Erschienen in Ausgabe: Ohne Ausgabe | Letzte Änderung: 02.11.15 |
von Tine Nehler
Nicole Eisenman (*1965), Beer Garden with Ash, 2009, Öl auf Leinwand, 165,1 x 208,2 cm, Privatsammlung, Schweiz
© the artist,
Anton Kern Gallery, New York; Susanne Vielmetter Los Angeles Projects; and Galerie Barbara Weiss,
Berlin.
Eröffnung:13. November 2015 | 19.00 Uhr
Laufzeit:14. November 2015 bis 30. April 2016 | Museum Brandhorst, München
2. Juni bis 6. November 2016 | mumok - Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien
WICHTIGE INFORMATION
Im Rahmen der Ausstellungsvorbereitungen sind die Ausstellungsflächen des Museums Brandhorst vom
20. bis 30. Oktober 2015 geschlossen. Ebenso geschlossen ist die HORST Esskultur-Bar.
Das Foyer und der Buchshop sind in dieser Zeit von 10.00-18.00 Uhr geöffnet.
Ab 31.10. sind Teile der Ausstellung für eine
Sneak Preview im Rahmen der regulären Öffnungszeiten geöffnet.
Das
wiederkehrende Interesse an zeitgenössischer Malerei in den vergangenen
Jahren fällt überraschenderweise
mit einer Explosion neuer digitaler Technologien zusammen. Doch schon
seit den 1960er-Jahren haben sich die fortschrittlichsten Ansätze auf
dem Gebiet der Malerei in Westeuropa und in den USA in produktiver
Reibung mit ihrer zeitgenössischen Massenkultur und
den vorherrschenden medialen Bedingungen entwickelt. Vom Aufkommen des
Fernsehens und Computers bis zur sogenannten „Internetrevolution“ ist es
der Malerei immer wieder gelungen, jene Mechanismen zu integrieren, die
für ihr angebliches Ableben verantwortlich
sein sollten. Weit über ihre technische Definition – Öl auf Leinwand –
hinaus war und ist Malerei ein privilegierter Ort, an dem die
Herausforderungen einer sich zunehmend mediatisierenden Lebenswelt
verhandelt werden.
„Painting
2.0: Malerei im Informationszeitalter“ stellt als erstes groß
angelegtes Ausstellungsprojekt die Aneignung
und Transformation von Informationstechnologien in der westeuropäischen
und nordamerikanischen Malerei seit den 1960er Jahren vor. Die
Ausstellung setzt lange vor der Digitalisierung und dem Internet ein –
nämlich mit Pop Art und Nouveau Réalisme, die sich
erstmals programmatisch neu aufkommender kommerzieller Bildsprachen
bedienten. Die Malerei öffnete sich in jenem Moment, als ihre
Legitimität durch die Populärkultur und eine „Gesellschaft des
Spektakels“ (Guy Debord) herausgefordert wurde. Dieser facettenreichen
Geschichte einer Malerei im erweiterten Feld geht die Ausstellung bis
in die Gegenwart nach – bis hin zu den weitreichenden Folgeerscheinungen
des interaktiven Web 2.0 wie den Sozialen Medien und Daten-Clouds.
Eine
treibende Kraft dieser Entwicklung ist die Kollision zwischen den
visuellen Codes des Spektakels und den subjektiven
Spuren malerischer Expressivität. „Painting 2.0“ zeigt auf, dass die
expressive Geste immer wieder mit dem Begehren verknüpft war, die
virtuelle Welt des
Informationszeitalters an den Erfahrungsraum des menschlichen Körpers
rückzubinden. Die avancierte Malerei der letzten 50 Jahre weist die
vermeintliche Opposition zwischen Humanem und Technischem, Analogem und
Digitalem
als wechselseitig aufeinander bezogene Spannungsfelder aus.
Erstmals
seit der Eröffnung des Museums Brandhorst 2009 erstreckt sich mit
„Painting 2.0“ eine Ausstellung über das
gesamte Haus. Abgesehen von dem eigens für Cy Twomblys „Lepanto“-Zyklus
geschaffenen Raum im Obergeschoss wird „Painting 2.0“ auf allen drei
Stockwerken zu sehen sein. Die Erweiterung der Malerei seit den
1960er-Jahren wird in drei eng miteinander verknüpften
Sektionen, auf je einer Etage des Museums präsentiert, nachgezeichnet.
Auf der Eingangsebene widmet sich
„Geste und Spektakel“ der Frage, wie malerische Gestik eingesetzt
wurde, um einer Spektakelkultur zu begegnen: von einer Protesthaltung
kommerziellen Bildern und ihren Medien gegenüber, wie sie sich in den
Schießbildern
von Niki de St. Phalle oder den abgerissenen Plakatwänden der Affichisten
Mimmo Rotella,
Jacques Villeglé und Raymond Hains zeigt, bis hin zu malerischen Strategien, die sich die Sprache der Populärkultur aneigneten wie in
Keith Harings „Subway Drawings“,
Albert Oehlens Computerbildern oder den mittels Photoshop bearbeiteten Leuchtkästen
Kelley Walkers.
Im Obergeschoss beschäftigt sich die zweite Gruppe unter dem Überbegriff
„Exzentrische Figuration“ damit, wie sich Vorstellungen von
Körperlichkeit unter dem Einfluss einer kommerziellen Massenkultur und
neuer Technologien verändern. Buchstäblich „exzentrische“ Figuren wie
bei
Philip Guston und prothetische Körper wie bei
Maria Lassnig, aber auch exzentrische Gesten wie bei
Amy Sillman sowie Strategien des Karikierens wie bei
Nicole Eisenman bezeugen die komplexe Verflechtung von Körper, medialem Bild und Technologie ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Im Untergeschoss widmet sich
„Soziale Netzwerke“ malerischen Positionen, die eine
„Netzwerkgesellschaft“ als solche ausweisen, sowohl durch Praktiken der
Bildzirkulation als auch durch die Thematisierung spezifischer sozialer
Kontexte.
Andy Warhols „Factory“, die Gemälde und Aktionen des Kapitalistischen Realismus von
Sigmar Polke,
Gerhard Richter, Konrad Lueg und
Manfred Kuttner, die Künstlerinnen um die feministische New Yorker
A.I.R. Gallery, aber auch zeitgenössische Positionen des sogenannten „Network Painting“, wie zum Beispiel
Seth Price oder
R.H. Quaytman, demonstrieren, wie sich Vorstellungen von Gemeinschaft und sozialem Austausch seit den 1960er-Jahren gewandelt haben.
Mit über 230 Werken von 107 Künstlerinnen und Künstlern ist „Painting 2.0“ international eine der umfangreichsten musealen
Malereiausstellungen der letzten Jahre:
Kai Althoff, Ei Arakawa/Shimon Minamikawa, Monika Baer, Nairy Baghramian, Georg Baselitz, Jean-Michel Basquiat, Lynda
Benglis, Sadie Benning, Judith Bernstein, Joseph Beuys, Ashley Bickerton, Cosima von Bonin,
KAYA (Debo Eilers & Kerstin Brätsch),
Günter Brus, Daniel Buren, Merlin Carpenter, Leidy Churchman, William
Copley, René Daniëls, Guy Debord/Asger Jorn, Carroll Dunham, Mary
Beth Edelson, Thomas Eggerer, Michaela Eichwald, Nicole Eisenman, Jana
Euler, Louise Fishman, Andrea Fraser, Isa Genzken, Mary Grigoriadis,
Philip Guston, Wade Guyton, Raymond Hains, Harmony Hammond, David
Hammons, Keith Haring, Rachel Harrison, Mary Heilmann,
Eva Hesse, Charline von Heyl, Ull Hohn, Jacqueline Humphries, Jörg
Immendorff, Jasper Johns, Joan Jonas, Mike Kelley, Martin Kippenberger,
Yves Klein, Jutta Koether, Michael Krebber, Manfred Kuttner, Maria
Lassnig, Sherrie Levine, Glenn Ligon, Lee Lozano,
Konrad Lueg, Michel Majerus, Piero Manzoni, Kerry James Marshall,
Hans-Jörg Mayer, John Miller, Joan Mitchell, Ree Morton, Ulrike Müller,
Matt Mullican, Elisabeth Murray, Cady Noland, Hilka Nordhausen, Albert
Oehlen, Laura Owens, Steven Parrino, Ed Paschke,
Howardena Pindell, Sigmar Polke, Seth Price, Stephen Prina, R.H.
Quaytman, Robert Rauschenberg, David Reed, Gerhard Richter, Mimmo
Rotella, Niki de Saint Phalle, Mario Schifano, Amy Sillman, Sylvia
Sleigh, Josh Smith, Joan Snyder, Reena Spaulings, Nancy Spero,
Gruppe Spur, Frank Stella, Walter Swennen, Paul Thek, Rosemarie
Trockel, Cy Twombly,
Jacques de la Villeglé, Kelley Walker, Andy Warhol, Sue Williams, Karl Wirsum, Martin Wong, Christopher Wool, Heimo Zobernig, u.a.
Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher und reich illustrierter Katalog im Prestel Verlag
(ISBN:
978-3-7913-5492-7, Museumsausgabe: 39,95 Euro) mit
320 Seiten und 350 vollfarbigen Abbildungen in deutscher und englischer
Sprache. Vertiefende Essays der drei KuratorInnen Achim Hochdörfer,
David Joselit und Manuela Ammer gehen den zentralen Fragestellungen der
drei Sektionen nach. Mit Beiträgen von Lynne
Cooke, Isabelle Graw, John Kelsey, Tonio Kröner, Wolfram Pichler und
Kerstin Stakemeier kommen bedeutende Stimmen zur Entwicklung der Malerei
der letzten Jahre in einer Publikation zusammen.
Kuratiert von Achim Hochdörfer, David Joselit mit Manuela Ammer
Assistenzkurator: Tonio Kröner
„Painting 2.0: Malerei im Informationszeitalter“ ist eine Kooperation mitdem mumok — Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien.
Die Ausstellung wird gefördert durch PIN. Freunde der Pinakothek der Moderne e.V.
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