Erschienen in Ausgabe: No 110 (04/2015) | Letzte Änderung: 27.04.15 |
von Jörg Bernhard Bilke
Für den Schriftsteller Erich Loest (1926-2013) wäre dieser
Festakt am 30. März in der Leipziger Universität ein Augenblick des Triumphes
gewesen: er hatte nach jahrelangen Querelen um das Bild des DDR-Staatsmalers
Werner Tübke (1929-2004) „Arbeiterklasse und Intelligenz“ (1973) , 2006 dem
Leipziger Maler Reinhard Minkewitz, geboren 1957 in Magdeburg, den Auftrag
erteilt, einen Gegenentwurf mit dem Titel „Aufrecht stehen“ zu schaffen. Von
den sieben Aufrechten gegen Behördenwillkür, ideologische Bevormundung und
politische Verfolgung ist heute keiner mehr am Leben: Die beiden Professoren
Ernst Bloch, Philosoph, 1957 zwangsemeritiert, und Hans Mayer,
Literaturwissenschaftler, begingen 1961 und 1963 „Republikflucht“, bekamen dann
Lehrstühle in Tübingen und Hannover angeboten und starben 1977 und 2001.
Diedrei Studenten wurden entweder, weil
sie für demokratische Verhältnisse eintraten, 1951 in Moskau erschossen wie
Herbert Belter (1929-1951) oder zu hohen Zuchthausstrafen verurteilt wie
Wolfgang Natonek (1919-1994), der acht Jahre im Zuchthaus Bautzen saß, oder wie
Werner Ihmels (1926-1949), der dort starb. Der Leipziger Studentenpfarrer
Siegfried Schmutzler (1915-2003) war 1957/61 im Zuchthaus Torgau an der Elbe
eingesperrt, und der Leipziger Erich Loest wurde 1957 für sieben Jahre nach
Bautzen verbracht, bevor er 1981 den SED-Staat verlassen durfte.
Was Linde Rotta (1937), die Lebensgefährtin Erich Loests,
und der ausführende Maler Reinhard Minkewitz, beabsichtigten, war eine
Rehabilitierung von DDR-Intellektuellen, deren Lebens- und Berufsweg durch eine
ideologisch ausgerichtete Politik zerstört worden war. Heute weiß man aus den
Archiven, dass es sich um Hunderte gehandelt haben muss, die in den 40
DDR-Jahren davon betroffen waren.
Das Bild „Arbeiterklasse und Intelligenz“, das Werner Tübke
1970/73 im Auftragder Leipziger
Karl-Marx-Universität erstellte machte ihn berühmt und wurde 1974 mit demDDR-Nationalpreis ausgezeichnet. Der Leipziger
Kunsthistoriker Frank Zöller, das aus Bremen stammt, interpretierte das Bild
derart, dass der staatstreue Maler fast zum heimlichen Widerstandskämpfer
stilisiert wurde.
Da war die Festrede des GRÜNEN-Politikers Werner Schulz,
geboren 1950 in Zwickau, der das, was im SED-Staat vier Jahrzehnte lang
praktiziert wurde, nicht vergessen wollte, eine wahre Wohltat! Er ließ nichts
aus, wenn er die Verbrechen aufzählte, die von den Kommunisten auch in Leipzig
begangen worden sind, ohne dass sie dafür jemals belangt worden wären: „Die
Verbrechen und Verwüstungen, die im Namen des Kommunismus begangen wurden, zu
vergessen, zu verdrängen oder zu verharmlosen, wäre der sicherste Weg für seine
Reinkarnation. Darum ist seine Verdammung keine politische Leichenschändung. Im
Gegenteil: es gibt eine Partei, die eine kommunistische Plattform unterhält und
über neue Wege zum Kommunismus nachdenkt…Die Geschichte hat den gläubigen
Anhängern der kommunistischen Ideologie viel zugemutet. Denn die DDR ist so
gründlich gescheitert, wie man nur scheitern kann: ökonomisch, politisch und
moralisch. Doch vor allem, und darum ging es heute und hier, ist sie an ihrem
Menschenbild gescheitert.“
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