Erschienen in Ausgabe: No 110 (04/2015) | Letzte Änderung: 16.04.15 |
von Sigbert Gebert
Eifersucht ist typisch für alle engen Beziehungen, gehört
zur Grundsozialisation in der Familie und findet sich in jeder Gesellschaft,
bei jeder Person. Besonders heftig äußert sie sich in Liebesbeziehungen, vor
allem in sexuellen Angelegenheiten. Warum ist das so? Was sind die
Grundcharakteristiken der Eifersucht, die es so schwer machen, sie loszuwerden?
Wie kann man mit ihr leben lernen?[1]
Eifersucht ist umso wahrscheinlicher, je näher, je intensiver, je
exklusiver eine Beziehung ist. Die die heutige Liebesbeziehung prägende Idee
der romantischen Liebe fordert genau das: Nähe, Intimität, Exklusivität und
macht dadurch Eifersucht hochwahrscheinlich.
Die romantische Liebe sieht Liebe als Gefühl an: Schon Platon
beschrieb Liebe als Sehnsucht nach Ganzheit, die sich romantisch in der
Paarbeziehung erfüllt: Nur mit der Geliebten erscheint „Ganzheit“ erreichbar.
Sie wird vor allem in der Sexualität erlebt. Die Geliebte ist in der
Verliebtheit einzigartig, unaustauschbar, und diese Einzigartigkeit wird auch
für die gemeinsame Beziehung, insbesondere für Sexualität, Intimität
reklamiert. Soziologisch gesehen, reagiert die romantische Liebe auf eine
zunehmend unpersönliche Welt, in der die einzelne in verschiedene Rollen „zerfällt“.
Die Liebesbeziehung – das ist ihre heutige Funktion – bestätigt hingegen die
Liebenden als „Ganzes“, als individuelle Persönlichkeit mit ihrer individuellen
Sicht auf die Welt. Das erlaubt es, Selbstidentität und Selbstbewußtsein
aufzubauen und aufrechtzuerhalten, in einer unpersönlichen Welt selbstbewußt zu
handeln. Die gegenseitige Bestätigung der Weltsichten führt im romantischen
Ideal zu einer gemeinsamen, exklusiven Paarwelt. Das Paar isoliert sich von der
Umwelt, und die Liebenden entwickeln in ihrer als dauerhaft gedachten Beziehung
erst ihre wahre Identität. Tendenziell alles, was die andere tut, wird zum
Thema des Paares: Die Geliebte wird als „Ganzes“, komplett berücksichtigt.
Negativ ausgedrückt: Beide mischen sich in alle Angelegenheiten der anderen
ein.
Eine Komplettberücksichtigung ist de facto nicht möglich, und
dieser Anspruch überfordert denn auch das Paar. Die jeweilige Individualität
kommt immer stärker zur Geltung, die gemeinsame Welt erfährt mit der Zeit
Risse, zeigt sich zumindest teilweise als Fiktion, die einzelne erfährt sich
wieder als einzelne. Die Sehnsucht nach Ganzheit bricht erneut aus und richtet
sich dann leicht auf andere Personen, zu denen Nähe gesucht wird – und die
Folge ist Eifersucht. Sie ist eine erwartbare Konsequenz des heutigen
Liebeskonzepts.
Eifersucht tritt jedoch in allen engeren Beziehungen auf, auch
und oft verstärkt in Beziehungen, die nur noch durch die täglichen Machtkämpfe
zusammengehalten werden. Liebe hat „an sich“ nichts mit Eifersucht zu tun und
auch nicht ihr Gegenteil, der Haß. Liebe läßt sich bestimmen als positive
Einstellung zur anderen (Haß als negative) und durch das Zurückstellen eigener
Interessen.[2]
Die gegenseitige Liebesbeziehung ist jenseits von Egoismus und Altruismus
(innerhalb der Beziehung – nach außen hingegen oft rücksichtslos), man stellt
gerne und freiwillig Eigenes zurück und profitiert zugleich davon, der Haß
macht das Gleiche negativ, da es ihm, auch wenn es gegen die eigenen Interessen
verstößt, nur um den Schaden der anderen geht.
Eifersucht wie
die ihr verwandten Phänomene Neid und Rivalität sind hingegen ichzentriert,
egoistisch. Bei Rivalität und Neid sind zwei Personen im Spiel: Rivalen kämpfen
um ein Gut, während beim Neid die eine Person ein Gut besitzt, das die andere anstrebt.
Beide Male geht es um den Wunsch nach etwas, was man nicht besitzt. Bei
Eifersucht sind hingegen drei Personen im Spiel und befürchtet oder erleidet
man einen Verlust an erwünschter oder als Anrecht angesehener Aufmerksamkeit
oder Zuwendung von einer Person zugunsten einer Rivalin. Man ist dann auf die
Geliebte oder die Rivalin oder beide eifersüchtig. Die Eifersucht sieht eigene
Interessen durch Außenbeziehungen gefährdet.
Eifersucht
erfüllt die Definitionskriterien einer Emotion: Sie hat eine affektive, eine
Gefühlskomponente, das subjektive Gefühlserlebnis, eine kognitive Komponente,
die Situationsauffassung, führt zu körperlichen Reaktionen und zu motorischem
Ausdruck (Gestik, Mimik) und tendiert zu Handlungen.
Ihr subjektiver
Kern ist das Gefühlserlebnis. Was für
Gefühle werden erlebt? Ist für Eifersucht das Schwanken zwischen Liebe und Haß
das zentrale Charakteristikum (wie etwa Baumgart annimmt)? Eifersucht kann aus Liebe
entstehen und in Haß enden, aber beides ist nicht notwendig. Man muß weder die
Geliebte noch die Rivalin hassen. Auch wenn man ihnen nicht gerade tolle
Liebesnächte wünscht (manche Verfechter von „Polyarmorie“ sehen gerade das als
wünschenswert an), so ist doch etwas Mißgunst noch kein Haß. Man ist vielmehr
ärgerlich, wütend, zornig, weil die Geliebte einen zurücksetzt, nicht mehr
liebt, als ersetzbar behandelt, verletzt. Aus der Zurücksetzung und Verletzung
folgen Angst vor Verlust, man ist, vor allem bei eingetretenem Verlust,
verzweifelt, depressiv, traurig. Eifersucht als Gefühl ist eine Mischung aus Ärger, Angst, Traurigkeit,
die je unterschiedlich stark auftreten. Bei einer Bedrohung der Beziehung wird
die Verlustangst überwiegen, bei eingetretenem Verlust die Traurigkeit und die
Verlustangst der Angst vor dem Alleinsein weichen. Eines der Gefühle kann auch
fehlen oder minimiert sein, ein anderes besonders oder auch allein hervortreten
(mit negativen Folgen insbesondere der Zorn). Eifersucht kann in ganz
unterschiedlichen Formen und Stärken auftreten.
Warum aber ist
man überhaupt eifersüchtig? Was, genauer: welche „Erkenntnis“, welche kognitive Komponente macht die Gefühle
zur Eifersucht? Engere Beziehungen sind Teil des eigenen Ich, sie formen die Ichidentität
und stabilisieren das Selbstbewußtsein. Eifersucht hat heute mit Liebe zu tun,
weil die romantische Liebe mit ihrer Betonung von Verschmelzung und Totalität
eine enge Beziehung stiftet, die entscheidend zur Ichidentität beiträgt. Ein Eifersuchtsanlaß
stellt das bisherige Ich infrage und beschädigt damit den Selbstwert, das
Selbstbewußtsein. Das erfährt man nicht einfach kognitiv, man steht bei
wichtigen Ereignissen nicht erkennend neben sich selbst, sondern wird beim
Verstehen des Anlasses unmittelbar verletzt und emotional getroffen. Man
versteht, daß die Beziehung bedroht oder verlorengegangen ist und reagiert auf
dieses einschneidende Ereignis mit Ärger, Angst, Traurigkeit. Zentral für die
Eifersucht ist der aus Bedrohung oder Verlust hervorgehende Selbstzweifel, der
Verlust an Selbstwert und Selbstbewußtsein. Auch verletzte Eitelkeit, verletzte
Ehre sind Minderungen des Selbstbewußtseins, und auch andere Eifersuchtsmotive,
wie Wunsch nach Erhalt der Beziehung, nach Zuwendung, nach Erhalt der
Einzigartigkeit oder des Gebrauchtwerdens hängen damit zusammen. Man erfährt
sich auch im persönlichen Bereich, der einen nicht als Rolle, sondern als
Person bestätigen soll, als ersetzbar.
Der
Eifersüchtigen geht es um das Selbst, den Gewinn, den sie aus der Beziehung
zieht und nicht verlieren will. Liebe definiert hingegen, daß man der anderen
Gutes will. Eifersucht ist deshalb kein Zeichen von Liebe, sondern ein Zeichen
dafür, wie stark der eigene Selbstwert oder das Selbstbewußtsein von einer
Beziehung bestimmt werden und wie groß die Verlustängste sind. Das Fehlen von
Eifersucht bedeutet deshalb auch nicht fehlende Liebe. Ist die Verlustangst
gering, so wird auch die Eifersucht weniger stark ausfallen. So kann gerade
dann, wenn das Selbstbewußtsein sich besonders über die andere aufbaut, bei
Frischverliebten, deren Beziehung nicht in Frage steht, ein „Seitensprung“
keine oder nur geringe Eifersucht auslösen. Von mangelnder Liebe kann hier
keine Rede sein. Eifersucht folgt nicht aus Liebe, sondern ist abhängig davon,
wie stark das Selbstbewußtsein – das nach außen groß oder gering sein kann –
von dem Eifersuchtsanlaß in Mitleidenschaft gezogen wird. Ein starkes
Selbstbewußtsein, das sich auf eine enge Beziehung, eine starke Bindung stützt,
schützt nicht unbedingt vor starker Eifersucht.
Gilt in einem
Extrem Eifersucht als Zeichen von Liebe, so im anderen als Mangel an Liebe, der
einem verfehlten (kapitalistischen) Besitzanspruch oder Unreife entspringt.
Geringe Eifersucht kann zwar ein Zeichen geringer Besitzansprüche sein, aber
genausogut ein Zeichen schwacher Bindung (und das qua definitionem: Eifersucht
entgegengesetzt ist Gleichgültigkeit). Entscheidender: Eifersucht entsteht
zunächst überhaupt nicht aus einem Besitzanspruch, sondern aufgrund einer
falschen Erwartung: Man erwartet, daß man die Aufmerksamkeit, die man bisher
erhielt, und zwar freiwillig, nicht aus einem Besitzanspruch, sondern aus Liebe
erhielt, auch weiterhin erhält. Eifersucht
ist eine enttäuschte Erwartung. Die Eifersüchtige erfährt dabei gerade, daß
die Zuwendung der Geliebten freiwillig ist, und zwar heute nicht mehr nur die
Zustimmung zum Ehevertrag, sondern die Zuwendung in jedem Moment. Das Treueversprechen
der Liebe gilt heute nur im Moment des Versprechens (wo es auch ernst gemeint
ist), und von der Gesellschaft wird das auch anerkannt, der Anspruch auf Treue
sozial, also vor allem moralisch und rechtlich nicht mehr gestützt.
An körperlichen Reaktionen (und in Gestik
und Mimik) ist je nach Stärke der Eifersucht und je nach Person vieles
beobachtbar: Bauchschmerzen, Niedergedrücktheit, Wellen von Panik und Ohnmacht,
Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit, Konzentrationsschwäche, Unsicherheit. Sie
sind nicht eifersuchtsspezifisch: Es könnte sich auch um Verliebtheit handeln.
Entscheidend ist die Situationsauffassung, die die Eifersucht zur Eifersucht
macht. Auch das Handeln der
Eifersüchtigen kann unterschiedlich ausfallen: Nichtstun, Trennung,
selbstbezogener Rückzug in die Depression oder Suizid, Aggressionen oder Gewalt
bis zum Mord.
Die extremen
Reaktionen sind vor allem eine Folge von Schuldzuweisungen
an Geliebte und Rivalin. Traditionell gab die Eifersüchtige der sich abwendenden
Geliebten die Schuld am Verstoß gegen den Ehevertrag. Heute hat eine systemische
Sichtweise die Schuldthese abgelöst: Das Gelingen oder Scheitern einer
Beziehung ist eine Sache von beiden, einseitige Schuldzuweisungen unangemessen.
Die Schuldzuweisung ist der Versuch, das angeschlagene Selbstbewußtsein durch
Zuschreibung der Verantwortung an die Geliebte oder Rivalin, durch
Externalisierung, zu stabilisieren. Das kann insbesondere bei Gewaltanwendung
nicht mehr auf großes Verständnis hoffen. Eifersucht hat nichts mehr mit Schuld
zu tun. Die heutige Liebesbeziehung ist während ihrer ganzen Dauer freiwillig.
Man kann heute kein Recht und keinen moralischen Anspruch auf emotionale Zuwendung
einer anderen beanspruchen. Die Eifersucht kann der Geliebten zu verstehen
geben, daß sie es an „normalerweise“ in einer Liebesbeziehung erwartbarer
Zuwendung fehlen läßt. Aber ein Anspruch auf diese Zuwendung besteht nicht.
Deshalb läßt sich auch nicht mehr von berechtigter oder unberechtigter
Eifersucht sprechen. Berechtigt war eine Eifersucht, wenn ein Partner fremd
ging und damit schuldig wurde, unberechtigt bei falschem Verdacht. Wenn die
moralische Komponente wegfällt, kann man nur noch von verständlicher und
unverständlicher (unangemessener, krankhafter) Eifersucht sprechen.
Die
Eifersüchtige kümmern solche Unterscheidungen wenig: Eifersucht hat man
unabhängig davon, ob man sie haben „darf“ oder nicht. Das romantische
Liebeskonzept, das die Selbstwerdung in der monogamen Dauerbeziehung vorsieht,
ist so tief verwurzelt – wo sonst findet man heute sein Glück –, daß sein
hochwahrscheinliches Scheitern emotional nicht einfach einkalkuliert werden
kann. Jede weiß natürlich „an sich“, daß Liebe erkaltet, Liebe nicht erzwungen
und eine Abwendung der Geliebten immer eintreten kann – doch die Paare setzen
gegen dieses bessere Wissen emotional weiterhin auf „ewige“ Treue. Emotional
erfährt man das Treueversprechen als Gewißheit, als etwas, was nicht falsch sein
kann und gegen das Wissen deshalb nichts nützt. Für den Fall des Scheiterns
sind keine Verhaltensweisen eingelernt. Die Eifersüchtige ist ihrer Eifersucht
ausgeliefert und wird mit ihr, da die Umwelt das Scheitern als normal ansieht,
ohne großes Verständnis allein gelassen. Die reflektierte Eifersüchtige ist
deshalb selbst über ihre Eifersucht bestürzt, leidet nicht nur an ihrer
Zurücksetzung, sondern auch daran, daß sie eifersüchtig ist. Sie lernt sich,
das könnte man als positiven Ertrag sehen, in ihren schwachen Seiten (Ängsten,
Abhängigkeiten, Unsicherheiten) kennen.
Eifersucht war
angesichts ihres Gewaltpotentials sozial nie recht erwünscht, bestätigte aber
mit der Familienehre die Familie als Kern der Gesellschaft und war insofern
funktional. Eifersucht thematisierte sozial unerwünschte, rechtlich oder
moralisch ungerechtfertigte Außenbeziehungen. Bei dem ihr verwandten Neid ist
noch heute der Übergang zu berechtigter Empörung angesichts ungerechter
Besitzverhältnisse, zum Gerechtigkeitssinn, fließend. Die Empörung angesichts „ungerechtfertigter“
Außenbeziehungen wird hingegen heute bei Beziehungen von Erwachsenen nicht mehr
sozial gestützt: Es gibt keine ungerechtfertigten Außenbeziehungen mehr. Der
Erhalt der Familie ist für die Gesellschaft nicht mehr notwendig. Eifersucht
läßt sich sozial nicht mehr rechtfertigen. Sowohl individuell (als quälendes
Gefühl) als auch sozial ist sie heute unerwünscht. Sie kann heute nicht mehr
positiv gesehen werden. Allerdings wird man sie angesichts ihrer emotionalen
Verankerung nicht so leicht los. Reflexion hilft gegen Emotionen nur bedingt –
es bräuchte die Einübung einer neuen Liebeskultur.
Was für ein
Verhalten sollte an die Stelle von Eifersucht treten? Eifersucht glaubt,
bestimmte Beziehungen oder ein zurücksetzendes Verhalten nicht tolerieren zu
können. Ihr (kontradiktorischer) Gegensatz ist die Toleranz, Eifersucht
gleichbedeutend mit Intoleranz. Toleranz ist aber nicht einfach positiv: Sie
kann entarten – zur Gleichgültigkeit (dem konträren Gegensatz aller engagierten
Beziehungsmöglichkeiten u.a. der Eifersucht). Mit ihr wäre die Eifersucht zwar
überwunden, aber zugleich die Beziehung überflüssig geworden. Wie weit kann
Toleranz heute gehen, ohne eine Beziehung aufzulösen? Anders gefragt: Was darf
man in einer Beziehung erwarten? Was für ein beiderseitiges Verhalten ist die
Minimalbedingung dafür, daß heute eine Beziehung – eine gute Beziehung –
aufrechterhalten werden kann? Das betrifft zunächst nicht die Eifersüchtige,
sondern die Geliebte.
Jede nähere Beziehung
beruht auf gegenseitiger Solidarität und Achtung. Auch wer sich einer anderen
Person zuwendet, sollte – moralisch gesehen – in der bisherigen Beziehung
weiterhin Solidarität und Achtung (nicht Mitleid) üben. Das monogame
Liebeskonzept, das von einer Geliebten zur nächsten wechselt, ist moralisch
rücksichtslos, die serielle Monogamie inhuman. Die Empörung der Verlassenen
erscheint deshalb auch heute noch als gerechtfertigt. Nicht die sexuelle
Untreue ist das Problem, sondern das Verlassen einer Beziehung nur wegen einer neuen Verliebtheit. Eine
neue Liebeskultur müßte den Exklusivitätsanspruch der romantischen Liebe
aufgeben und zugleich am Treueversprechen bezüglich des Zusammenbleibens
festhalten.[3]
Die moderne Gesellschaft benötigt Eifersucht in keiner Form mehr, und deshalb
könnte heute „an sich“ die Liebesbeziehung auch ohne Eifersucht auskommen –
selbst wenn ein Rivale da ist oder eine anderweitige intime Beziehung besteht.
Unter welchen
Bedingungen ist das denkbar? Eifersucht erfährt einen realen Verlust, unter dem
man leidet, oder ängstigt sich vor einem Verlust. Eifersucht benötigt einen
Anlaß und das durch ihn hervorgerufene Leid. Im Umkehrschluß: Wer unter einem
Verlust nicht leidet oder keine Verlustängste hat, ist nicht eifersüchtig. Der
zentrale, individuell steuerbare Punkt ist deshalb: Die Beziehung darf nicht in
Frage stehen. Ideal gedacht: Die Liebenden schwören sich „ewige“ Treue – auch
und gerade dann, wenn sich eine oder beide außerhalb der Beziehung verlieben,
und sie halten gegebenenfalls mehrere Liebesbeziehungen aufrecht. Die
Verlustängste müssen minimiert werden, sonst ist die Eifersucht groß.
Bei neuer
Verliebtheit erfährt sich allerdings die bisherige Geliebte unvermeidlich
emotional zurückgesetzt (auch wenn sich das Verhalten gegenüber ihr nicht
ändert). Die Einzigartigkeit, die die romantische Liebe so sehr betont, ist
verlorengegangen, und die Geliebte findet bei einer anderen etwas, was sie in
der Beziehung nicht oder nicht mehr findet. Auch im sexuellen Bereich erfährt
man sich als ersetzbar. Die hieraus resultierende Eifersucht läßt sich angesichts
der tiefsitzenden romantischen Vorstellung von Unersetzbarkeit und ihrer
Bedeutung für das Selbstbewußtsein kaum vermeiden. Da es sich dabei um ein
falsche Erwartung handelt – jede ist, und sie weiß das, in vielen Hinsichten
ersetzbar –, die keinen Anspruch begründet, ist heute ein Festhalten an dieser
Erwartung, die „kontrafaktische“, moralische Reaktion unangemessen und
stattdessen individuelles Lernen, die Änderung der Erwartung angesagt, die
weitgehende Ersetzbarkeit zu akzeptieren. „Nur“ weitgehend, das könnte dieses
Lernen erleichtern, ist die Ersetzbarkeit, weil jede Person und jede Beziehung auch
einmalig sind, und diese Einmaligkeit nicht durch eine andere Person und Beziehung
ausgelöscht werden kann.
Eifersucht
entsteht durch Selbstzweifel. Die Geliebte hat deshalb alles zu vermeiden, was
sie verstärkt, also insbesondere nicht dauernd von der Rivalin zu reden oder
gar von ihr zu schwärmen (einige „polyamoröse“ Stimmen sehen das anders und
übernehmen den gerade in Liebesdingen weit verbreiteten rücksichtslosen
Aufrichtigkeitswahn). Um ein „realistisches“ Bild der Situation zu gewinnen,
sollte die Eifersüchtige die Rivalin allerdings kennen oder kennenlernen.
Das Gefälle zwischen
Eifersüchtiger und Geliebter bleibt zwangsläufig bestehen. Die Geliebte erfährt
schlimmstenfalls bei ihren anderweitigen Beziehungen ein schlechtes Gewissen –
was völlig harmlos gegenüber der quälenden Eifersucht ist. Die Eifersüchtige
ist mit ihrer Eifersucht allein und muß lernen,
mit ihr zu leben – das, und nicht ihre eher unrealistische vollständige
Behebung ist das Ziel. Eifersuchtsanfälle gegenüber der Geliebten beschleunigen
gewöhnlich die Trennung, die die Eifersüchtige „eigentlich“ nicht will.
Ungebändigte, unreflektierte oder auch vor sich selbst geleugnete Eifersucht
reagiert nur emotional und das hochwahrscheinlich destruktiv (so auch bei
kühl-sachlichen Rachefeldzügen). Deshalb sollte Eifersucht möglichst nicht oder
wenig und vor allem ohne Drohungen geäußert werden. Die Geliebte kann mit der
Eifersucht nichts anfangen, will in guten Beziehungen der Eifersüchtigen nicht
wehtun, und eine Mitleidsreaktion ist von der Eifersüchtigen selbst nicht
gewünscht.
Alle Vorschläge
zur Eifersuchtsbewältigung laufen auf eine Stärkung des Selbstbewußtseins
hinaus, die dann mehr Toleranz erlaubt. Die Eifersüchtige muß sich neu
definieren, eine neue Identität oder zumindest neue Teilidentität aufbauen, die
unabhängiger von der Beziehung ist. Nur so, durch Stärkung des
Selbstbewußtseins, läßt sich auch Eifersucht vorbeugen. Bei aller zwangsläufigen
Abhängigkeit von der Geliebten sollte man sich immer seines eigenen Werts
bewußt bleiben und sein Leben im Zweifelsfall auch allein führen können –
gerade das erhält im übrigen am ehesten eine Beziehung (konkret ist das am
einfachsten durch getrennte Wohnungen zu gewährleisten, das Zusammenleben der
größte Fehler, den heutige Beziehungen begehen). In den heutigen individualistischen
Zeiten aber, das sollte man immer bedenken, sind gute langjährige Beziehungen
selten und sollten nicht leichtfertig, nicht wegen erwartbarer Außenbeziehungen
und nicht wegen Eifersucht aufgegeben werden.
[1]Von
der Literatur zur Eifersucht vgl. Robert Bringle/Bram Buunk, Eifersucht und Partnerschaft,
in: M. Amelang/H. Ahrens/H. Bierhoff, Hrsg., Partnerwahl und Partnerschaft,
Göttingen 1991; Andreas Bruck, Eifersucht bewältigen, Opladen 1992; Annette
Schmitt, Logographie der Eifersucht: Eine inhaltsanalytische Untersuchung von
Geschichten über selbsterlebte Eifersucht, Lengerich 1996. Thomas Deutschbein,
Freiheit von der Eifersucht – Wege zu einer neuen Partnerschaft, novum 2010
stellt zu Recht die Monogamie in Frage, dürfte aber doch die Toleranzmöglichkeiten
überschätzen und ist wie die meisten Psychologieratgeber etwas langatmig. Ganz
enttäuschend hingegen Marcus Daum, Psychologie der Eifersucht – Ursachen,
Formen und Wege aus der Eifersuchtsfalle, Paderborn 2006 (eine bloße
Aneinanderreihung von oft überholten Theorien), und auch Hildegard Baumgart,
Formen der Eifersucht – Erfahrungen und Lösungen im Beziehungsdreieck, München
2006 vergißt eine genauere Analyse der Eifersucht, ist mehr ausufernd als tief.
[2]Vgl.
Sigbert Gebert, Was heißt Liebe? Tabula Rasa 104 (10/2014).
[3]Vgl.
Sigbert Gebert, Mehrfachbeziehungen als Ideal – Für eine neue Liebeskultur,
Tabula Rasa 85 (3/2013) und Sinn – Liebe –Tod, Kehl 2003. Deutschbein a.a.0.
überbetont hingegen die „Treue zu sich selbst“ und Toleranz, was sich dann doch
stark dem Pol Gleichgültigkeit nähert.
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