Erschienen in Ausgabe: No. 35 (1/2009) | Letzte Änderung: 26.03.09 |
Die gegenwärtige Kapitalmarktkrise ist erst die Vorkrise für den erwartbaren Zusammenbruch des überkommenen Weltwirtschaftssystems.
von Bernd Rebe
Der Doppelcharakter der Kapitalmarktkrise 2008
Über zwei Dimensionen der
gegenwärtig weiterwuchernden Kapitalmarktkrise sind sich die Experten aller
Länder einig:
- Diese Krise ist in ihrem Ausmaß
die größte Krise, die das internationale Finanzsystem in der Neuzeit getroffen
hat, viel weiterreichend etwa als die Weltwirtschaftskrise von 1929/1930, und
- diese Krise hat eine nie da
gewesene Grundsatzdimension in den Gründen ihres Entstehens, ihrer
unaufhaltsamen Aufschaukelung und in der Unabsehbarkeit ihrer Folgen.
So ist es kein Wunder, dass wir von
den hundertfachen Facetten dieser Krise überwältigt und von dem Versuch,
jedenfalls ihre schlimmsten Folgen abzuwenden, absorbiert werden. Daher konnte
uns die Zentralthese der folgenden Überlegungen (noch) nicht in den Blick
kommen, dass nämlich die gegenwärtige
Kapitalmarktkrise erst die Vorkrise der eigentlichen Krise sein könnte, die
irgendwann folgen wird. Die gegenwärtige Krise hat einen Doppelcharakter, von
dem wir bisher nur den einen Teil wahrnehmen: Sie ist – zum einen – der erste
manifest gewordene Kulminationspunkt längerfristiger krisenhafter Entwicklungen und sie beschleunigt – zum
zweiten – diese krisenhaften Entwicklungen mit der zweifachen Folge, dass der
Einritt der kommenden eigentlichen Krise wahrscheinlicher wird und dass diese
eigentliche Krise auch früher eintreten könnte, als sie ohne die Auswirkungen
der gegenwärtigen Krise eintreten würde. Ja, man kann in dieser gegenwärtigen
Krise auch den Beginn einer Krisenkaskade sehen, die von Krisenstufe zu
Krisenstufe stürzend über den Zusammenbruch des überkommenen
Weltwirtschaftssystems zu einem epochalen Umbruch der gegenwärtigen
Weltwirtschaftsordnung führen wird. Und – soviel ist in ersten Umrissen
erkennbar – die dann entstehende neue Weltwirtschaftsordnung wird sehr stark
durch gemeinwirtschaftlich-staatskapitalistische Elemente geprägt sein.
Pointiert formuliert: Der vermeintlich endgültige Triumph des kapitalistischen
Systems mit dem Zusammenbruch des „real existierenden Sozialismus“ war nur ein
Pyrrhussieg über die erste Fehlform staatskapitalischer Wirtschaftsweise; durch
die Hintertür der Krise kehrt sie in veränderter Gestalt zurück.
Gründe für das Entstehen und die weltweite Ausbreitung der
gegenwärtigen Krise
Die Argumente für die erwartbare
Entwicklung zur eigentlichen Krise lassen sich nur nachvollziehen, wenn man
sich die Gründe für das Entstehen der gegenwärtigen Krise und ihrer weltweiten
Ausbreitung vor Augen führt:
Das Entstehen der gegenwärtigen Krisespeist sich aus verschiedenen Elementen, die erst in ihrem
unglücklichen Zusammenwirken die Manifestation dieser Krise hervorgebracht
haben.
- Da ist zum ersten die langfristige Gewohnheit exzessiven
privaten und öffentlichen Schuldenmachens zu nennen. Nun ist Schuldenmachen
nicht per se etwas Verdammenswertes,
Schlimmes oder Destruktives. Vielmehr gehören darlehensvermittelte
Investitionen von Erzeugern und Endverbrauchern zu einer marktwirtschaftlichen
Ordnung wie die Bewässerung zur Landwirtschaft oder die Sauerstoffzufuhr zur
Lebensfähigkeit eines Organismus. Dass erspartes und aus Gewinnen angesammeltes
Kapital Zins bringend angelegt werden kann, ist vielmehr eines der Motive für
die Erarbeitung von Gewinnen und für die Erbringung von Sparleistungen. Es darf
auch nicht vergessen werden, dass der Wirtschaftsboom der Neunzigerjahre in den
USA - und wegen der Impulswirkung der amerikanischen Wirtschaftsentwicklung
auch bei den Handelspartnern Amerikas - maßgeblich darlehensfinanziert war. „Schulden“
zu machen ist im Grundsatz ein systemkonformes, finanzrationales Verhalten; destruktive
Wirkungen entfaltet es erst dann, wenn es in unkontrollierter Exzessivität
geschieht, wenn vor allem der Schuldner mehr an Fremdkapital in Anspruch nimmt,
als er verzinsen und amortisieren kann. Genau das ist aber in den letzten
Jahrzehnten geschehen, und zwar sowohl durch Private wie durch Staaten. Hierbei
ist das exzessive staatliche
Schuldenmachen das eigentliche Problem, weil es unübersehbaren
langfristigen Schaden anrichtet und durch produktiv-systemkonforme Maßnahmen
nicht mehr zu lösen ist
- Zum zweiten war es zu einer folgenreichen
Wirklichkeitsentkoppelung in den Vorstellungen der Kapitalmarktakteure und
der von ihnen zur Erlangung immer größerer Profite generierten
Transaktionspakete und –verfahren gekommen. Damit haben sie die ohnehin schon
vorhandene Komplexität der eigentlichen Kapitalmarkt-
vorgänge in einer Weise gesteigert, dass sie wie Zauberlehrlinge nicht mehr
begreifen konnten, was sie da angerichtet hatten.
Gleichzeitig kam es zu einem
finanzmarktspezifischen Czernobyl-Effekt: Alle (vorhandenen)Kontrollinstanzen versagten, und zwar
auf allen Ebenen. Weder haben die Aufsichtsräte der einzelnen Banken, die ja
ohnehin zu Abnickgremien für Vorstandsaktivitäten degeneriert sind, ihre
Kontrollaufgaben wahrgenommen, noch konnten die nationalen Kontrollinstanzen
ihrer Aufgabe gerecht werden, und die übernationalen Einrichtungen scheiterten
schon an der Uneinigkeit der beteiligten Staaten über das Ausmaß der
angezeigten Kontrolle. Hier erwies sich ein dogmatisiertes Bild von Finanzmarktfreiheit
als eine besonders folgenreiche Facette der Wirklichkeitsentkoppelung.
- Schließlich hatte der schon lange zu
beobachtende Verlust regulierender
Moralprinzipien zusammen mit der Missachtung
erfahrungsgespeister Verantwortungsübernahme auch die äußersten Haltegurte
rationalen Wirtschaftens zum Bersten gebracht. Gerade in einer Situation der
Unübersichtlichkeit sind Vorsicht, Zurückhaltung und abwägendes Vorantasten
unter Berücksichtigung jahrzehntelanger eigener Erfahrungen und durch das
Studium der Wirtschaftsgeschichte erworbener Einsichten früherer Akteure und
Analysten angezeigt. Stattdessen hat man das Gegenteil gemacht: Im Interesse
des eigenen Profits hat man alle Vorsicht fahren lassen und ist in manchen
Bereichen einer verheerenden Zockermentalität erlegen.
- Der Prozess der Aufschaukelung der Krise zu einem weltweiten Phänomen
war nur möglich durch die enge weltweite Verflechtung nicht nur der
Finanzmärkte untereinander, sondern der Finanzmärkte mit den Märkten der
Realgüterwirtschaft und mit den politischen und den Vorsorge-Systemen
verschiedener Art, national und international. Hier ist ein Komplexitätsgefüge
entstanden, das schon in der Diagnose kaum noch durchschaubar ist, geschweige
denn von einzelnen Akteuren noch „beherrscht“ werden kann. Im Grunde gibt es
nur noch Getriebene, und zwar sowohl in der Wirtschaft wie in der Politik.
Die Komplexität ihrer
Entstehungsgründe und die Krisenaufschaukelung im weltweiten Geflecht
wirtschaftlicher Abhängigkeiten eröffnet schließlich den beunruhigenden
Horizont der
Unabsehbarkeit der Krisenfolgen
Diese Folgen zeigen sich schon
jetzt in der Neustrukturierung der
Kapitalmärkte und der Kapitalmarktakteure: Das Bankensystem wird
umgekrempelt:
- Ganze Bankentypen, wie die 1929
im Zuge der Weltwirtschaftskrise entstandenen amerikanischen Investmentbanken, sind
schon verschwunden, andere Banken gehen bankrott, werden aufgekauft,
zerschlagen oder teilverstaatlicht;
- das Verhältnis der öffentlichen
Hände zu den privaten Banken hat sich radikal geändert. Die eigentliche
Privatbank verschwindet, die Staaten sind in ein Verhältnis
politisch-faktischer Gewährträgerschaft für die „privaten“ Banken eingetreten,
die sie mit hunderten von Milliarden Dollar, Euros und anderer Währungen
stützen müssen. Waren die Banken schon bisher durch Quellensteuernormen,
Geldwäschegesetz und andere staatliche Inpflichtnahmen in ihren Aufgabenstellungen zu parastaatlichen
Hilfsagenturen geworden, so werden sie durch die staatlichen
Einwirkungsbefugnisse im Rahmen des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes
und der hierzu beschlossenen Ausführungsverordnungen auch in ihrer Eigenstümerstruktur und sogar in ihrer eigentlichen
Geschäftspolitik unter staatliche Kuratel gestellt – ob for good or for
evil bleibt nach den Erfahrungen mit den Fehlleistungen der staatlich
dominierten KfW abzuwarten.
Eine weitere Folgengruppe sind die Auswirkungen der Kapitalmarktkrise auf
die Realgüterwirtschaft:
- Schon jetzt wird eine tief
greifende Rezession für die amerikanische Wirtschaft erwartet, deren Folgen
auch die Handelspartner der USA zu spüren bekommen werden. Autohersteller
lassen bereits Produktionsbänder stillstehen, andere Branchen werden bei der
allgemeinen Nachfrageschwäche infolge des mangelnden Vertrauens der Verbraucher
in die Sicherheit ihrer Geldanlagen und ihrer Arbeitsplätze folgen;
- schon jetzt führt die Verunsicherung sowohl
der Banken wie der Endverbraucher zu partieller Kapitalaustrocknung sowohl auf
den Investitionsgütermärkten wie auf den Endverbrauchermärkten; der Wirtschaftskreislauf
gerät ins Stocken;
- die Milliardenbürgschaften für Banken und
die selbst übernommenen Einstandsverpflichtungen für Sparer und private
Geldanleger durch den Staat könnten, je nach Höhe der endgültigen
Inanspruchnahme, die öffentlichen Haushalte in den Ruin treiben. Der
isländische Staatsbankrott ist ein warnendes Vorzeichen hierfür.
Das Menetekel der >eigentlichen Krise>
Die Elemente der krisenhaften
Entwicklung, wie wir sie vorstehend zu skizzieren versucht haben, werden durch
die gegenwärtige Krise durchweg verstärkt:
Die Verschärfung der Schuldenkrise
Erster und eigentlicher Anlass (wenn auch nicht Grund) der gegenwärtigen Krise ist die
so genannte „Subprime Crisis“ in den USA, deren Kern in der exzessiven
Verschuldung von Menschen lag, die diese Schulden (letztlich) nicht bedienen
konnten. Aufgefangen werden soll diese Krise durch staatliche Finanzleistungen
verschiedener Art (staatliche Bürgschaften für Bankverpflichtungen,
Teilverstaatlichungen von Banken, staatliche Garantiezusagen für private Sparer
und Geldanleger), die wiederum nur durch
neues Schuldenmachen, nun des Staates, dargestellt werden können. Das heißt
den Teufel mit dem Beelzebub austreiben.
Dabei ist der Staat beileibe
nicht der liebe, verantwortungsbewußte Onkel, der die Schulden machenden Bürger
auf den Weg finanzpolitischer Tugend zurückführt; vielmehr haben fast alle
Staaten selbst bereits bisher durch exzessives Schuldenmachen jede Moral des
ausgabeorientierten Maßhaltens mit untergraben. Und sie untergraben diese Moral
mit den völlig unkontrollierten und niemals in vollem Umfang einzulösenden
Garantiezusagen erneut und diesmal sogar in einem nie da gewesenen Ausmaß. Wenn
man auch nicht davon ausgehen sollte, dass die Tausend Milliarden (oder mehr!)
an privaten Spar- und Anlagegeldern insgesamt ausfallen werden, so könnten doch
leicht zusätzliche Verpflichtungen in zwei- bis dreistelliger Milliardenhöhe allein
auf den Haushalt der Bundesrepublik Deutschland zukommen. Ein finanzpolitisches
Desaster ohnegleichen!
Die Verschärfung der Seriösitätskrise
Nun kann man freilich sagen, dass
die Bundesregierung die Garantien (ohne einen für die Rechtsgültigkeit
erforderlichen Parlamentsbeschluss!) zugesagt hat, um einen massiven
Kapitalabfluss zu verhindern und damit nicht in die Zwangslage zu kommen,
Banken und privaten Anlegern tatsächlich beispringen zu müssen. Sie hat damit
ein Versprechen in der Hoffnung gegeben, es nie einlösen zu müssen. Ist aber
nicht auch dies Ausdruck einer (wohl widerwillig geübten) Zockermentalität, wie
sie so viele Banker an den Tag gelegt haben, die immer gehofft hatten, es werde
schon alles gut gehen, Hauptsache, man kommt jetzt erst einmal davon? Auch hier
soll doch der Teufel der Unseriösität mit dem Beelzebub der Uneinlösbarkeit der
Garantiezusage ausgetrieben, also ein vorhandenes Fehlverhalten in Bankkreisen,
das maßgeblich mit zur Krise beigetragen hat, durch staatliche Täuschung
ausgeglichen werden, mag diese Täuschung auch als überbudgetärer Notstand
gerechtfertigt erscheinen. Für eine Haushaltspolitik, die noch vor wenigen
Monaten eine Neuverschuldung von zehn Milliarden Euro als Erfolg ausgab, ist
die drohende Zusatzbelastung mit dem Zwanzig- bis Fünfzigfachen dieser Summe –
bei optimistischer Einschätzung! - eine so fürchterliche Perspektive, dass ihre
Realisierung jede finanzpolitische Vorstellungskraft sprengt.
Nur zur Erinnerung: Der gesamte Bundeshaushalt 2009 liegt
bei knapp 290 Milliarden Euro. Die beiden mit Abstand größten Posten hierin
sind der Teilhaushalt für Arbeit und
Soziales mit 124 Milliarden Euro (davon ca. 80 Milliarden zur Sicherung der
laufenden Rentenzahlungen), gefolgt von den Haushaltsaufwendungen
für die Bedienung der Schulden des Bundes mit ca. 43 Milliarden Euro (der
Verteidigungshaushalt mit knapp 30 Milliarden Euro nimmt sich dagegen recht
bescheiden aus, ganz zu schweigen von den 10 Milliarden für Bildung und
Forschung, deren Bedeutung aber kein Politiker zu betonen unterlässt!).
Die Gesamthöhe der bisher zu bedienenden Bundesschulden beträgt
dabei ca. Eintausend Milliarden Euro: Welche Summe soll bei einer realisierten
Einstandspflicht des Bundes zur Abfederung der gegenwärtigen Finanzkrise in
Höhe von x-hundert Milliarden Euro in Zukunft unter dem Teilhaushalt
„Bundessschuld“ stehen? Muss nicht der zumindest klammheimliche Wunsch nach
einer Totalentschuldung auch bei den Finanzpolitikern wachsen, und wie soll
diese anders geschehen als durch einen Währungsschnitt, der aber wieder
unabsehbare Folgen für die Finanzsituation aller Staats- und Wahlbürger und für
unser gesamtes politisches System hätte? Und wer sagt denn, dass nicht noch
weitere horrende Leistungsverpflichtungen auf den Staatshaushalt zukommen
werden? Schon verlangen nicht nur die Gewerkschaften, sondern auch maßgebende
Kreise in der CDU/CSU allen Ernstes staatliche Investitionsprogramme und
Steuererleichterungen zur Abwendung der erwarteten Rezession. Darüber hinaus
können jederzeit politische, wirtschaftliche, ökologische oder erneute
finanzmarktpolitische Verwerfungen, von denen allen wir jetzt noch gar keine
Vorstellung haben, auch uns Deutschen zusätzliche Lasten aufbürden.
Damit sind wir bei den desaströsen haushaltspsychologischen
Folgen des beschlossenen Hilfsprogramms: Schon der schiere, alle bisherigen
Maßstäbe sprengende Umfang der angebotenen staatlichen Hilfen im Rahmen des
FMStG, in der Süddeutschen zu Recht als
eine >Politik des Unermesslichenaktiven
Schuldenmanagements
Fazit: Es
ist zu erwarten, dass bei einem erneuten Auslösungstatbestand à la Subprime Crisis die durch die
gegenwärtige Krise verstärkte Gesamtkrisensituation sich in einer eigentlichen Krise entlädt. Diese eigentliche Krise wird in ihrem Ausmaß
und ihren Folgen die gegenwärtige Krise weit übertreffen, denn sie trifft auf
dann finanziell völlig leistungsunfähige, ja wahrscheinlich teilweise bankrotte
Staaten und sie trifft dann auf Bürger, Bankkunden und Anleger, die keinerlei
Vertrauen mehr in die Solidität der Finanzwirtschaft haben werden, zumal wenn
ihnen alle Rücklagen und alles Ersparte durch einen Währungsschnitt genommen
sein sollten. Gilt also:
Dark Age Ahead?
Es gilt natürlich bei aller
realistischen Kriseneinschätzung die alte Erfahrung, dass jede Krise auch ihre
produktiv-guten Seiten hat. Auch die gilt es zu sehen und einzukalkulieren.
Da ist zum einen die Tatsache zu
notieren, dass über Fragen der gerechten oder „richtigen“ Wirtschaftsordnung in
den letzten Jahrzehnten noch nie so intensiv und in so großer Breite öffentlich
diskutiert wurde wie im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Krise. Die Zahl der
Stellungnahmen, Kommentare und Berichte über die Grundsatzdimensionen und fast
jede Facette dieser Krise ist unübersehbar geworden. Dieser öffentliche
Diskurs, der auch in zahlreichen akademischen Traktaten nachschwingen wird, hat
durchaus zu notwendigen Klärungen beigetragen, hat die Gedankenlosigkeit so
mancher Wirtschaftsideologie entlarvt und wird uns mental für die Bewältigung
zukünftiger Krisen besser rüsten.
Zum Zweiten hat die
unausweichliche internationale Dimension dieser Krise nicht nur das Ausmaß der
weltweiten Verflechtung (erneut) ins Bewusstsein gehoben, sondern sogar alle
maßgeblichen Staaten zu einem ernsthaften Anfang gemeinsamen Handelns gebracht
(Washingtoner G 7- Treffen).
Zum Dritten müsste nun eigentlich
der Hochmut so mancher Banker und anderer Kapitalmarktakteure dahin geschmolzen
sein. Wer so gottserbärmlich zum Überleben seiner Institution auf staatliche
Hilfsgelder in Milliardenhöhe, und das heißt doch letztlich: auf die
Steuergelder der Allgemeinheit, angewiesen ist, muss auch begreifen, dass er
verantwortlicher Teil dieser Gemeinschaft ist.
Zum Vierten dürfte sich
eigentlich niemand mehr der Einsicht versperren, dass die Dominanz der
finanzpolitischen Erfolgskalküle unter Vernachlässigung sozialer Verantwortung
ein grandioser Irrweg war.
Zum Fünften – und das ist die
wesentlichste Lehre aus dieser Krise – muss die
philosophisch-anthropologische Dimension dieser Krise erkannt werden. Wir
müssen erkennen und bejahen, dass wir in einer humanen Verfassung der Freiheit
dazu aufgerufen sind, die öffentlichen Probleme aus einem Bewusstsein
öffentlicher Verantwortung gemeinsam im Rahmen unserer demokratischen
Strukturen und in internationaler Zusammenarbeit friedlich zu lösen. Und wir
müssen erkennen und bejahen, dass die Antizipation drohender Gefahren uns nicht
in Fatalismus und Resignation verfallen lassen sollte, sondern dass wir aus der
Möglichkeit des Erkennens solcher zukünftigen Gefahren Kraft und Orientierungen
für ihre Bewältigung schöpfen können.
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