Erschienen in Ausgabe: No 107 (01/2015) | Letzte Änderung: 19.01.15 |
von Hans Gärtner
„Wie
eine Ro-ho-ho-ho-senkno-ho-ho-spe im Maienlicht erglüht …“ Holla, wo sind wir
denn? Im siebten Operettenhimmel. Und im NTM, jeder Buchstabe unterstrichen:
Nationaltheater Mannheim. Reihe 11, Platz 14. Mittiger geht’s nicht. Vorn die
breite Bühne des äußerlich wenig einladenden neuen Opernhauses, in welchem die
Zeitschrift „Opernwelt“ den „Chor des Jahres“ pries. Gerade dieser agiert
jetzt, 3. Akt „Die lustige Witwe“, mit Verve und Eleganz, mit Esprit und
Spiellust. Bringt mit Ballett-reifem Grisetten-Kauderwelsch und schmissigen
Cancans, Glitzerrot und Flittergold vom Ausstatter Dirk Becker im Hintergrund, die
Premiere des Samstags vor dem 3. Advent unter zunehmendem Applaus des höchst
amüsierten Publikums zum glanzvollen Ende.
Wem
gilt die einhellige Zustimmung? Freilich zuerst den Akteuren. Den Sängerinnen
und Sängern, die sich mit Haut und Haar einer den Opern-Rahmen sprengenden
Produktion verschrieben haben, die sich mal nicht abmüht, irgendwelche
Gegenwarts-Parallelen zur finanzkriselnden oder sonst wie gebeutelten Gegenwart
aus dem Stoff des ach, total bankrotten Pontevedriner-Ländchens, von dem
Meilhacs Geschichte um die reiche/arme Witwe Hanna Glaweri, die mit ihren
Millionen die Reputation der Pontevedriner wiederherstellen soll, erzählt, zu
ziehen. Die Bravos gelten den wienerisch gestimmten Musikern unter Joseph
Traftons sanfter Stabführung, die schaumig warm und zuckersüß „Lippen
schweigen“ und Geigen singen und von „der Liebe Allgewalt“ säuseln lässt, dass
es einem das Herz aufreißt. Endlich träufelt mal Franz Lehàrs zähflüssiger
Sirup der Belle Epoche nur so vom Löffel, dass es einem schon graut vor dem
Nieselregen draußen, der, wie die ganze Chose loser, lockerer
Operettenseligkeit, so gar nicht passen mag in die Vorweihnachtstage an Rhein
und Neckar.
Wer
hatte denn zu diesem blitzgescheiten, unterhaltsamen Abend die Idee? Wer war da
am Werk, um dem Werk die ihm zustehende Treue angedeihen zu lassen? Der Name:
Renato Zanella. Kraushaar in Lederjacke. Sympathischer Italo-Deutscher. Eine,
zwei Reihen rückwärts, mit Gattin, im Premierenpublikum platziert. Von Hause
aus Tänzer. Dann Choreograph. An der Wiener Staatsoper glänzende Erfolge
gehabt. Jetzt in Mannheim. Aber weder als Tänzer noch als Choreograph. Sondern
als Regisseur. Seine erste Operette. Er inszenierte mit Geschmack und einer rückhaltlos
zugegebenen Neigung zum Entertainment. Zanella kam ohne Parallelen zum Status
Quo aus, Finanzkrise und so. Beließ alles, wie es der großartige Franz Lehàr,
der Könner und Kenner, vertonte, wunderbar sinnenfreudig, ein bisserl Wiener
Schmäh druntergemixt, kalauerisch durchsetzt, gewürzt mit böhmakelnder Komik
und einem Schuss Selbstironie.
Die
Premiere gelang mit Könnern wie Astrid Kessler als attraktiver,
hingebungsvoller Hanna Glawari, Raymond
Ayers als Don Juan-eskem Danilo, dem Wagner-erprobten Bariton Thomas Jesatko als Zeta, Vera-Lotte Böcker als
Valencienne, Andreas Hermann als Rosillon und einem Njegus, der sich in Gestalt
des umwerfenden Uwe Schönbeck als Erzkomödiant ganz gern in den Vordergrund
spielte. Seine etwas zu ausgedehnten „Einlagen“, die leider zu oft pure
altbackene Operngestik abbildende Titelheldin und ein paar allzu aufdringliche
Langatmigkeiten in der ganzen „G`schicht“ sind aber auch schon alles, was
diesen Operettenabend eintrüben könnte. „Die Leute müssen träumen“ dürfen,
meinte der wagemutige Renato Zanella im Vorfeld seines Mannheimer Operetten-Erstlings,
„sie müssen die Romantik, die in diesen Stücken steckt, wieder schmecken, sie sollen
wieder ein Happy End erleben dürfen.“ Wie erlösend, diese Botschaft. Wiederholt
zu Silvester mit anschließender Party, dann erst wieder am 18. und 31. Januar.
>> Kommentar zu diesem Artikel schreiben. <<
Um diesen Artikel zu kommentieren, melden Sie sich bitte hier an.