Erschienen in Ausgabe: No 116 (10/2015) | Letzte Änderung: 07.10.15 |
von Hans Michelbach
Multikonzerne
wie beispielsweise Google – die Arbeitswelt verändert sich rasant. Was bedeutet
dies für den Mittelstand?
Erst einmal bedeutet das einen stark verzerrten
Wettbewerb. Der Mittelstand zahlt in Deutschland ordentlich seine Steuern;
Konzerne wie Google dagegen schieben Gewinne und Verluste solange hin und her,
bis praktisch kaum noch eine Steuerlast übrig bleibt. Das verschafft ihnen
einen unfairen Vorteil. Hier ist die Politik gefragt. Der Wirtschaftsflügel hat
in dieser Frage Dampf gemacht. Der Bundesfinanzminister hat das Thema auf die
internationale Tagesordnung gesetzt. Wir brauchen aber noch raschere
Fortschritte.
Ein
zentrales Anliegen der bayerischen Politik ist die Stärkung des Mittelstandes
und die Förderung des Unternehmertums, hier gibt es eine enge Verzahnung
zwischen Wirtschaft, Politik, Gesellschaft und Universität. Also Bayern ist gut
aufgestellt, wo sehen Sie aber noch Handlungsbedarf? Anders gefragt: Wo sehen
Sie derzeit die größten Herausforderungen, die kleine und mittelständische
Unternehmen belasten?
Mit der bayerischen Staatsregierung können wir
überwiegend zufrieden sein, was Bayern betrifft. Unsere Probleme liegen mehr
auf der Bundesebene. Ich nenne beispielhaft Erbschaftssteuerreform,
Flexibilisierung des Renteneintrittsalters nach oben, weiterer Bürokratieabbau.
Wir hätten nichts dagegen, wenn es von der Staatsregierung und der CSU in
Berlin noch mehr Rückenwind gäbe.Gerade das Thema Entbürokratisierung wird auch
auf dem Bayerischen Mittelstandstag Mitte September in Deggendorf eine große
Rolle spielen. Wir brauchen automatische Überprüfungen und Verfallsdaten von
Gesetzen und Verordnungen. Der Bundestag muss Rechtsverordnungen von den
Ministerien wieder „zurückholen“ können. Das wäre eine effektive Waffe gegen
Bürokratiemonster
Worin
liegen die Stärken mittelständischer Unternehmen und wie kann das Rückgrat der
Gesellschaft in Zukunft noch besser gestärkt werden?
Mit mehr als drei Millionen Unternehmen, die
mehr als 80 Prozent der Ausbildungsplätze und zwischen 60 und 70 Prozent aller
Arbeitsplätze bereitstellen, ist der Mittelstand Rückgrat und Motor der
deutschen Volkswirtschaft und des Arbeitsmarktes. Seine großen Stärken sind
seine Flexibilität und seine Innovationskraft. Nicht umsonst ist eine besonders
erfolgreiche Exportbranche wie der Maschinenbau stark mittelständisch geprägt.
Und wenn wir von den hidden champions sprechen, dann geht es sich dabei in
aller Regel um mittelständische Firmen. Der Mittelstand wird seine starke
Stellung aber nur halten können, wenn man ihm nicht unfaire Lasten aufbürdet
oder dem Arbeitsmarkt mutwillig Fachkräfte entzieht.
Kleine
und mittlere Unternehmen sind oft innovativer als Großunternehmen, woran liegt
das?
Sie sind einfach beweglicher. Die Firmeninhaber
sind näher an den Kunden und näher an den Mitarbeitern. Ideen werden schneller
umgesetzt. In den technischen orientierten mittelständischen Firmen gehört Tüfteln
ganz einfach immer noch zum Selbstverständnis. Das schafft besondere Kompetenz
für individuelle Lösungen. Und solche Lösungen werden immer öfter benötigt.
Der
Deutsche Mittelstand hinkt bei der Industrie 4.0 noch nach, wie kann dem
Abhilfe geschaffen werden? Mehr als ein Drittel der Unternehmer haben keine
Digitalstrategie!
Wir sollten unseren Mittelstand nicht
schlechter machen als er ist. Ein Blick auf die Messen zeigt: Bei der Industrie
4.0 kann sich unser Mittelstand sehen lassen. Aber der Wettbewerb ist hart.
Insgesamt sind die Herausforderungen beim Thema Digitalisierung so breit und so
unterschiedlich wie die ganze Breite der mehr als drei Millionen
mittelständischen Betriebe.
Wird die Digitalisierung letztendlich nicht mehr Job
kosten als sie erschaffen kann?
Diese Furcht wird gern von jenen geschürt, die
am liebsten alles beim Alten lassen wollen. Dabei zeigt doch unsere Erfahrung:
Wer sich dem Fortschritt verweigert, bleibt am Ende auf der Strecke.
Was
bedeutet der demographische Wandel für den Mittelstand?
Demographischer Wandel ist eine langfristige
Entwicklung. Was dieser Wandel letztendlich bedeutet, hängt davon ab, wie wir
uns darauf einstellen. Wenn wir uns nicht anpassen, bekommen wir Probleme bei
der Gewinnung von Fachkräften, bei der Finanzierung unserer Sozialsysteme und
vielem mehr. Hier sehe für die erheblichen Handlungsbedarf und Mut zur
Veränderung. Demographischer Wandel bedeutet aber auch Wandel der
Nachfrageprofile. Ältere Kunden haben andere Bedürfnisse als jüngere. Darauf
müssen sich vor allem die Konsumgüterindustrie und der Handel einstellen.
Sie
bestehen auf eine Nachbesserung der Erbschaftsreform, wie diese gerade von
Bundesminister Wolfgang Schäuble vorgelegt wurde! Welche Nachteile bringt der
jetzige Stand der Reform für den Mittelstand und welche Nachbesserungen sind
nötig? Die Wirtschaft hat die Reform abgelehnt, weil Familienbetriebe dadurch zu
sehr belastet würden. Philipp
Graf Lerchenfeld bezeichnete den Gesetzesentwurf in Teilen als „Rückschritt zum Referentenentwurf“.
Es
spricht gleich Mehreres gegen die Reformvorlage. Die Erbschaftssteuer greift
ins Eigenkapital ein. Dies kann zur Gefahr für Betriebe und Arbeitsplätze
werden. Es benachteiligt die inhabergeführten mittelständischen Unternehmen
gegenüber den Konzernen, die eben nicht mit einer Erbschaftssteuer belastet
sind. Hinzukommt, dass der Gesetzentwurf die Vermögenssteuer durch die Hintertür
wieder einführt. Hier versucht die SPD massiv, ihren Sozialneid auszuleben. Ich
erwarte vom Bundesfinanzminister und von der Bundeskanzlerin, dass sie die SPD
auf Kurs bringen.
Thema Mindestlohn:
Trotz Nachbesserungen beim Mindestlohn im Juni 2015 durch das
Arbeitsministerium sind viele bayerische Hoteliers und Gastwirte mit dem
erhöhten Bürokratieaufwand unzufrieden. Viele mittelständische Unternehmen
sehen sich durch das „Bürokratiemonster à la Nahles“ überfordert. Sind wir mit
diesem Mindestlohngesetz auf dem richtigen Weg?
Dieses Mindestlohngesetz war und ist so
überflüssig wie ein Kropf. Es wird immer ein Bürokratiemonster bleiben. Da
helfen auch jüngsten Minimaländerungen nicht. Und anders als die SPD behauptet,
haben die Arbeitnehmer praktisch nichts davon. Ihre Gesamteinkommen liegen
heute letztlich nicht höher als vorher. Man sollte die Lohnfindung dort lassen,
wo sie hingehört: in den Verhandlungen der Tarifparteien.
Immer mehr
Mittelständler beklagen sich über den Fachkräftemangel, die Abwanderung
Auszubildender in die Großstädte bzw. zu den großen Konzernen, die mit
Top-Gehältern werben. Welche Chance hat hier der Mittelstand auf lange Sicht
und wie kann man die Position der mittelständischen Unternehmen stärken?
Wir sollten hier nicht in Schwarzmalerei
verfallen. Natürlich wird der Wettbewerb um die Fachkräfte härter. Aber die
mittelständischen Betriebe in der Fläche stehen so schlecht nicht da. Es zieht
Arbeitnehmer und Auszubildende vor allem dann in die Großstädte, wenn die
Politik die Fläche vernachlässigt.Die bayerische Staatsregierung fährt hier
einen klugen Kurs. Sie stärkt die Fläche und damit auch den Mittelstand. Zum
Beispiel durch die dualen Studienangebote, die Fachkräftebedarf und
Qualifikation gut miteinander verbinden und gleichzeitig hochwertiges Know-how
in die Regionen tragen.Sorge machen wir eher selbsternannte Bildungsexperten,
die glauben machen wollen, möglichst alle müssten ein Abitur machen. Der Mensch
beginnt aber nicht erst beim Akademiker.
Welche
Rolle wird die Gesellschaft 4.0 für den Mittelstand spielen?
Der Mittelstand wird sich einer solchen
Entwicklung stellen und sie ebenso erfolgreich meistern wie andere
Veränderungen vorher.
Die Fragen stellte Dr. Dr. Stefan Groß
Der Text ist im Bayernkurier Heft 4 erschienen
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