Erschienen in Ausgabe: No 115 (09/2015) | Letzte Änderung: 01.09.15 |
von Hans Gärtner
Das hätte Otfried Preußler, der im Februar 2013 im Alter von
knapp 90 Jahren in Prien am Chiemsee starb, gut gefallen: ein praller Band mit
Texten zu Person und Werk ausschließlich aus der Feder von Akademikern.
Preußlers Bescheidenheit ging beileibe nicht so weit, dass er absehen wollte
von einer literaturtheoretischen Auseinandersetzung mit seiner literarischen
Produktion. Er wusste sehr wohl, was er konnte – die Kinder in Bann schlagen
mit seinen aus dem Heimatlichen und Volksnahen geschöpften Figuren, die er in
Stoffen zu abenteuerlichen und humorvollen Handlungsträgern machte, die Herz
und Gemüt selbst kindlich gebliebener Erwachsener aufs Beste unterhielten. In
seinem ihn mit hohen Buchauflagen und Übersetzungen, Verfilmungen und Mediatisierungen
feiernden Heimatland brachte er es nicht zu akademischen Ehren; da musste das
Nachbarland Österreich her, ihm den Professorentitel zu verleihen. Auf den war
Preußler stolz – daraus machte er keinen Hehl.
Das soeben erschienene Buch, das Preußler als Schriftsteller
würdigt und sein immenses Werk von allen nur denkbaren Seiten beleuchtet und
analysiert, trägt einen eingängigen Haupt- und einen weniger gut verständlichen
Untertitel. „Der Stoff, aus dem Geschichten sind“ (Shakespeare lässt grüßen)
weist trefflich ins erzählerische Werk Preußlers, der sich selbst gern, in der
eben erwähnten Bescheidenheit, als „Geschichtenerzähler“ einstufte, nicht mehr,
aber auch nicht weniger. Mit dem Begriff „Intertextualität“ kann nur der
Insider etwas anfangen. Er stammt aus der strukturalistischen Literaturtheorie
und besagt etwa, „dass kein Bedeutungselement – kein Text also – innerhalb
einer kulturellen Struktur ohne Bezug zur Gesamtheit der anderen Texte denkbar
ist“. So Wikipedia.
Auf der Frühjahrstagung der „Deutschen Akademie für Kinder-
und Jugendliteratur“ im Städtchen Volkach/Main sollte deren Gründungsmitglied
Otfried Preußler geehrt werden. Elf „Weise“ hielten Vorträge und brachten diese
in den von Kurt Franz (Ehrenpräsident der Akademie) und Günter Lange sorgfältig
edierten Sammelband ein. Gedacht ist der teils bebilderte Reader mit
Anmerkungen und Quellenangaben für Leser, die sich, aus neuester Sicht der
Forschung, des Werks eines der großenzeitgenössischen Kinderbuchautoren vergewissern möchten.
Leben und Werk des zu Ehrenden durchforstet eingangs
akribisch und beflissen Günter Lange auf 30 Seiten des 260 Seiten umfassenden
Bandes. Darauf folgt die gut lesbare Wiedergabe der für die Drucklegung
überarbeiteten Referate und Arbeitsgruppen-Berichte. Verzichtet werden musste
auf den Einbezug der vielen „Krabat“-Verfilmungen; stattdessen wurde das breite
inhaltliche Spektrum um den Beitrag einer Expertin über die Rolle Preußlers in
der Kinderliteratur der 1950-er Jahre und um Kurt Franz` höchst bemerkenswerte
Erkenntnisse zu Otfried Preußlers Rübezahl-Sammlung.
Kritische Blicke richten Universitätslehrer, Germanisten und
ein Illustrator auf Preußlers Verhältnis zur Volksliteratur, auf die Figuren
des Riesengebirgs-„Herrn“ Rübezahl, des sagenumwobenen Müllerburschen „Krabat“
und seiner Vor-„Dichter“ Jurij Brezan und Merzin Nowak-Njechornski, der
„kleinen Hexe“ und des seit 2012 farbig gezeichneten „Räubers Hotzenplotz“.
Einige Beiträge beziehen sich auf den Literaturunterricht, einer stellt den
Stuttgarter Lieblingsverlag des Haidholzner Autors vor. Erich Jooß überrascht
in seinem Beitrag über noch zu entdeckende „religiöse Elemente“ in Preußlers
Werk, die keineswegs auf den Roman „Die Flucht nach Ägypten“ beschränkt
bleiben.
Das hier anzuzeigende Buch setzt einen Schluss-Stein unter
den Berg bislang erschienener Auseinandersetzungen mit dem Werk des in der Nähe
von Rosenheim ansässig gewordenen geborenen Nordböhmen, der immer wieder seinen
Vater Josef Preußler und seine Großmutter als die für sein schriftstellerisches
Schaffen entscheidenden Schlüsselfiguren herausstellte. Weder diese noch der
von ihnen Angeregte sahen vermutlich das „komplexe Beziehungsgeflecht“, mit dem
wir es – ob unsere Kinder und wir Großen –, den Eruierungen der Volkacher Akademiker
zufolge, beim „Kleinen Wassermann & Co.“ zu tun haben.
Das Buch
„Der Stoff, aus dem Geschichten sind. Intertextualität im
Werk Otfried Preußlers“, herausgegeben von Kurt Franz und Günter Lange, 261
Seiten, Abbildungen, 22 Euro, Schneider Verlag Hohengehren2015, Band 44 der Schriftenreihe der
„Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur“, ISBN 9783834014719
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