Erschienen in Ausgabe: No 114 (08/2015) | Letzte Änderung: 18.08.15 |
Technologisch sowie wirtschaftlich nimmt Bayern heute einen Spitzenplatz im internationalen Vergleich ein. Damit das auch in Zukunft so bleibt, muss sich der Freistaat breiter aufstellen. Dies ist das Ergebnis einer Studie, in der Bayerns Erfolgsrezepte und Zukunftstechnologien untersucht wurden.
von Stefan Groß
Die bayerische Wirtschaft ist auf Erfolgskurs, der Freistaat
derzeit der Wirtschaftsmotor der Bundesrepublik. Acht der 30 Dax-Konzerne sind
hier ansässig, 17. Prozent der Exporte gehen von hier aus in die Welt und 18.
Prozent des deutschen Bruttoinlandsproduktes werden in Bayern erwirtschaftet.
Auch im internationalen Wettbewerb steht Bayern gut da. Dank dem Maschinenbau
und der Automobilindustrie, dem Unternehmertum, einer zukunftsorientierten Wirtschaftspolitik
und der sehr guten Forschungs- und Universitätslandschaft als Rahmenbedingung
für innovatives Wachstum konnte sich Bayern in den letzten Jahren gerade in
diesen Bereichen mit an die Weltspitze katapultieren. Die Erfolgsbilanz kann
sich sehen lassen, dennoch: durch die Fokussierung auf den Kraftwagen- und
Maschinenbau besteht ein sogenanntes „Klumpenrisiko“, ein Branchenabschwung
dieser Industrien könnte dann gravierende Auswirkungen auf die übrige
Volkswirtschaft haben. Nur durch Diversifikation ist Bayerns Wohlstand zu
sichern.
Auf dem Kongress „Was Bayern morgen braucht“ hat Alfred Gaffal, Präsident
der vbw - Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V., eine Studie und
Handlungsempfehlungen des Zukunftsrats der Bayerischen Wirtschaft für eine
erfolgreiche Weiterentwicklung des Standorts Bayern vorgestellt. Der
Zukunftsart versteht sich als Impulsgeber für Bayerns Technologien von morgen
und ermittelt die wichtigsten technologischen Trends für die nächsten fünf bis
zehn Jahre.
Die konkreten Empfehlungen für Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, die vom
Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft erstellt wurden, der im Mai 2014 von
Alfred Gaffal ins Leben gerufen wurde und unter dem Vorsitz von Prof. Dr.
Wolfgang A. Herrmann, Präsident der Technischen Universität München (TUM), steht,
basieren auf der wissenschaftlichen Studie „Bayerns Zukunftstechnologien“, die
die Prognos AG im Auftrag der vbw erstellt hat. Die Studie bestätigt zwar die
Vorreiterstellung der bayerischen Industrie und Wirtschaft, zeigt aber auch,
dass das rohstoffarme Land mit seinen hohen Arbeitskosten seinen Wohlstand und
seine Wettbewerbsfähigkeit in Zukunft nur dann sichern kann, wenn es die neuen
Herausforderungen, die Digitalisierung, die Globalisierung, den demografischen
Wandel sowie die Energie-, Ressourcen- und Klimafragen positiv gestaltet. Laut
Studie sind zehn Schlüsseltechnologien dabei für die Zukunft Bayerns besonders
relevant. Dazu gehören: die Informations- und Kommunikations-Technologie und
Digitalisierung, Intelligenter Verkehr und zukünftige Mobilität,
Energiesysteme, Nanotechnologie, Werkstoffe und Materialien, industrielle
Produktionstechnologie, Biotechnologie, Gesundheitswesen und Medizintechnik,
Ernährung und Lebensmitteltechnik und Luft- und Raumfahrt.
Wahrend Bayern bei den Patentanmeldungen bundesweit führend ist, besteht
nach der Prognos-Studie akuter Handlungsbedarf bei der Informations- und
Kommunikationstechnologie (IKT) und bei der Digitalisierung, beim Intelligenten
Verkehr und der zukünftigen Mobilität und bei der Luft- und Raumfahrt. Prognos
empfiehlt hier, dass sich Bayern als technologisches Zukunft- und
Innovationsland breiter als bislang aufstellen muss, anders gesagt: um nicht
den Anschluß an die USA oder Ostasien zu verlieren, müssen hier
Transformationsprozesse und eine verstärkte Wechselwirkung zwischen den
einzelnen Technologiefeldern stattfinden. Clusterbildung und -politik sowie das
interdisziplinäre Zusammenarbeiten, das bei vielen Universitäten bereits auf
der Tagesordnung steht, muss auch in der Wirtschaft Anwendung finden, denn auch
hier gilt es, über die einzelnen Technologiefelder und Teilbereiche hinweg,
sich wechselseitig zu vernetzen, weil technologische Entwicklungen in einer
Gesellschaft mit Innovationsgeschwindigkeit nur gemeinsam zu lösen sind. Eine
Industrie 4.0 benötigt eine Gesellschaft 4.0 und ein Unternehmertum, das mehr
als bislang auf Risiko setzt. Unternehmerischer Spirit ist mehr denn je
gefragt. Dieser Spirit muss, wie TUM-Präsident Herrmann betont, „die
„Grundstimmung der modernen Gesellschaft werden“. Er ist Garant größtmöglicher
Wertschöpfung.“ Die Handlungsempfehlungen, die der Zukunftsrat ausspricht, sind
maßgebende Leitbilder für eine Gesellschaft, die, wie die Studie zeigt, von
zentralen Umfeldfaktoren abhängen. Dazu zählt Prognos u.a. ökonomische und
rechtliche Rahmenbedingungen, das Bildungssystem, die Forschungsinfrastruktur,
Finanzierungsmöglichkeiten für Innovationen, politisch gestaltete
Rahmenbedingungen, die öffentliche Meinung und das Zusammenspiel der Akteure im
Regionalen und nationalen Innovationssystem (RIS /NIS).
Der Zukunftsrat, der sich aus renommierten Wissenschaftlern aus Hochschulen
und Forschungseinrichtungen zusammensetzt, kam bei seinen Herausforderungen für
die bayerische Wirtschaft zu folgenden Empfehlungen:
1. Unternehmerische Eigenverantwortung stärken,
2. Rahmenbedingungen für Innovationen verbessern,
3. Neue Kooperationsformen wagen,
4. Digitalisierung als zentrale Treiberin zu begreifen,
5. Gründerland Bayern stärken,
6. Unternehmerisches Wachstum und Wertschöpfung fördern,
7. Bayerische Technologie auf dem Prüfstand.
Konkret bedeutet dies: branchenübergreifende Produktentwicklung, enge
Vernetzung und Kooperationen zwischen Unternehmen, Universität, Start-ups und
die Arbeitsorganisation an der Digitalisierung auszurichten. Grundlagen für die
Innovationen der Zukunft sind demokratiefeste, soziale Sicherungssysteme,
altersgerechte Infrastrukturen, Fachkräfteabsicherung, Bildungschancen für die
Gesellschaft 4.0 und leistungsfähige Infrastrukturen für den Verkehrsbereich und
eine bezahlbare Energieversorgung. Um die einzelnen Forschungsbereiche
intensiver zu vernetzen und die Wertschöpfungskette zu verbessern, gehört neben
dem Aufbau von neuen Cross-Cluster-Aktivitäten eine bessere Anschlussfähigkeit
zwischen Master- und Bachelorstudiengängen mit dazu. Die Digitalisierung im
Bildungssystem wird dabei zu einem zentralen Fundament der Wirtschaft von
morgen: digitale Infrastrukturen, Medienkompetenz, unternehmensindividuelle
Digitalisierungsstrategien und die „Digitalisierung Bayern“ samt einem
geschlossenen Breitbandausbau müssen weiter vorangetrieben bzw. ausgebaut
werden. Sie sind, wie die Prognos-Studie hervorhebt, Grundlage für ein neues
Gründerklima im Freistaat. Voraussetzungen dazu ist aber auch die Senkung
bürokratischer Hürden für die Gründer, der Aufbau regionaler Gründerzentren,
eine Reform der staatlichen Technologieförderung und mehr unternehmerische
Eigenverantwortung. Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, die dem Zukunftsrat
angehört, hatte bereits angekündigt, Förderprogramme auf den Prüfstand zu
stellen, um diese den neuen Herausforderungen der Digitalisierung anzupassen.
Für den Zukunftsrat, der vier Mal im Jahr tagt, ist der vorgelegte
Maßnahmenkatalog erst ein Anfang, zahlreiche Empfehlungen werden in den kommenden
Monaten folgen.
Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft
gründet Zukunftsrat
Um insbesondere dem Mittelstand eine Orientierung über die wichtigsten
technologischen Trends der nächsten fünf bis zehn Jahre zu geben, hat die die Vereinigung
der Bayerischen Wirtschaft einen Zukunftsrat ins Leben gerufen. Dabei
kooperiert die vbw mit der Technischen Universität München zusammen.Vbw-Präsident Alfred Gaffal und TUM Präsident
Prof. Wolfgang Herrmann übernehmen gemeinsam den Vorsitz des Gremiums. Zu den
Mitgliedern zählen: MdL Ilse Aigner, Bayerische Wirtschaftsministerin, Prof.
Manfred Broy, TUM, Prof. Ansgar Büschges, Universität zu Köln, Prof. Hans-Jörg
Bullinger, Aufsichtsratsvorsitzender TÜV Süd, Prof. Alexander von Gabain, Karolinska
Institut, Stockholm, Prof. Thomas Hamacher, TUM, Prof. Gerd Hirzinger,
Leopoldina, Prof. Udo Lindemann, TUM, Prof. Sabine Maasen, TUM, Prof. Reimund
Neugebauer, Fraunhofer Gesellschaft, Prof. Birgit Spanner-Ulmer, Bayerischer
Rundfunk, Prof. Günther Wess, Helmholtz Zentrum, Prof. Erich Wintermantel, TUM,
Prof. Michael Zäh, TUM. Das Gremium versteht sich als Impulsgeber für die
erfolgreiche Weiterentwicklung des Standorts Bayern. Die Grundlagenstudie
beinhaltet sowohl der Status Quo als auch die wichtigen technologischen
Entwicklungen der kommenden Jahre. Auftragnehmer der Studie ist die Prognos AG,
Basel. Aufgrund der Studie werden wichtige Trends in Wirtschaft und
Gesellschaft analysiert und Handlungsempfehlungen für Politik, Wirtschaft und
Wissenschaft ausgesprochen, damit Bayern seine Spitzenstellung auch morgen
behaupten kann.
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