Erschienen in Ausgabe: No. 36 (2/2009) | Letzte Änderung: 22.03.09 |
Professor Dr. Dr. hc. Hermann Lübbe zählt zu den einflußreichsten Philosophen in der Bundesrepublik. Zuletzt sind von ihm folgende Bücher erschienen: Vom Parteigenossen zum Bundesbürger. Über beschwiegene und historisierte Vergangenheiten. München, 2007; Die Zivilisationsökumene. Globalisierung kulturell, technisch und politisch. München, 2005; Religion nach der Aufklärung. München, 2004; Modernisierungsgewinner. Religion, Geschichtssinn, Direkte Demokratie und Moral. München, 2004.
von Hermann Lübbe
Nie war eine Gegenwart
vergangenheitsinteressierter als unsere eigene. Je moderner wir
leben, umso ausgreifender entwickeln sich kulturell Tendenzen der
Selbsthistorisierung. Exemplarisch heisst das: Die Zeitabstände
zwischen den Feiern zur Erinnerung an ein- und dasselbe Ereignis
verkürzen sich. Universitätsjubiläen des grossen Stils, zwischen
denen früher viele Jahrzehnte liegen durften, werden heute bereits
nach Ablauf von zwei Lustren abermals fällig1.
Auch für das Gymnasium
Ulricianum, die Schule Rudolf Euckens zu Aurich in Ostfriesland, gilt
das: Es versteht sich von selbst, dass diese regional berühmte
Anstalt im Jahre 1996 ihrer Gründung 350 Jahre zuvor in einer langen
Reihe von Veranstaltungen feiernd gedachte und in einer Festschrift
überdies ihre Geschichte vorstellte2.
Fünfzig Jahre zuvor hatte man sich natürlich auch schon,
unbeschadet der Notlagen ein Jahr nach der Katastrophe des Zweiten
Weltkriegs, zu einer würdigen Feier versammelt3.
Neu ist, dass inzwischen sogar die rundzahlige Wiederkehr des Datums
der Verleihung des Nobelpreises an einen Schüler des Gymnasiums als
Anlass für eine Erinnerungsveranstaltung ausreicht. In der immerhin
sechseitigen Überblicks-Chronologie, die der 1996er Festschrift
vorangestellt war, hatte man angemessener Weise die „Gründung des
Schülerrudervereins ‚Argo’“ im Jahre 1905 notiert oder auch
die Aufnahme der ersten Mädchen in die „Sexta“ im Jahre 1923.
Rudolf Euckens Nobel-Ehrung 1908 hingegen blieb unerwähnt – wie
denn auch im Übrigen die Festschrift diskreterweise vermied, die
Namen ihrer Schüler ausdrücklich zu nennen, die durch herausragende
Lebensleistungen bekannt geworden sind.
Nobelpreisverleihungen
werden gefeiert, seit es sie gibt, also seit 1901. Neu also ist, dass
jetzt auch Erinnerungen an diese Preisverleihungen als Feieranlässe
gelten. Darauf stellt man sich 2008 nicht nur in Aurich ein. Im
Leibniz-Saal der Berlin-Brandenburgischen Akademie der
Wissenschaften, zum Beispiel, ehrt man am 12. Dezember Paul Ehrlich
und Elie Metchnikoff. Das Department of Immunology des
Max-Planck-Insitute for Infection Biology zu Berlin richtet eine
Konferenz zur Vergegenwärtigung der wissenschaftshistorischen
Leistung der beiden genannten Nobelpreisträger des Jahres 1908 aus4.
Der Bekanntheitsgrad des Nobelpreises selbst ist heute ungleich
grösser als der Bekanntheitsgrad vieler seiner Träger. Das erlaubt
es, Veranstaltungen zur Erinnerung an Nobelpreisverleihungen für die
Neuvergegenwärtigung der Leistungen von Persönlichkeiten zu nutzen,
die im öffentlichen Gedächtnis kaum noch präsent sind. Eben das
gilt auch für Rudolf Eucken.
Es ist ein
Charakteristikum totalitärer Systeme, dass sie ihre Hand möglichst
auf alles Bedeutende legen, sofern es nicht als ideologisch
„untragbar“ zu verfemen und auszusondern war. Zwingende Gründe,
die Werke Rudolf Euckens in den Giftschrank zu tun, hatte die
nationalsozialistische Kulturzensur nicht. Das Bild Rudolf Euckens in
der deutschen Öffentlichkeit verblasste in den dreissiger Jahren
kraft Desinteresses. Befragt, wer denn unter den jüngeren
Philosophen gegenwärtig der wichtigste sei, hätten wir als Schüler
damals am ehesten Nietzsche genannt. Im Schülerverein „Amicitia“,
der literarische Interessen kultivierte, wurde die Philosophie sonst
kaum beachtet, wohl aber in mehreren Vorträgen die Lehre Nietzsches,
und von der Redeweise der „Umwertung aller Werte“, die ja damals
auch in der politischen Realität eine Entsprechung hatte, fand ich
mich, fünzehnjährig, beeindruckt. Sprüche dieser extremen Art sind
also bei Nietzsche, nicht aber bei Eucken zu finden. Dazu will
passen, dass im Schulunterricht von Rudolf Eucken nach meiner
Erinnerung nicht die Rede war. In der Aula hing immerhin ein
Eucken-Protrait. Aber die Bekanntmachung damit fand beiläufig auf
Nachfrage statt, und auch auf dem Stützgebälk des Tonnengewölbes
der Aula, das mit kanonischen Sinnsprüchen europäischer Tradition
beschriftet war, fand sich ein Eucken-Zitat nicht, wohl aber ein
Ungemeinspruch Nietzsches.
In diesen Nachrang hinter
Nietzsche befand sich Eucken also schon vor dem Ersten Weltkrieg in
seiner eigenen Schule versetzt, so dass das Desinteresse, dem seine
Philosophie in den dreissiger und vierziger Jahren anheim fiel, als
solches nicht einmal auffiel. Hätte man während der Diktatur der
Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei Eucken explizit und
öffentlichkeitswirksam ideologiepolitisch abgeurteilt, so hätte
allein das schon in der zweiten deutschen Demokratie, spätestens in
den fünfziger Jahren, eine Neuvergegenwärtigung seines Lebenswerkes
bewirken müssen. Stattdessen verblieb Eucken fortdauernd im Schatten
des Publikumsinteresses. Sogar noch gelegentliche Eucken-Artikel in
der ostfriesischen Presse belegen das. „Weltweit in Vergessenheit
geraten“ – so titelte ein sehr guter „Beitrag zur
Wirkungsgeschichte“ der Philosophie Euckens aus der Feder von Jens
Aden in den Ostfriesischen Nachrichten5.
Als Kuriosum passt dazu der Bericht über eine Sitzung des Auricher
Schul- und Kulturausschusses im Sommer des Jahre 1991, in der ein
Antrag auf Errichtung eines Denkmals für Rudolf Eucken zu verhandeln
gewesen wäre. Stattdessen fanden sich die Ausschussmitglieder mit
den „geistigen Höhenflügen“ einer Vorlesung über die
„Gedankenwelt“ Rudolf Euckens konfrontiert, den erst ein Antrag
zur Geschäftsordnung zu beenden vermocht habe: „Bloss weiter in
der Tagesordnung!“6.
Zum Glück gibt es
Institutionen professionalisierter Vergangenheitsvergegenwärtigung,
die heute ihre Arbeit einigermassen unabhängig vom massenmedial
manifesten Wandel des Publikumsinteresses tun können – so die
Ostfriesische Landschaft, die in ihrer seit 1993 sich fortsetzenden
Sammlung von biographischen Artikeln über ostfriesische
Persönlichkeiten selbstverständlich auch Rudolf Eucken neu
vorstellen liess, und das angemessenerweise sogleich im ersten Band
dieser Sammlung7.
Im Übrigen ist unübersehbar, dass es heute die
Nobelpreisträgerschaft Euckens ist, die sein Lebenswerk
erinnerungspflichtig macht – so 2007 sogar in Breslau8,
und so auch heute für das Auricher Gymnasium 2008 mit diesem
öffentlichen Vortrag. Noch einmal also: Die Publizität des
Nobelpreises ist es, die heute mehr als alles andere die
Aufmerksamkeit auf Rudolf Eucken lenkt. Es hat aus heutiger
Perspektive gesehen keine Evidenz, dass Rudolf Eucken mit diesem
Preis auszuzeichnen war. Man muss es historisch erklären.
Unbeschadet des hohen
Ansehens, das Alfred Nobel als Stifter des seither nach ihm benannten
Preises genoss, war zu beginn des 20. Jahrhunderts die öffentliche
Geltung und sonstige Publizität des Preises selbst ungleich geringer
als heute. Daraus folgt selbstverständlich nicht, dass man damals
bei der Auswahl preiswürdiger Kandidaten weniger anspruchsvoll als
heute hätte sein können und deswegen schliesslich an den heute so
gut wie unbekannten ostfriesischen Professor in Jena geraten sein
mochte. Das Prestigegefälle verlief damals umgekehrt. Rudolf Eucken
erreichte mit seinen Reden und Schriften im ersten Jahrzehnt des
neuen Jahrhunderts weit über die deutschen Grenzen hinaus Europa, ja
er fand damals im „Auslande verhältnismässig mehr Anerkennung …
als in Deutschland“9.
Der Name des Autors Rudolf Eucken hatte international und in den
skandinavischen Ländern zumal Berühmtheit. Er war somit geeignet,
das Ansehen des jungen Preises seinerseits zu steigern. Das ist für
das Verständnis der Verleihung des Preises an Rudolf Eucken wichtig.
Erklärungsbedürftig
bleibt, wieso denn fachlich Rudolf Eucken überhaupt als Preisträger
in Frage kam. Einen Nobelpreis für Philosophie gab es ja nicht. Das
Werk Rudolf Euckens wurde mit dem Nobelpreis für Literatur
ausgezeichnet. Die Verleihung des Nobelpreises für Literatur an
Autoren, die nicht Autoren so genannter Schöner Literatur sind, ist
freilich in der Geschichte des Nobelpreises immer wieder einmal
vorgekommen und in seiner Frühgeschichte sogar häufiger als später.
Zu den frühesten Nobelliteraten gehört bekanntlich der Schleswiger
Jurist und Altertumswissenschafter Theodor Mommsen. Er erhielt den
Preis bereits im Jahre 1902, und man darf auch heute noch finden: Zu
Recht. In der Geschichte der deutschen Literatur repräsentiert die
Gelehrtenprosa des 19. Jahrhunderts eine eigene grosse Epoche, und
sogar für die Wissenschaftsprosa bedeutender Naturforscher gilt das
– von Hermann von Helmholtz bis zu Ernst Mach. Auch unter den
Historikern findet man bedeutende Stilisten in grosser Zahl, so dass
insoweit die Auszeichnung Theodor Mommsens sogar einen Charakter von
Zufälligkeit hat. Ohnehin spielt ja in der Geschichte vieler Preise
der Zufall eine bedeutende Rolle, nämlich überall dort, wo die
Anzahl würdiger Preiskandidaten ungleich grösser ist als die Zahl
der zu verleihenden Preise, und in der Geschichte des Nobelpreises
hat sich diese Disproportionalität aus etlichen indisponiblen
Gründen sogar noch verschärft. Aber je stärker der Zufall hier
mitspielt und in Relation zur wachsenden Zahl preiswürdiger
Kandidaten sekundäre Faktoren den Ausschlag geben, umso grösser ist
zugleich die Wahrscheinlichkeit, dass die Ehrung jeweils einen
unzweifelhaft Würdigen trifft – so zum Beispiel 1953 unter den
Historikern Winston Churchill, der als glänzender Stilist in seiner
Geschichte des Zweiten Weltkriegs, wie Caesar den Gallischen Krieg,
eine wichtige Epoche der Weltgeschichte beschreibt, die er in
Siegerrolle zuvor selber mitgeprägt hatte.
Philosophen sind
gesamthaft vier Mal mit dem Literaturnobelpreis geehrt worden, und
Rudolf Eucken war der erste unter ihnen. Ihm folgte neunzehn Jahre
später Henri Bergson. Diese Bergson-Ehrung bestätigte zugleich das
gute Recht der Ehrung Euckens im Jahre 1908 zuvor. Bergson gehörte
zu den Verehrern Euckens in Frankreich, hatte schon vor dem Ersten
Weltkrieg die Übersetzung des Eucken’schen Buches „Der Sinn und
Wert des Lebens10
ins Französische veranlasst, und er verfasste dazu sogar ein
Vorwort11.
1950 erhielt dann Bertrand Russell, der grosse britische
Mathematik-Philosoph, den Literaturnobelpreis – freilich nicht für
seinen Beitrag zur Begründung der mathematischen Logik, vielmehr für
seine literarisch kompetente und publikumswirksame Gesamtdarstellung
der Philosophie des „Westens“ sowie als kultur- und
sozialkritisch wirksamer Moralist. 1964 wurde dann auch noch
Jean-Paul Sartre der Nobelpreis zugesprochen. Unzweifelhaft hat sich
Sartre auch in seinen im engeren fachlichen Sinne philosophischen
Werken als grosser Autor erwiesen. Aber ein literarisches Genie, der
mit seinen Stücken Theatergeschichte gemacht hat, ist ja Sartre
ausserdem. Kraft seines weltweiten Ruhmes konnte er dann sogar noch
mit seiner Weigerung, den Nobelpreis anzunehmen, einigen Effekt
machen.
Mit Rudolf Eucken beginnt
also eine kleine Reihe bedeutender Philosophen, die auch als
Literaten nobelpreisgekrönt worden sind. Indessen: Als Stilist hält
Eucken einen Vergleich mit den später Geehrten nicht aus. Auch wenn
es sich darum handelte, über die exemplarisch genannten Professoren
Helmholtz und Mach hinaus die Reihe der grossen
Wissenschaftsprosaisten deutscher Sprache zu verlängern, so würde
einem Eucken, neben DuBois-Reymond oder Treitschke zum Beispiel,
nicht einmal einfallen wollen. Er schreibt ein gymnasial
wohlgeschultes Deutsch, das in der Sicherheit seiner Beherrschung
leserfreundlicher Hypotaxen Prägungen durch die Kunst der
Übersetzung lateinischer Prosa verrät. Von literarischen
Prätentionen sind Euckens Texte gänzlich frei, was ihnen zu Gute
kommt, und soweit Eucken, statt seine Philosophie vorzutragen, sich
erzählerisch äussert, autobiographisch zum Beispiel, schreibt er
gefällig. Seine „Lebenserinnerungen“ bereiten Lesevergnügen,
und seine Kunst, die Fülle kulturgeschichtlich und
sozialgeschichtlich, auch politisch signifikanter Details narrativ zu
ordnen, ist respektabel. Aber überraschend sorglos schreibt er doch
auch, und man stutzt, im Bericht über „Land und Leute“
Ostfrieslands bereits auf den ersten zwei Seiten der Charakteristik
„eigentümlich“ sechs Mal zu begegnen12.
Seine Deutsch-Lehrer hätten das in Aufsatztexten am Rand mit der
Mahnung „Wechsel im Ausdruck!“ kommentiert. Dazu passt die
Ungeniertheit, mit der sich Eucken auch in seinen philosophischen
Texten Wiederholungen gestattet. Gewiss: Wer Wichtiges zu sagen hat,
muss sich wiederholen, und auch die Texte der Klassiker deutscher
Philosophie sind wiederholungsträchtig – von Kant bis Fichte.
Wiederholungen sind tatsächlich nötig, wenn es sich um die
Neuvergegenwärtigung der Kontexte handelt, die in jeweils nächsten
Schritten die Einführung neuer Konzepte und Theoreme nahe legen, ja
erzwingen. Just solche „Anstrengung des Begriffs“, wie Hegel das
nannte, und darüber hinaus die Bemühung, Deskriptionen und
Argumentationen auf ihre theoretischen Quintessenzen zu bringen,
fehlen in den spätern philosophischen Arbeiten Euckens nahezu
vollständig. Das verleiht seinen publikumswirksamen Büchern eine
stilistische Qualität, die sich durch die Lizenz charakterisieren
liesse, die sie ihren Lesern einräumen –: Sie lassen sich ohne
grosse Verluste „diagonal“ lesen. Stets hat man es mit den
allergrössten Themen zu tun. Von Gott und Welt ist buchstäblich die
Rede, von Leben und Tod, von Kultur und Natur und von Tugend und Tat.
Aber nach über dreihundert, gar vierhundert Seiten der Lektüre
einschlägiger Philosophie fühlt man sich schliesslich wie nach
einer allzu lang geratenen guten Predigt – erhoben bei nur geringer
Verbesserung eigener Weltkenntnis.
Ein Schöpfer von
Sprachkunstwerken war also in der Person Rudolf Euckens nicht zu
ehren. Entsprechend war diese Ehrung – anders als neunzehn Jahre
später die Zuerkennung des Nobelpreises für Literatur an den
Philosophen und grossen Stilisten Henri Bergson13
– nicht unumstritten. Immerhin wurde auch Algernon Ch. Swinburne
vorgeschlagen und mit ihm ein bei den Freunden der Lyrik in aller
Welt bekannter Dichter – hochgeschätzt, wenn auch wegen seiner
ästhetischen Avantgardismen nicht populär. Populär aber war in
unüberbietbarer Weise die schwedische Schriftstellerin Selma
Lagerlöf, die überdies mit ihrer Geschichte von Gösta Berlings
Saga schwedisches Leben bekannt gemacht hatte und den Bücherfreunden
unter den Kindern mit Nils Holgersons wunderbarer Reise auf dem
Rücken der Wildgänse ein Buch geschenkt, das zu einem Klassiker der
Jugendliteratur werden sollte. Dass überdies auch noch Elisabeth
Förster-Nietzsche als Kandidatin fungierte, ging auf den
Aussenseiter-Vorschlag einiger Deutscher zurück, die anstelle des
bereits verstorbenen Friederich Nietzsche immerhin seine Schwester
geehrte sehen wollten. In der Person Nietzsches hätte man es in der
Tat mit einem Autor zu tun gehabt, den man als Meister eines ebenso
anspruchsvollen wie mühelosen Gebrauchs deutscher Sprache mit
Schopenhauer und in einigen Hinsichten sogar mit Heine vergleichen
kann. Aber die Verdienste Elisabeth Förster-Nietzsches als seine
Biographin und eigenwillig-beflissene Promotorin boten dafür kein
literaturpreiswürdiges Äquivalent. Sie kam nicht in Betracht.
Auf Swinburne’s esoterische Lyrik reagierten die Mitglieder des
Preiskomitee teils enthusiasmiert, teils befremdet. Selma Lagerlöfs
Preiswürdigkeit war allseits unumstritten und hatte überdies die
öffentliche Meinung Schwedens für sich. Dennoch entschied sich das
Komitee schlussendlich für Rudolf Eucken14.
Dafür dürfte die Unterstützung des Vorschlags Eucken durch Vitalis
Norström ausschlaggebend gewesen sein. Norström, Professor in
Göteborg, repräsentierte in Schweden wie kein anderer die jüngeren
kulturphilosophischen Traditionen Deutschlands. Näherhin war ihm die
Religionsphilosophie Rudolf Euckens wichtig geworden15.
Über die Rezeption dieses Buches in Schweden entwickelt sich
zwischen Norström und Eucken ein Freundschaftsverhältnis, das bis
zum Tode Norströms im November 1916 dauerte. Sogar der schwedische
König, so erzählte Eucken, soll sich „eingehend“ mit seiner
religionsphilosophischen Hauptschrift und überhaupt mit seinen
„Bestrebungen“ beschäftigt haben16.
Kurz: Norströms Vorschlag, Rudolf Eucken zum Preisträger zu
erheben, hatte eine innerschwedische Vorgeschichte, und man folgte
ihm17.
Die darüber hintangesetzte Verleihung des Nobelpreises an Selma
Lagerlöf erfolgte im Jahr darauf, in welchem Swinburne starb und
somit ungekrönt in die Literaturgeschichte einging. Elisabeth
Föster-Nietzsches Kandidatur blieb indiskutabel.
Alfred Nobel, der
Preisstifter, hatte verfügt, der Preis solle der Auszeichnung
‚idealistischer Gesinnungen’ dienen. Dem entsprach tatsächlich
das damals bereits vorliegende Oeuvre Rudolf Euckens in idealer
Weise, und wenn nicht in glanzvoller literarischer Gestalt, so doch
leserfreundlich, bestsellerfähig und überdies leicht übersetzbar.
Es wäre also jetzt mitzuteilen, was man sich denn unter einer
„idealistischen Gesinnung“ vorzustellen habe, und näherhin: Wie
sich diese Gesinnung im Werke Rudolf Euckens ausprägt. Der Versuch,
das mitzuteilen, ist der mit Abstand anspruchvollste Teil dieser
Erinnerung an den Nobelpreisträger Rudolf Eucken, und ich möchte
versuchen, dabei ohne jene ‚geistigen Höhenflüge’ auszukommen,
an deren aufmerksamkeitstötender Wirkung, wie berichtet, bereits
1991 ein Vorschlag zur neuerlichen Ehrung Euckens im Auricher Schul-
und Kulturausschuss scheiterte18.
Das Wort „Idealismus“
ist heute im Umgangsdeutsch nicht mehr gebräuchlich und im
Bildungsdeutsch ebensowenig. Verständlich ist es gleichwohl
geblieben – in der Wendung zum Beispiel, die totalitären
Bewegungen nationalsozialistischer wie
internationalsozialsozialistischer Prägung hätten den „Idealismus
der Jugend missbraucht“. Diese Wendung will zugleich wissen, dass
„Idealismus“ im Ablauf der Lebensalter jugendspezifisch sei. Das
passt zum historischen Faktum, dass die auffälligste deutsche
Jugendbewegung, die sich zu Euckens Lebenszeit um die Wende des 19.
zum 20. Jahrhundert erhob, sich dem „Idealismus“ verpflichtet
wusste. Prominente deutsche Philosophen wirkten als Inspiratoren und
Führer dieses Bewegung – Paul Natorp zum Beispiel mit seinem
„Sozialidealismus“, der die Erziehung zur „Gemeinschaft“ als
„ewige Aufgabe“ der Jugendbildung herausstellte19.
Als deutscher
Gross-Klassiker dieses Erziehungsidealismus galt damals Fichte, und
noch zu meiner eigener Schüler-Zeit wurde bei feierlichen Anlässen
gern ein Satz zitiert, der zwar nicht von Fichte selbst stammt, aber
zu seiner Wirkungsgeschichte gehört. Der Satz lautet: „Und handeln
sollst Du so als hinge von Dir und Deinem Tun allein das Schicksal ab
der deutschen Dinge und die Verantwortung wär’ Dein!“ Die
Situation, in die man sich damit hinein versetzt, ist zwar vollendet
fiktiv. Aber der gute Wille erhebt sich zu schlackenloser
Selbstlosigkeit und in eben diesem Sinn zum „Idealismus“. Man
könnte zur Ultrakurzcharakteristik des Idealisten auch Heinrich
Heine zitieren: „Weder durch Furcht noch durch Eigennutz“ zu
lenken20.
Das hört sich gut an.
Aber ohne Zusatzauskünfte wissen wir nicht, mit wem wir es
eigentlich bei einem Menschen, auf den diese Charakteristik passen
würde, zu tun haben. Es kann sich um einen Helfer handeln, der mit
dem Risiko, das eigene Leben zu verlieren, ein anderes rettet.
Idealist – das ist auch der Held, der den Kampf mit der Tyrannei
aufnimmt, und schliesslich der ideologische Fanatiker in seiner
schrankenlosen Selbstaufopferungsbereitschaft auch noch. Alsdann
setzt der politische Idealismus im Extremfall sogar Potenziale der
Gewalt frei und legitimiert sie. Es liegt in Deutschland nahe, sich
bei einer Neuvergegenwärtigung des Neu-Idealismus an diese
Zusammenhänge zu erinnern. Der Eucken’sche Aufruf, „mit aller
sinnlichen Gebundenheit“ zu brechen und eine Subjektivität
auszubilden, die sich ganz „auf sich selber stellt“, will uns in
„eine andere Welt“ führen21.
Sogar vom „Übermenschlichen im Menschen“ ist die Rede und von
der Notwendigkeit „eines Zusammenschlusses der Streiter für eine
echte Geisteskultur zu einer Gemeinschaft“22.
Liest man überdies, die Deutschen hätten „Fremdes…oft zu
bereitwillig aufgenommen“ – „von den westlichen Völkern“ zum
Beispiel „politische Ideale“ einer „Demokratie“, die „sehr
verschieden“ sei von derjenigen, die „wir gemäss unserer Art
fordern“ müssten23
– so glaubt man zu sehen, auch Rudolf Eucken bewege sich auf jenen
deutschen Sonderwegen, die schliesslich in die Katastrophe des
Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs führten. Allerlei
Textstellen, die diesen Eindruck zu bestätigen schienen, liessen
sich anführen – zum Beispiel die Wendung, erst widergewonnener
Selbstgewissheit sei es möglich, „der ganzen Umwelt den Kampf“
anzusagen24.
Ein „Bruch“, so heisst es radikal, mit bisherigen
Lebensverhältnissen sei nötig. Der „Abbruch“ dieser
Verhältnisse verlange „Entscheidung und Tat“, und gegen das
‚Alte’ sei das ‚Neue’ „immerfort aufrecht zu erhalten,
immerfort durchzusetzen“25
usf.
Das klingt wie die
Beschwörung einer Ausnahmelage, in der es ums Ganze geht, die uns
alles abverlangt und die uns, sofern wir uns ihr gewachsen zeigen,
uns von Grund auf verwandeln wird. Den Entwurf der neuen
Lebensordnung, die aus der Entscheidung zum besseren Selbst
hervorgehen müsste, finden wir bei Rudolf Eucken nicht. Aber damit
waren ja in Deutschland zwischen den Kriegen andere Intellektuelle
und insbesondere auch die politischen Ideologen unter ihnen längst
beschäftigt. Die politischen Parteien formierten sich, die keine
Frage nach dem Woher und Wohin offen liessen und sich entsprechend im
Monopolbesitz ihrer jeweiligen Antwort wussten – links wie rechts.
Nicht, dass sich die Philosophie Rudolf Euckens damit inhaltlich in
Verbindung bringen liesse. Aber für seine heutigen deutschen Lesern
liegt es nahe zu vermuten, dass er mit dem hohen Predigtton seiner
Aufbruchs- und Erweckungsphilosophie seinen Hörern und Lesern, bei
den jugendlichen unter ihnen zumal, jenes Gewissheitsverlangen
intensivierte, das später die modernen Grossideologien zu bedienen
wussten. Dem entspricht, dass das gegenwärtig mit Abstand sich am
häufigsten bekundende Interesse am Werk Rudolf Euckens seinen
Beiträgen zu den mannigfachen publizistischen Bemühungen deutscher
Philosophen, Historiker und sonstiger Intellektueller gilt, den
Ersten Weltkrieg als einen Kultur- und Weltanschauungskampf zu
deuten. Von diesem Interesse war auch schon meine eigene Darstellung
Eucken’scher Philosophie im Kontext der „Ideen von 1914“26
geleitet. Inzwischen gibt es zu diesem Thema eine umfassende, um
nicht zu sagen: Eine erschöpfende Literatur partiell erstrangiger
Qualität27.
Naheliegenderweise steht in dieser Literatur die Suche nach den
Besonderheiten deutschen ‚Beisichselbstseins’, wie Rudolf Eucken
es nannte28,
das sich im Ersten Weltkrieg als selbstisolationsträchtig erweisen
sollte und in der Katastrophe des Zweiten Weltkrieg sein Ende fand.
Die Wirkungszusammenhänge, die man hier zu sehen bekommt, sind real.
Aber Formen distanzwahrender Teilhabe an ihnen gibt es auch. Das gilt
unter den deutschen Weltkriegsphilosophen für Georg Simmel wie für
Max Scheler, für Ernst Troeltsch ohnehin und auch für Rudolf
Eucken. Man sieht es, wenn man gegenwärtig hält, dasss ja die
Geltung Rudolf Euckens, wie sie sich in der Verleihung des
Nobelpreises an ihn bekundet, bereits vor dem Ersten Weltkrieg
ihrerseits eine Weltgeltung war. Das bedeutet: Rudolf Eucken wird man
nur dann gerecht, wenn man seine Kulturphilosophie als eine
Expression von intellektuellen Erfahrungen mit
Modernisierungsprozessen versteht, in denen die lesende
Zeitgenossenschaft weltweit eigene Erfahrungen wieder fand – in
Schweden wie in den Niederlanden, in Frankreich wie in den USA, in
einigen Hinsichten in Grossbritannien sogar und in Kreisen
modernisierungsbesorgter Asiaten auch noch29.
Zivilisationskritik ist im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts
tatsächlich ein schwergewichtiges deutsches Thema, und Rudolf Eucken
ist ein damals herausragender Repräsentant dieser
Zivilisationskritik30.
Aber die Selbstkritik der Moderne ist so alt wie diese selbst und
somit auch die Reichweite ihrer Verbreitung, und auch in ihrer
„neuidealistischen“ deutschen Gestalt, die ihr Eucken verlieh,
erkannte man sich anderswo wieder, und Eucken durft sogar sagen, dass
sein „Wirken“ „im Ausland verhältnismässig mehr Anerkennung
fand als in Deutschland“ und überdies „mehr Wärme und mehr
Unbefangenheit“ in der Zuwendung zu seiner Philosophie31.
Entsprechend muss man bei einer Neuvergegenwärtigung der Philosophie
Rudolf Euckens sich auch auf diejenigen Inhalte beziehen, die
unbeschadet ihrer deutschkulturellen Prägung sich als international
aneignungsfähig erwiesen haben. Deutscher Neuidealismus
international – das ist das Thema.
Dazu eignet sich in der
Absicht, die Sache kurz und zugleich anschaulich zu machen, die
Präsentation der neuidealistischen „Weltanschauung“ Euckens vor
dem Hintergrund der konträren „Weltanschauung“ des gleichfalls
in Jena lehrenden und seinerseits weltbekannten Zoologen Ernst
Haeckel, der wie kein anderer die evolutionstheoretischen
Hypothesen Charles Darwin’s in Deutschland weit über die Grenzen
der akademischen Einrichtungen hinaus publikumswirksam gemacht hat.
Haeckel schrieb bereits in den späten sechziger Jahren des 19.
Jahrhunderts eine „Natürliche Schöpfungsgeschichte“32
und erhob mit diesem Titel den Anspruch, endlich wissenschaftlich,
methodisch diszipliniert und empirisch begründet, uns mit der
Entwicklung des Lebens auf der Erde bekannt zu machen und damit den
mythisch-fiktiven biblischen Schöpfungsbericht abzulösen. 1899
erschien einer der erfolgreichsten Titel der
Wissenschaftskulturgeschichte, Haeckels „Welträtsel“, die
endlich gelösten selbstverständlich33.
Als „Glaubensbekenntnis eines Naturforschers“ plakatierte Haeckel
sein Weltwissen34.
Die Gründung des Monistenbundes 1906 wurde als Gründung einer
Kirche endlich empiriefähig gewordener Aufgeklärter gefeiert.
Wilhelm Ostwald, Professor für Physikalische Chemie und
Nobelpreisträger des Jahres 1909, hielt wissenschaftliche
„Sonntagspredigten“ zur Hauptgottesdienstzeit. Man war sich
sicher, dass die Alt-Gläubigen den Kirchen alsbald davonlaufen
würden und projektierte die Neunutzung der Kirchengebäude als
Schauhäuser unserer naturgeschichtlichen Herkunft.
Zu dieser
Selbststilisierung kulturkämpferisch gesinnter Naturwissenschafter
und Mediziner als Neugläubige einer Anti-Kirche verhält sich der
seinerseits kulturkampfbereite Widerstand Altgläubiger genau
komplementär. Der erste Deutsche Katholikentag in Frankfurt am Main
diente nicht zuletzt der Errichtung eines antidarwinistischen
kirchlichen Bollwerks. Der Skandal, den der feiernde Nachruf des
prominenten Berliner Physiologen Emil DuBois-Reymond in der Akademie
der Wissenschaften auf Darwin auslöste, beschäftigte im Frühjahr
1883 das Preussische Abgeordnetenhaus über zwei Sitzungstage35.
Das möchte man heute ironisch kommentieren. Den Ernst der Sache
erkennt man, wenn man sich vergegenwärtigt, dass in 20. Jahrhundert
tatsächliches oder vermeintliches naturwissenschaftliches Wissen im
Kontext der Ideologien totalitärer Parteien den Status eines
kanonisierten Weltbildes erlangte. An der Universität Jena war,
sogar schon vor der „Machtergreifung“ der Nationalsozialistische
Deutsche Arbeiterpartei, die erste deutsche Professur für
Rassenkunde eingerichtet worden und mit H.F.K. Günther besetzt36,
und in der DDR, im Herrschaftsbereich des marxistisch-leninistischen
Internationalsozialismus also, verteilte man zum
Konfirmationsäquivalent der Jugendweihe das vom jeweiligen
Einheitsparteiführer bevorwortete Buch „Weltall, Erde, Mensch“37
als Parteiweltbildbibel.
In diesem grossräumig
skizzierten Scenario von Kulturkämpfen um das richtige Weltbild hat
auch der Weltanschauungsphilosoph Rudolf Eucken seinen
wohlbestimmbaren Ort – zunächst als Antipode Ernst Haeckels am
Platze Jena und darüber hinaus im weitgespannten Wirkungsbereich
dieser beiden publizistisch kompetenten Weltbildpropagandisten. Auf
die Seite des kirchenoffiziellen Anti-Darwinismus, der
Schöpfungsglaube und Evolutionstheorie für unvereinbar hielt,
schlug er sich nicht. Überhaupt war er der zivilisatorischen
Entwicklung einschliesslich der dramatischen Fortschritte der
Naturwissenschaften und der Technik gegenüber stets aufgeschlossen.
Im Frühstadium seines Studiums an der Universität Göttingen erwog
er, statt „Philologie“ doch lieber „Naturwissenschaft und
Mathematik“ zu studieren – passend zur Vorliebe für die
„Algebra“ schon im Schüler-Alter sowie zum „Stoffhunger“
eines Realienliebhabers, der „regelmässig morgens um 5 Uhr“
aufstand und kraft seiner Fähigkeit, kontingente Informationen zu
ordnen, in der Lage war, mit Sinngewinn „ganze Bände eines
Konversations-Lexikons rasch“ durchzulesen. Dass er dann doch
wieder „den Geisteswissenschaften“ sich zuwandte, beruhte
zunächst auf den Zufälligkeiten motivierender Anerkennung früher
studentischer Leitungen auch auf diesem Feld38.
Für die Evidenzen der Wohlfahrt, wie sie erst mit der modernen
Zivilisation möglich wurden, blieb er zeitlebens aufgeschlossen und
wusste, dass ohne die unwidersprechlichen Lebensvorzüge dieser
Zivilisation ihre Dynamik gar nicht erklärbar wäre. Eucken rühmt
auch die ‚technischen Erfindung’, die, zum Beispiel, „den
Verkehr unermesslich erleichtern, die wirtschaftliche Arbeit beleben,
die bisherige Produktionsart verändern“ und so eine nie zuvor
gekannte „Hebung des wirtschaftlichen, politischen und sozialen
Zusammenseins“ bewirken. Er rühmt mit Alexander von Humboldt, der
mit seinen Vorlesungen in der Berliner Singakademie „die bildende
Kraft“, die neben den Geisteswissenschaften eben auch die
Naturwissenschaften hätten, „weitern Kreisen“ zugänglich
gemacht hätten39.
Er besuchte sogar Industrieausstellungen, so 1870 die in Kassel40,
er erkannte die politisierenden Wirkungen des Problems „der
Verteilung der Güter“, schätzte das „Selbstständigwerden des
Arbeiterstandes“ als ‚beträchtlichen Gewinn für das Ganze der
Menschheit’ ein41,
hielt es gerade deswegen für nötig, „dem orthodoxen Marxismus“
zu „widersprechen“42,
möchte gleichwohl die Aufgabe, die marxistische Ökonomie „technisch
zu prüfen“, den „Nationalökonomen“ überlassen43
– als überantwortet er bereits hier diese Aufgabe seinem Sohn
Walter, der ja später als einer der Gründer des so genannten
„Ordo-Liberalismus“ hervorgetreten ist, den wirtschaftspolitisch
in der Frühgeschichte der Bundesrepublik wie kein anderer Ludwig
Ehrhardt repräsentierte. Damit lässt sich zugleich die Meinung
verbinden, dass auch Rudolf Eucken in seinen eigenen, freilich nie
scharf hervortretenden politischen Optionen zu einem moderaten
nationalen Liberalismus neigte. Dazu passt die Verehrung, mit der im
Hause Eucken von Friedrich, dem Kaiser des Jahres 1888, gesprochen
wurde, der als Studienfreund des Schwiegervaters von Rudolf Eucken,
Arnold Passow, auch Eucken selbst zugewandt war44.
Das alles muss man
mitsehen, um zu sehen, was Euckens zivilisationskritischer Einspruch
gegen die anti-religiöse Weihe kulturell und politisch bedeutet, mit
der spektakulär wie in keinem anderen Fall Ernst Haeckel und seine
monistischen Kulturkampfgenossen das seinerzeit verfügbare
wissenschaftliche Wissen zur massgebenden Weltanschauung zu erheben
suchten. Wahr ist, das Euckens Einspruch konzeptuell weniger prägnant
ist – unbeschadet seiner frühen Studien zur aristotelischen
Philosophie analytisch anspruchslos, phänomenologisch
anschauungsschwach und rhetorisch, statt argumentativ schlagend, im
Ton säkularisierter Predigten klagend. „Was wäre eine Religion,
die im Menschen nur ein Naturwesen sähe, nicht an ein Mehr in ihm
glaubte und dies Mehr zu beleben suchte“45
– ein solcher Satz ist in seiner „positivismus“-kritischen,
anti-monistischen Positionalität deutlich, das aber doch ohne
erfolgreiche Bemühung einer Veranschaulichung jenes „Mehr“, die
damals oder auch heute noch einem „Naturalisten“ einleuchtend
machen könnte, wieso die Religion als kulturelle Lebensmacht durch
erfolgreiche Bemühungen zur Emendation und Erweiterung unseres
„positiven“, nämlich jeweils methodisch restringierten
hypothetischen Wissens von der Welt, in der wir leben, weder
widerlegt noch bestätigt wird. Ist der Mensch, so fragt Eucken, „ein
gleichgültiges Stück eines seelenlosen Naturmechanismus, ein
blosser Punkt neben Punkten, oder vermag er ein Mitarbeiter und
Träger einer neuen Welt zu werden?“46
Diese Frage erreicht rhetorisch Gleichgesinnte, aber darüber, wie
denn die „neue Welt“, um die sich alle Welt damals bemühte,
auszusehen habe, las man doch bei den Positivisten, Monisten und
sonstigen Weltanschauungsbündlern einschliesslich der bereits zur
Partei gewordenen Sozialisten Genaueres.
Zusammenfassend gesagt:
Rudolf Euckens philosophischer Neuidealismus ist, statt eine neue
Weltanschauung, in Wahrheit eine emphatische Ermunterung, sich von
Exzentrikern und intellektuellen Umwertern altvertrauter und
fortdauernder, also klassischer Werte nicht verblüffen und
irritieren zu lassen. Neue Tugenden werden über die ohnehin längst
bekundeten hinaus selten benötigt. Die Moral lehrt, dass man sich
ein Gewissen zu machen habe. Aber zugleich darf man das Zugeständnis,
„unsere ganze geistige Entwicklung“ sei „ein grosser Irrtum“
gewesen, nicht leichtfertig machen. Man solle sein „Volk und seine
Geschichte nicht … verleugnen“, müsse aber „vieles an
Gleichgültigkeit und Trägheit … überwinden“47
etc. usw.
Tatsächlich gibt es
Lagen, in denen es leider nötig sein mag, so zu reden. Ein grosses
Publikum hat es um den Weltkrieg herum gern gehört, und wenn es auch
bei weitem nicht alles war, was damals zu sagen war und hätte gehört
werden sollen, so steht doch im Rückblick nichtsdestoweniger nichts
entgegen zu wünschen, die Leserschaft Rudolf Euckens hätte sogar
noch grösser sein mögen. Schliesslich wurde Eucken auch in der
ersten deutschen Demokratie, in der Weimarer Republik, nicht zum
Fremden. Sogar für seine Religionsphilosophie gilt das.
„Positivisten“, „Monisten“, „Materialisten“ – sie
stehen bei Rudolf Eucken, historisch zurecht, für die kulturelle und
politisch folgenreiche Vorstellung, kulturevolutionär löse das
wissenschaftliche Wissen die mythische Inhalte tradierter religiöser
Weltbilder ab. In der Tat: Der biblische Schöpfungsbericht lässt
sich im cognitiven Ernst nicht gegen die moderne Kosmologie und
Evolutionstheorie verteidigen. Wer es, wie die so genannten
„Creationisten“ in den USA oder auch die Zeugen Jehovas anderswo,
dennoch tut, erscheint uns als ein kulturevolutionäres Relikt. Man
erwartet freilich eine Erklärung, die uns verständlich macht, wieso
diese Biblizisten sich zu halten vermögen, und Rudolf Eucken ist
einer der Philosophen, die wirkungsreich zu Beginn des 20.
Jahrhunderts darauf beharrt haben, dass die Religion ein kulturelles
Medium menschlicher Lebensverbringung ist, dessen Nötigkeit zu den
Fortschritten des wissenschaftlichen Wissens sich grundsätzlich
indifferent verhält und mit diesen Fortschritten in seiner Nötigkeit
sogar aufdringlicher wird. Bezogen auf die „Schöpfung“ heisst
das: Gelernt zu haben, dass unsere Erde, statt ihrer biblischen guten
fünftausend Jahre, nach heutigem Kenntnisstand millionenmal älter
sei, erhöht ja noch die Krassheit des existentiellen Faktums, dass
man sich jeweils derzeit gänzlich ungefragt auf dieser Erde
befindet, und „Religion“ nennen wir die Kultur, in der die
Unausweichlichkeit unseres Einvernehmens mit dem gänzlich
emanzipationsresistenten Faktum zu sein, statt nicht zu sein, gelehrt
und gelebt wird.
So simpel hat Rudolf
Eucken das nicht zu sagen riskiert. Er sagt stattdessen zum Beispiel:
„Zur Religion drängt ein Verlangen nach mehr Tiefe und Festigkeit
des Lebens, nach innerer Selbstständigkeit gegenüber dem Gewirr der
Welt und nach Erhebung über das kleinmenschliche Getriebe. Ein
Edleres und Höheres möchte der Mensch in seinem eigenen Wesen
beleben und damit einem fremden, ja feindlichen Dasein überlegen
werden“48.
So oder so: Da der zivilisatorische Wandel mit Zuwachs an Wissen und
Können an der Indisponibilität des Faktums, sich im Dasein schlicht
vorzufinden, gar nichts ändert, ändert sich auch an der Nötigkeit
einer Kultur des richtigen Umgangs mit diesem Faktum gar nichts, und
nach jenem Abgesang auf die Religion darf man entsprechend mit ihrem
‚Wiedererwachen’ rechnen49.
Das ist heute bekanntlich sogar in globalen Dimensionen zu einem
kulturtheoretischen Thema ersten Ranges geworden50.
Alt und zugleich nie vollständig veraltet – das ist der Zeitmodus,
in der die Religion jeweils präsent ist und Rudolf Eucken zieht
daraus in einer Ansprache an die Adresse sächsischer Theologen die
Konsequenz, dass just die unbefangene Öffnung dem Neuen gegenüber
das Unvergängliche sichtbar mache. „So lassen Sie uns, verehrte
Herren, gemeinsam wirken nach bester Kraft, … rastlos arbeiten“
in der Überzeugung, dass „von dem Alten, das altert, lassen muss,
wer das Alte festhalten will, das nie altert“51.
Es kommt hier nicht auf
die Details der Eucken’schen Religionsphilosophie an. Interessanter
sind seine das Christentum betreffenden kulturphilosophischen und
kulturpolitischen Reflektionen und Optionen. Es sind Reflexionen und
Optionen eines Liberalen. „Liberal“ – das heisst hier: Im
Interesse der Zukunft der religiösen Kultur bei einer entschiedenen
Trennung von Kirche und staatlich-politischer Ordnung engagiert. Die
„Festhaltung des Christentums“, so schreibt er überraschend
entschieden, müsse „mit einer verneinenden Stellung zu den Kirchen
zusammen gehen“52.
„Die Zusammenschmiedung der Kirche mit dem Staat“ erzeuge heute
„ungehörigen Druck“, und der Fall Jatho, dass heisst das
Disziplinarverfahren gegen einen evangelischen Pfarrer zu Köln
gemäss einem neuen kirchlichen, polemisch gern so genannten
„Irrlehregesetz“, diente auch ihm als Exempel53.
Noch besser versteht man den religionspolitischen Gehalt dieser
Liberalität, wenn man sie mit Euckens Ablehnung der bismarck’schen
Kulturkampfpolitik in Verbindung bringt, die ihrerseits mit seiner
Kritik an den Sozialistegesetzten einhergeht54.
Über Konfessionsgrenzen hinweg bewegt er sich unbefangen, die
gemeinsamen altkirchlichen Voraussetzungen der neuzeitlichen
christlichen Kirchen waren von den Kirchenvätern bis zu Thomas von
Aquin Gegenstand seiner historischen Interessen und Studien. Sein
Christentum war ein Kulturchristentum bürgerlicher Prägung,
nationalpolitisch und sozialpolitisch zukunftsbereit, im Verhältnis
zu alterungsresistenten Traditionen herkunftstreu, durch die
Geschichtsgewissheit der intellektuell bereits etablierten neuen
Gross-Ideologien, weil doch die „Menschheitsgeschichte … kein
Reich der Vernunft“ sei55,
nicht verführbar, innerlichkeitsstabilisiert auch gegenüber den
Zweifeln an der Zukunftsfähigkeit Deutschland am Ende des Ersten
Weltkriegs, entsprechend mit Zuversicht auf eine enge „Verbindung
seelischer Innerlichkeit und unermüdlicher Arbeit“ für den
Neubeginn vertrauend56,
dabei zugleich den Blick nach Aussen lenkend57
und das zumal auf die USA58.
So, ungefähr, darf man,
befremdlich anmutende und historisch erklärungsbedürftige
Passagen des „Neuidealismus“ beiseite lassend, diejenigen Züge
dieses „Idealismus“ zusammenfassen, die tatsächlich nahelegen,
sie mit der „Kulturtheologie“ Ernst Troeltsch’ in Verbindung zu
bringen als eine damit „verwandte Philosophie“59.
Troeltsch selber gehörte zu den Lesern Rudolf Euckens, rezensierte
dessen Buch „Der Kampf um einen geistigen Lebensinhalt“60,
fand darin die nötige und „beginnende Reaktion gegen die
Zeitrichtungen“, und abermals muss man weltanschauungshistorisch
auf Haeckel verweisen, gegen den in Erinnerung zu bringen war, dass
und wieso mit den Fortschritten des wissenschaftlichen Wissens von
der Welt, in der wir leben, die religiöse Thematisierung dieser Welt
und unseres Lebens in ihr keineswegs gegenstandlos wird61.
Auch Friederich Meinecke äusserte sich ähnlich bewundernd: Rudolf
Eucken habe „wesentlich mitgeholfen, das geistige Klima um die
Jahrhundertwende zu veredeln“. Meinecke rezensierte ihn auch in der
Historischen Zeitschrift, besuchte ihn und korrespondierte mit ihm62.
Das und anderes mehr legt es nahe, auch Rudolf Eucken dem partiell in
der erläuterten Weise kulturprotestantisch63
geprägten Kreis der Persönlichkeiten zuzuzählen, die die
bürgerliche Kultur in die Weimarer Republik transferierten, und das
in der Absicht, diese Republik lebensfähig zu machen. Dazu will
passen, dass es in der Heimatstadt Euckens der demokratisch und
vernunftrepublikanisch engagierte Bürgermeister Karl Anklam war, der
den Ratsbeschluss veranlasste, der in den späten zwanziger
Jahren die schönste und längste Allee der Heimatstadt Eucken vom
„Neuen Weg“ zur „Rudolf-Eucken-Allee“ machte64.
Die Philosophie Rudolf
Euckens markiert Fronten in weltanschaulichen Auseinandersetzungen.
Aber der Grad der Politisierung dieser Auseinandersetzungen bleibt
gering. Parteienbildend wirkt er nicht. Er hält sich vielmehr im
moderaten Kontext bürgerlicher Kultur, wirkt vereinsbildend, sammelt
„Geister“65,
will durch Neuvergegenwärtigung geltungsgeschwächter Traditionen
die Gegenwart zukunftsfähiger machen, vermeidet Polarisierung durch
Anerkennung des guten Recht von Meinungen, die erst durch
Übertreibung und Einseitigkeit sich widerspruchsbedürftig gemacht
haben. Man kann sagen: Rudolf Eucken wirkt als Publizist auf die
Weltanschauungskämpfe vortotalitärer Bürgerlichkeit
liberalisierend durch Bekräftigung kommunitärer
Selbstverständlichkeiten akademischer und bürgerlicher Kultur, und
eben das liess ihn ja auch international rezipiert und gefeiert sein.
Moralismus, dass heisst die Praxis der Ersetzung der
Weltanschauungskritik durch moralische Disqualifikation der Anhänger
anderer Weltanschauung, ist ihm fremd und damit Correctnesswächtertum
ebenso. Exemplarisch spiegelt sich das in seinem Artikel zum
achtzigsten Geburtstag seines Jenenser Kollegen und weltanschaulichen
Hauptgegners Ernst Haeckel. Sein eigener ‚entschiedener Gegensatz …
zum naturalistischen Modismus’ sei bekannt. Aber das hindere ihn
doch „in keiner Weise, die wissenschaftliche Bedeutung Haeckels
vollauf anzuerkennen und Persönlichkeit aufrichtig hochzuschätzen“.
„Jeder bedeutende Mensch“ sei eben „mehr … als ein
Parteiprogramm“. Den „seelenlosen Mechanismus“ in der
monistischen Naturbetrachtung kenne man. Haeckel jedoch, als „eine
ausgeprägt künstlerische Begabung“, habe allein schon durch seine
Kunst, die Schönheit der Natur sichtbar zu machen, diese „zu einem
Gegenstand religiöser Verehrung“ werden lassen, so dass er sich
„Spinoza und Goethe nahestehend fühlen“ dürfe. Für seine
„unermüdliche, grossartige, dabei durchaus uneigennützige
Tätigkeit“ schulde ihm die Universität Jena Dank66.
Nun war Haeckel wie
Rudolf Eucken selbst, seinerseits als wissenschaftlicher Autor
weltberühmt, so dass man in dem zitierten Geburtstagsgruss eine
unter Grossordinarien obligate Respektsbekundung vermuten könnte. In
Wahrheit bekundet sich darin Sympathie in bürgerliche Gesittung, die
ihn auch frei sein liess, aus gegebenem Anlass seiner eigenen
Universität gegenüber zu Protokoll zu geben, dass sie gemäss
archivarischer Evidenz erfolgreiche Neuerungen nicht zuletzt
Jungwissenschaftlern zu verdanken habe: „Als Anhänger der
Reformbestrebungen erscheinen in diesen Akten lediglich
Privatdozenten“67.
Das also ist der
fanatismusfreie Geist der bürgerlichen Kultur, in die sich die
weltanschaulich engagierte Philosophie Rudolf Euckens einfügt. Dazu
passt auch Euckens Fanatismusresistenz in einer Affaire universitärer
Vaterlandsverteidigung, in die sich die Universität Jena zu Beginn
des Ersten Weltkriegs hineingezogen fand. Aus Anlass der
Fertigstellung des neuen Jenenser Universitätshauptgebäudes hatte
der Vorstand der Gesellschaft der Kunstfreude in Jena und Weimar
beschlossen, den Neubau mit einem Bild des Aufbruchs studentischer
Freiwilliger in den Krieg des Jahres 1813 auszustatten. Der Auftrag
ging an Ferdinand Hodler68.
Die Anregung, den Schweizer Hodler, einen der grossen Modernen aus
der Zeit um die Jahrhundertwende, mit diesem Sujet zu beauftragen,
ging auf Rudolf Eucken zurück, wie der Hodler-Biograph Loosli
berichtet69.
Eucken selbst, der in der Tat mit Hodler freundschaftlich verbunden
war, berichtet, die Universität habe das berühmte Bild der
„Anregung“ seiner „Frau zu verdanken“70.
Das seit dem Jahre 1908 in der Universität präsente Bild wurde dann
1914 skandalisiert, nachdem Ferdinand Hodler den internationalen
Protest gegen die Beschiessung der Kathedrale von Reims, der gegen
Deutschland erhoben wurde, mitunterschrieben hatte. Ernst Haeckel,
immerhin, soll vorgeschlagen haben, „das Bild aus der Universität
zu entfernen und öffentlich zum Kauf anzubieten“71.
Stattdessen wurde das plötzlich anstössige Bild verbrettert. Eucken
hingegen begnügte sich später damit, Hodler, den „kraftvollen und
gedankenreichen Künstler“, durch die politische Ahnungslosigkeit
eines Genies zu entschuldigen, das „kaum je eine Zeitung las“.
Immerhin sei über diese Affaire die Freundschaft mit einem Manne zu
Ende gegangen, den er nichtsdestoweniger „dauernd als einen grossen
Künstler deutscher Art“72
in Erinnerung halte.
Fanatismusresistent also,
hochgemut, krisenbewusst und den deutschen und europäischen
Traditionen verbunden, die gegen die manifesten Krisen aufzubieten
gewesen wären, verfassungspolitisch aber konzeptlos und damit in
seinen Aufrufen zur „Tat“ gutwillige Handlungsbereitschaft
fortschreitend Desorientierter evozierend – das verbleibt als Bild
der Wirkungen des Weltanschauungsstifters Rudolf Eucken im Spiegel
der Publizistik seiner Weltanschauungsjünger, die in der Zeitschrift
„Die Tat“ „Wege zu freiem Menschentum“ suchten73.
Zu den ideenpolitischen Visionen des so genannten „Tatkreises“,
die in den Spätjahren der Weimarer Republik sich in der Zeitschrift
„Die Tat“ manifestieren sollten74
wäre freilich Rudolf Eucken weder fähig noch bereit gewesen.
Wer schliesslich der
Weltanschauungsphilosophie Rudolf Euckens überdrüssig geworden ist,
sollte sich fragen, was wir denn von diesem Gelehrten und Autor zu
erwarten gehabt hätten, wenn er seine Arbeit in der Konsequenz ihrer
wissenschaftlichen Anfänge hätte fortsetzen mögen, statt die
weltanschaulichen Bedürfnisse eines Publikums zu bedienen, das sich
in eine Zeit versetzt fand, die „wirr und wild“ sei, von
geistiger Dekadenz geprägt und bedürftig, sich neu im „Ewigen und
Wesenhaften der Dinge“ „zu befestigen“75.
Die Frage lässt sich beantworten. Ein Teil dieser Antwort müsste
lauten: Er wäre zu einem der wichtigsten Erziehungs- und
Bildungsphilosophen um die Wende des 19. zum 20. Jahrhunderts
aufgestiegen. Man hat ihn alsbald zu den herausragenden Theoretikern
des Bildungssinns der Geisteswissenschaften gezählt, deren Bedeutung
komplementär zu unserer wachsenden Abhängigkeit von den Leistungen
der Naturwissenschaft und Technikwissenschaften anwächst76.
Tatsächlich hatte sich Rudolf Eucken zur Gymnasialreform in Preussen
zu Beginn des letzten Jahrzehnts des 19. Jahrhunderts geäussert, aus
der – nicht zuletzt unter dem Druck des kaiserlichen Willens –
die Oberrealschule hervorgehen sollte77.
Gern wird man auch heute seine Kritik an der bildungspolitisch
verbreiteten Neigung lesen, „alle etwaigen Schäden sofort der
Schule aufzubürden“78.
„Die Stärke der Gegenwart“ läge im „Technischen,
Praktischzweckmässigen, Speziellen, in einer staunenswerten
Entwicklung aller Verzweigung des Daseins“79.
„Auf das Moderne“ könne man schlechterdings „nicht verzichten
oder auch nur eine Verkümmerung seiner dulden“80.
Je rascher aber die Zeiten sich ändern und wir uns mit ihnen, umso
gewisser müssten wir zur sicheren Unterscheidung von Nutzen und
Nachteil des Neuen unserer selbst sein, und solche Gewissheit ist
stets ein Resultat der Aneignung unserer Herkunftsgeschichte.
Philologie – das sei das Medium der Sicherung klassischer Texte,
aber erst über die Aneignung ihrer alterungsresitenten Inhalte
förderten wir die „Entwicklung geistiger Selbstthätigkeit“81.
Mit dem Grad der Modernität des modernen Lebens wachsen zugleich die
Ansprüche an die Bildung, die uns dieser Modernität gewachsen sein
lassen, wie nie zuvor sind wir dabei auf die vermittelnde Tätigkeit
der Lehrer angewiesen und entsprechend gäbe es, schreibt Eucken,
„kaum ein besseres Kennzeichen“ für die Bildungskultur einer
Gesellschaft als der „Grad, in dem die stille, tiefgreifende
aufopferungsvolle Arbeit des Lehrers geachtet wird“82.
So könnte man mit
Berichten über die bildungspolitischen Optionen Rudolf Euckens lange
fortfahren – von seiner Charakterisierung der Schule als einer
Institution zur Förderung der sozialen Emanzipation83
bis hin zu seinem verblüffenden Plädoyer für die „Abschaffung“
des „Maturitätsexamens“84.
Aber das gehörte in eine um die Darstellung der Bemühungen Rudolf
Euckens erweiterte Historiographie der Gymnasialreform, in der dann
auch zu erwähnen wäre, wie sich im Eucken’schen Fall Lebenserfolg
mit lebenslang dankbarer Erinnerung an die Schule zu verbinden pflegt
– hier also an „Das Auricher Gymnasium“85.
Als wichtigster Beitrag
Rudolf Euckens zur modernen Wissenschaftsgeschichte gilt inzwischen
sein früher Beitrag zur Theorie und Praxis der modernen
Begriffshistoriographie. Seine „Grundbegriffe der Gegenwart“,
„historisch und kritisch entwickelt“ zuerst 1878 erschienen86,
erregten weit über die Grenzen Deutschland hinaus Aufmerksamkeit und
Interesse. Sie weckten freilich auch Erwartungen, die dann Rudolf
Eucken durch seine Wende zum Weltanschauungsphilosophen
enttäuschte. Politisch-sozialer Realismus ebenso wie
begriffsanalytische Prägnanz bekundet sich, zum Beispiel, in Euckens
Präsentation des Gleichheitsbegriffs. Als Forderung richte sich
Gleichheit gegen rechtliche Privilegien und bereite damit die
politische Einebnung der Stände vor. Man erinnert sich, dass später,
zwischen den beiden Weltkriegen, prominente Theoretiker mit dieser
Einebnung die Vorstellung der Heraufkunft einer Massengesellschaft
verbanden – so Ortega y Gasset in seinem berühmten Buch „Der
Aufstand der Massen“87
oder auch Karl Jaspers mit seinem berühmten Bestseller „Die
geistige Situation der Zeit“88.
Bereits im 19. Jahrhundert wusste Eucken es besser: Je mehr in
unaufhaltsamem „Demokratismus“ Gleichheit sich durchsetzte, umso
mehr müssten neue „Unterschiede zwischen den Individuen
hervortreten, desto mehr Gliederung und Abstufung“ einschliesslich
ihrer „Spannungen und Konflikte“ würden sichtbar – „greifbar
auch in dem parlamentarischen Leben der Gegenwart89.
Eucken befindet sich mit dieser Prognose in Übereinstimmung mit dem
frühsoziologischen Theoretikern seiner Zeit von Herbert Spencer bis
zu Georg Simmel90.
Eucken beschreibt so Begriffsbildung und die praktische Orientierung
an neuen Begriffen als „einen welterzeugenden Denkprozess“91.
Dazu hätte man aus der Feder Rudolf Euckens, statt weiterer
wiederholungsreicher neu-idealistischer Manifeste, gern mehr noch
gelesen, und überdies auch zusätzliche Mitteilungen seiner
Einsicht, dass „Bilder und Gleichnisse in der Philosophie“ „kein
blosser Zierrath“ seien, vielmehr Leitmedien der Theorie- und
Begriffsbildung92.
Selbstverständlich ist der neueren begriffgeschichtlichen Forschung,
deren Erträgnisse inzwischen in grossen, sogar abgeschlossenen
Lexika dokumentiert sind, Rudolf Eucken als einer ihrer Inauguratoren
unvergessen geblieben – so in dem materialreichen Artikel zu
Geschichte des Begriffes „Begriffsgeschichte“ im Historischen
Wörterbuch der Philosophie93.
Hätte Eucken seine
Arbeit zur historischen Analytik der grossen philosophischen Begriffe
fortgesetzt und auch auf die Schlüsselbegriffe seiner
Weltanschauungsphilosophie angewandt, so hätte es ihn
überraschen müssen, dass „Sinn und Wert“, die Feierworte also
im Titel seines für die Nobelpreisverleihung ausschlaggebenden
Buches94,
in der philosophischen Tradition alteuropäischer Prägung eine
emphatisch herausgehobene Bedeutung gar nicht hatten. „Wert“
hatte bis ins 19. Jahrhundert hinein seinen Ort nicht in der Ethik,
vielmehr in der Ökonomie, und „Sinn“ war bis in das 18.
Jahrhundert hinein als Terminus zur Kennzeichnung dessen, was unser
Leben zu erfüllen vermag, unbekannt und hatte seinen schlichteren
Ort in der Theorie der niederen Erkenntnisvermögen95.
Was waren es für Umstände, die aus Begriffen der Ökonomie
einerseits und der Theorie subrationaler Erkenntnis andererseits
Begriffsedelsteine neu-idealistischer Weltanschauung werden liessen?
Wenn der alte Eucken an der Beantwortung dieser Frage noch
interessiert gewesen wäre, so hätte er die begriffsgeschichtliche
Arbeit des jungen Eucken wieder aufgreifen und fortsetzen müssen.
1
Das habe ich kürzlich am Beispiel der Universität Düsseldorf
dargestellt und in seinen kulturevolutionären Gründen plausibel zu
machen versucht. Cf. dazu: Hermann Lübbe: Universitätsjubiläen
oder die Selbsthistorisierung Wissenschaften. In: Jahrbuch der
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf 2005/6. Herausgegeben
vom Rektor der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Univ.-Prof.
Dr. Dr. Alfons Labisch. Düsseldorf 2006, pp. 53-62.
2
350 Jahre Ulricianum. Festschrift Gymnasium Ulricianum Aurich
1646-1996. Aurich 1996.
3
Bericht über die 300-Jahr-Feier der Staatlichen Oberschule für
Jungen Ulricianum in Aurich, 29.-31. August 1946. Aurich 1946.
4
1908-2008. 100th Anniversary of the Nobel Prize „in recognition of
their work of immunity“. A Symposium of
efis-EJI/Max-Planck-Institute/Sanofi Pasteur. Future Perspectives in
Immunology and Infectious Diseases.
5
Ostfriesische Nachrichten Nr. 275 (26. November 1987). Beilage
„Heimatkunde und Heimatgeschichte“, Folge 11 (November 1987),
pp. 43-44.
6
Petra Manning: Impuls für Geistesleben möglich. Des
Schulausschusses Konfrontation mit Euckens Ideenwelt. In: OZ, Nr.
152 (3. Juli 1991), p. 11.
7
Biographisches Lexikon für Ostfriesland. Herausgegeben im Auftrag
der Ostfriesischen Landschaft von Martin Tielke. Erster Band. Aurich
1993, pp. 134-137.
8
Cf. dazu die kenntnisreiche und sehr differenzierte Darstellung von
Uwe Dathe: Rudolf Eucken. Philosophie als strenge Wissenschaft und
weltanschauliche Erbauungsliteratur. In: Krzysztof Ruchniewicz,
Marek Zybura (Herausgeber): Die höchste Ehrung, die einem
Schriftsteller zuteil werden kann. Deutschsprachige Nobelpreisträger
für Literatur. Veröffentlichungen des Willy Brandt Zentrums für
Deutschland- und Europastudien der Universität Wrocław.
Dresden 2007, pp. 38-60.
9
Rudolf Eucken: Lebenserinnerung. Ein Stück deutschen Lebens. 2.
erweiterte Auflage Leipzig 1922, p. 82.
10
Rudolf Eucken: Der Sinn und Wert des Lebens. Siebente Auflage.
Sechsundzwanzigstes und siebenundzwanzigstes Tausend. Leipzig 1920
(zuerst 1907).
11
Henri Bergson: Avantpropos de l’ouvrage ‚Le sens et la valeur de
la vie’ de R. Eucken, Paris 1912, in: Henri Bergson: Mélange.
Textes publiés et annotés par André Robinet. Paris 1972, pp.
971-973.
12
A.a.O. (cf. Anm. 9), pp. 1-2.
13
Cf. dazu Kjell Strömberg: Kleine Geschichte der Zuerkennung des
Nobelpreises an Henri Bergson. In: Henri Bergson: Schöpferische
Entwicklung. Ausgabe für den Kreis der Nobelpreisfreunde. Paris,
Zürich o.J., pp. 9-14.
14
Cf. dazu Gunnar Ahlström: Kleine Geschichte der Zuerkennung des
Nobelpreises an Rudolf Eucken. In: Rudolf Eucken: Philosophische
Schriften. Paris, Zürich o.J., pp. 9-17.
15
Rudolf Eucken: Der Wahrheitsgehalt der Religion. Vierte,
umgearbeitete Auflage Berlin und Leipzig 1920 (zuerst 1901).
16
Rudolf Eucken, a.a.O. (cf. Anm. 9), p. 79.
17
Zu den Beziehungen zwischen Norström und Eucken cf. Ernst
Liljedahl: Norström und Eucken. Ein schwedisch-deutscher
Freundschaftsbund. In: Deutsch-schwedische Blätter.
Vierteljahrsschrift. Herausgegeben von der Deutsch-Schwedischen
Vereinigung, 1. Jahrgang, 2. Heft (November 1920), pp. 41-46, sowie
2. Jahrgang, 1./2. Heft (Oktober 1921), pp. 1-12.
18
Cf. Anm. 6.
19
Paul Natorp: Sozialidealismus. Neue Richtlinien sozialer Erziehung.
Berlin 1920.
20
Heinrich Heine: Zur Geschichte der Religion und Philosophie in
Deutschland (1834). In: Heinrich Heine: Sämtliche Werke in zwölf
Teilen. Mit Einleitungen und Anmerkungen herausgegeben von P. Beyer,
K. Quenzel und K. H. Wegener. Achter Teil. Leipzig o.J., p. 253.
21
Rudolf Eucken: Der Sinn und Wert des Lebens. Siebente Auflage.
Sechsundzwanzigstes und siebenundzwanzigstes Tausend. Leipzig 1920.
22
So Rudolf Eucken in seinem dem zitierten Buch nachgestellten
„Folgerungen für die Aufgaben der Gegenwart“, also der Kriegs-
und Nachkriegsjahre, a.a.O. p. 159.
23
A.a.O. pp. 162f.
24
A.a.O. p. 68.
25
A.a.O. pp. 73f.
26
Cf. dazu das Kapitel „Die Philosophischen Ideen von 1914“ in
meinem Buch „Politische Philosophie in Deutschland“, Basel 1963,
pp. 173-238 darin zu Rudolf Eucken pp. 178-188.
27
Exemplarisch seien genannt Wolfgang J. Mommsen (Herausgeber, unter
Mitarbeit von Elisabeth Müller-Luckner): Kultur und Krieg: Die
Rolle der intellektuellen Künstler und Schriftsteller im Ersten
Weltkrieg. Schriften des Historischen Colleges. Kolloquien 34.
München 1996, cf. dort zu Rudolf Eucken pp. 84, 107; ferner: Kurt
Flasch: Die geistige Mobilmachung. Die deutschen Intellektuellen und
der Erste Weltkrieg. Ein Versuch. Berlin 2000, dort zu Rudolf Eucken
pp. 15-35; ferner und auch zu Rudolf Eucken ausführlich und
wiederholt Peter Hoeres: Krieg der Philosophen. Die deutsche und die
britische Philosophie im Ersten Weltkrieg. Paderborn, München,
Wien, Zürich 2004.
28
Lebenserinnerungen, a.a.O. (cf. Anm. 9), p. 70.
29
Cf. Rudolf Euckens Bericht über den Besuch des chinesischen
Finanzministers bei ihm in jener gelegentlich der Telnahme des
Ministers an Verhandlungen in Versaille nach dem Vertragsschluss
daselbst, a.a.O. pp. 114f. – Zur Rezeption Euckens in China cf.
Thomas Fröhlich: Staatsdenken im China der Republikzeit
(1912-1949). Die Instrumentalisierung philosophischer Idee bei
chinesischen Intellektuellen. Frankfurt/Main 2000. – Rudolf Eucken
wird in diesem Werk neben Bergson und Dewey am häufigsten zitiert.
30
Entsprechend wird ihm auch in der materialreichen Darstellung der
Zivilisationskritik in Deutschland, die wir Barbara Beßlich zu
verdanken haben, ein wichtiges Kapitel gewidmet (cf. Barbara
Beßlich: Wege in den >Kulturkrieg
31
Rudolf Eucken, Lebenserinnerung (cf. Anm. 9) p. 82.
32
Berlin 1868.
33
Ernst Haeckel: Die Welträtsel. Gemeinverständliche Studien über
monistische Philosophie. 341.-360. Tausend Leipzig 1918.
34
Ernst Haeckel: Der Monismus als Band zwischen Religion und
Wissenschaft (1892). In: Ernst Haeckel: Gemeinverständliche Werke.
Herausgegeben von Heinrich Schmidt. Fünfter Band. Vorträge und
Abhandlungen. Leipzig, Berlin 1924, pp. 407-444, p. 441.
35
Cf. dazu meine Abhandlung „Wissenschaft und Weltanschauung.
Kulturpolitische und erkenntnistheoretische Fronten im Streit um
Emil DuBois-Reymond“, in: Hermann Lübbe: Philosophie in
Geschichten. Über intellektuelle Affirmationen und Negationen in
Deutschland. München 2006, pp. 59-76.
36
Günthers „Rassenkunde des deutschen Volkes“ mit seiner Lehre
von den Vorzugseigenschaften der „nordischen Rasse“ war schon
1930 in 15. Auflage erschienen.
37
Ein Sammelwerk zur Entwicklungsgeschichte von Natur und
Gesellschaft. Redaktion: Gisela Buschendorf, Horst Wolfgramm,
Irmgard Radant. Leipzig 1954, mit einem Vorwort von Walter Ulbricht.
38
Rudolf Eucken, Lebenserinnerungen (cf. Anm. 9), pp. 33, 20.
39
Rudolf Eucken: Die Lebensanschauungen der grossen Denker. Eine
Entwicklungsgeschichte des Lebensproblems der Menschheit von Plato
bis zur Gegenwart. Siebzehnte und achtzehnte Auflage Berlin, Leipzig
1922, p. 502.
40
Rudolf Eucken, Lebenserinnerungen (cf. Anm. 9) p. 51.
41
A.a.O. (cf. Anm. 39), p. 531. – Zu den sozial- und
bildungspolitischen Aktivitäten Rudolf Euckens um die
Jahrhundertwende insbesonder zugunsten der Volksschullehrerschaft
cf. Mathias Steinbach: Ökonomisten, Philanthropen, Humanitäre.
Professorensozialismus in der akademischen Provinz. Berlin 2008, pp.
270ff.
42
A.a.O. p. 534.
43
A.a.O. p. 532.
44
Rudolf Eucken, Lebenserinnerung (cf. Anm. 9), p. 76. – Zur Frage
eines im Lebenswerk Walter Euckens fortwirkenden intellektuellen
väterlichen Erbes cf. Uwe Dathe, Nils Goldschmidt: Wie der Vater,
so der Sohn? Neuere Erkenntnisse zu Walter Euckens Leben und Werk
anhand des Nachlasses von Rudolf Eucken in Jena. In: ORDO 54 (2003),
pp. 49-74.
45
Rudolf Eucken: Zur Sammlung der Geister. Leipzig 1913, p. 94.
46
A.a.O. p. 95.
47
A.a.O. p. 144.
48
Rudolf Eucken: Der Wahrheitsgehalt der Religion. Vierte umgearbeitet
Auflage (zuerst erschienen 1901). Vitalis Norstroem gewidmet. Berlin
und Leipzig 1920, p. 43.
49
ibid.
50
Cf. dazu das Kapitel „Religion säkularisierungsbegünstigt“,
in: Hermann Lübbe: Modernisierungsgewinner. Religion,
Geschichtssinn, Direkte Demokratie und Moral. München 2004, pp.
13-95; ferner Hermann Lübbe: Die Zivilisationsökumene.
Globalisierung kulturell, technisch und politisch. München 2005,
dort pp. 165ff.: „Die andere Seite der Globalisierung
exemplarisch: repolitisierte Religion als Konfliktverschärfer“.
51
Rudolf Eucken: Das Wesen der Religion philosophisch betrachtet.
Vortrag auf der Sächsischen Kirchlichen Konferenz zu Chemnitz am
17. April 1901. Leipzig o.J., p. 15.
52
Rudolf Eucken: Können wir noch Christen sein? Leipzig 1911, p. 230.
53
A.a.O. pp. 232f.
54
Rudolf Eucken, Lebenserinnerung (cf. Anm. 9) pp. 36f.
55
A.a.O. p. 105.
56
So Rudolf Eucken in seinem „Geleitwort“ zu „Der Deutsche
Genius“, Falkenberg/Mark 21922, p. 4.
57
So in seinen „philosophischen Übungen“, „die während des
Krieges“ „sowohl die Bedeutung der französischen Philosophie
als die der englischen in ihren Hauptwerken zusammenhängend“
behandelten – cf. Rudolf Eucken, Lebenserinnerung, a.a.O. (cf.
Anm. 9) p. 101.
58
„… kein unbedingtes Lob“; aber „voll anzuerkennen“ sei
„die Energie des dortigen Lebens, die Grosszügigkeit des
Unternehmens, die gegenseitige Hilfsbereitschaft, welche das
amerikanische Leben durchdringt“, so Rudolf Eucken a.a.O. p. 91
und analog öfters.
59
So bei Hartmut Ruddies: Soziale Demokratie und freier
Protestantismus. Ernst Troeltsch in den Anfängen der Weimarer
Republik. In: Troeltsch-Studien Band 3: Protestantismus und Neuzeit.
Herausgegeben von Horst Renz und Friederich Wilhelm Graf. Gütersloh
1984, pp. 145-174, p. 171.
60
Rudolf Eucken: Der Kampf um einen geistigen Lebensinhalt. Neue
Grundlegung der Weltanschauung. 1886.
61
Cf. dazu Shinichi Sato: Ernst Troeltsch und Ernst Haeckel. In:
Mitteilungen der Ernst-Troeltsch-Gesellschaft VII. Augsburg 1994,
pp. 53-75, p. 73.
62
Cf. dazu die Hinweise bei Shinichi Sato, a.a.O. p. 72.
63
Zum Thema „Kulturprotestantismus“ zusammenfassend Gangolf
Hübinger: Kulturprotestantismus, Bürgerkirche und liberaler
Revisionismus im wilhelminischen Deutschland. In: Wolfgang Schieder
(Herausgeber): Religion und Gesellschaft in 19. Jahrhundert.
Stuttgart 1993, pp. 272-299.
64
So nach Gerd-D. Gauger: Aurich in Kaisers Rock und Pettycoats.
Aurich 2002, p. 44.
65
Gemäss Rudolf Eucken: Zur Sammlung der Geister. Leipzig 1913.
66
Rudolf Eucken: zu Ernst Haeckels achtzigstem
Geburtstag. In: Die Tat. Eine Montasschrift, herausgegeben von Eugen
Diederichs und Karl Hoffmann. 5. Jahrgang Heft 12 (März 1914), p.
1264.
67
So nach Matthias Steinbach, Michael Ploenus: Universitätsgeschichte
durch die Hintertür. Einführung der Herausgeber. In: Matthias
Steinbach, Michael Ploenus (Herausgeber): Ketzer, Käuze,
Querulanten. Aussenseiter im universitären Milieu. Jena,
Quedlinburg 2008, pp. 9-12, p. 11.
68
Cf. dazu Botho Graef: Hodlers und Hofmanns Wandbilder in der
Universität Jena. Jena 21910, pp. 32ff.
69
Ferdinand Hodler. Leben, Werk und Nachlass. In vier Bänden
bearbeitet und herausgegeben von C. A. Loosli. Bern 1924, Band eins,
p. 157.
70
Rudolf Eucken, Lebenserinnnerung … (Cf. Anm. 9), p. 115.
71
So gemäss dem Leserbrief von Prof. Dr. Hans Tümmler: Der „Fall
Hodler“ in Jena. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 146 (27.
Juni 1991), p. 11.
72
Rudolf Eucken a.a.O. (cf. Anm. 70), ibid.
73
So prototypisch Otto Braun: Gedanken zu einer Philosophie des
Schaffens. In: Die Tat. Wege zu freiem Menschentum. Eine
Monatsschrift. Herausgegeben von Ernst Horneffer. 1. Jahrgang.
Leipzig 1909/1910, pp. 593-605.
74
Zum „Tatkreis“ cf. Kurt Sontheimer: Der Tatkreis. In:
Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. 3. Heft/Juli (7. Jahrgang
1959), pp. 249-260.
75
So Rudolf Eucken in seinem „Vorwort zur zweiten und zu den
folgenden Auflagen“ in der siebzehnten und achtzehnten Auflage von
„Die Lebensanschauungen der grossen Denker. Eine
Entwicklungsgeschichte des Lebensproblems der Menschheit von Plato
bis zur Gegenwart“, Berlin und Leipzig 1922, pp. III-IV, p. IV.
76
So Rudolf Lehmann in seinem „Anhang“ „Der gelehrte Unterricht
bis zum Weltkrieg. 1892-1914“, zu: Friedrich Paulsen: Geschichte
des gelehrten Unterrichts auf den deutschen Schulen und
Universitäten vom Ausgang des Mittelalters bis zur Gegenwart. Mit
besonderer Berücksichtigung auf den klassischen Unterricht. Dritte
erweiterte Auflage, herausgegeben und in einem Anhang fortgesetzt
von Dr. Rudolf Lehmann. Zweiter Band. Berlin und Leipzig 1921, pp.
693-797, p. 711.
77
Cf. a.a.O. pp. 715ff.
78
Rudolf Eucken: Der Kampf um das Gymnasium. Gesichtspunkte und
Anregungen. Stuttgart 1891, p. 7.
79
A.a.O. p. 15.
80
A.a.O. p. 18.
81
A.a.O. p. 41.
82
A.a.O. p. 66.
83
A.a.O. pp. 8f.
84
A.a.O. p. 60.
85
So nach dem Titel des einschlägigen Kapitels in Euckens
„Lebenserinnerungen“, a.a.O. (cf. Anm. 9), pp. 16-20.
86
Rudolf Eucken: Die Grundbegriffe der Gegenwart. Historisch und
kritisch entwickelt. Zweite, völlig umgearbeitet Auflage Leipzig
1893.
87
Deutsch zuerst 1931.
88
Auch dieser Titel erschien deutsch zuerst 1931.
89
Rudolf Eucken, Grundbegriffe, a.a.O. (cf. Anm. 86) p. 211.
90
Zu diesem wissenschaftshistorischen Kontext cf. meine Abhandlung
„Ungleichheit in egalitären Gesellschaften“, in: „Freiheit,
die ich meine“. Herausgegeben vom Landtag Rheinland-Pfalz.
Stuttgart 2007, pp. 181-193.
91
Rudolf Eucken a.a.O. (cf. Anm. 86), p. 17.
92
Rudolf Eucken: Ueber Bilder und Gleichnisse in der Philosophie. Eine
Festschrift. Leipzig 1880, pp. 26f.
93
H.G. Meier: Begriffsgeschichte. In: Historisches Wörterbuch der
Philosophie. Herausgegeben von Joachim Ritter. Band 1. Basel 1971,
Sp. 788-808, darin zu Eucken Sp. 793-795.
94
Rudolf Eucken: Der Sinn und Wert des Lebens. Siebente Auflage
Leipzig 1920. – Die erste Auflage dieses Werkes erschien 1907.
95
Cf. dazu meinen Essay „Werte modern, alltäglich und
feiertäglich“, in: Werte. Was die Gesellschaft zusammenhält.
Herausgegeben von Liz Mohn, Birgitte Mohn, Werner Weidenfeld,
Johannes Meier. Für Reinhard Mohn zum 85. Geburtstag, Gütersloh
2006, pp. 55-66.
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