neuerdings verstärkt deren Ermordung. Nicht erst
seit der Machtergreifung des Islamischen Staates IS in Assyrien (Syrien und
Irak) fliehen von dort die verfolgten Christen, die von den neuen Herrschern
nicht geduldet werden. Die Kriege in Syrien und im Irak, die militärischen und
politischen Unruhen in Libanon, Ägypten, Tunesien und Jordanien, die rechtliche
und politische Benachteiligung der Christen in der Türkei zwingen die Christen,
ihr Land zu verlassen. Ihre Zahl in Gaza ist unbedeutend. Auch in Judäa und
Samaria, bekannter unter dem irreführenden Namen „Westbank“, sinkt die Zahl
aller Christen kontinuierlich, was in Kirchenkreisen tabuisiert wird. Lediglich
in Israel nimmt die Zahl arabischer Christen absolut und prozentual zu.
Nach dem Zweiten Weltkrieg sind 800.000 Juden von arabischen Ländern
nach Israel vertrieben worden. Die Welt haben damals andere Sorgen geplagt,
sodass die Flucht der arabischen Juden in Vergessenheit geraten ist. Außerhalb
Tunesiens und Marokkos, die eine verschwindend kleine Anzahl an Juden
aufweisen, leben heute nur noch vereinzelte Juden in arabischen und islamischen
Ländern. In den meisten dieser Länder lebt kein einziger Jude mehr.
Den Verfassern der Kairos-Deklaration ist es bewusst gewesen, dass
nach der Vertreibung der jüdischen Minderheit aus arabischen Ländern weitere
Minoritäten dasselbe Schicksal ereilen würde. Die Verfasser der
Kairos-Deklaration haben 2009 gehofft , dass sie mit ihren Israel feindlichen Forderungen
Gefallen in der islamischen Welt wecken würden, um ihre eigene Vertreibung zu
verhindern. Schon 2009 ist ihr Vorgehen zum Scheitern verurteilt gewesen. Der dann
vom Westen hochgejubelte Arabische Frühling hat fundamentalistische und
antichristliche Kräfte an die Macht gespült, deren Grausamkeit die der bisherigen
arabischen Schreckensherrschern in den Schatten stellt. Der Herrschaftsbereich
des IS über Assyrien hinaus wird unter den halbherzigen US-amerikanischen
Militärschlägen wachsen. Die dort lebenden Nachkommen der ersten Christen und
andere Minoritäten werden ihre angestammte Heimat verlassen und das Exil
wählen, sollten sie die Verfolgungen überleben.
Das christliche, Israel feindliche Palästina-Dokument hat seine Wirkung
verfehlt. Nach zwei Jahrtausenden verlassen Christen den Nahen Osten, um nie
wieder dorthin zurückzukehren. Es ist müßig zu fragen, warum Israel, das
einzige orientalische Land, welches Christen Schutz bietet, von Christen
angegriffen wird.
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