Erschienen in Ausgabe: No 109 (03/2015) | Letzte Änderung: 25.03.15 |
Ein tief gläubiger Elektriker aus Wien wird Feldwebel der Wehrmacht und rettet in Vilna hunderten von Juden das Leben. Die Nazis richten ihn hin. Nun wird die bewegende Geschichte von Anton Schmidt erstmals umfassend erzählt. Im Fischer-Verlag erscheint die Forschungsarbeit des Historikers Wolfram Wette über einen stillen Helden der deutschen Geschichte
von Alois Weimer
Eigentlich wollte ich nur den Abschiedsbrief lesen, den
Feldwebel Anton Schmid kurz vor seiner Hinrichtung an seine Frau und seine
Tochter geschrieben hatte. Doch nach der Lektüre dieser trostreichen Worte an
seine Lieben wollte ich den Schreiber näher kennen lernen. Ich las also die
Vita des 1900 in Wien geborenen Buben, der dort die Volksschule besuchte, ein
Handwerk erlernte und schon bald als Elektriker sein Brot verdiente. Das in
seinem Stadtviertel viele Juden lebten, war es kein Wunder dass der lebensfrohe
Anton Schmid sich vorübergehend in ein jüdisches Mädchen verliebte. Fleißig und
zielstrebig schaffte es der Geselle, sich selbständig zu machen und ein
Elektrogeschäft zu gründen. Unter anderen waren auch reiche Juden seine Kunden,
und als es galt, zwei Mitarbeiter einzustellen, waren diese Juden. Auch im
privaten Leben war das Glück auf seiten Antons. Er liebte und heiratete seine
Steffie, die ihm die Tochter Gerta schenkte. Doch dann tat es einen
Donnerschlag, der Zweite Weltkrieg begann, Anton wurde Soldat und verließ das
irdische Paradies für immer. Als Elektriker kam er in eine
Nachrichtenabteilung, die zwei Jahre lang im östlichen Kriegsgebiet eingesetzt
wurde. Die letzte Station war Vilna, wo Schmid sich in einer von ihm geleitete
Dienststelle um versprengte Soldaten kümmern musste. Diese Stelle gewährte ihm
viel Freiheit, und er nutzte sie. Doch zuerst erlebte er hier die Hölle.
Täglich wurden im „Jerusalem des Ostens“ (Vilna), und in den Nachbardörfern
hunderte Juden auf grauenhafte Weise umgebracht. Feldwebel Anton Schmid wußte
von den teuflischen Verbrechen. In einem Brief an seine Frau schriebt er: „Hier
waren sehr viele Juden, die vom litauischen Militär zusammen getrieben und auf
einer Wiese außerhalb der Stadt erschossen wurden, immer so 2000 - 3000
Menschen. Die Kinder haben sie auf dem Wege dahin gleich an die Bäume
angeschlagen – kannst Du Dir das vorstellen?“ Feldwebel Schmid hilft, wo er
kann. Mit dem Soldbuch des gefallenen Soldaten Max Huber machte er aus dem
Juden Salinger einen deutschen Soldaten, der als Schreiber unter Feldwebel
Schmid im Büro arbeitete. Die Jüdin Luisa wird zu einer polnischen Sekretärin,
und für mehr als 300 Juden wird er zu einem erfolgreichen Fluchthelfer. Erst
als er sich auf die Zusammenarbeit mit litauischen Partisanen einlässt, wird er
erwischt, angeklagt, zum Tode verurteilt und am 13. 4. 1942 hingerichtet.
In den Schlusskapiteln ergänzt Professor Wette die. Ausführungen über das Leben
des Feldwebels mit Klagen über die deutsche Nachkriegspolitik, die es bis zur
Jahrtausendwende versäumt habe, vor allen den Angehörigen der Verurteilten ihre
Rechte zu gewähren. Das mag zum Teil stimmen. Der Professor irrt allerdings,
wenn er zum Schluss Feldwebel Anton Schmid als Humanist der Aufklärung
darstellt. Anton Schmid weist in seinem letzten Brief darauf hin, dass er
sterbe, „da Gott es so will, und sein Wille geschehe.“ Er ist als katholischer
Christ davon überzeugt, dass er das Gebot der Nächstenliebe von Gott erhalten
und danach gehandelt habe. Die christliche Religion ist sein Wegweiser gewesen,
Deshalb hätte der Titel auch besser gelautet: Feldwebel Anton Schmid – ein Held
des Christentums“.
Wolfram Wette, Feldwebel Anton Schmid – Ein Held der Humanität, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 2013, 312 Seiten, 24,99 Euro
ISBN 978 -3 – 10 – 091209 - 1
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