Erschienen in Ausgabe: No 104 (10/2014) | Letzte Änderung: 16.10.14 |
von Hans Neueder
Bis zum 26. Oktober 2014 findet im Amtshaus des
Klosterdorfes Windberg bei Bogen an der Donau eine sehenswerte Ausstellung
statt. Das Thema „Ohne Fleiß kein Preis“ mit dem Untertitel „Fleißbildchen
mach(t)en Freude“ wurde von Frater Raphael Sperber entworfen und widmet sich
einer fast vergessenen schulischen Tradition, Fleiß und gutes Betragen der
Kinder mit kleinen Bildern zu belohnen. Die Entwicklung, die große Vielfalt und
Fülle der Fleißbildchen ist heute nur noch einigen Grafikliebhabern bekannt und
hat den in Fachkreisen bekannten Schriftsteller und Hochschullehrer Dr. Hans
Gärtner gereizt, mit vielen Glanzstücken seiner eigenen Sammlung die
Ausstellung zu bereichern und ein eigenes Buch zu diesem ungewöhnlichen Thema
zu verfassen.
Professor Hans Gärtner hat seinem „Begleitbuch“ den Titel
„Dem braven Kind. Fleißbildchen. Ein fast vergessenes Stück Schulkultur“
gegeben. Entstanden ist keine bloße Beschreibung der Ausstellung, sondern „eine
erste umfangreiche...Aufarbeitung der Thematik Fleißbildchen...die die Grenzen
Bayerns, ja Deutschlands, nach Europa und Übersee hin, ausweitet“ (Zitat
Gärtner).Schon das detaillierte Inhaltsverzeichnis verrät das Wissen
und die Kennerschaft des Buchautors. Eingeleitet wird das Buch von einem sehr
persönlich gehaltenen Geleitwort des Generalabtes des Prämonstratenserordens P.
Thomas Handgrätinger aus Rom und von einem ebenso eindrucksvollen „Prolog“ des
Verfassers Prof. Dr. Hans Gärtner aus Polling bei Mühldorf. Beide Artikel
führen den Leser auf Thematik, Sinn und Absicht des Buches hin.
In neun größeren mit 45 durchnummerierten Kapiteln
beschreibt Hans Gärtner den Fleiß als christliche, bürgerliche und schulische
Tugend. Der Begriff, der viele Pädagogen in Wort und Bild beschäftigt hat, wird
von Gärtner in seiner Entwicklung beschrieben. U.a. widmet er der Ameise, der
Biene und dem Hahn als Sinnbildern des Fleißes eine gründliche Analyse. Die
Fleißbildchen schaffen ihren Empfängern, den Schülern, den Sammlern, auch den
bildenden Künstlern und Dichtern, deren Kurzbiografien zu finden sind,
Vergnügen. Gärtner bevorzugt dazu – wie auch sonst öfter – einen treffenden
französischen Begriff, Plaisir, und bespricht „vergnüglich“ im Wechsel, wie
schulische Belobungen generell ausgesehen haben und aus welchen Materialien
solche Prämien bestanden. Dem Hauchbild und dessen Herstellungsverfahren ist
dabei ein eigenes Kapitel gewidmet. Besonders ausführlich schildert der
Verfasser die pädagogischen Gründe für den Gebrauch von „Fleißzetteln“ oder den
so genannten „Billets“ sowie deren Wirkung auf die „braven Kinder“. Die
Darstellungen auf den Bildern, besonders die religiösen Motive sind von
unglaublicher Vielfalt. Ihre Entstehung und weitere Entwicklung werden ebenso
wie die verschiedenen Qualitäten der Ausführung angesprochen. Unverkennbar
versucht dabei Prof. Gärtner, Humorvolles, oft auch selbst Erlebtes und eigene
Interpretationen an passender Stelle unterzubringen.
Fleißbildchen haben die Lehrer oft selbst hergestellt,
gezeichnet, gestempelt oder/und beschrieben, meist haben sie gedruckte Vorlagen
gebraucht, die in Material, Drucktechnik, Größe, Farbe, Darstellung und Texten
sehr unterschiedlich waren. Es gab dementsprechend Unikate und
„Allerweltsprodukte“. All dies führt Hans Gärtner anschaulich vor Augen. Den
Druckerzeugnissen geht er in ihrer Herkunft nach, nennt Verlage, Orte, Daten,
Künstler, Verfasser, Vorlagen und bewertet kritisch auch die Veränderungen,
insbesondere der religiösen Gefühlswelt, die er unter dem Begriff „Pastorale“
zusammenfasst. In diesem Zusammenhang sieht Prof. Gärtner viele Texte auf
Fleißbildchen als „wahrlich überholte, schon zur Zeit der Drucklegung als
kitschig einzustufende Formulierungen“, die „heutzutage endgültig gelöscht“
seien. „Gott sei’s gedankt.“ – sagt er abschließend.
Hans Gärtner lässt im Abschnitt „Plaisir III“ drei
Schriftsteller zu Wort kommen. In den komplett zitierten Erzählungen der
deutschen Jugendbuchautorin Isabella Braun (1815-1886), der Schweizerin
Elisabeth Müller (1885-1977) und des Amerikaners Mark Twain (1835-1910) werden
die „Schulkindergeschenke“ in den großen Zusammenhang zum wirklichen Sinn des
schulischen Fleißes gestellt.
Unter den „Protagonisten“ der kleinen Bilder finden – nach
Hans Gärtner – neben (fast)unbekannten
Künstlern auch „Große fürs Miniformat“ Platz, u.a. Franz Graf von Pocci, Oscar
Pletsch, Rudolf Scheibenzuber, Ida Bohatta-Morpurgo, M. Innocentia Hummel und
der für Windberg besonders wichtige Hans Huber-Sulzemoos: Eine Fundgrube für
Freunde dieses Spezialgebietes!
Den „Petitessen“, dem „Nachschlag zum Kichern“ – wie Gärtner
erklärt – und den „Prunkstücken“ der ausgestellten Fleißbildchen folgt ein
„Postscriptum“, ein Personen- und Sach-Register. Aus der abschließenden
Dankadresse wird noch einmal das weit reichende Netzwerk deutlich, das der
Autor für seine Monographie verwendet hat.
Im gesamten Buch, in allen Abschnitten erkennt man die
Souveränität des Autors, man spürt den begeisterten Pädagogen, der in Theorie
und Praxis mit der Ausbildung von Lehrern zu tun hatte, und den Sammler, der
noch immer nach Neuigkeiten sucht und sie gelegentlich auch findet. Und man
erfährt, dass die Geschichte schulischer Belohnungen weit zurückführt und
selbstverständlich auch durch politische Entwicklungen beeinflusst worden war.
Über 180 Abbildungen – viele davon sind auch in der Ausstellung zu sehen – und
eingestreute „Sammler-Erlebnisse“ lassen keine Langeweile aufkommen.
Konzentriertes Lesen ist allerdings bei einigen längeren Satzperioden
notwendig. Die zahlreichen biografischen Hinweise dürften für jeden Sammler der
kleinen Bilder von Interesse sein. Bildunterschriften, Zitate und Anmerkungen
entsprechen zuverlässig wissenschaftlichen Ansprüchen und ermöglichen sogar vertieftes
Weiterforschen. Dieses Buch wird nach Überzeugung des Rezensenten jeden
Grafiksammler, jeden Lehrer und vor allem alle ehemalige und heutige „brave
Kinder“ erfreuen.
Hans Neueder, StD i.R. und Kreisheimatpfleger des LK
Straubing-Bogen
Gärtner, Hans: Dem braven Kind. Fleißbildchen. Ein fast
vergessenes Stück Schulkultur, POPPE-Verlag, Windberg 2014, ISBN
978-3-932931-84-0, 210 Seiten.
Preis: 12,90 €. Das Buch ist während der Ausstellungszeiten
(Samstag, Sonn- und Feiertag von 13 bis 17.30 Uhr), im Klosterladen Windberg
(Montag-Samstag 10-12 und 13-17.30 Uhr) und im Buchhandel zu erwerben.
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