Die Marquise Luisa Casati-Stampa - Unkonventionelle Ikone der Moderne Ausstellung in Palazzo Fortuny /Venedig
von Anna Zanco-Prestel

Bis zum
8.März 2015
präsentiert Museo Fortuny die erste Luisa Casati Stampa ganz gewidmete
Ausstellung. „Zerstörerin der Mittelmäßigkeit“ nannte Gabriele D'Annunzio die
exzentrische Marquise, die Dichter und Künstler ihrer bewegten Zeit zwischen
Bèlle Epoque und I. Weltkrieg inspirierte.
Beinah jeder kunstinteressierte Venedig-Besucher kennt Palazzo Venier dei
Leoni, den „unvollendeten Palast“ aus Pietra d'Istria, der die Linie der
prächtigen Bauten zwischen Accademia e Punta della Salute sanft unterbricht.
Dort befindet sich die berühmte Peggy Guggenheim Collection, deren Präsenzin
Venedig im Laufe der Jahrzehnte viel zur Internationalisierung der
Stadtbeigetragen hat. 1951 wurde das Bauwerk von der amerikanischen
Kunstmäzenin Peggy Guggenheim erworben, die 30 Jahre darin wohnte und zum Dreh-
und Angelpunkt der zeitgenössischen Weltkunstszene aufsteigen ließ.
Kaum jemandem dürfte es aber heute noch bekannt sein, dass Peggy Guggenheim
eine berühmte Vorgängerin hatte, die Anfang des XX. Jahrhunderts– und wie sie
selbst in späteren Jahren – eine wichtige Rolle innerhalb der venezianischen
Gesellschaft, insbesondere auf kulturellem Gebiet spielte. Der exzentrischen
Luisa Adele Rosa Maria Amman und späteren Marchesa Luisa Casati Stampa, widmet
Museo Fortuny bis zum 8. März eine mit etwa 100 Werken – darunter Gemälde,
Skulpturen, Fotos – bestückte Ausstellung, die die unterschiedlichen Facetten
ihrer schillernden Persönlichkeit beleuchtet. Wie andere berühmten „Zuzügler“,
die Venedig von Zeit zu Zeit aus seiner Letargie wachrüttelten, kam die
gebürtige Mailänderin immer öfter in die Lagunenstadt, nachdem sie das
beachtliche Vermögen des erfolgreichen Baumwollindustriellen österreichischer
Herkunft Alberto Amman geerbt und im Jahre 1900 den Marchese Camillo Casati Stampa
di Soncino geheiratet hatte. Drei Jahre später lernte sie bei einer Jagdpartie
den ebenso exzentrischen Dichter-Soldaten Gabriele D'Annunzio kennen: Mit ihm
teilte sie die Vorliebe für die schönen Künste, den Kult der Antike sowie das
Interesse für den Okkultismus und die Esoterik. Zu jener Zeit veränderte sie
ihren Look, umrandete ihre dunklen Augen mit kräftig-schwarzen, graphischen
Lidstrichen und erweiterte ihre Pupillen mit Belladonna-Tropfen. Sie färbte
grell rot Lippen und das kurz geschnittene Haar und begann, ein turbulentes
Dasein zwischen ihren luxuriösen Residenzen in Rom, Paris und Venedig zu
führen. In Venedig mietete sie 1910 Palazzo Venier dei Leoni, wo sie rauschende
Feste in einer phantasmagorischen Atmosphäre organisierte, die sie europaweit
berühmt machten. Bei einem dieser Anlässe empfing sie ihre Gäste sitzend auf
einem goldenen Thron, ein Tiger, den sie extra aus dem römischen Zoo kommen
ließ, an ihren Füßen liegend. Ihr „theatralisches“ Auftreten mal als „Harlekin“
, mal als „Sonne“, als „Cesare Borgia“ oder als „Indianer-Häuptling“ verkleidet
in u.a. von Léon Bakst oder Erté entworfenen Kostümen lockte Poeten und
Literaten – vom bereits erwähnten Gabriele D'Annunzio und dem Symbolisten
Robert de Montesquiou, der ihr drei Sonetten widmete, bis hin zu Tennessee
Williams, der sie in seinem Werk
Man Bring This Up Road verewigte. Zu
ihrem Kreis gehörten auch Mitglieder des „Russischen Ballets“ wie die
legendären Diagilev und Nijinskij. Sie inspirierte bekannte Maler der Zeit von
Boldini und de Blaas bis hin zu Epstein, Alberto Martini und den Photographen
Man Ray, und saß für sie Modell. Die unzähligen von ihr angefertigten Portraits
wurden u.a. bei der Kunstb
iennale vonVenedig ausgestellt und erschienen in weltbekannten Magazinen wie
Vanity
Fair oder
Vogue. Als dekadente „Dark Lady“ gehuldigt, wurde sie zur
Ikone ihrer Epoche und übte einen nachhaltigen Einfluss auf die
unterschiedlichen Kunstströmungen, vom Fauvismus und Surrealismus bis hin zum
Dadaismus. In die Geschichte ist sie nicht zuletzt als Muse und Mäzenin der
„Futuristen“ eingegangen, deren Tätigkeit etwa zwischen 1915 und 1920 mit ihrer
eigenen Lebensgeschichte verflochten ist. Die häufigen Begegnungen mit
Marinetti, Balla, Carrà oder Depero finden Niederschlag in deren Werken. In
ihrem Streben, sich selbst in ein lebendes Kunstwerk zu verwandeln,
verschwendete sie allerdings alles, was sie besaß: für Kleidung, Juwelen,
mondäne Empfänge und Ankäufe für ihre Kunstsammlung. Den Lebensabend verbrachte
sie völlig verarmt und in Vergessenheit geraten in London, wo sie 1957 starb.
Kuratiert wurde die Schau von
Daniela Ferretti, die das von ihr geleitete Museo Fortuny für den kongenialen
Ort hielt, die Marquise als „verlorenes Symbol einer unwiederbringlichen
Epoche“ mit einer Schau zu würdigen.
Sorgfältig rekonstruiert wird
ihre außerordentliche Geschichte in dem Band „Die göttliche Marquise. Kunst und
Leben von Luisa Casati von der Belle Époque bis zu den wilden Jahren“ (24 Ore
Cultura).
In verschiedenen Texten wird auf
das besondere Verhältnis dieser hochmodernen „Performer“ zu den Künsten, zur
Fotografie und Mode eingegangen. Ergänzt werden sie von Zeitungsartikeln,
Kunstreproduktionen, Fotos von Kleidern, Kostümen und Juwelen, die ein breit
gefächertes Bild ihrer rastlosen Existenz und ihrer Zeit vermitteln.
www.mostracasati.it
www.fortunyvisitmuve.it
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