Erschienen in Ausgabe: No 110 (04/2015) | Letzte Änderung: 13.04.15 |
von Hans Gärtner
Sie stammten aus München und errangen alpinistischen
Weltruhm: drei der Söhne des bedeutenden Münchner Augenarztes Joseph
Schlagintweit: Herman (1826 - 1882), Adolph (1829 - 1857) und Robert (1833 -
1885). Ob ihr ägyptophiler Hauslehrer in den Buben schon das
Feuer für nahe Berg-Erkundungen (Zugspitze, Wildspitze, Großglockner) und ferne
hochgelegene Frühkulturen entfachte? Ob es erst die Begegnung mit dem
80-jährigen Forscher-Genie Alexander von Humboldt in Berlin war, dem sie
Abenteuer und Lebenswerk verdanken sollten? Jedenfalls kontaktierte Humboldt
sie mit dem Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. und der East-India-Kompanie, die
das Schlagintweit-Trio – Alter: 28, 25 und 20 Jahre – 1854 bis 1858 von
Southampton aus auf Forschungsreise nach Indien und Zentralasien entsandte.
Dass die promovierten Geologen (Adolph) und Geografen
(Hermann) neben ihrem Auftrag, Daten über den Erdmagnetismus zu erheben, viel
lieber Natur und Ethnologie des Himalaya und des Karakorum sowie die
Beschaffenheit von Pässen und Gletschern in Kashmir, Ladakh, Sikkim und Kumaon
in ihr Naturforscher-Blickfeld rückten – davon zeugt der einzigartige Schatz
ihrer Mitbringsel. Das Alpine Museum präsentiert einen Teil der auch
künstlerisch nicht hoch genug zu preisenden 700 Aquarelle und Zeichnungen der
Schlagintweits, die in freier Natur entstanden, und rund zahlreiche
volkskundlich aufschlussreiche Objekte aus rund 500 nach Europa mitgebrachten
Kisten in der Ausstellung „Über den Himalaya. Die Expedition der Brüder
Schlagintweit nach Indien und Zentralasien 1854 bis 1858“.
Abenteuerlust und Gelehrsamkeit, die die Brüder
Schlagintweit auszeichnen – Robert und Hermann wurden 1859 in den Adelsstand
erhoben - verbinden sich zu einem einzigartigen Fundus des frühen exotischen
Alpinismus und seiner wissenschaftlichen Erkundung. Die Sammlungsbestände
visualisieren stückweise die damals noch kaum bekannten Regionen, auch des
seinerzeit noch mit Reise-Tabu belegten Tibet. Ehrgeiz kennzeichnete die
Unternehmungen der Brüder. Adolph und Robert Schlagintweit gelang es, bis auf
6785 Meter des Berges Kamet hoch zu steigen. Sie stellten einen Höhenrekord
auf, der über Jahrzehnte nicht übertroffen wurde. In Luis Trenkers Buch „Helden
der Berge“ (1935) ist von der Enthauptung Adolph Schlagintweits zu lesen, der
von einem Warlord in Kashgar als vermeintlicher Spion gefangen genommen wurde.
So umstritten die Expeditions-Ergebnisse des
Schlagintweit-Dreigestirns auch waren – sie und ihre gewagten Unternehmungen
stehen derzeit regelrecht in den Kultur-Schlagzeilen. Im Böhlau Verlag erschien
soeben ein umfangreiches Begleitbuch zur Münchner Museums-Schau, das die
Expedition in mancher Hinsicht in ein neues Licht taucht. Wie das Alpine
Museum, München (bis 10. Januar 2016), so zeigt auch das Olaf Gulbransson
Museum, Tegernsee (bis 21. Juni) unter dem Titel „Reisebilder vom Himalaya“
eine Auswahl der die Expedition dokumentierenden Aquarelle (aus der Staatlichen
Graphischen Sammlung), wovon ein Großteil erstmals seit gut 80 Jahren
öffentlich zu bewundern ist.
Die herrlichen Schlagintweit-Aquarelle und die
Objekte-Sammlung zum Tibet-Buddhismus stehen diesen Frühling und Sommer im
Fokus von Experten-Runden (Alpines Museum, 15. April, 6. Mai, 7. Oktober,
jeweils 18 Uhr). Die Bayerische Akademie der Wissenschaften lädt zu einer
Tagung über die besagte Schlagintweit-Expedition zu einer hochkarätig besetzten
Tagung ein: 23. April, 10 – 17 Uhr, bei freiem Eintritt. Kosten in Höhe von 81
Euro entstehen Teilnehmern an dem wissenschaftlich-literarischen Seminar „Vor
dem Himalaya. Die Brüder Schlagintweit als Alpenforscher“, die der ÖAVim Hohe-Tauern-Nationalpark vom 18. bis 20.
September durchführt. „Auf den Spuren der Brüder Schlagintweit in Ladakh,
Changtang und Nubra“ ist schließlich eine Themenreise benannt, für die der DAV
Summit Club kürzlich in Berlin eine „Goldene Palme“ verliehen bekam. Zwei
Reisen, geleitet von Himalaya-Kennern wie Joachim Chwaszcza und Kadi
Fuchsberger, stehen auf dem Programm des DAV Summit Clubs (Termine: 16. 7. Bis
2. 8. sowie 3. bis 20. 9.).
FOTOS
1.Die Brüder Robert, Hermann und Adolph
Schlagintweit in der „Illustrierten Zeitung“ Nr. 804, Ausgabe vom 27. November
1858
Fotos: Hans Gärtner
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