Im Interview – der Geschäftsführer von ASTRA Deutschland, Wolfgang Elsäßer
Um zu Hause überhaupt Fernsehen zu können bedarf es ja nicht nur der Programmacher und der Sendeanstalten, die für den Content verantwortlich sind, sondern auch jemand, der für die Übertragung verantwortlich ist. Dafür sorgt Astra mit seinen Satelliten.
von Wolfgang Elsäßer
25 Jahre Astra, „herzlichen Glückwunsch“ in der
Retrospektive: Wie mühsam war der Weg zum Satelliten-Fernsehen, wo lagen die
größten Hürden?
Wenn man ein Unternehmen
gründet und gegen staatlich finanzierte Konkurrenz antritt, kannman das wohl getrost als Hürde bezeichnen. Mit
TV Sat gab es inDeutschland bereits einen
Satelliten für TV-Übertragungen, der wurde von der damaligen Deutschen
Bundespost betrieben. Der transportierte aber gerade mal vier Programme. Dann kam Astra ¬–
mit einem innovativen Konzept, viel unternehmerischem Mut und einem starken
Kundenfokus. Das erste große operative Highlight der jungen Firma war sicher
der erfolgreiche Launch von Astra 1A im Jahr 1988. Das war gleich ein
Paukenschlag im Markt. Natürlich braucht man gerade am Anfang auch eine Portion
Glück für den notwendigen Rückenwind. Bei uns war das ohne Zweifel, dass Astra
1A seine Sonnensegel ausklappte und – funktionierte! Relativ schnell haben wir
die wichtigen Sender auf diesem Transponderbekommen,RTL, Pro Sieben
beispielsweise, so dass wir mit diesem attraktiven Angebot viele Haushalte
erreichen konnten. Historisch gesehen war sicher auch der Fall der Berliner
Mauer ein Meilenstein. Neben dem Start von Astra im englischen Markt, mit
Rupert Murdoch, haben wir nämlich durch die Wiedervereinigung bei der
Erschließung des deutschen Markts gleich einen Quantensprung gemacht. Die Leute
waren hungrig nach Satellitenempfang.
Wer transportiert die Satelliten? Werden die von den
Amerikanern hochgeschossen?
Erst seit kurzem. Wir
haben bis dato den Ariane Weltraumbahnhof in Kourou, Französisch Guyana, und
den für Protonraketen in Baikonur, Kasachstan, benutzt. Dann kam Elon Musk, der
Gründer von PayPal und Tesla mit seiner neuen Firma Space X. Die wirbelt gerade
gehörig die Branche durcheinander, weil Musk Satelliten von Cape Canaveral aus
viel günstiger ins All bringt. Ende 2013 waren wir die ersten, die mit einer
Falcon-Rakete von Space X einen TV-Satelliten in eine geostationäre Umlaufbahn
gebracht haben. Das heißt, die Satelliten stehen in rund 36.000 Kilometer Höhe
quasi stationär über ihrer Ausleuchtzone auf der Erde. Sonst müsste man täglich
morgens die Schüssel anders drehen als abends.
Wie viele Programme werden über Astra ausgestrahlt?
Unsere
Muttergesellschaft SES ist mittlerweile der größte Satellitenbetreiber der Erde.
Wir haben über 50 Satelliten und können damit technisch gesehen 99% der
Landfläche der Erde abdecken. Insgesamt überträgt SES weltweit über 6.200 Fernsehprogramme.
In Europa sind es ca. 900 über Astra 19,2 Ost, davon 300 deutschsprachige
Sender und von denen werden wiederum ca. 90 in HDTV, also hochauflösender Qualität,
ausgestrahlt.
Wie viele Satelliten braucht man dafür, reicht nicht einer?
Nein, für die
Übertragung der vielen Sender kämen wir mit nur einem Satelliten nicht weit.
Deswegen haben wir auf 19,2 Grad Ost, das ist die Position auf die alle
Satellitenschüsseln Deutschlands ausgerichtet sind, vier Satelliten co-positioniert. Damit haben
wir ausreichend Bandbreite für die Übertragung und einen Sicherheitspuffer.
Stellen Sie sich einmal vor, während dem WM-Finale fällt plötzlich das Bild aus
und es gibt keinen Plan B. Insgesamt haben wir eine Sendesicherheit von über 99,9
Prozent, das ist schon sehr hoch. Also rein rechnerisch fallen wir vielleicht ein
paar Sekunden übers Jahr aus, aber das merkt der Zuschauer nicht.
Wie lange hält ein Satellit?
Die durchschnittliche
Lebensdauer beträgt 14-15 Jahre. Ein Satellit, auch wenn er weit von der Erde
entfernt ist, unterliegt in der Schwerelosigkeit immer noch bestimmten physikalischen
Einwirkungen wie Erdanziehungskraft oder auch durch Sonnenwinde. Ein Satellit
wird permanent gesteuert, damit er in seiner Position bleibt und sich nicht
wegdreht. Dafür hat er Treibstofftanks an Board. Diese sind irgendwann leer,
wenn man genügend Manöver geflogen hat. Dann werden die Satelliten mit dem
letzten Rest auf eine etwas höhere Position verbracht, quasi eine Art Ruhestätte.
Der Weltraumschrott, über den immer wieder berichtet wird, der entsteht aber viel
erdnaher. Besonders betroffen ist die Höhe von 800 Kilometern, das ist die
bevorzugte Flugbahn der Aufklärungssatelliten. Die internationale Raumstation ISS
fliegt zwischen 350 und 400 Kilometern, aber auch die musste schon mehrmals
Objekten ausweichen, die größer als ein Zentimeter sind.
Was kostet es an Vorleistungen, damit ein Satellit ins All
startet?
Das ganze Thema ist
generell ziemlich aufwendig, allein für den Bau des Satelliten kann man bis zu
drei Jahre veranschlagen. Auch der Transport ins All ist ein technologischer
höchst anspruchsvoller Prozess. Insgesamt kommt für den Launch eines neuen
Astra Satelliten inklusive Bau, Raketenstart und Versicherung ein Betrag im dreistelligen
Millionen-Euro-Bereich zusammen.
Wie kann man sich ganz konkret das Zusammenspiel zwischen
Satelliten einerseits und dem ausgestrahlten Programmen andererseits
vorstellen?
Die Sendesignale der Fernsehsender
gehen über so genannte Uplink-Stationen hoch zu den Astra-Satelliten. Die
Kollegen bei SES in Luxemburg haben eine, bei uns in München-Unterföhring steht
ebenfalls eine Satellitenbodenstation. Die wird zum Beispiel von Sky
Deutschland genutzt, Fernsehsender wie die ARD betreiben ihre eigenen Uplinks.
Kommt das Signal oben beim Satelliten an, macht der eigentlich nichts anderes
als das Signal zu verstärken und über einem gewissen Gebiet wieder abzustrahlen
– aus dem Richtstrahl 36.000 Kilometer nach oben wird quasi eine TV-Dusche aus
36.000 Kilometer Höhe nach unten. So dauert beispielsweise die Ausstrahlung der
Tagesschau vom Sender bis zum Satellitenreceiver zu Hause nicht einmal eine
Sekunde. In weiten Teilen Zentraleuropas kann man das Signal mit einer 60cm
Antenne empfangen.
18 Millionen TV-Haushalte nutzen derzeit
Satelliten-Fernsehen in Deutschland. Sind Sie mit diesen Zahlen zufrieden?
Ja und nein. Vor 10
Jahren gab es erst 14 Millionen Sat-Haushalte, gerade in den letzten 3 Jahren
konnten wir signifikant zulegen. 18 Millionen sind für uns schon ein toller
Erfolg. Aber wir wollen natürlich weiter zulegen und mittelfristig die Marke
von 20 Millionen knacken. Ich glaube hierfür sind wir ganz gut aufgestellt, wir
bieten dem Zuschauer maximale Fernsehfreiheit in bester Qualität zu den
geringsten Kosten. Bei uns bezahlen Sie keine monatlichen Gebühren, beim Kabelfernsehen sind Sie mit 20 Euro im Monat dabei.
Und Sie bekommen noch die Hardware vorgeschrieben, bei uns können Sie
jeden Fernseher und Receiver verwenden, den Sie möchten. Außerdem bekommen Sie
bei Astra 30 HD-Sender frei Haus – und wenn Sie HD+ oder Sky dazu buchen
wollen, bekommen Sie auch wirklich das komplette TV-Angebot. Auf den Punkt kann
man das vielleicht mit „Mehr, besser, günstiger – und fairer“ bringen. Unser
Angebot gibt es so weder im Kabel, noch beim Internetfernsehen, und schon gar
nicht über DVB-T. Satellitenfernsehen ist klar das qualitativ bessere Fernsehen.
Nicht nur Privatkunden, auch die Wohnungswirtschaft
interessiert sich sehr stark für das Thema Satellitenempfang, weil man
mittlerweile mit der Glasfasertechnik über eine Satellitenschüssel in neuen wie
bestehenden Wohnanlagen tausende Haushalte ohne Qualitätsverlust versorgen
kann.
Das digitale Fernsehen hat in relativ kurzer
Zeit einen Siegeszug angetreten, aber auch das Fernsehen im Internet wird immer
beliebter. Nach wie vor verbringen die Deutschen die meiste Zeit noch vor dem
Fernsehen, doch in absehbarer Zeit könnte sich das durch das Internetfernsehen
vielleicht ändern. Sehen Sie hier eine Gefahr, dass immer mehr Kunden ins
Internet abwandern, ist IPTV im Kommen?
Ich glaube, die Fernsehgewohnheiten
der Menschen werden sich sukzessive ändern, aber wir reden hier über eine
Evolution, keine Revolution. Dass kann am besten bei sich selbst bemerken. Entspannung,
Abschalten, Live-Events, Spitzensport – das sind nur einige Beispiele für die
Stärken des linearen Fernsehens. Die werden auch Bestand haben. Für die
nicht-linearen Inhalte eignet sich dagegen das Internet. Aber genauso, wie das
gute alte laufende TV-Programm jetzt auch abseits der Fernseher auf Tablets
oder Smartphones konsumiert wird, gilt das umgekehrt für non-lineare Inhalte.
Auch Inhalte auf Abruf werden auf dem großen Bildschirm geschaut. Für das Thema
hybrides Fernsehen gibt es einen Standard, genannt „Hybrid Broadcasting
Broadband TV“, abgekürzt HbbTV. Fast alle Fernseher, die sie heute kaufen
können, sind damit ausgerüstet. Diesen Standard haben wir gemeinsam mit der
Industrie ins Leben gerufen, damit der Endkunde zwischen der linearen und
nicht-linearen Welt hin und her schalten kann – und zum Beispiel zusätzlich zum
laufenden Programm die Mediatheken der Sender abrufen kann. Unsere Schwester HD
PLUS bietet zum Beispiel den Zugriff auf die Mediatheken privater Sender mit
dem Service HD+ Replay. Kurz: Das Internet sehe ich nicht als Bedrohung,
sondern als Chance. Wir glauben, dass sich die Nutzung von bewegten Bildern nicht
dramatisch vom Satelliten ins Internet verlagert. Es wird eine Co-Existenz
geben, und da sehen wir unsere Chance, neue Geschäftsmodelle für Fernsehsender
anzubieten.
Herr Elsäßer, Sie kritisieren, dass „Millionen von
deutschen TV-Haushalten[…] ohne Not die Möglichkeiten ihres modernen
HD-Flachbildschirmes, teils aus Unwissenheit, möglicherweise auch aus
unbegründeter Sorge vor Technik oder Kosten“, erschenken. Was kann man Ihrer
Meinung nach daran ändern?
Von den 18 Millionen
Satelliten-Haushalten nutzt tatsächlich erst etwas mehr als die Hälfte HD. Die
andere Hälfte war während der Fußballweltmeisterschaft wahrscheinlich beim
Public Viewing. Wenn man so ein Spektakel nicht in HD genießt, ist das aus
meiner Sicht – vorsichtig formuliert – eine verpasste Chance. Wir werben seit
Jahren dafür, bei einer Neuanschaffung oder Ersatzkäufen gleich in HD-Equipment
zu investieren, um das Potenzial moderner Flachbildschirme auch wirklich zu
nutzen. Durch die WM hat es hier einen ordentlichen Schub gegeben und ich
hoffe, dass sich die positive Entwicklung fortsetzt.
Wo ist man da im Preissegment?
Receiver gibt es heute
von einfachem 30-Euro-Modell bis hin zum Spitzenreceiver um die 500 Euro mit
allen Schikanen inklusiver großer Festplatte. Dabei sind die Preisunterschiede
zwischen einem SD und einem HD Receiver marginal, oft sind das keine 10 Euro
mehr. Am besten sollte man sich einen HD+ Receiver kaufen. Mit dem kann man
nicht nur die Privatsender, sondern auch alle über Astra frei empfangbaren
HD-Sender sehen. Zukunftssicher sind auch
Sky Receiver, mir denen kann man alle Programme empfangen.
Fernsehen noch intensiver erleben – mit Ultra-HD
ist das bereits möglich. Was verbessert sich durch die neue Technik für den
Zuschauer, was ist an weiteren qualitativen Veränderungen geplant?
Grundsätzlich ist bei
der Einführung von neuen Technologien wichtig, dass es eine Standardisierung der
Produkte gibt. Dann haben Hersteller und Kunden Investitionssicherheit und es entsteht
ein Markt für neue Geräte - und damit technische Reichweite. Dann können die
Sender entsprechende Angebote in den Markt bringen. Wir haben dies sehr
erfolgreich von analog zu digital und von Standard Digital (SD) zu HDTV
gemanagt. Das hat einige Jahre gedauert und ähnlich wird das beim neuen Thema
Ultra HD verlaufen. Ultra HD bietet eine viermal höhere Auflösung als HD, das
ist quasi wie aus dem Fenster schauen. Die Leute kaufen sich immer größere Bildschirme,
und wenn man relativ nahe davor sitzt, sieht man auf einem HD Bild Pixel. Das ist
bei Ultra HD nicht der Fall. Perspektivisch werden wir weitere Verbesserungen bekommen,
etwas bei der Farbdarstellung oder durch erheblich bessere Kontrastwerte. Das
Thema Ultra HD wird von der gesamten Branche nachhaltig und mit Weitblick
entwickelt. Deswegen bin ich zuversichtlich, dass Ultra HD über kurz oder lang
HD als Standard ablösen wird.
Was wünschen Sie sich für Astra für die nächsten 10 Jahre?
Wir wünschen uns, dass
es bald möglichst viele Ultra HD Programme gibt. Von Sky, von den privaten,
aber auch den öffentlich rechtlich Sendern. Und dass wir weiter unsere Reichweite
steigern und unseren Kollegen vom Kabel und der terrestrischen Verbreitung noch
ein paar Haushalte abluchsen können.
Das Interview führte Dr. Dr. Stefan Groß
Wolfgang Elsäßer, (c) Astra Deutschland
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