Erschienen in Ausgabe: Ohne Ausgabe | Letzte Änderung: 01.06.15 |
von Tine Nehler
Walter Dahn (*1954): Die Mülheimer Freiheit (Zeitungsleser), 1981
Kunstharzfarbe auf Nessel, 180,5 x 130 cm
Seit 2008 Dauerleihgabe der Michael und Eleonore Stoffel-Stiftung, Köln,
in den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, München
© Walter Dahn / Courtesy Sprüth Magers
Ausstellungsdauer: 02.07.2015–16.10.2016
Eröffnung: 01.07.2015, 19.00
Zwei
Generationen deutscher Künstler der Nachkriegszeit stehen sich in der
Ausstellung „Aufruhr in Augsburg“
mit Hauptwerken aus den Sammlungsbeständen der Pinakothek der Moderne
gegenüber. Was sie vereint, ist die Tendenz zur figürlichen Malerei, die
weder persönliche noch politische Kommentare ausklammert und damit den
Ansätzen der Concept Art und Minimal Art begegnet.
Dieses
ausdrückliche Interesse für Malerei bei gleichzeitiger kritischer
Hinterfragung von Inhalt und
Stil vereint bereits die Generation der 1938 bis 1945 geborenen: Georg
Baselitz, Jörg Immendorff, Markus Lüpertz und A. R. Penck. Ihre
Revolutionierungen und Neudefinitionen wirken auf die nachfolgende
Generation der sogenannten „Neuen Wilden“, darunter Walter
Dahn, Rainer Fetting, Markus Oehlen und Salomé, die zu einer noch
intensiveren und farbintensiven Bildsprache finden.
In
der Nachkriegszeit suchten deutsche Künstler nach Erneuerung der
Malerei, - neben der Aktions- und
Objektkunst, dem Environment, der Performance und anderen innovativen
Medien. Beispielhaft dafür ist Georg Baselitz (*1938 Deutschbaselitz).
Er findet in der Methode der Fragmentierung und Umkehrung der Motive
eine Loslösung von vorherrschenden Wahrnehmungsmechanismen,
wie es das Werk „Der Adler“ (1978) zeigt: Das Sinnbild der deutschen
Geschichte und des Reiches steht Kopf.
Die
Gemälde und Skulpturen von Markus Lüpertz (*1941 Reichenberg) zeichnen
sich durch eine archaische
Monumentalität aus, in der Gegenständliches und Abstraktion zu einer
eigenen Formensprache werden. Jörg Immendorff verfolgt wiederum einen
erzählerischen wie kritischen Ansatz. Das Werk „Café Deutschland VII“
(1980) widmet sich der deutsch-deutschen Geschichte
nach dem 2. Weltkrieg, der Trennung in Ost und West, die in
exemplarischem Dialog zwischen Immendorff und seinem aus Dresden
stammenden Künstlerkollegen A. R. Penck geführt wurde. Während jedoch
Immendorff eine narrative Bildsprache entwickelt, eröffnet Penck
dem Betrachter eine Welt mit individuell entwickelten, chiffrenhaften
und archaisch anmutenden Zeichen.
Etwa
gleichzeitig bilden sich in Berlin, Köln und Hamburg Zentren mit
Vertretern einer rund zehn Jahre
jüngeren Generation. Bei aller stilistischen Vielfalt vereint sie die
Beschäftigung mit einer spontanen, oftmals subjektiven Bildsprache. 1977
gründen Kunststudenten in Berlin, darunter Rainer Fetting, Helmut
Middendorf und Salomé eine Selbsthilfegalerie am
Moritzplatz. Die persönlichen Erfahrungen in der geteilten Großstadt
werden zu ihrem Sujet, das sie in dynamischen Pinselstrichen bewältigen.
Salomé (*1945 Karlsruhe) besticht in seinem Gemälde „Sumo-Angriff“ von
1982 mit der Gegenüberstellung von zwei Kämpfern.
Die flüssige Malweise und die Darstellung der ruhenden Körper, die
gleichwohl zum Angriff bereit sind, geraten zum Sinnbild polarer Kräfte
im ästhetischen wie im politischen Sinne.
Die
in Köln entstehenden Werke zeigen eine Tendenz zur symbol- oder
chiffrenhaften Verschlüsselung von
Inhalten. So zeigt Walter Dahn (*1954 Krefeld) in dem Gemälde „Die
Mülheimer Freiheit (Zeitungsleser)“ von 1981 einen Lesenden, dessen Kopf
hinter dem unbeschriebenen Papier verschwindet, während daneben gleich
sechs weitere Köpfe als Säule übereinander dargestellt
sind. Wie der Lesende selbst blickt auch der Betrachter auf die leere
Fläche der Zeitung, die es zu füllen gilt.
Eine
gänzlich andere Bildsprache entwickeln die Protagonisten der wilden
Malerei in Hamburg. Während Kippenberger
sich mit scharfsinniger Ironie auf die Geschichte der Kunst (u.a.
Picasso bis Pop Art) und akute soziale Fragen bezieht, entwickelt Albert
Oehlen eine irritierende Ausdrucksweise, die gegenständliche
Identifikation fast unmöglich erscheinen lässt und sie
doch auf subtile Weise evoziert. Dabei werden Errungenschaften
historischer Stilrichtungen vom Kubismus bis hin zur Farbfeldmalerei neu
definiert.
Die
Vielfalt der künstlerischen Handschriften und die Individualität der
Errungenschaften sind an den
Werken der Sammlung exemplarisch zu beobachten. Die Arbeiten zeugen von
einem inspirierenden, bis heute nicht zur Ruhe kommenden Gegen- und
Miteinander. Im Glaspalast wird diese bewegte Zeit lebendig - Aufruhr in
Augsburg.
Die Ausstellung zeigt rund 40 Werke Hauptwerke aus den Sammlungsbeständen der Pinakothek der Moderne,
darunter Arbeiten aus der Michael und Eleonore Stoffel-Stiftung und dem Wittelsbacher Ausgleichsfonds.
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