Erschienen in Ausgabe: No 108 (02/2015) | Letzte Änderung: 02.02.15 |
von Hans Gärtner
„Blauer
Reiter“-Expertin Annegret Hobart ist genau: „Viereinhalb Jahre währte die
Freundschaft von August Macke und Franz Marc“, von 1910 bis 1914. Kriegsbedingt
war sie von kurzer Dauer. Zu Weltkriegsbeginn 1914 starb Macke, zwei Jahre
darauf fiel Marc in Frankreich. Ihre ersten Begegnungen, jeweils mit den
Gattinnen Elisabeth und Maria, im oberbayerischen Sindelsdorf, am Tegernsee und
in Bonn eröffnen die große Schau im Kunstbau des Lenbachhauses mit rund 200 aus
der ganzen Welt zusammengeholten Bildern, Dokumenten und Raritäten. Sie führt
weiter über die farbtheoretischen Diskussionen der beiden Malerfreunde, die das
20. Jahrhundert künstlerisch entscheidend mitprägten und endet – nach diversen
Abschweifungen auf Nebengleise, die aber historisch keineswegs von geringer
Bedeutung sind – mit der Arbeit für den „Blauen Reiter“.
Man
mochte einander sehr und malte sich gegenseitig, August seinen Spezi Franz in
Kohle auf Papier mit der Palette vor der Staffelei. Franz seinen
Gleichgesinnten und Ebenbürtigen – und
immer wieder seine Ehefrau Elisabeth, mal dem Waltherchen ein Buch voresend,
mal mit einer Schüssel voll bunter Äpfel. Jungspunde waren sie, ungestüm und
bereit, voneinander zu lernen, als ihre großartige, in der Riesen-Ausstellung im
Mittelpunkt stehende Männerbeziehung vielversprechend reifte, der eine 23, der
andere noch keine 30 Jahre. Obwohl es Parallelen im Werk der beiden gibt, sind
die Ziele doch verschieden. 1912 malten sie, das ist bemerkenswert und
ausgefallen, gemeinsam ein vier Meter hohes, zwei Meter breites Gemälde auf den
trockenen Kalk: „Das Paradies“. Vor Jahren schon von der Wand abgenommen, ist
dieses Hochformat von seinem jetzigen Standort (Landesmuseum Münster i. W.),
nicht wegzukriegen. München musste sich mit einer Farbfoto-Wiedergabe begnügen.
Das
Vereinende und das Trennende, das vom jeweils anderen Inspirierte und das dann
doch wieder Eigenständige und Unverwechselbare der beiden großen Avantgardisten
im Aufbruch zum 20. Jahrhundert rund um Kandinsky, Jawlensky, Gabriele Münter
und Paul Klee wird in der fast zu reich bestückten Schau immer wieder deutlich.
Reizvoll das Kinderbild mit dem Namen „Blaues Pferdchen“, von Franz Marc Mackes
„Waltherchen“ gewidmet. Niedlich: ein bunt bemaltes Trinkglas oder naive
Hinterglastäfelchen, staunenswert und womöglich für viele Besucher ein
Aha-Erlebnis: die 36 brav nebeneinander in einer Vitrine ausliegenden postkartengroßen
Bleistift-Zeichnungen in Marcs „Skizzenbuch aus dem Felde“ von 1915. Berührend:
Marcs später, im handschriftlichen Original gezeigter wehmütiger Nachruf auf
den frühen Tod des Freundes am 26. September 1914 bei Perthes-les-Horlus mit
dem bezeichnenden Satz: „Die Kunst ist blasser geworden …“
Der
Dreikönigstag des Jahres 1910, noch keine fünf Jahre zurückgelegen, ist der
denkwürdigste Termin im Leben der späteren Freunde August Macke und Franz Marc.
Damals besuchte Macke Marc zum ersten Mal in seinem Münchner Atelier. 95 Jahre
ist das nun schon her.
Die
enge Zusammenarbeit von Lenbachhaus München und Kunstmuseum Bonn hat sich für
diese populäre wie wissenschaftlich gut begleitete Ausstellung gelohnt: dicker Katalog,
guter kleiner Film, jeden Tag fünf öffentliche Führungen, tägliche
Öffnungszeiten (außer Montag immer von 10 bis 21 Uhr), ausgeklügeltes
Zeitmanagement, nicht weniger als 500 zusätzliche Garderobenplätze, direkte
U-Bahn-Anbindung (Königsplatz) inklusive, Dauer: ein gutes Vierteljahr (bis 3.
Mai). Dann also Prost auf eine ungewöhnliche Künstlerfreundschaft vor rund
hundert Jahren. Was brauchen wir in dieser feindseligen Zeit denn nötiger als
leuchtende Beispiele gegenseitiger Achtung und Zuneigung?
Franz Marc
August Macke
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