Erschienen in Ausgabe: No 115 (09/2015) | Letzte Änderung: 01.09.15 |
von Stefan Groß
Wie würden Sie den
typischen Bayern beschreiben, was schätzen Sie an diesem Menschenschlag, was
nicht?
Durch die Größe Bayerns findet natürlich viel Alltagsleben
fernab von Großstädten wie München oder dem Ballungsgebiet
Nürnberg-Fürth-Erlangen statt. Ich selber bin quasi ein Kind der Provinz und
habe eigentlich diese Mischung aus Direktheit und Entschleunigung immer
geschätzt. Für mich ist der Bayer daher in erster Linie kein grundsätzlicher
Vertreter von Jubel, Trubel, Heiterkeit, sondern er muss schon seinen Grund
haben, um sich mal richtig zu freuen oder aus sich raus zu gehen. Das ist
natürlich rein mein subjektiver Eindruck. Aber ich mag genau diese Züge. Auf
der anderen Seite mögen andere die Überschaubarkeit der Provinz auf Dauer
langweilig finden. Für mich persönlich war es als Kind ein gewisser Schutz und
ist heute ein Hort der Gemütlichkeit. Das, was also viele am sogenannten
typischen bayerischen Leben nicht so toll finden, weil es auch mit sozialer
Kontrolle zu tun hat, gefällt mir besonders gut.
Ich mag es, wenn ich am Marktplatz sitze oder im Tennisklub
bin und seit 40 Jahren die gleichen Leute treffe. Wer dauernd Neues und Action
erleben will, muss natürlich in die Stadt. Wobei das Stadtleben eigentlich
überall relativ ähnlich ist. Egal ob man in München oder in Hannover ist. Als
großes Plus hat Bayern natürlich neben dem Mia san mia die wunderbare
Landschaft.
Als
„niederbayerische Türke aus Hengersberg“ haben Sie Karriere gemacht: Durch Ihre
türkischen Wurzeln dienen Ihnen oft als Folie für einen befremdeten Blick auf
die deutsche Wirklichkeit. Ist das nur ein Klischee, oder ist der türkische
Humor einfach besser?
Wie türkischer Humor ausschaut, kann ich gar nicht so genau
beurteilen. Meine Sozialisation war von Geburt an zu mindestens 80 Prozent von
niederbayerischen Aborigines geprägt. Noch im Vorschulalter war ich jeden
Sonntag am Stammtisch. Der ganze Ort war eine Art Laufstall für mich. Ob beim
Bäcker, Metzger oder Bodenleger:
Ich konnte überall ein und aus gehen und habe daher das
sogenannte türkische Leben nur in der Türkei im Sommerurlaub mitgekriegt. Was
wiederum ein ziemlicher Kulturschock war Jahr für Jahr. Ich habe natürlich auch
ein bisschen Einblick in die ganze Gastarbeiterszenerie damals gekriegt, wenn
ich mit meinem Vater mal zur Fabrik fuhr, um meine Mama abzuholen. Aber da
meine Eltern auch von Anfang an sehr viel mit den Einheimischen zu tun hatten,
blieb der türkische Alltag für mich eher etwas Exotisches. Das hat sich bis
heute nicht geändert.
Ihr Tourkalender
ist voll. Wie erklären Sie beispielsweise Berlinern, Hamburgern oder ihrem
Publikum in der ganzen Bundesrepublik Ihre Herkunft aus Deggendorf, Ihre
bayerische Verwobenheit, Bodenständigkeit und Ihre tiefe Heimatverbundenheit?
Mir geht es nicht darum, explizit meine Umstände zu
erklären.
Sondern ich bringe einfach schräge Situationen auf die
Bühne. Das kann Erlebtes oder Beobachtetes sein. Wobei ich eigentlich auch von
Anfang an sehr stark mit dem Bayerischen statt mit dem Türkischen in Verbindung
gebracht wurde von Garmisch bis Kiel. Was natürlich auch an meinem nicht gerade
sanften niederbayerischen Akzent liegt. Generell interessiert die Menschen im
gesamten Sprachraum scheinbar das Bayerische, weil nur damit nicht nur eine
Sprache, sondern auch eine Mentalität in Verbindung gebracht wird. Und da die
bayerische Gesellschaft von der Staatsregierung über den Stammtisch bis hin zum
FC Bayern immer wieder Stoff liefert, bin ich keine Ausnahme unter den
bayerischen Kollegen. Da gibt es etliche, die seit Jahren bundesweit auf
Tournee nicht vor leeren Rängen spielen. Die Heimatverbundenheit erklärt sich
in den Geschichten. Das muss ich nicht explizit betonen.
Was reizt Sie am
politischen Kabarett? Seit 2008 sind Sie Stammredner beim alljährlichen
Maibockanstich, Neben dem Nockherberg ist der Maibockanstich
mittlerweile eine feste Institution für Bayerns Politiker.
Mich reizt auf jeden Fall die Riesengaudi im Hofbräusaal.
Bei mir haben ja alle Parteien und Politiker sehr schnell gemerkt, dass ich
gegen sie überhaupt nichts habe und somit auch nicht zur Abrechnung ans Pult
schreite. Die bayerische Politik gibt immer wieder viel Stoff her. Und gerade
die Herrschenden haben nicht nur ein dickes Fell, sondern auch einen sehr
soliden Humor. Die teilen gern aus. Und drum stecken sie auch gern ein bei
diversen Bieranstichen. Das hat wohl viel mit der bayerischen Lebensart zu tun.
Einen Starkbieranstich in Leverkusen kann man sich jedenfalls nicht vorstellen.
Und einen hochdeutsch sprechenden Derblecker auch nicht.
Sind Sie ein
politischer Mensch, oder interessiert Sie Politik nur als Vorlage um Kabarett
zu machen?
Politik hat wie auch Wirtschaft viel mit Ursache und Wirkung
zu tun.
So gesehen interessieren mich diverse Prozesse und die mal
kurzen, mal langen Dienstwege zur vermeintlichen Lösung schon. Ich habe als
kleines Kind schon gelernt, mich relativ breit zu interessieren. So gesehen
finde ich es schon spannend zu beobachten, welche Auswirkungen beispielsweise
ein Mindestlohn im Alltag von Arbeitgebern und Arbeitnehmern hat.
Wer provoziert
muss auch einstecken können! Wie gehen Sie mit Kritik um?
Ganz wichtig ist immer: Wer kritisiert und mit welcher
Intention?
Meine härtesten Kritiker sind Leute, die mich schon lange
und sehr gut kennen. Und die auch vom Kabarett Ahnung haben. Da wäre ich
schlecht beraten, deren Kritik zu ignorieren.
Politiker werden
ja nicht gern kritisiert, im Kabarett jedoch ist das möglich! Gibt es Personen,
die Sie bewußt im Programm ausklammern?
Mir geht es in erster Linie mal um Unterhaltung. Und wenn
irgendwelche Personen sich besonders viel Mühe geben, um satirisch verarbeitet
zu werden, muss das eben honoriert werden. Aber mich interessiert definitiv
nicht jedes Thema und auch nicht jede Person.
Aber da ich ja neben dem normalen Bühnenprogramm auch jedes
Jahr einen Jahresrückblick mache, tauchen darin zu meiner Überraschung schon
mal Leute auf, die in meinem jeweiligen Standard-Bühnenprogramm sicher nichts
verloren hätten. Ein Jahresrückblick ist da schon ein sehr bunter Querschnitt
vom abgelaufenen Jahr.
Wer interessiert
Sie als politische Persönlichkeit am meisten, mit wem können Sie sich am besten
identifizieren?
Als Maibockredner interessieren mich natürlich die
bayerischen Spitzenleute am meisten. Identifizieren kann mich allerdings mit
keinem von denen. Was nicht heißen muss, dass man sich nicht gut versteht.
Gerade von Leuten wie Seehofer, Söder, Pronold oder Aiwanger kann ich aus
Erfahrung sagen: Die haben alle einen guten Humor und freuen sich, von mir entsprechend
berücksichtigt zu werden.
Nichts ist ernster
als Humor! Wünschen Sie sich, dass die kritischen Töne, die Sie anschlagen –
auch tatsächlich zu einer Veränderung im politischen Alltag führen?
So wie ich nicht erwarte, dass sich Politiker in meine
Arbeit einmischen, dürfen auch die Politiker erwarten, dass ich mich nicht in
deren Belange einmische. Wobei das explizit meine Meinung ist. Andere Kollegen
mögen das anders sehen. Zumal mir auch durchaus bewusst ist:
So manche Entscheidung, die da gefällt wird, hat nicht
unbedingt einen substanziellen, sondern eher parteitaktischen Hintergrund. Und
ganz
ehrlich: Mein Publikum will von mir nicht die Bühnenversion
von Zeitungskommentaren vorgesetzt kriegen, sondern zwei Stunden Hochamüsantes,
ohne dabei das Hirn ausschalten zu müssen.
Sie sind seit 20
Jahren sehr erfolgreich im Geschäft – gibt es eigentlich ein Leben neben der
Satire?
Auf alle Fälle. Diverse Stammtische, Cafés und auch der
Tennisklub können durchaus bestätigen, dass es bei mir in Hengersberg ein enorm
festgefahrenes und unterhaltsames Leben gibt.
Wenn Django Asül einen Wunsch frei hätte, was
würde er gern an oder in der Politik verändern?
Ich wünsche mir von der bayerischen Opposition definitiv
noch viel mehr Stoff als bisher für meine zukünftigen Maibockreden.
Herzlichen Dank für das Gespräch, das Dr. Dr. Stefan Groß
führte
Das Interview finden Sie als Printversion auch im
Bayernkurier, Heft 2, 2015
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