Erschienen in Ausgabe: No 114 (08/2015) | Letzte Änderung: 06.08.15 |
von Hans Gärtner
Wenn`s einen Richtigen gibt für die schöne Arabella, die
verwöhnte Tochter des schuldig verarmten Wiener Rittmeisters a. D. und Grafen
Waldner, dann ist`s einer, der sie anschaun wird (und sie ihn), „und keine
Zweifel werden sein und keine Fragen …“ Fraglos und zweifelsfrei hat Intendant
Nikolaus Bachler in der bei ihm längst wohlerprobten Ausnahme-Sopranistin die
Richtige gefunden, eine, die Richard Strauss` und dessen Librettisten Hugo von
Hofmannsthals Ansprüchen an ihre Traumfrau „Arabella“ voll entspricht. Anja
Harteros, musste die neue Münchner Arabella sein, und sie ist wohl derzeit die
Idealbesetzung dieser Partie, die ihren Münchner Vorgängerinnen Lisa Della
Casa, Julia Varady und Lucia Popp in nichts nachsteht: Aussehen, Air, Attitüde
Absolutheit einer strahlenden, tragfähigen, seidigen Sopranstimme sind der
Halbgriechin aus Bergneustadt neidlos eigen. Ihr die passenden Rollen zu geben,
muss Bachler stets bestrebt sein – wie im Parallelfall Jonas Kaufmann, mit dem
die Harteros das Münchner Opern-Traumpaar abgibt.
Nun hat Kaufmann in der „Arabella“ nichts zu suchen – es sei
denn, er gäbe sich mit der Partie des Matteo zufrieden. Für den jungen Offizier
wäre Arabella die Richtige, doch umgekehrt ist das nicht der Fall, denn ihr
Herz spricht diesmal für keinen Tenor, sondern für einen Bariton: Mandryka, den
„halben Bauern“ aus der Walachei, der den mittellosen Waldners via
Arabella-Heirat aus der Patsche helfen soll. Ein Pracke-Kerl (wie vor ihm schon
Wolfgang Brendel, Bernd Weikl oder Dietrich Frischer-Dieskau) ist dieser Thomas
J. Mayer, versehen mit ein dunklem Timbre, das sich gar in Wotan-Höhen
aufwerfen kann. Locken zieren sein Haupt, in Wollwams und Lederstiefeln kommt
dieser „Richtige“ daher, von Bodyguards begleitet. Von dem Bildnis Arabellas
angetan, das ihr Vater dem vermeintlich noch lebenden Regimentskameraden per
Brief sandte, kommt dessen Neffe in die Kaiserstadt Wien. Bis die zwei (nicht
mehr ganz so jungen) Leute sich kriegen, ist viel Unnützes und Verwaschenes in
diese platt ausgewalzte G`schicht` geraten – eigentlich mehr eine Operette als
eine Oper.
Dass es zum Operchen aber bei Münchens erster
Opernfestspiel-Nationaltheater-Premiere nicht kam, mag am Wunder-Dirigenten
Philippe Jordan liegen. Er gewinnt das Bayerische Staatsorchester als willigen
und bestens für Strauss`sche Bögen und Faschingslustbarkeiten aufgelegten
Partner, der es flirren und glitzern und auch herrlich dreinschlagen ließ an
diesem Abend, bei dem sich die „Lyrische Komödie“, die ihre Autoren ins Jahr
1860 legten, ganz und gar nicht spätbiedermeierlich-bequem, sondern
aufregend-morbid-dekadent ausnimmt. Regisseur Andreas Dresen kommt vom Film.
Ihm gelang, mit Mathias Fischer-Dieskaus breiter weißer Treppe samt Ausnützung
der Drehbühne im letzten Akt und einer leider wenig passenden Hotel-Suite im 1.
Akt ein Zwischenkriegs-Arrangement, mit dem man – die fade G`schicht` mit ihren
Verzögerungen und eher bremsenden als vorwärts treibenden Handlung in Kauf
nehmend – gut leben kann.
Wer schaut schon hinter die fatale Sache mit der als Bub
ausgegebenen kleinen Arabella-Schwester Zdenka? Is` ja wurscht: Hanna-Elisabeth
Müller füllt diese Hosenrolle so umwerfend in Darstellung und brillantem Gesang
aus, dass es eine wahre Freude ist, ihr im Solo oder schwesterlichen Duettzuzuhören. Doris Soffel und Kurt Rydl liefern
komödiantisch „geil“ ein verarmtes adeliges Elternpaar par excellence ab, der
Matteo des ambitionierten Joseph Kaiser lässt sich eher sehen als hören, die
Fiaker-Milli gerät der Dänin Eir Indergaug flittchenhaft neckisch, und Dean
Powers Graf Elemer ist sowieso zu blass für einen Galan mit Heiratsaussicht. -
- - Ach ja, der Gag, der selbst dem Boulevard gefallen muss: Das am End`
erbetene frische Glas Wasser kippt Arabella-Harteros nicht einfach sohinunter, sondern dem auf sie scharfen Mandryka
am steilen Weg zum Liebesnest unversehens ins Gesicht. Der Einfall stammt nicht
vom Regisseur, sondern vom gefeierten Protagonisten-Paar dieser vom Publikum
sehr herzlich aufgenommenen Neuproduktion.
Foto: Anja Harteros (von H. Gärtner)
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