Erschienen in Ausgabe: No 116 (10/2015) | Letzte Änderung: 07.10.15 |
von Thomas Bauer
Im Interview spricht der Unternehmer Thomas
Bauer über die Risiken der Erbschaftsreform und fordert Nachbesserungen im
Gesetzesentwurf. Er plädiert für den ehrbaren Kaufmann, die Tugend der Verantwortung
und setzt beim Thema Fachkräftemangel auf Zuwanderung.
„Die
Chance, die eigenen Anteile in die nächste Generation zu vererben, steht bei 60
Prozent“, haben Sie einmal betont. Für die Erbengeneration bleibt das Risiko
mehr Steuern zu zahlen, als das Unternehmen wert sei. Nun hat das Bundeskabinett am 8. Juli
2015 den Gesetzentwurf zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und
Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
beschlossen. Sind die Gefahren für den Mittelstand dadurch verringert oder
sehen Sie Nachbesserungsbedarf? Anders gefragt: Ist der Gesetzesentwurf
wirtschaftlich sinnvoll, wird es Firmenerben dadurch schwerer, ihren Betrieb
fortzuführen?
Viele
Bürger und Politiker haben die Vorstellung, dass Unternehmen etwas sind, das
auf Ewigkeit ausgerichtet ist und niemals seinen Wert verliert. Diese
Vorstellung ist völlig absurd. Als Bauunternehmer beobachte ich seit über drei
Jahrzehnten das Aufwachsen und den Untergang von Unternehmen. In der
Bauwirtschaft sind in den letzten 20 Jahren etwa 80 Prozent aller Großbaufirmen
vom Markt verschwunden – großteils durch Konkurs oder Notverkauf. Bei den
Kleinbaufirmen verschwinden 60 Prozent innerhalb von etwa 15 Jahren wieder vom
Markt. Das ist nur ein Beispiel aus einer Branche, in der es marktbedingt
besonders viel Misslingen gibt. Jeder Unternehmer kennt dieses Risiko. Schlimm
ist ein Erbschaftsteuergesetz, das diese Risiken nicht sinnvoll berücksichtigt.
Bargeld oder Grundstücke haben eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie
nicht untergehen. Firmen haben leider eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie
misslingen.
Wenn
ein erfolgreicher Unternehmer plötzlich stirbt, dann berechnet sich die
Erbschaftsteuer im Moment seines Todes. War das Unternehmen sehr stark von
seiner Person abhängig, dann sinkt der Wert des Unternehmens allein durch
seinen Tod z. B. auf die Hälfte ab. Muss ein Erbe nun 30 % Erbschaftsteuer
zahlen, was bereits bei kleineren mittelständischen Unternehmen leicht der Fall
sein kann, so muss bei dem beispielhaft dargestellten Wertverlust nahezu das
ganze Unternehmen verkauft werden, um die Erbschaftsteuer zu bezahlen. Aus den
nun nur noch 50 % Erlös für den Verkauf der Anteile muss nämlich auch noch
Einkommenssteuer bezahlt werden, da der Wertzuwachs seit dem Erwerb durch den
Erblasser auch noch zu verteuern ist. Ohne geeignete Erbschaftsteuerregelung
ist die Firma dann mit Sicherheit weg.
Derartige
Wertveränderungen innerhalb kurzer Zeit sind bei Unternehmen übrigens
keinesfalls selten. Mein Unternehmen, die BAUER AG, war vor der
Finanzmarktkrise an der Börse das 4-fache Wert, was es heute nach all den
Turbulenzen wert ist. Wäre jemand aus der Familie damals gestorben und er hätte
sich auf eine Stundungsregelung für die Erbschaftsteuer eingelassen, er müsste
heute sehr viel mehr Erbschaftsteuer bezahlen, als er für seine Anteile heute
erhalten könnte. Derartige Regeln sind extrem ungerecht. Auch das neue
Erbschaftsteuergesetz mit der Verschonungsregel birgt diese enormen Gefahren
für die Erben. Ich halte das für unerträglich. Die Loyalität der Erben zu ihrem
Unternehmen müssen diese mit enormen Risiken erkaufen.
Für
mich heißt das: Diese Risiken müssten eigentlich aus dem Gesetz entfernt
werden. Das private Eigentum an Unternehmen ist schützenswert, egal, wie groß
die Unternehmen sind. Die Risiken bei großen Unternehmen sind nicht geringer,
wie die bei kleinen Unternehmen. Stundungsregeln nutzen niemandem. Sie sind
enorm gefährlich.
Als
Unternehmer habe ich mein ganzes Leben Angst davor gehabt, dass irgendwann die
Erbschaftssteuer „mein“ Unternehmen zerstören wird. Etliche Entscheidungen habe
ich nur wegen der Erbschaftsteuer getroffen. Diese waren oft nicht gut für die
Firma, sie hatten nur den Sinn das Risiko zu senken. Ich weiß bei meinem
Unternehmen, dass die Erbschaftsteuer nur schädlich für das Unternehmen war.
Ich glaube das gilt für viele andere Unternehmen in gleicher Weise. Es macht
deshalb auch keinen Sinn, wenn Bayern und der deutsche Staat viele hundert
Millionen Euro dafür ausgeben, dass neue Unternehmen entstehen, wenn
gleichzeitig mit einer Erbschaftsteuer in ähnlicher Größenordnung
Firmenentwicklungen so gestört werden, dass in Summe kein „Mehr“ herauskommt.
Die
deutsche Erbschaftsteuer bleibt – egal wie die Reform nun ausgeht – ein System
mit enormen Risiken für die Erben von Unternehmen und für die Unternehmen
selbst. Ich würde die Erbschaftsteuer völlig anders gestalten.
Bislang sind nur Unternehmen bis zu 3
Mitarbeitern von der Lohnsummenprüfung ausgeschlossen, hier ist eine Erhöhung
auf 5-20 Mitarbeiter im Gespräch. Wären damit die Sorgen für kleine
mittelständische Unternehmen vom Tisch? Berechnungen des Zentrums für
Europäische Forschung (ZWE) geben dem Korrekturentwurf seitens der CSU recht!
Hier
bin ich nicht im Detail Experte. Die ganz kleinen Firmen sind wegen der
Freibeträge und wegen der hier noch sehr niedrigen Sätze nicht das ganz große
Problem. Hier wurde im Gesetzentwurf an etwas herumgeschraubt, das nicht mehr
Gerechtigkeit und auch nicht mehr Geld für den Fiskus bringt – nur mehr
Bürokratie. Die bayerische Staatsregierung hat Recht, wenn sie hier
Nachbesserungen verlangt.
Bringt die Erbschaftsteuer bundesdeutschen
Unternehmen einen Standortnachteil, weil diese im Ausland weniger verbreitet
ist?
Ja,
sogar ganz erheblich! Viele Eigentümer deutscher Firmen sind schon lange ins
Ausland gegangen um dort die Erbschaftsteuer zu sparen. Liebherr und Müller
sind bekannte deutsche Namen. Diese Firmen müssen sich nicht mehr um die
Erbschaftsteuer Sorge machen. Sie können sich voll auf die Entwicklung der
Firmen konzentrieren und mit dem gesparten Geld harte Konkurrenz gegen
heimische Firmen machen, um deren Markt zu erobern.
Die Bauer AG ist einer der großen
Mittelständler, besser gesagt: ein internationaler Konzern mit über 10.400
Mitarbeitern, Tendenz steigend. Die Finanzkrise hat in vielen
Wirtschaftsbereichen nachhaltig ihre Spuren hinterlassen! Auch für Sie ist
Sparen ein Diktat und fordern dabei „Detailarbeit“ Was haben wir darunter zu
verstehen?
Für
die BAUER AG haben die Finanzmarktkrise, die Probleme im Nahen Osten, aber
speziell auch die massiv entstandene Konkurrenz aus China dazu geführt, dass
wir in den letzten Jahren erheblich mit den Verwerfungen auf unseren
internationalen Märkten zu kämpfen hatten. Nur äußerste Sparsamkeit und totale
Fokussierung auf ein immer noch besseres Produkt ermöglichen es uns, im
Wettbewerb zu bestehen. Leider ist dabei die Profitabilität deutlich weniger
geworden. Derartige Entwicklungen sind für Unternehmer Teil des Auf- und Ab im
Wirtschaftsleben. Der Staat tut aber mit der Erbschaftsteuer so, als ob es so
etwas nicht gibt. Erfreulicherweise scheint sich derzeit manches für die BAUER
AG wieder besser zu entwickeln. Wir waren wahrscheinlich ganz am Anfang einer
Entwicklung, die viele andere Firmen noch gehen müssen.
Ob Amazon, Google, Alibaba oder andere
Internetkonzerne, die Digitalität ist eine der Herausforderungen für die
Gesellschaft und die Unternehmer, wie ist Ihrer Meinung nach der Mittelstand
und insbesondere die Baubranche auf die Internetrevolution 4.0 vorbereitet?
Digitalisierung
ist für die meisten Unternehmen, auch am Bau, schon geübte Realität im
Arbeitsalltag. Das Internet bestimmt die Kommunikation vor allen anderen
Mitteln. Die Zukunft wird uns aber noch viele neue Möglichkeiten bieten. Am Bau
ist hier das Stichwort BIM (Building Information Modeling). Hier wird die
Zusammenarbeit aller am Bau Beteiligten – Baufirmen, Planer, Auftraggeber, etc.
– über standardisierte Datenaustauschsysteme gestaltet. Daraus ergeben sich
viele Chancen zur Verbesserung der Abläufe aber speziell auch zur
Fehlervermeidung. Digitalisierung ist für die Zukunftsentwicklung enorm
wichtig. Wir dürfen aber nicht der Gefahr folgen, dass wir dabei andere Themen
der Innovation vernachlässigen.
Was früher das Maschinenzeitalter war, ist
heute die virtuelle Welt samt den technischen Optionen. Verliert der Mensch
hierbei seine Rolle als produktiv wertschöpfende Kraft?
Nein,
mit Sicherheit nicht. Den Computer, der uns das Denken abnimmt, gibt es noch nicht
und es wird ihn noch lange nicht geben. Die virtuelle Welt beschleunigt aber
die Abläufe in den Wertschöpfungsketten enorm. Die Wirtschaft wird damit
insgesamt noch deutlich schneller und damit auch produktiver. Dies wird die
Wohlstandsmehrung der Zukunft entscheidend mit gestalten.
Für den Ethos in der Wirtschaft steht der
ehrbare Kaufmann, gibt es diesen noch und wie würden Sie seine Rolle heute
spezifizieren?
Für
mich ist hier der wichtigste Begriff das Wort Verantwortung. Mit Verantwortung
kann man nahezu jedes Handeln sehr gut messen – ist es verantwortlich oder
nicht. Ich bin davon überzeugt, dass die meisten Führungskräfte diesem Wert
noch höchste Bedeutung zumessen. Der Unanständige kann über einige Zeit der
Sieger sein – auf Dauer wird aber immer der Anständige gewinnen. Die wichtigste
Aufgabe von Politik ist es, nicht durch ein Übermaß an Regelungen den Menschen
die Verantwortung abzunehmen. Compliance-Systeme und Governance-Systeme sind
schon gut, übertreibt man aber mit solchen Systemen oder auch mit Gesetzen,
dann geht Verantwortung verloren. Und wer keine Verantwortung mehr hat, der
kann auch nicht mehr verantwortlich handeln. In der Führungspraxis stehen wir
sehr oft vor Entscheidungen, bei denen alle Alternativen unbefriedigend sind. Da
hilft einem nur das eigene Verantwortungsgefühl, um die Dinge richtig zu
machen.
Thema Fachkräftemangel: Was können Politik
oder die Wirtschaft hier in Zukunft leisten, muss sich das Bildungs-, und
Studienwesen reformieren? Welche Rolle spielt die Zuwanderung beim
Transformationsprozeß in einer demographisch alternden Gesellschaft?
Wir
haben in Deutschland und speziell in Bayern ein ausgezeichnetes Bildungssystem.
Wir dürfen uns nicht irre reden lassen von all den internationalen Vergleichen,
bei denen Deutschland bei den Akademikern schlecht abschneidet. Unser duales
Bildungssystem ist der wichtigste Pfeiler unseres wirtschaftlichen Erfolgs. Wir
müssen unser System weiterentwickeln, auf keinen Fall aber grundsätzlich
verändern. Was Zuwanderung betrifft, sollten wir uns darauf einstellen, dass
diese etwas ganz normales sein wird. Wenn wir die heutige Realität bei unseren
jungen Menschen anschauen, dann gehen sehr viele in die Welt hinaus, um
Erfahrung zu sammeln oder auch um anderswo ganz normal zu arbeiten. Es ist doch
natürlich, dass sich viele in der Ferne wohl fühlen, eventuell dort heiraten
und dann dort ihr Leben verbringen. Genauso normal ist es aber auch, dass
Menschen nach Deutschland kommen. Dieser Austauschprozess wird die Zukunft in
zunehmendem Maße bestimmen. Da soll man sich nicht unvernünftig dagegen wehren.
Das hat auch nichts mit Überfremdung zu tun. In der Firma Bauer haben wir viele
Ausländer die bei uns in Deutschland arbeiten. Sie fühlen sich in der Lederhose
genauso wohl wie wir Bayern. Ich glaube, dass regionale Kultur mit Menschen aus
vielen Ländern möglich ist. Das muss man nur wollen. Außerdem ist Zuwanderung
unausweichlich, wenn in einem Land zu wenige Kinder geboren werden.
Worin sehen Sie die Hauptverantwortung des
Unternehmers?
Ein
Unternehmer muss sich um die Zukunft sorgen und immer auf der Suche nach Neuem
sein. Er muss sich auch vor allem Anderen um die Kultur des Unternehmens
kümmern. Nur in einem Unternehmen mit einer ausgeprägten und auf den Menschen
orientierten Kultur kann auf Dauer Erfolg entstehen.
Sie sind Landesschatzmeister der CSU, haben
eine Professur an der TU München, sind Präsident des Hauptverbandes der
Deutschen Bauindustrie e.V. und üben darüber hinaus eine fast unübersehbare
Vielzahl von Ämtern aus: Was motiviert Sie und welche Eigenschaften sind für
den unternehmerischen Spirit Voraussetzung?
Ich
glaube, dass Unternehmer die Pflicht haben sich gesellschaftlich einzubringen.
Das hat zwei Gründe: Wer viel von der Gesellschaft bekommt, so der erste Grund,
der hat auch die Pflicht etwas zurück zu geben. Viele Unternehmer meinen, dass
der eigene Erfolg nur selbst geschaffen ist. Das ist nie der Fall. Erfolg ist
zuerst einer Chance geschuldet, die einem eine Gesellschaft gibt. Und Erfolg
hat auch sehr viel mit Glück zu tun, das sollte sich jeder immer wieder
vergegenwärtigen. Für mich war es immer eine Selbstverständlichkeit, dass ich
mich für die Gesellschaft einsetze. Das braucht keine weitere Motivation. Der
zweite Grund ist sehr vernunftgeprägt. Unternehmer sind in der Gesellschaft die
Minderheit. Engagieren sie sich nicht mehr als der Rest der Bevölkerung werden
sie nichts erreichen. Ich konnte aber auch lernen, dass Engagement einem sehr
viel zurückgibt: Erfahrung, Einblick und auch Spaß. Wer sich breit engagiert,
der hat für viele Themen einen deutlich besseren Blick und er kann dann besser
entscheiden.
Fragen. Dr. Dr. Stefan Groß
Prof.
Thomas Bauer ist u. a. Vorstandsvorsitzender der Bauer AG in Schrobenhausen,
Landesschatzmeister der CSU, Präsident des Hauptverbandes der Deutschen
Bauindustrie, Vizepräsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie und hat
eine Professur an der Technischen Universität München inne.
Der
Text in im Bayernkurier, Heft 4, erschienen
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