Erschienen in Ausgabe: No 111 (05/2015) | Letzte Änderung: 14.05.15 |
von Michael Lausberg
Karl Popper ist hauptsächlich einer breiteren
Öffentlichkeit durch sein Werk The Open Society and Its Enemies (Die
offene Gesellschaft und ihre Feinde) aus dem Jahre 1945 bekannt geworden.
Darin analysierte Popper ausführlich die angeblichen totalitären Tendenzen in
den Schriften von Platon, Marx und Hegel. Als positives Gegenbild zu diesen „geschlossenen
Gesellschaften“ entwirft er eine „offene Gesellschaft“, die sich
pluralistisch in einem fortwährenden Prozess evolutionär fortentwickeln sollte.
Popper sah schon in Platon „den ersten großen
politischen Ideologen, der in Klassen und Rassen dachte und Konzentrationslager
vorschlug“.[1] Diese
sehr freie Interpretation der platonischen Staatslehre ohne Berücksichtigung
des historischen Kontextes brachte ihm viel Kritik ein.
In Hegel sah Popper ebenso wie in den anderen
Vertretern des Deutschen Idealismus einen reaktionären Apologeten der
preußischen Staatsmacht, dessen Philosophie ebenfalls totalitäre Systeme
begünstigt habe. Mit seinem berühmten Satz „Was wirklich ist, ist vernünftig“,
der als (verkürzter) Rechts- und Machtpositivismus interpretiert wurde, solle
sich Hegel der preußischen Staatsmacht angebiedert haben und ihre Machtbasis
ideologisch gefestigt haben. Popper startete den Versuch, Verbindungen dieses
Denkens zu Zentralismus, Etatismus und letztlich Faschismus aufzuzeigen. Die
geistesgeschichtlichen Wurzeln des letzteren sieht er vor allem in einer
Kombination hegelianischer Geschichtsphilosophie mit Ernst Haeckels Konzeption,
der die Thesen Charles Darwins zu einer speziellen Abstammungslehre ausbaute
und als Wegbereiter der Eugenik und der „Rassenhygiene“ in Deutschland gilt.[2]
Haeckel trug durch seine populären Schriften sehr zur Verbreitung des
Darwinismus in Deutschland bei. Im Rahmen seiner Auseinandersetzungen mit der
Übertragbarkeit rassischer Kategorien auf die gesellschaftliche Entwicklung des
Menschen zählt Haeckel zu den entschiedenen Vertretern einer „eugenischen“
Sozialpolitik.[3]
Popper brachte das philosophische Fundament der
faschistischen Ideologien des 20. Jahrhunderts auf die populistische Formel
„Hegel plus Haeckel“[4][.
Im Stile der Totalitarismustheorie kritisierte er auch die dialektische
Methode, die Marx von Hegel übernommen hatte, sowie sein deterministisches
Geschichtsbild, was letztlich ebenfalls zu einem „geschlossenen Weltbild“
führe. Die Veröffentlichung wirkte 1945 als politisches Signal für die Akzeptanz
eines parlamentarisch-demokratischen Kapitalismus, der sich „geschlossenen
Denkstrukturen und Ideologiekonstruktionen“ entgegenstellt. Obwohl weder der
Nationalsozialismus noch der Stalinismus explizit genannt werden, wird
deutlich, dass sich die Kritik gegen sie richtet. Dabei wird die
Freund-Feind-Konstruktion im Sinne Carl Schmitts besonders hervorgehoben. Die
„Guten“ sind die Anhänger eines liberalistischen Gesellschaftsmodells, das von
rechten und linken Totalitarismen bedroht werden, also den „Bösen“. Popper
entwirft das theoretische Modell einer offenen und pluralistischen
Gesellschaft, in denen Wandlungsprozesse erwünscht scheinen und
individualistisches Lebensstile garantiert werden.
Bild 1 siehe unten Karl Popper
Neben Popper gab es noch andere Wissenschaftler,
die eine Kontinuitätslinie von Hegel zum „Dritten Reich“ behaupteten. Hubert
Kiesewetter, Wirtschaftshistoriker aus Eichstätt, war stark von Poppers
Sozialphilosophie und dem Kritischen Rationalismus geprägt. In seiner
Dissertation über den Hegelianismus bei Ernst Topitsch in Heidelberg, die unter
dem Titel „Von Hegel zu Hitler“ 1973 angenommen wurde, tauchen die alten
Popperschen Argumente wieder auf. Die Arbeit wurde von der philosophischen
Fachwelt weitgehend skeptisch bis ablehnend aufgenommen.[5]
Alfred von Martin bezeichnete Hegel als „elitären Etatisten“, der sich „über
jedes Naturrecht, jedes Völkerrecht, ja über alles Übernationale in Recht und
Moral (…) hinweggesetzt habe.“[6]
Für Paul Wilhelm Wenger führte „ein direkter Weg von Hegel und Kant zu den
Blut- und Eisen Taktiken Bismarcks und schließlich zu Hitler.“[7]
Domenico
Losurdo, der als Professor für Philosophie an der Universität Urbino lehrt
und ist Mitglied der Partito dei Comunisti Italiani ist, geht es in seinem Buch
nun um eine Revision dieses Zerrbildes. Losurdo wendet sich gegen
Wissenschaftler wie Karl Popper, die eine Kontinuitätslinie von Hegel bis
Hitler vertreten und rehabilitiert „den großen deutschen Philosophen“[8],
der die Freiheit des Individuums hochgeschätzt hat. Er schafft es, die Vorwürfe
gegen Hegel zu dekonstruieren und demaskiert sie als bloßen Mythos. Nach dem
Ende des „Dritten Reiches“ entwickelte sich laut Losurdo „die Verurteilung
Hegels, der für zu deutsch gehalten wird und damit definitionsmäßig dem Westen
fernsteht zu einer regelrechten Orgie.“[9]
Poppers Hegelkritik wurzelt in den Ressentiments,
die sich während des 1. Weltkrieges und der russischen Revolution 1917
herausgebildet haben: Hegelianismus und Marxismus als Feind von Poppers
„offenen Gesellschaft“. Die Verfestigung des Hegel-Bildes nach dem 1. Weltkrieg
lässt vor allem bei Popper gut feststellen. Hegel bleibt weiterhin die
Verkörperung des etatistischen, militaristischen und kriegstreibenden
Preußentums. Dieses Bild hat eine über die Philosophie hinaus in der
Wissenschaft große Verbreitung erfahren.
Popper wirft Hegel indirekt vor, dass die Theorie
des Hegelschülers Marx zur Herausbildung der Sowjetunion beigetragen hat. Somit
fällt Hegel nicht nur die Verantwortung für die ideologische Herausbildung des
„Dritten Reiches“ zu, sondern auch für die UdSSR Lenins.[10]
Losurdo sieht in Hegel einen Gegner des
Militarismus und des Krieges an sich: „Es ist unleugbar, dass sowohl Kant als
auch Hegel entschieden gegen die Militarisierung und der Verherrlichung des
Krieges sind, die Berufung sowohl auf den einen als auch den anderen seitens
der Kriegsphilosophie im Laufe des Ersten Weltkriegs ist daher entschieden
abwegig und instrumentell.“[11]
Losurdo würdigt Hegel als Gegner des
Sozialdarwinismus: „Die strengste Kritik am Sozialdarwinismus a la Gobineau
wurde von Hegel geübt, indem er die Ausarbeitung der Kategorie Mensch als
solche als großen Fortschritt verherrlicht, eine Kategorie, zu der jetzt auch
die Sklaven gezählt werden, für die Menschenrechte ebenfalls Geltung haben.“[12]
Dem Vorwurf Poppers, Hegel hätte eine neue Rechtfertigung der Sklaverei
vertreten, entgegnet Losurdo: „In Wirklichkeit geht die Haltung Hegels genau in
die entgegengesetzte Richtung. Nicht nur verurteilt er die Sklaverei, sondern
greift sogar zu militanten Tönen bei dieser Verurteilung, die ihn dazu führte,
die Revolte Spartakus‘ und seiner Sklaven zur Verteidigung der ‚ewigen
Menschenrechte‘ zu verherrlichen.“[13]
Hegels Philosophie wurde von der Ideologie und
der Propaganda der Nationalsozialisten vehement abgelehnt.[14]
Dort finden sich keine Berufungen auf Hegel im positiven Sinne; Personen, die
im Hegelschen Sinne argumentierten, wurden verfolgt und zum Schweigen genötigt.[15]
Losurdo beruft sich auf den antidemokratischen Staatsrechtler Carl Schmitt, der
das Ende der Philosophie Hegel mit der „Machtergreifung“ der NSDAP
zusammenfallen ließ: „An diesem Tage (dem 30. Januar 1933) ist demnach, so kann
man sagen, Hegel gestorben.“[16]
Außerdem stellte der NSDAP-Ideologe Alfred Rosenberg fest, dass der Hegelsche
Begriff des Staates als Konstruktion der allgemeinen Vernunft „auf dem Altar
der Volkshaftigkeit und der Volksordnung geopfert“ wurde.[17]
Dem Nationalsozialismus ging es darum, Hegels Staatsverständnis, die
Verherrlichung der politischen Gemeinschaft als Ort der Verwirklichung der
Universalität, zu bekämpfen. Diese Kulturpolitik des „Dritten Reiches“ ist der
Hegelschen Vorstellung diametral entgegengesetzt. Die Komponente Volk/völkisch
bildete eine zentrale Komponente der imperialistischen und rassistischen
Ideologie, die Hegels Staatsauffassung entgegengesetzt war. Hegel war ein
Gegner des Antisemitismus und Rassismus in seiner Epoche, die amerikanische
Revolution wurde von ihm begrüßt.
Personen aus dem Widerstand gegen Hitler wie von
Trott schöpften aus Philosophie Hegels Kraft für den ihre Handlungen.[18]
Von Trott gehörte zum Kern der Widerstandsgruppe Kreisauer Kreis um Helmuth
James Graf von Moltke und Peter Graf Yorck von Wartenburg. In Zusammenarbeit
mit Claus Graf Schenk von Stauffenberg war er an der Verschwörung vom 20. Juli
1944 beteiligt.
Bild 2 Georg Wilhelm Friedrich Hegel
Die Hegelsche Verherrlichung des Staates und der
politischen Gemeinschaft als Ort der Verwirklichung der Allgemeinheit der
Vernunft und des Gesetzes wird von Popper unterschlagen: „Popper ist darum
bemüht, als Vorläufer Hitlers gerade einen Autor abzustempeln, der dagegen
etliche Motive einer unerbittlichen Kritik unterwirft, die dann, monströs
weiterentwickelt, in der Nazi-Ideologie zusammenströmen.“[19]
Losurdo sieht den Chauvinismus als wesentlich für
die ideologische Vorbereitung des Nationalsozialismus an: „Die Hegelsche
‚Staatsvergötterung‘ und Philosophie hat nicht nur gar nichts damit zu tun,
sondern bildet (…) ein ernstes Hindernis für die fortschreitende chauvinistische
und sozialdarwinistische Verseuchung, die dann in der Barbarei des Dritten
Reiches endete.“[20]
Der italienische Philosoph und Politiker Lucio
Colletti ging von Deutschland als einem ganz von einer ununterbrochen
organizistischen Tradition durchdrungenem Land aus. In diese vielfarbige
Tradition gehören, natürlich mit unterschiedlicher Bedeutung und auf
unterschiedlichen Ebenen, Schiller und die klassische Dichtung, die Romantik,
Hegel, Marx usw. bis zu Hitler.[21]
In dieser Geschichte der deutschen Kultur zeige sich, dass das Land nicht in
der Lage sei, die offene Gesellschaft zu akzeptieren. Coletti sieht dort eine
organizistische Reaktion gegen den liberalen Individualismus, was Losurdo
kritisiert: „Aber diese Art von Organizismus ist Hegel völlig fremd, der nicht
nur die Stadt als Vorposten des Prozesses zur Verwirklichung der Freiheit
sieht, sondern der auch die Universalität des Widerspruchs unterstreicht, der
in allem Wirklichen, aber in erster Linie gerade in der geschichtlichen und
politisch-sozialen Wirklichkeit gegenwärtig ist.“[22]
Laut Popper gibt es eine
angebliche Kontinuität von den Befreiungskriegen über die Kriege des deutschen
Imperialismus bis zum „Dritten Reich“. Hegel und seine historischen
deutschnationalen Antagonisten wie Arndt, Jahn, Görres werden dabei als
Vorläufer des Pangermanismus in einen Topf geworfen.[23]
Losurdo sieht dagegen den Nationalsozialismus als den Abschluss einer
Reaktionsbewegung, die nicht nur die Idee von Freiheit und Gleichheit, sondern
auch die Auffassung der Geschichte als Fortschritt entschieden in Abrede
stellt.
Bild 3 Domenico
Losurdo
Die Vorstellung Poppers, Hegel sei als glühender
Nationalist gegen Frankreich eingestellt gewesen, ist ein Zerrbild der
Wirklichkeit. Ein zentrales Thema der Kulturpolitik Hegels lag darin, die
klassische deutsche Philosophie als Pendant der französischen Revolution von
1789 zu entwickeln. Damit schlug Hegel laut Losurdo „eine (…) Brücke zwischen
den beiden Kulturen“: „So bei Hegel, der von Deutschland und Frankreich als von
den Ländern spricht, die mit der politischen Aktion oder mit der Philosophie
mehr als alle anderen zur Formierung der modernen Welt und zum Vormarsch der
Freiheit beigetragen haben.“[24]
Hegel hebt den großen historischen Fortschritt
hervor, den die Ausbreitung des allgemeinen Begriffs Mensch im Verlauf eines
langen und geschichtlichen Prozesses darstellt:„ Es ist als etwas Großes zu
achten, daß der Mensch jetzt, weil er Mensch ist, als Recht haben zu müssen
angesehen wird, so daß also sein Menschsein höher ist als sein Status“ [25]
Hegel liefert damit eine universale Definition von Individuum und Mensch, die
sich gegen jeglichen Rassismus und Chauvinismus richtet.
Auch Charles Taylor kritisierte Popper, mit der
„Attitüde eines Popstars“ insbesondere Platon und Hegel verteufelt und dadurch
eine Aufmerksamkeit erlangt zu haben, die der inhaltlichen Bedeutung seiner
Gedanken in keiner Weise entsprechen.[26]
Unzweifelhaft geht es bei Hegels Lehre vom „objektiven
Geist“ um die Verwirklichung der Freiheit.[27]
Hegel zeigt auf, inwiefern diese inhaltlich bestimmte, vernünftige Freiheit in
der Wirklichkeit zum Teil realisiert ist. Dazu gehört auch, dasjenige, was als
vernünftig eingesehen wird, in Institutionen umzumodeln, die veränderbar sind.
Diese bewusste Verfolgung gemeinschaftlicher Interessen in den Institutionen
des Staates ist prinzipiell eine Erweiterung der Freiheit der Menschen. Dies
bedeutet keine starre Institutionalisierung, sondern darin sind schon
wandelbare Prozesse von vornherein angelegt.[28]
Der Sphäre des objektiven Geist hinzugerechnet werden die historischen Formen
des Rechts, der Moralität, der Sittlichkeit und des Staates, die von der
individuell variierenden Sphäre des subjektiven Geistes abzugrenzen ist. Hegels
Geschichtsphilosophie ist ein Anhang zur Lehre vom objektiven Geist. Dieser
tritt in der menschlichen Gesellschaft in Form überindividueller, objektiver
Gesetze auf.
Auf Grundlage des postmodernen Ansatzes der
interkulturellen Philosophie, der eng mit den Veränderungen der Globalisierung
verbunden ist, ist Hegel allerdings eine eurozentristische Betrachtungsweise
vorzuwerfen. Unter Eurozentrismus
versteht man die ideologische Beurteilung inner- und außereuropäischer
Gesellschaften auf der Grundlage der von Europäern entwickelten Werte und
Normen. Einer der Protagonisten der interkulturellen Philosophie, Ram Adhar
Mall, charakterisiert den interkulturellen Ansatz wie folgt: Es werden
überkommene „monokulturell zentrierte“, eurozentrisch einseitige „Bilder“
überwunden, auch bezüglich der Philosophiegeschichtsschreibung; an deren Stelle
tritt eine Vielfalt philosophischer Kulturen, die potentiell je eigene
Lösungsansätze für bestimmte Fragestellungen anbieten. Die Betrachtung und
Beurteilung inner- und außereuropäischer Kulturkreise auf der Grundlage der ein
Europa hegemonialen Werte sind zu beanstanden: „Interkulturelle Philosophie
soll Stereotype der Selbst- und Fremdwahrnehmung kritisieren, Offenheit und
Verständnis befördern und in gegenseitiger Aufklärung bestehen. Sie muss auch
bereit sein, sich selbst und seine Kultur, Philosophie und Religion von außen
sehen zu lernen.“[29]
Interkulturelle Philosophie erhebt den Anspruch, von mehreren Ursprungsorten
des Philosophierens auszugehen und ein Bewusstsein für die Pluralität in der
Weltphilosophiegeschichte zu schaffen. Es wird daher vom dialogischen Prinzip
der interkulturellen Denkform gesprochen.[30]
Die europäische Philosophiegeschichte gilt demnach als kleinerer Ausschnitt,
der lediglich Teil des größeren Ganzen der Weltphilosophie ist. Die Hinwendung
zu den philosophischen Denkrichtungen Afrikas, Lateinamerikas und Asiens sind
Ausdruck dessen.
Hegel sah nur die europäische Philosophie als die
Philosophie schlechthin an, obwohl er Kenntnis von der Existenz chinesischer,
japanischer, indischer oder altägyptischer Philosophie besaß. Er sah in den
„Vorlesungen zur Philosophie der Weltgeschichte“ zwar eine Vorgeschichte in
China, Indien, Persien, Babylonien und Kleinasien, die aber als eigentliche
Philosophie erst mit Homer oder den Vorsokratikern beginnt. Diese entfaltet sich
dann im griechisch-römischen Mittelmeerraum und erreicht ihren Höhepunkt im
Europa nördlich der Alpen.
Heinz Kimmerle, emeritierter
Philosophieprofessor, kritisiert Hegel wegen seines eurozentrischen Ansatzes
vehement. In den „geographischen Grundlagen der Weltgeschichte“ aus den
„Vorlesungen zur Philosophie der Weltgeschichte“ mache Hegel wegen ihrer
„geographischen Eigenart“ Asien mit Ausnahme von Teilen des heutigen Chinas und
Indiens sowie Afrika mit der Ausnahme Ägyptens nicht zum Schauplatz der Weltgeschichte.
Diese Gebiete könnten aus folgenden Gründen in der Weltgeschichte niemals eine
Rolle spielen: „Da es nach Hegels Meinung bei diesen Gebieten um ein
Übergewicht der ‚Talebene‘ bzw. des ‚Hochlandes‘ handelt, fehlt ihnen die
Spannung einer Landschaft, die in Berg und Tal, Hochland und Flachland
gegliedert ist, die vom Naturzusammenhang aus vorausgesetzt werden muss, damit
sich dort Geschichte abspielen kann. Und die klimatischen Bedingungen großer
Hitze widersprechen der Voraussetzung, dass ‚die gemäßigte Zone das Theater für
das Schauspiel der Weltgeschichte‘ bieten muss.“[31]
Hegel sehe in Afrika zwar „Familiensittlichkeit“
und „Horden“, aber keine staatlichen Strukturen wie in Europa zu seiner Zeit.
Da für ihn aber Weltgeschichte die Geschichte von Staaten darstellt, bleibt
Afrika in seiner Definition von Weltgeschichte außen vor. Für ihn herrscht in
Afrika „das Verhältnis des Despotismus; die äußere Gewalt bleibt selbst
willkürlich.“ In seinen „Vorlesungen zur Philosophie der Religion“ gehören Afrika,
die Eskimos und China zu „Religionen der (direkten und indirekten) Zauberei.“
Dort regieren „magische Praktiken sowie „der Fetischglaube, der sich an äußere
Gegenstände heftet, die der Mensch zugleich in seiner Gewalt behält. Eine
„Verehrung Gottes“ wie in europäischen Gesellschaften wäre dort nicht möglich
genauso wie „die Anerkennung des allgemeinen Geistes im Gegensatze zu dem des
Individuums.“[32]
[1]l Popper, K.: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde,
8. Auflage, Tübingen 2003, Einleitung, S. IX
[2] Weingart P./Kroll, J./Bayertz, K.: Rasse, Blut und Gene. Geschichte der Eugenik und Rassenhygiene in
Deutschland, Frankfurt am Main
1992, S. 89f
[3][3] R. J. Richards: The Tragic Sense of Life:
Ernst Haeckel and the Struggle over Evolutionary Thought. The Chicago2008,
S. 327
[4] Popper, Die offene Gesellschaft und ihre Feinde,
Bd. II., a.a.O., 73f.
[5] Kiesewetter, H.: Von Hegel zu Hitler. Die politische Verwirklichung einer totalitären
Machtstaatstheorie in Deutschland (1815-1945), Hamburg (Hoffmann und
Campe Verlag) 1974; 2. völlig veränderte und erweiterte Auflage, Frankfurt am
Main (Verlag Peter Lang) 1995.
[6] Von Martin, A.: Wegbereiter des
deutschen Zusammenbruchs (Hegel, Nietzsche, Spengler), Recklinghausen 1948
[7] Der Spiegel 13/1959, S. 25
[8] Losurdo, D.: Von Hegel zu Hitler?
Geschichte und Kritik eines Zerrbildes, Köln 2015,S. 14
[9] Ebd., S. 15
[10] Ebd., S. 140
[11] Ebd., S. 58
[12] Ebd., S. 147
[13] Ebd., S. 153
[14] Thamer, H.U.: Verführung und Gewalt.
Deutschland 1933-1945, Berlin 1986, S. 543
[15] Hilmer, B.: Scheinen des Begriffs.
Hegels Logik der Kunst, Hamburg 2007, S. 84
[16] Schmitt, C.: Staat, Bewegung, Volk,
Hamburg 1933, S. 32
[17] Bollmus, R.: Das Amt Rosenberg und seine Gegner. Studien zum Machtkampf im
nationalsozialistischen Herrschaftssystem, Stuttgart 1970, S. 84
[18] Glaser, H.: Kleine deutsche
Kulturgeschichte. Eine west-östliche Erzählung vom Kriegsende bis heute,
Frankfurt/Main 2002, S. 74
[19] Losurdo, Von Hegel zu Hitler, a.a.O., S.
157
[20] Ebd., S. 130
[21] Coletti, L.: Hegel und der Marxismus, Frankfurt am Main/Berlin/Wien 1976
[22] Losurdo, Von Hegel zu Hitler?, a.a.O.,
S. 141
[23] Ebd., S. 163
[24] Ebd., S. 165
[25] Hoffmeister, J. (Hrsg.): Berliner
Schriften, Hamburg 1956, S. 98)
[26] Taylor, C.: Overcoming Epistemology. Philosophical
Arguments, Harvard 1995
[27] Störig, H.J.: Kleine Weltgeschichte der
Philosophie, Frankfurt/Main 1992, S. 458f
[28] Vgl. dazu auch Binkelmann, C.: Theorie
der praktischen Freiheit. Fichte-Hegel, Berlin 2007
[29] Mall, R.A.: Tradition und Rationalität,
in Bickmann, C./Witz, M. u.a.(Hrsg.): Tradition und Traditionsbruch zwischen
Skepsis und Dogmatik, Amsterdam/New York 2006, S. 30
[30] Hengst, D.P./von Barloewen, C. (Hsrg.):
Kulturbegegnungen. Band I, Osnabrück 2003, S. 24
[31]
www.galerie-inter.de/Kimmerle/Phil.Einf2.htm
[32] Zitiert aus Ebd.
Karl Popper
Georg Wilhelm Friedrich Hegel
Domenico Losurdo, CC BY-SA 2.5
>> Kommentar zu diesem Artikel schreiben. <<
Um diesen Artikel zu kommentieren, melden Sie sich bitte hier an.