Erschienen in Ausgabe: No 103 (09/2014) | Letzte Änderung: 04.09.14 |
von Nathan Warszawski
Als die Sowjetunion unter ihrem eigenen Gewicht
zusammenbricht, bejubeln einige voreilige Historiker das Ende der Geschichte. Doch
nun ist es endlich soweit: Juden in Deutschland und in Europa fordern das Ende
des Antisemitismus in Deutschland und in Europa. Das Ende der Geschichte wird
jedoch nur unter der Bedingung kommen, wenn die Forderung der Juden in
Deutschland und in Europa erfüllt wird. Dann wird der Messias auf dem
Römerplatz in Frankfurt mit dem gebrauchten Kleinwagen des Papstes einfahren
und das Ende aller Zeiten verkünden.
Lieber Leser, Sie brauchen keine Angst zu haben! Weder
müssen Juden unvermittelt nach Jerusalem ausreisen, noch werden die Aktienkurse
ins Bodenlose fallen, wenn der Messias kommt. Denn eher wird der Konflikt um
die Ukraine im Sinne Putins friedlich beigelegt sein, als dass der
Antisemitismus in Deutschland und in Europa seinen letzten Atem aushaucht.
Wobei dieser Satz nach der semantischen Logik immer wahr ist, da bereits der
vordere Teil zutrifft.
Gegen Antisemitismus wurde letzten Sonntag nicht nur in
Frankfurt demonstriert, wo nach verschiedenen Aussagen wahrscheinlich 1.500 Juden
und Judenfreunde, darunter zahlreiche Kurden, darunter Jesiden, teilnahmen.
Nach Lautstärke und Auftreten bildeten die Kurden die Mehrheit der
Demonstranten. Weitere Menschen demonstrierten am selben Sonntag gegen Judenhass
in Stockholm, zusätzlich 1000 Menschen in London. Die Gesamtzahl wird den
Messias nicht überzeugen.
Die Organisation ist perfekt. Viele Teilnehmer werden in
von einer ungenannten Spenderin gesponserten Bussen nach Frankfurt gebracht.
Diese Methode hat schon Erdoğan erfolgreich von seinem Vorgänger Atatürk
übernommen, um Wahlen zu gewinnen, wobei die angekarrten männlichen Türken ein
Trinkgeld, Kinder und Frauen ein billigeres Fress-Paket erhalten. Doch hier in
Frankfurt geht es nicht um kurzfristige politische Erfolge. In Frankfurt treffen
sich Juden und ihre Freunde, um das Ende des Antisemitismus in Deutschland und
in Europa auszurufen, respektive einzufordern, damit der Messias ...
Bevor ich auf die Sinnlosigkeit der Forderung eines
Antisemitismus freien Deutschlands eingehe, erwähne ich die klugen Worte des
Grünen Israelfreundes Volker Beck. Volker Beck mahnt Programme für den
Schulunterricht, in denen Kindern von Migranten der Holocaust erklärt wird. Er
fordert, dass jeder in diesem Land Respekt vor unterschiedlichen Religionen haben
müsse.
Aus den Grünen Worten lässt sich unmittelbar schließen,
dass bestimmten Migrantenkindern in der Schule der Holocaust nicht oder nur
ungenügend erklärt wird. Ob eine ausreichende Erklärung des Holocausts zum
Verschwinden des Antisemitismus aus Deutschland und aus Europa führen wird, mag
dahingestellt sein. Das Problem beginnt damit, dass für große Teile bestimmter
Migranten und ihrer Kindern die Worte „Holocaust“, „Völkermord“ und „Genozid“
tabuisiert werden, da diese Worte allzu sehr an den Armenischen Völkermord
erinnern, der nach bestimmter Lesart auch in Deutschland niemals stattgefunden
hat. Bereits unter den Indigenen Deutschlands ist der Respekt der Religionen
kaum zu realisieren. Bestenfalls erreicht man Desinteresse. Der Werteverfall
der Gesellschaft dem Christentum gegenüber, immerhin die vorherrschende Religion
Deutschlands der letzten tausend Jahre, lässt sich ausgezeichnet an der
fehlenden Reaktion erkennen, wenn Christen im Irak verfolgt, gefoltert und bestialisch
ermordet werden, weil sie ihren Glauben nicht verleugnen. Wie sollen zum
Pazifismus verdammte deutsche LehrerInnen Kindern mit bestimmtem
Migrationshintergrund erfolgreich erklären, dass Christen genauso viel wert
sind wie Muslime? Das Verhalten der indigenen Genozid verstehenden, meist
christlichen Deutschen, spricht deutlich eine andere Sprache.
Kehren wir zurück zur sinnlosen Forderung eines
Deutschlands und eines Europas ohne Antisemitismus. Nach dem Zweiten Weltkrieg und
dem Ende der UdSSR leben Juden freiwillig in Deutschland und Europa. Wenn sie
sich verfolgt fühlen oder verfolgt werden, haben sie die freie Wahl, nach
Israel oder in die USA zu ziehen. Nur die deutschen Juden, die „Jeckes“, dürften
Schwierigkeiten damit haben. Es ist eine europäisch-humanistische, keine
jüdische Vorstellung, dass Juden das Recht haben, frei, gleich und furchtlos in
Deutschland und Europa zu leben und ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Diese
europäisch-humanistische Vorstellung ist in Deutschland und Europa nie
verwirklicht worden. Den nicht spürbaren, jedoch keineswegs fehlenden
Antisemitismus in Deutschland und in Europa, haben die hier lebenden Juden
ihren sechs Millionen toten Glaubensgenossen zu verdanken. Sieben Jahrzehnte
nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg, in dessen Rahmen der Holocaust
stattgefunden hat, ist die Zuneigung der Deutschen und der Europäern zu Juden
aufgebraucht.
Der Antisemitismus in Deutschland und Europa hat sein
Profil geändert. Im Zeitalter der Internet-Kommunikation haben rechtsextreme
antisemitische Analphabeten ihre Notwendigkeit eingebüßt. Die Alt- und Neonazis
werden von bürgerlichen Meinungsbildern ersetzt, die vorgeben, die Interessen Unterprivilegierter
zu vertreten, von denen viele endemisch Antisemitismus aussondern. Jeder Krieg
zwischen dem Judenstaat Israel und seinen muslimischen und arabischen Nachbarn
zieht wüste Orgien des Antisemitismus auf Deutschlands und Europas Straßen,
Plätze und Medien nach sich. Die Kriege sind nicht Anlass zum Antisemitismus,
sondern Vorwand. Zwischenzeitlich haben sich die migrantischen Judenhasser von
den bürgerlichen Deutschen abgesetzt und holen sich die notwendige
Informationen aus eigenen Fernsehsendern, die jeder Ungeübte an der Ausrichtung
der großen Satellitenschüsseln an Plattenbauten nach Süd-Osten erkennt.
Kurden und Jesiden machen sich große Hoffnungen, von den
Deutschen geliebt und unterstützt zu werden, wenn sie für Juden und Israel sind.
Es ist zu hoffen, dass sie diesen Irrtum nicht allzu teuer bezahlen werden.
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