Erschienen in Ausgabe: No 117 (11/2015) | Letzte Änderung: 14.11.15 |
von Nikolaus Egel
Vorbemerkung
Hobbes´ Leviathan ist ein hypothetisches Konstrukt eines Staatsgebildes,
das er zum Wohl des Lebens der einzelnen Bürger entworfen hat. Auch wenn seine
Schlussfolgerung, dass nur eine starke Autorität wie die seines
Leviathan-Souveräns dieser Konstruktion Dauerhaftigkeit verbürge, für seine
Zeitgenossen wie für uns – wenn auch aus jeweils anderen Gründen - so nicht
nachvollziehbar ist, so bleibt doch sein emanzipatorischer Impetus und seine
Radikalität des Vertrauens in die Möglichkeiten der Vernunft von ungemeiner
Anziehungskraft:
„Zeit und Arbeit bringen alle
Tage neue Erkenntnisse hervor. Die Kunst, [...] gut zu bauen, wurde aus
Vernunftsprinzipien entwickelt, die tüchtige Menschen erkannten [...]. Genauso
können lange, nachdem die Menschen begonnen hatten, unvollkommene, zum Rückfall
in Unordnung neigende Staaten zu errichten, durch eifriges Nachdenken
Vernunftsprinzipien ausgemacht werden, um ihre Verfassung dauerhaft zu machen
[...]. Prinzipien dieser Art habe ich in dieser Abhandlung dargelegt.“[1]
Zu seiner Methode dabei, die das
radikal Neue der zeitgenössischen Naturwissenschaft aufnimmt, geprägt von
Galileis Methode der Resolution und Komposition, schreibt er im Vorwort zu DeCive[2]:
„Was meine Methode anlangt, so
habe ich mich nicht mit bloßer Deutlichkeit im Vortrage begnügt, sondern
geglaubt, mit der Materie des Staates beginnen, dann zu dessen Entstehung und
Gestaltung und dem ersten Ursprung der Gerechtigkeit übergehen zu müssen. Denn
aus den Elementen, aus denen eine Sache sich bildet, wird sie auch am besten
erkannt. Schon bei einerUhr, die sich
selbst bewegt, und bei jeder einer etwas verwickelten Maschine kann man die
Wirksamkeit der einzelnen Teile und Räder nicht verstehen, wenn sie nicht
auseinandergenommen werden und die Materie, die Gestalt und die Bewegung jedes
Teiles für sich betrachtet wird. Ebenso muß bei der Ermittlung des Rechtes des
Staates und der Pflichten der Bürger der Staat zwar nicht aufgelöst, aber doch
gleichsam als aufgelöst betrachtet werden, d. h. es muß richtig erkannt werden,
wie die menschliche Natur geartet ist, wieweit sie zur Bildung desStaates geeignet ist oder nicht, und wie die
Menschen sich zusammentun müssen, wenn sie eine Einheit werden wollen. Nach
dieser Methode bin ich verfahren; an erster Stelle setze ich deshalb den allen
durch Erfahrung bekannten und von jedermann anerkannten Grundsatz, daß der Sinn
der Menschen von Natur so beschaffen ist, daß, wenn die Furcht vor einer über
alle bestehenden Macht sie nicht zurückhielte, sie einander mißtrauen und
einander fürchten würden [...].“[3]
Die oben genannte Feststellung,
dass es eine Staatskonstruktion ist, beinhaltet danach auch, dass die Elemente,
aus denen Hobbes seine „Staatsuhr“ bildet, konstruierte Elemente sind, sein
Naturzustand und die folgenden Annahmen ebenfalls methodisch bedingte
Konstrukte sind – ebenso wie seine folgenreiche und seitdem immer wieder
kontrovers diskutierte Vertragstheorie, auf der sein Leviathan- Staat beruht.[4]
Als
Beispiel für das spezifisch Hobbessche Konstruktionsmerkmal, das so deutlich
gegen jede herkömmliche genetische Entwicklungsmethode (und auch unser
Verständnis) steht, erlaube ich mir nur, Hobbes mit Rousseau zu kontrastieren:
Rousseau schreibt zu Beginn des zweiten Kapitels des Gesellschaftsvertrages: „Das älteste und einzige naturgegebene
gesellschaftliche Gebilde ist die Familie […]“ Hobbes schreibt in De Cive: „Wir wollen nun auf den
Naturzustand zurückgehen und annehmen, daß die Menschen – gleichsam wie Pilze –
plötzlich aus der Erde hervorgewachsen und erwachsen wären, ohne daß einer dem
anderen verpflichtet wäre.“[5]
Diese
Methode – so sehr sie Hobbes als einzig wissenschaftliche und damit gültige
Methode erschien – machte es sowohl seinen Zeitgenossen wie auch uns schwer,
sein Werk angemessen nach seinen Absichten zu würdigen. Für die einen ist sie
nur noch von geistesgeschichtlichem Interesse, andere – insbesondere in der
analytischen Tradition - knüpfen durchaus an seinen Ansatz an und machen ihn in
der Moderne stark.[6] Kersting schreibt (nach
verschiedenen Einwänden gegen Hobbes´ Grundannahmen):
„Aber von […] Kritik bleibt das
Verdienst des Thomas Hobbes gänzlich unberührt, als erster die Grammatik des
modernen normativen Idealismus und des neuen praktischen Weltverhältnisses
formuliert und die Grundzüge des reflexiv-konsentischen Begründungsprogramms
entwickelt zu haben, das bis heute den philosophischen Rahmen unserermoralisch-politischen Selbstverständigung
verbindlich absteckt.“[7]
Genau dies sehen auch Adorno und
Horkheimer in der Dialektik der
Aufklärung, die aber angesichts der Erfahrung des Faschismus[8] diese
Erkenntnis tiefer legen:
„Die […] Entwicklung zur totalen
Integration ist unterbrochen, nicht abgebrochen; sie droht, über Diktaturen und
Kriege sich zu vollziehen. Die Prognose des damit verbundenen Umschlags von
Aufklärung in Positivismus, den Mythos dessen, was der Fall ist, schließlich
die Identität von Intelligenz und Geistfeindschaft hat überwältigend sich
bestätigt.“[9]
Und weiter auch zu Hobbes und
seinem Hintergrund:
„Die Aufklärung hatte sich auf
den Liberalismus festgelegt. Wenn alle Affekte einander wert sind, so scheint
die Selbsterhaltung, von der die Gestalt des Systems ohnehin beherrscht ist,
auch die wahrscheinlichste Maxime des Handelns abzugeben. Sie sollte in der
freien Wirtschaft freigegeben werden. Die dunklen Schriftsteller der
bürgerlichen Frühzeit, wie Machiavelli, Hobbes, Mandeville, die dem Egoismus
des Selbst das Wort redeten, haben eben damit die Gesellschaft als das
zerstörende Prinzip erkannt […]. Die reine Vernunft wurde zur Unvernunft, zur
fehler- und inhaltslosen Verfahrensweise.“[10]
Hermann Klenner als marxistischer
Hobbesforscher und Editor zahlreicher Zeitgenossen Hobbes´ wie engagierter
Kritiker dessen, was Kersting die „schwarze Hobbes-Rezeption“ nennt (Carl
Schmitt), schreibt aktuell mit gleicher Intention, was die
bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft anlangt, aber von seinem Standpunkt
aus, der eine positive Bewertung der Aufklärung inkludiert, mit anderer -
nämlich deutlich positiverer - Bewertung der Aufklärung und Hobbes:
„Jedenfalls ist Hobbes einer der
größten Selbstdenker aller Zeiten. Was Originalität, Radikalität und Konsistenz
seines Gedankensystems anlangt, braucht er als Gesellschaftstheoretiker den
Vergleich mit niemandem zu scheuen […]“ und weiter - auf die Gegenwart gewendet
und gegen Hobbes- Kritiker wie affirmative Betrachtungen – schreibt er:
„Auch zahlt es sich nicht aus,
wenn Großdenker der Vergangenheit funktionalisiert werden, um Kleindenkern der
Gegenwart in meinungsmanipulativer Absicht beizuspringen. Die Ordnungs- und
Unordnungsprobleme von heute lassen sich nur aus den wirklichen Widersprüchen
der gegenwärtigen Weltgesellschaft lösen. Die Realgesellschaft von heute gemäß
der Idealgesellschaft von gestern umzumodeln, wäre doch nur dann legitimiert,
wenn die Probleme von heute bereits gestern gelöst worden wären. Heutiges lebt
doch nicht, um Gestriges ernst zu nehmen, sondern Gestriges wird ernst
genommen, wenn und insoweit es Heutigen bei ihren Existenzschwierigkeiten zu
helfen in der Lage ist.“[11]
Unter Bezug auf Hobbes´
Behauptung, die bisherige Moralphilosophie hätte zur Erkenntnis der Wahrheit
gar nichts beigetragen[12],
fährt Klenner über die freilich fatale Modernität Hobbes´ fort:
„[…] beweist denn nicht das
permanente Abschlachten von Menschen durch Menschen in den Bürger- und den
Staatenkriegen, das Verhungernlassen der Ärmsten auf der Welt durch deren
Reichste, daß die Menschheit ihre Lebensgesetze nicht beherrscht, daß folglich
auch die für deren Aufdeckung zuständigen Denker vollständig versagt haben?
Genau diese Situation beschreibt der Denkeinsatz von Thomas Hobbes, wie er
selbst ihn sah. Theoretisch gesehen handelt es sich dabei um ein ungelöstes
Problem, was allemal produktivitätsverheißender ist als die bloß bessere
Vermittlung des bereits Erkannten oder gar des immer schon Richtigen.“[13]
Das – oder nur ein Problem -
gelöst zu haben, kann auch der nachstehende Essay nicht behaupten. Dazu ist
Hobbes bei aller scheinbaren Klarheit zu komplex und zugleich zu überwältigend.[14] Es
sei daher um Verständnis dafür ersucht, dass bei aller Mühe nur der Versuch
einerAnnäherung vorliegt.
1. Einleitung
Mit den staatsphilosophischen
Theorieentwürfen des Thomas Hobbes beginnt diewirkungsmächtige Analyse und Fundierung des modernen bürgerlichen
Staates.[15] Erstmals wird das
gesellschaftliche Zusammenleben der Menschen nicht mehr als naturgegeben
aufgefasst, sondernals künstliche
Konstruktion, als artefactum, das gerade entgegen der menschlichenNatur – dienach Hobbes und seinen Erfahrungen des englischen Bürgerkrieges vor
allem in Konkurrenz und Machtgier besteht[16] –
gebildet werden muss. Auf dieses Hobbessche Selbstverständnis der gewaltsamen
Neuschöpfung von politischer Legitimation weist auch Hegel hin:
„[Hobbes] sagt ferner: Was die
staatsrechtliche Philosophie [...] betreffe, so sei sie nicht älter als sein
Buch De cive. Dies [...] ist, wie
auch sein Leviathan, ein sehr
verrufenes Werk [...]. Sie enthalten über die Natur der Gesellschaft und der
Regierung gesündere Gedanken, als zum Teil noch im Umlauf sind.“[17]
Dass der Leviathan ein verrufenes
Werk war und ist, das auch bei Hobbes` Zeitgenossen überwiegend nicht auf
Zustimmung gestoßen ist (man denke an die Verbrennung des Buches auf dem
Gelände der Universität Oxford im Jahre 1683 und die zahlreichen
Streitschriften gegen Hobbes[18]),
ist nach der Lektüre dieses Buches nicht verwunderlich: es gibt wenig andere
Schriften, in der die Bewegungsgesetze des modernen Staats- und
Wirtschaftssystems in ihrer Gewaltsamkeit und Ruhelosigkeit der Macht- und
Profitmaximierung so offen und eindeutig beschrieben worden sind.
Die
Reaktion von Thomas Hobbes auf die Wirren des Bürgerkrieges, in der die
überlebte feudale und die für ihn noch nicht als solche fassbare bürgerliche
Gesellschaftsform aufeinanderprallten, bestand in der theoretischen
Konsolidierung einer absoluten staatlichenGewalt, die die egoistischen Neigungen des Menschen soweit in Zaum
halten könne, dass friedliches gesellschaftliches Leben überhaupt erst möglich
würde.
In
aller Deutlichkeit muss auf die Besonderheit dieses Gedankens, aus dem heraus
die Konzeption der staatlichen Legitimität und Souveränität von Hobbes erst
verständlich wird, hingewiesen werden: Der Staat, die Ordnung, der Friede, den
die Menschen suchen, muss Hobbes zufolge gegen den Menschen und seine
natürlichen Neigungen durchgesetzt werden.
Anhand
der Erfahrung sowohl der Relativität und Volatilität von Glaubensätzen und Kirchenverfassungen
und ihrer Verschränkungen und Korrespondenzen mit ökonomischen und politischen
Forderungen und den verheerenden Folgen von deren ideologisch begründeter
Durchsetzung – die Herauslösung England aus dem unmittelbaren Einflussbereich
der römisch- katholischen Kirche und die Gründung der anglikanischen Hochkirche
Heinrichs VIII. z. B. warja in erster
Linie eine politische Gründung mit dem König als Oberhaupt und daraus folgenden
langfristigen ökonomischen und politischen Konsequenzen einschließlich der
beiden gegenläufigen Oppositionsgruppen und deren Kämpfen gegen die jeweils
ihren Interessen zuwiderlaufenden Kirchen- und Staatsverfassungen (Katholiken
und Independents, Puritaner usw.), der Dreißigjährige Krieg, den Hobbes im
Unterschied zum englischen Bürgerkrieg zwar nicht zum Gegenstand seiner Analyse
macht, der aber ganz in seine bewusste Lebenszeit fiel – unternimmt es
Hobbesim Interesse der Befriedung
dieser die Wohlfahrt aller Bürger zerstörenden Konflikte, die neue Bedeutung
des Politischen als eigenen Sektor des herrschaftlichen Verhaltens erkennbar zu
machen und spekulativ-methodisch zu begründen. Dazu rechtfertigt und begründet
Hobbes hypothetisch die nahezu unbegrenzte und absolute Macht der staatlichen
Souveränität über den Bürger. So schreibt auch Dietrich Braun in seiner
Monographie über den Leviathan:
„Je intensiver ich mich mit der
darin vorgetragenen Theorie beschäftigte [des Leviathan, Anm. N. E.], desto mehr gewann ich [...] die
Überzeugung, dem wahrhaft klassischen Modell des ersten totalen Staates der
neueren Geschichte gegenübergestellt zu sein, wie es offenkundig seinerseits
als Antwort auf die Herausforderung durch das feudale, ständische und
insbesondere das kirchlich-konfessionell begründete Widerstandsrecht aus dem Zeitalter
der Glaubenskämpfe hervorgegangen war.“[19]
Das Bild[20]
dieses Staates und sein Herangehen an seine Darstellung zeichnet Hobbes –
korrespondierend mit seiner o.g. genannten Darstellung seiner Methode aus De Cive - überwältigend in seiner
Einleitung zum Leviathan:
„Die Natur (das ist die Kunst,
mit der Gott die Welt gemacht hat und lenkt) wird durch die Kunst des Menschen
wie in vielen anderen Dingen so auch darin nachgeahmt, daß sie ein künstliches
Tier herstellen kann. Denn da das Leben nur eine Bewegung der Glieder ist, die
innerhalb eines besonders wichtigen Teiles beginnt – warum sollten wir dann
nicht sagen, alle Automaten (Maschinen, die sich selbst durch Federn und Räder
bewegen, wie eine Uhr) hätten ein künstliches Leben? Denn was ist das Herz,
wenn nicht eine Feder, was sind die Nerven, wenn nicht viele Stränge, und was
die Gelenke, wenn nicht viele Räder, die den ganzen Körper so in Bewegung
setzen, wie es vom Künstler beabsichtigt wurde? Die Kunst geht noch weiter,
indem sie auch jenes vernünftige, hervorragendste Werk der Natur nachahmt, den
Menschen. Denn durch Kunst wird jener große Leviathan geschaffen, genannt
Gemeinwesen oder Staat, auf lateinisch civitas, der nichts anderes ist als ein
künstlicher Mensch, wenn auch von größerer Stärke als der natürliche, zudessen Schutz und Verteidigung er ersonnen
wurde. Die Souveränität stellt darin eine künstliche Seele dar, die dem ganzen
Körper Leben und Bewegung gibt, die Beamten und andere Bediensteten der
Jurisdiktion und Exekutive künstliche Gelenke, Belohnung und Strafe, die mit
dem Sitz der Souveränität verknüpft sind und durch die jedes Gelenk und Glied
zur Verrichtung seines Dienstes veranlaßt wird, sind die Nerven, die in dem
natürlichen Körper die gleiche Aufgabe erfüllen. Wohlstand und Reichtum aller
einzelnen Glieder stellen die Stärke dar, salus populi (die Sicherheit des
Volkes) seine Aufgabe; die Ratgeber, die ihm alle Dinge vortragen, die er
unbedingt wissen muß, sind das Gedächtnis, Billigkeit und Gesetze künstliche
Vernunft und künstlicher Wille; Eintracht ist Gesundheit, Aufruhr, Krankheit
und Bürgerkrieg Tod. Endlich aber gleichen die Verträge und Übereinkommen,
durch welche die Teile dieses politischen Körpers zuerst geschaffen,
zusammengesetzt und vereint wurden, jenem „Fiat“ oder „laßt uns Menschen
machen“, das Gott bei der Schöpfung aussprach. Um die Natur dieses künstlichen
Menschen zu beschreiben, möchte ich untersuchen: Erstens, Werkstoff und Konstrukteur; beides ist der Mensch. Zweitens, wie und durch welche Verträge
er entsteht, was die Rechte und die gerechte Macht oder Autorität eines
Souveräns sind, und was ihn erhält oder auflöst.“[21]
Hier liegen alle Themen Hobbes´ in nuce vor. Selten ist eine Einführung
eine so glänzende Darstellung ihrer nachfolgenden Inhalte und in so zwingender
Gewalt geschrieben worden.
Hobbes
Einleitung gibt auch den Leitfaden des Essays: Er widmet sich dem zweiten Punkt
der Untersuchung: „wie und durch welche Verträge er entsteht, was die Rechte
und die gerechte Macht oder Autorität eines Souveräns sind, und was ihn erhält
oder auflöst.“
Da
bei Hobbes bürgerliches oder staatliches Recht aus dem „Naturrecht“ eines von
ihm konstruierten Naturzustandes abgeleitet und mit dem Entstehen des Staates
auf den Souverän übertragen wird[22],
soll auf die Hobbessche Konstruktion der Entstehung des Staates eingegangen
werden: Der Staat entsteht im Hobbesschen Modell anhand der Rechtsübertragung
des natürlichen Rechts von Privatpersonen im Naturzustand durch einen fiktiven
Vertrag auf einen Dritten – den Souverän.
Damit
sind die Schlüsselbegriffe dieser Arbeit vorgezeichnet: Es muss erläutert
werden, wie der Staat im Leviathan geschaffen wird. Da der Staat und mit ihm
der Maßstab für Recht erst durch einenVertraggesetzt undautorisiertwird, derausdem vorstaatlichen Naturzustand
herausführt,muss auch auf die prinzipielle Bedeutung des Vertrages sowie auf
das Verständnis von Recht und Unrecht für die Souveränitäts- und Rechtssetzung
eingegangen werden. Sodann sollen die Rechte des Souveräns, die sich aus dieser
Vertragskonzeption ergeben, dargelegt werden. Es wird sich zeigen, dass für
Hobbes Macht und Recht identisch sind und dass dies ein Ergebnis ist, das in
seiner Radikalität und Neuheit ein politisches Selbstverständnis gesetzt hat,
welches das Entstehen von totalitären Staaten vorbereitet und theoretisch
denkbar gemacht hat.
2. Der Naturzustand
Man kann das Naturrecht als Recht
charakterisieren, das jemand im Naturzustand hat. Der Naturzustand ist der
zentrale Operationalisierungsmechanismus des Hobbesschen Staats- und
Rechtsentwurfes.[23] Der Naturzustand ist, um
ihn kurz zu charakterisieren, ein vorstaatlicher Zustand (er ist der „Zustand
des Menschen außerhalb der bürgerlichen Gesellschaft“ - so der Titel des 1.
Kapitels von Hobbes „Vom Bürger“), in dem die Menschen ein unangenehmes Leben
führen und sich in einem ständigen Kriegszustand befinden.[24] Die
Frage ist allerdings, warum Hobbes den Naturzustand als eine Zeit des ständigen
Krieges und der Unsicherheit beschreibt. Darauf eine Antwort zu geben, wäre
schwierig, da in die Hobbessche Anthropologie gemäß seines universalistischen
Systemgedankens[25] auch seine gesamten
naturwissenschaftlichen Annahmen eingehen[26],
sowie auch hier nicht weiter verfolgbare psychologische Grunderfahrungen und
Dispositionen, die er selbst einmal unter dem Aspekt der Urerfahrung der
„Angst“, mit der er geboren sei, erwähnt.[27]
Da eine genaue Analyse des
Hobbesschen Naturzustandes hier aufgrund des begrenzten Textraumes nicht
geleistet werden kann, muss es bei einer kurzen Darstellung bleiben:
„Nach dem Verfasser des
´Leviathan` der Mensch in der Vereinzelung [sic], der Einsame par excellence. Eingeschlossen in die Welt seiner
Sensationen und Imaginationen, seiner Triebe, Leidenschaften, Appetite ebenso
wie Aversionen, schuldet er für seine Handlungen niemandem Verantwortung außer
sich selbst. [...] Hobbes` Anthropologie hätten wir in ihrer ganzen Breite zu
entfalten, wollten wir ein zutreffendes Bild von diesem Menschen, dem Geschöpf
ohne Schöpfer, in der Lage des Naturzustands entwerfen. Was ihm unverlierbar
zukommt, ist die Grundbefindlichkeit des Seins im Immer-weiter, Immer-weiter
rastlosen Getriebenwerdens: ständige Bewegung auf der Suche nach dem Glück.
[...] Darum ist das Dasein nichts als ruhelose Tätigkeit des Willens, welcher
sich im Kampfe um die Mittel aufzehrt, die ihm ihrerseits die Weisen
dauerhaften Prosperierens als den letzten Zweck zu garantieren haben: ein
beständiges und endloses Verlangen nach der Macht um ihrer selbst willen. ´Ad
fines semper ulteriores minime impedita progressio`- das, nichts anderes ist
das summum bonum in dem Leben dieses
Einsamen, der Abbruch dieses Strebens notwendig das summum malum, das was schlechthin Furcht einflößt, der Tod.“[28]
Der Mensch strebt Hobbes zufolge,
solange er lebt, nach Glückseligkeit. Diese ist aber nicht – wie etwa bei
Aristoteles – im bios theoretikos zu
finden, sondern allein im Fortschreiten von einer Begierde zur nächsten[29], und
das Mittel, um diese Begierde aktuell und in Zukunft zu befriedigen, ist Macht,
sowohl angeborene natürliche Macht als auch erworbene zweckdienliche Macht[30]. So
ist das Leben im Naturzustand nichts anderes als „ein fortwährendes und
rastloses Verlangen nach immer neuer Macht“[31]. Da
die Menschen von ihrer Natur und Stärke her zumindest so gleich sind, dass sie
sich potentiell ständig bedrohen[32],
folgt, dass alle Menschen im Naturzustand in ständiger Furcht und Unsicherheit
leben müssen – in einem Kriegszustande. Der Naturzustand ist dadurch
gekennzeichnet, dass es keine Herrschaft, keine Sicherheit, keine Kultur,
keinen Schutz gibt und der Mensch faktisch jeden Moment mit dem gewaltsamen Tod
rechnen muss.[33]
Der
Naturzustand bildet die Negativfolie, gegenüber der der Staat bei Hobbes als
positiver Ausweg gedacht werden kann. Denn der Krieg aller gegen alle und die
mit ihm einhergehende Gefahr für Leib und Leben lässt das Verlangen nach
Frieden und Sicherheit entstehen.
Man
kann die Hobbes`sche Theorie, wie bereits Eingangs gesagt, nicht so verstehen,
als würde in ihr die Genese oder Erklärung einer wirklichen Staatsentstehung
deutlich. Hobbes geht es nicht darum, eine Genese der Staatsentstehung zu geben
oder nachzuvollziehen, wie Autorität begründet wird oder wie Staaten
funktionieren, sondern in seinem hypothetischen Konstrukt darum, wie ein funktionierender
Staat entworfen werden muss. Insofern wird die Funktion des Naturzustandes in
Hobbes` politischer Konstruktion selbst als Konstrukt und Folie deutlich – das
von Hobbes geschilderte Leben in diesem Zustand ist aufgrund der menschlichen
Affekte und der Vernunft des Menschen, die ausschließlich als instrumentelle
Vernunft verstanden wird (da es auch im Naturzustand darum geht, die Welt
beherrschbar zu machen und es das Unglück des Menschen ist, dieses Ziel
aufgrund der Hindernisse, die die anderen darstellen, gerade nicht erreichen zu
können) so unangenehm, dass eigentlich alles besser ist als das Leben im
Naturzustand, in dem jeder ein Recht auf alles hat.[34]
3. Naturrecht und natürliche Gesetze
Dieses Recht auf alles. i. e. auf
die Erhaltung des eigenen Lebens und damit auf alles, was dieser
Selbsterhaltung dienlich ist, bezeichnet Hobbes als natürliches Recht:
„Das natürliche Recht, in der
Literatur gewöhnlich jus naturale
genannt, ist die Freiheit eines jeden, seine eigene Macht nach seinem Willen
zur Erhaltung seiner eigenen Natur, das heißt seines eigenen Lebens,
einzusetzen und folglich alles zu tun, was er nach eigenem Urteil und eigener
Vernunft als das zu diesem Zweck geeignetste Mittel ansieht."[35]
Das natürliche Recht eines jeden
Individuums im Naturzustand ist demnach seine uneingeschränkte Freiheit. Da
alle im Naturzustand ein Recht auf alles haben[36],
folgt, dass nichts ungerecht genannt werden kann, ja mehr noch: Die persönliche
uneingeschränkte Freiheit zeigt sich in der Konsequenz schließlich als die
absolute Unfreiheit.[37] Das
natürliche Recht führt so geradewegs zum Kriegszustand. Die einzige
Möglichkeit, diesem Zustand zu entgehen, ist das Vernunftgebot, Frieden zu
suchen, indem man die Bedingungen des Naturzustandes ändert. Dieses Gebot der
Friedensbereitschaft formuliert Hobbes als natürliches Gesetz. Ein natürliches
Gesetz ist ihm zufolge
„[...] eine von der Vernunft
ermittelte Vorschrift oder allgemeine Regel, nach der es einem Menschen verboten
ist, das zu tun, was sein Leben vernichten oder ihn der Mittel zu seiner
Erhaltung berauben kann, und das zu unterlassen, wodurch es seiner Meinung nach
am besten erhalten werden kann.“[38]
Der Unterschied zwischen dem
natürlichen Recht und den natürlichen Gesetzen ist der einer Rationalität auf kurze
Sicht und der Rationalität auf lange Sicht. Es mag so scheinen, als wären die
Beschreibung des natürlichen Rechts und des natürlichen Gesetzes zwei
Varianten, das gleiche zu sagen: Das natürliche Recht bringt zum Ausdruck, dass
man im Naturzustand alles tun darf, um sich selbst zu erhalten, das natürliche
Gesetz, dass man alles unterlassen soll, was das eigene Leben in Gefahr bringen
könnte. Allerdings gibt es bei aller strukturellen Gemeinsamkeit einen
fundamentalen Unterschied zwischen beiden.
Hobbes
charakterisiert diesen Unterschied folgendermaßen: „Denn Recht besteht in der
Freiheit, etwas zu tun oder zu unterlassen, während ein Gesetz dazu bestimmt
und verpflichtet, etwas zu tun oder zu unterlassen.“[39]
Strukturell sind sich natürliches Recht und natürliches Gesetz insofern
ähnlich, dass sie ihre Fundierung im Überlebenswunsch der Individuen haben,
allerdings ist der grundlegende Unterschied in ihrer Ausrichtung zu sehen: Wo
das natürliche Gesetz Sozialität und ein geregeltes Miteinander fordert, steht
das natürliche Recht für Machtstreben und Asozialität. Beide, Recht und Gesetz,
entspringen dem Selbsterhaltungstrieb, haben aber umgekehrte Vorzeichen, da das
natürliche Recht in der absoluten Freiheit des einzelnen auf alles besteht, und
das natürliche Recht einschränkenden Verpflichtungscharakter hat.[40]
Es
ist demnach deutlich, dass das natürliche Recht im Naturzustand die natürlichen
Gesetze blockiert: Denn gerade das natürliche Recht auf alles, was der
Selbsterhaltung dienlich ist, führt dazu, dass die Selbsterhaltung unmöglich
wird. Um dieser Zwangslage zu entgehen, müssen die Hobbesschen Individuen aus
Eigeninteresse das erste natürliche Gesetz - Frieden zu suchen – befolgen, das
grundlegend für die weitere Hobbessche Vertragskonzeption ist:
„Folglich ist dies eine Regel der
Vernunft: Jedermann hat sich um Frieden zu bemühen, solange dazu Hoffnung
besteht. Kann er ihn nicht herstellen, so darf er sich alle Hilfsmittel und
Vorteile des Krieges verschaffen und sie benützen. Der erste Teil dieser Regel
enthält das erste und grundlegende Gesetz der Natur, nämlich: Suche Frieden und
halte ihn ein. Der zweite Teil enthält den obersten Grundsatz des natürlichen
Rechts: Wir sind befugt, uns mit allen zur Verfügung stehenden Mittelnzu verteidigen.“[41]
Beim ersten natürlichen Gesetz
handelt es sich nicht um ein göttliches Gebot oder eine natürliche
Verpflichtung,[42] sondern um eine Verpflichtung
aus Selbstinteresse.[43] Die
natürlichen Gesetze sind, um die Unterscheidung von Kant zwischen kategorischem
und hypothetischem Imperativ heranzuziehen, hypothetische Imperative: Wenn du
dich selbst erhalten und in Frieden leben willst, dann befolge sie. Die
natürlichen Gesetze haben deshalb keinen moralischen Charakter[44],
sondern sie sind Klugheitsregeln, welche die Mittel vorschreiben, um die
Selbsterhaltung zu realisieren. Aus dem ersten grundlegenden Naturgesetz leitet
Hobbes weitere ab, von denen uns für die Bestimmung des Vertrages und der
Rechtsübertragung jedoch nur das zweite und dritte natürliche Gesetz interessieren.
Das zweite Gesetz lautet:
„Jedermann soll freiwillig, wenn
andere ebenfalls dazu bereit sind, auf sein Recht auf alles verzichten, soweit
er dies um des Friedens und der Selbstverteidigung willen für notwendig hält,
und er soll sich mit soviel Freiheit gegenüber anderen zufrieden geben, wie er
anderen gegen sich selbst einräumen würde.“[45]
Von Bedeutung ist nun, dass
Hobbes an das zweite Gesetz die Bedingung knüpft, dass das natürliche Gesetz
niederzulegen und nicht beizubehalten sei. Diese Rechtsniederlegung wird von
Hobbes – und das ist zentral – entweder als Verzicht oder als vertragliche
Rechtsübertragung verstanden: „Ein Recht wird niedergelegt, indem man entweder
einfach darauf verzichtet oder esauf
einen anderen überträgt.“[46] Die
wechselseitige Rechtsübertragung funktioniert mittels eines Vertrags[47]
zwischen Vertragspartnern. Der Vertrag ist so gedacht, dass alle mit allen
einen Vertrag schließen. Der Vertrag ist also keine faktische Gegebenheit,
sondern das heuristische Mittel, durch das in Hobbes System der Staat geboren
wird. Laut Hobbes ist die Entstehung eines Gemeinwesens von diesem Akt der
gegenseitigen Selbstverpflichtung abhängig. Erst nach Vertragsabschluss kann
man überhaupt von fixierbarem Recht sprechen.
Um
es deutlich zu sagen: Recht wird erst durch den Vertrag gesetzt. Da die
Rechtsübertragung freiwillig und aus Eigeninteresse der Vertragspartner
erfolgte, können sie diese Rechtsübertragung nicht rückgängig machen. Das wäre
nicht nur ungerecht, Hobbes geht weiter: Es wäre sogar unlogisch:
„Und wenn jemand auf irgendeine
Weise sein Recht aufgegeben oder übertragen hat, so sagt man, er sei
verpflichtet oder gebunden, diejenigen, zu deren Gunsten er dieses Recht
übertragen oder aufgegeben hat, nicht an der Wahrnehmung des daraus entspringenden
Vorteils zu hindern und er soll – es sei seine Pflicht – seiner eigenen
willentlichen Handlung nicht entgegenhandeln. Und eine solche Behinderung wird
Ungerechtigkeit und Unrecht genannt, da sie sine jure geschieht, denn das Recht
wurde zuvor aufgegeben oder übertragen. [...] Denn wie man dort [in der
Scholastik, Anm. N. E.] als Absurdität bezeichnet, dem zu widersprechen, was
man anfangs behauptet hat, so bezeichnet man es auf weltlichem Gebiet als
Ungerechtigkeit und Unrecht, willentlich dem entgegenzuhandeln, was man anfangs
willentlich getan hat.“[48]
Aus diesem Grundsatz folgt das
dritte natürliche Gesetz: „Abgeschlossene Verträge sind zu halten.“[49] Und
„in diesem natürlichen Gesetz liegen Quelle und Ursprung der Gerechtigkeit.
Denn wo kein Vertrag vorausging, wurde auch kein Recht übertragen, und
jedermann hat ein Recht auf alles: folglich kann keine Handlung ungerecht
sein.“[50]
Es
ergibt sich jedoch ein Problem bei der Vertragsdurchsetzung, also bei der
faktischen Bindung durch die natürlichen Gesetze: Ein Vertrag zwischen zwei
Personen mag formal bindend sein – die von Hobbes aufgewiesenen Naturgesetze
sind bloße Theoreme, Regeln der Vernunft[51],die nicht eo
ipso, weil sie gesollt werden, im Naturzustand, in dem es keine
Sicherheitsgarantien für die Einhaltung des Vertrags gibt, auch von den
Vertragspartnern befolgt werden, denn die natürlichen Gesetze verpflichten nur
„in foro interno“[52] und
„nichts wird leichter gebrochen als das Wort eines Menschen“[53]. Die
natürlichen Rechte rufen zum Frieden auf, aber verpflichten nicht zum Frieden.
Das bloße Band der Worte ist zu schwach, um Verträgen neben ihrer abstrakten
Gültigkeit zur Erfüllung verhelfen zu können: „Verträge ohne Schwert sind bloße
Worte.“[54]
Die
Alternative ruheloser Naturzustand – geregeltes Miteinander besteht auf der
Ebene der wechselseitigen Verpflichtung im Naturzustand also bloß als Norm. Die
Befolgung der natürlichen Gesetze ist nur dann vernünftig (und das heißt, wie
oben dargelegt, zweckrational), wenn alle diese Gesetze befolgen.
Um
die gegenseitige Rechtsübertragung durchsetzbar und damit auch in Zukunft
gültig zu machen, braucht es nach dieser Logik und diesem Bild vom Menschen des
Naturzustandes eine absolute Zwangsgewalt, die die Menschen zwingen kann, sich
selbst zu beschränken. Denn so wie die Menschen Hobbes gemäß aufgrund der
Furcht aus dem Naturzustand heraustreten wollen, werden sie sich auch „aus
Furcht vor einer üblen Folge des Wortbruchs“[55] an
den geschlossen Vertrag halten. Diese Zwangsgewalt darf kein Partner des
Vertrages sein, da dann dieselben Regeln der Unsicherheit gelten würden und der
Naturzustand beibehalten würde.[56] Es
stellt sich an dieser Stelle für Hobbes das theoretische Problem der Umwandlung
des Rechtes der einzelnen im Naturzustand auf das des Souveräns – denn erst
durch die Garantie der Einhaltung können Gesetze bindend werden.
Hobbes
war kein Demokrat. Aus den vorherigen Ausführungen wird deutlich, dass er nicht
auf die Konstituierung und Wahrung eines Staates durch Konsens und gegenseitige
Übereinkunft vertraut, wenn das vielleicht auch durch die Vertragsidee nahe
liegen mag. Dies ist für ihn weniger eine empirische Erkenntnis (obwohl diese
vielleicht die Folie seiner Anthropologie ist), sondern dieser Schluss geht aus
seinen anthropologischen Prämissen hervor: Der Staat kann nicht durch ein
gegenseitiges Miteinander getragen werden, sondern nur durch die absolute Macht
des Souveräns.[57] Wie stellt sich Hobbes
die Rechtsübertragung auf eine Zwangsgewalt, die selber nicht Vertragspartner
ist, vor?
4. Das Konzept der politischen Person
Das methodische Gerüst dieses
Vertrages bei Hobbes kann nicht verständlich werden ohne den für Hobbes
politisches Denken zentralen Begriff der politischen Person. Der Begriff
„Person“ ist ein Ausdruck, der sich aus der Bühnensprache der Antike herleitet –
jemandes persona zu verkörpern, heißt
stellvertretend für ihn zu agieren.[58] Eine
Person ist nach Hobbes der, dessen Worte oder Handlungen entweder als seine
eigenen angesehen werden oder als die eines anderen, wobei es gleichgültig ist,
ob es sich hierbei um einen Menschen oder eine Sache handelt, ebenso wie es
gleichgültig ist, ob die Vertretung tatsächlich oder nur fiktiv stattfindet.[59]
Werden die Handlungen oder Worte als eigene angesehen, so kann man sie nach
Hobbes als natürliche Person bezeichnen, wenn sie ein anderer vertritt, wird
sie als künstliche Person bezeichnet. Künstliche Personen können natürliche
Personen vertreten:
„Die Worte und Handlungen einiger
künstlicher Personen werden von den durch die Vertretenen als eigene anerkannt.
Damit ist die Person der Vertreter und derjenige, welcher dessen Worte und
Handlungen als eigene anerkennt, der Autor; in diesem Falle handelt der Vertreter
mit Autorität.“[60]
Die künstliche, durch den Vertrag
geschaffene Person bietet für Hobbes die begrifflich-theoretische Möglichkeit,
die Rechtsübertragung vieler einzelner Willen auf eine Gewalt darstellbar zu
machen. Demnach wird eine Menge zu einer künstlichen Person, wenn sie sich
durch diese mit der Zustimmung jedes einzelnen repräsentieren lässt.[61] Nach
dieser Konstruktionsleistung wird es Hobbes auch möglich, eine Definition des
Staates zu geben:
„Hierin liegt das Wesen des
Staates, der, um eine Definition zu geben, eine Person ist, bei der sich jeder
einzelne einer großen Menge durch gegenseitigen Vertrag eines jeden mit jedem
zum Autor ihrer Handlungen gemacht hat, zu dem Zweck, daß sie die Stärke und
Hilfsmittel aller so, wie sie es für zweckmäßig hält, für den Frieden und die
gemeinsame Verteidigung einsetzt. Wer diese Person verkörpert, wird Souverän
genannt und besitzt, wie man sagt, höchste Gewalt, und jeder andere daneben ist
sein Untertan.“[62]
Durch diesen Akt der
Autorisierung der Staatsperson, der gegenseitig Übertragung der natürliche
Rechte[63] der
Vertragspartner untereinander auf eine dritte, von diesem Vertrag unabhängige
künstliche Person, ist es zu ihrer Ermächtigung, der Übertragung von Macht auf
den Souverän gekommen. Dadurch ist der Souverän beides: die oberste, alleinige
Autorität und die oberste Zwangsgewalt. Durch die Rechtsübertragung aller
Autoren entsteht „die größte menschliche Macht“[64].
Durch die Idee der künstlichen Person ist es möglich, den Souverän und die
absolute Macht, die er verkörpert, künstlich zu konstruieren:
„Der Staat ist nicht mehr (wie im
klassischen Verständnis der Griechen) von Natur, sondern er verdankt sich
menschlicher Setzung. Wie der Mensch mit Hilfe von Konstruktionsregeln
geometrische Figuren schafft, so bewirkt er mit Hilfe des Vertrags die
´Erzeugung jenes großen Leviathan`. [...] Der Mensch ist der Architekt, welcher
das Gebäude Staat schafft.“[65]
5. Das Recht des Souveräns
Die Rechte des Souveräns sind
Hobbes zufolge unabänderlich, absolut, unübertragbar und unteilbar.[66] Der
Souverän hat die judikative, die legislative und die exekutive Gewalt inne. Das
heißt, dass der Vertragsschluss eine absolute Selbstentmündigung der Bürger
bedeutet, da erstdurch die Einsetzung
des Souveräns Recht und Unrecht gesetzt werden. Indem die Bürger ihr Recht
übertragen, legen sie ihr ursprüngliches Recht auf alles gleichzeitig nieder.
Da
der Souverän selber aber nicht direkter Vertragspartner ist, befindet er sich
weiterhin im Naturzustand, also in einem rechtsfreien Raum. Da ihn die Bürger,
die erst durch die vertragliche Rechtsübertragung zu Bürgern werden,
autorisiert haben, können sie ihr natürliches Recht gegenüber dem Souverän
nicht mehr geltend machen. Recht wird durch den Akt der Willens- und
Rechtsübertragung erst infolge der Einsetzung des Souveräns gesetzt: Recht und
Definition des Rechts wie dessen Durchsetzung durch den Souverän fallen nun
zusammen. Recht und Macht des Souveräns beruhen also darauf, dass ihm bei der
Ausübung seines ursprünglichen ius in omnia kein Widerstand entgegengesetzt
wird. Nichts, was der Souverän erlässt oder verordnet, kann aus diesen Gründen
ungerecht genannt werden:
„Da jeder Untertan durch diese
Einsetzung Autor aller Handlungen und Urteile des eingesetzten Souveräns ist,
so folgt daraus, daß dieser durch keine seiner Handlungen einem seiner
Untertanen Unrecht zufügen kann, und daß er von keinem von ihnen eines Unrechts
angeklagt werden darf.“[67]
Gleichzeitig hat der Souverän –
da er als Repräsentant der Untertanen gedacht wird – alle Rechte und vor allem
die nötigen Machtmittel gegenüber den Bürgern, die nicht mehr das Recht haben,
den Souverän wegen irgendeiner Maßnahme zu richten oder zu bestrafen:
„Es folgt aus dem zuletzt
Gesagten, daß niemand, der souveräne Gewalt innehat, rechtmäßig hingerichtet
oder auf eine andere Weise von seinen Untertanen bestraft werden kann. Denn
dajeder Autor der Handlungen seines
Souveräns ist, so bestraft er einen anderen für die Handlungen, die er selbst
begangen hat.“[68]
Der Souverän hat absolute
Verfügungsgewalt über die Untertanen, da er und die Untertanen im Grunde – so
denkt es Hobbes – eine Person sind. Zentral für diese Rechtskonzeption ist die
Zustimmung durch die Untertanen, der Akt der Autorisation. Die Etablierung des
Herrschaftsrechts ist für Hobbes nur durch die vertragliche Selbstbindung der
Individuen zu bewerkstelligen. Die Schaffung einer politischen Einheit ist für
ihn zwangsläufig mit der Selbstaufgabe und mit absoluter Herrschaftsgewalt
seitens des Souveräns verbunden. Das eine gibt es nicht ohne das andere. Durch
Autorisierung macht sich jedes Element der Menge der Vertretenen zum Autor der
Handlung des Souveräns.
Doch
was passiert mit Untertanen, die keine Lust darauf haben, sich regieren zu
lassen und die das Recht des Souveräns nicht anerkennen, die nicht das tun
wollen, „was seinem Urteil zufolge die Menschen am meisten zum Dienst am Staat
ermuntert“?[69] Darauf hat Hobbes eine
radikale, aber in der Logik seiner Konstruktion nur folgerichtige Antwort:
„Da die Mehrzahl übereinstimmend
einen Souverän ernannte, hat derjenige, welcher dagegen stimmte, nunmehr mit
den übrigen übereinzustimmen, das heißt, sich mit der Anerkennung aller
zukünftigen Handlungen des Souveräns zufriedenzugeben, oder aber er wird
rechtmäßig von den übrigen vernichtet.“[70]
Durch die Autorisation der
Mehrheit wird es für Unwillige demnach unmöglich, sich zur Wehr zu setzen. Allerdings
ist die Autorisation durch Einsetzung nicht die einzige Möglichkeit der
Herrschaftslegitimierung. Denn der Souverän kann sein Recht auch durch
Aneignung gewinnen,d. h. durch Krieg
und Unterwerfung. Nach Hobbes ist jede wirksame Regierung eo ipso legitim. Die Konsequenzen, die sich durch Okkupation
ergeben, sind für die Bürger dieselben wie bei Rechtsübertragung durch Vertrag:
Herrschaft durch Eroberung oder
Sieg im Krieg wird von einigen Autoren als despotisch bezeichnet, [...]. Sie
ist die Herrschaft des Herrn über seinen Knecht. Und diese Herrschaft erwirbt
sich der Siegerdann,wennderBesiegte,umderbevorstehendenTötungzuentgehen,entweder durch ausdrückliche Worte oder
andere ausreichende Willenszeichen vertraglich übereinkommt, daß solange ihm
Leben und körperliche Freiheit zugestanden werden, der Sieger nach Belieben
daraus Nutzen ziehen darf. [...]Deshalb verleiht nicht der Sieg das
Herrschaftsrecht über den Besiegten, sondern dessen eigener Vertrag. Er ist
auch nicht verpflichtet, weil er besiegt, das heißt geschlagen,
gefangengenommen oder in die Flucht geschlagen wurde, sondern weil er damit
einverstanden ist und sich dem Sieger unterwirft. [...] Der Herr des Knechts
ist der Herr alles dessen, was dieser besitzt und darf den Nutzen daraus
ziehen, das heißt, aus seinen Gütern, seiner Arbeit, seinen Bediensteten und
seinen Kindern, sooft er es nützlich findet. [...] Und weigert er sich und der
Herr tötet ihn, wirft ihn in Fesseln oder straft ihn wegen seines Ungehorsams
auf eine andere Art, so ist er selbst Autor und kann ihn nicht wegen seines
Unrechts anklagen.“[71]
Was hier zum
Ausdruck kommt ist allein das Recht des Stärkeren. Recht bekommt Hobbes zufolge
derjenige, der die Macht hat, sich durchzusetzen, wer die Macht hat, Herr über
seine Knechte zu sein. Wenn sich diese aus Angst vor den Konsequenzen nicht
wehren, haben sie der gewaltsamen Aneignung zugestimmt. Man muss sich an dieser
Stelle vor Augen halten, dass der Verzicht auf das ursprüngliche Recht auf
alles, die Aufgabe der natürlichen Freiheit und die (erzwungene) Übertragung
des Rechts auf Selbstregierung allesamt vorbehaltlose Entäußerungen sind, die
keinerlei Freiheit und Recht auf Seiten der Vertragsparteien zurückbehalten.
Die Bürger werden somit wirklich zu Gliedern des künstlichen Menschen, des
Staates, die alle seinem Willen folgen müssen. Was Hobbes schildert, und was
für das 20. Jahrhundert bestimmende politische Philosophien grundlegend
geworden und teilweise auch praktisch geworden ist, ist ein vollkommen
aggressiver und totalitärer Staat, in den – und das ist der überwältigende
Gedanke – die Menschen sich aus Furcht und den damit verbundenen
zweckrationalen Gründen freiwillig hineinbegeben.[72] Im
Gegensatz zu etwa Locke, der diese Art von vertraglicher Übereinkunft für eine
Zumutung hielt[73], ist sie Begründung für
die Notwendigkeit dieser Art von staatlichem Zusammenleben für Hobbes
eindeutig: Die Unannehmlichkeiten, die sich sonst ergeben würden:
„Man mag hier aber einwenden, die
Untertanen befänden sich in einer sehr elenden Lage, da sie den Begierden und
anderen zügellosen Leidenschaften dessen oder derer ausgesetzt seien, die eine
so unbegrenzte Macht in Händen halten. [...] Sie bedenken nicht, daß der
Zustand der Menschen nie ohne die eine oder die andere Unannehmlichkeit sein
kann, und daß die größte, die in jeder Regierungsform dem Volk gewöhnlich
zustoßen mag, kaum fühlbar ist, wenn man sie mit demElend und den schrecklichen Nöten vergleicht,
die ein Bürgerkrieg oder die Zügellosigkeit herrenloser Menschen ohne
Unterwerfung unter Gesetze und unter eine Zwangsgewalt, die ihre Hände von Raub
und Rache abhält, mit sich bringen.“[74]
Um dem Naturzustand zu entkommen,
begeben sich die Menschen also direkt in absolute Abhängigkeit.
6. Grenzen der Unterwerfung unter den Leviathan
Aber hier hat Hobbes doch Grenzen
des Staates und Freiheitsrechte für die Untertanen gesehen. Zum ersten kann
ihnen niemand das Recht nehmen, ihr Leben zu verteidigen – schließlich war das
doch der Grund, aus dem sie diesen Vertrag geschlossen haben:
„Ein Vertrag, sich nicht mit
Gewalt gegen Gewalt zu verteidigen, ist immer nichtig. Denn wie ich oben schon
gezeigt habe, kann niemand sein Recht, sich vor Tod, Verletzung und
Gefangenschaft zu bewahren, übertragen oder darauf verzichten.“[75]
Allerdings wäre dieses Recht für
die Untertanen praktisch gegenstandslos, da der Souverän das Recht und die
Macht hat, seinen Untertanen ihr Leben zu nehmen. Aber keine staatliche Macht
sollte – oder könnte - nach Hobbes sämtliche Bereiche des Lebens organisieren. Es
gibt Bereiche, in denen der Staat keine Vorsorge zu treffen hat (Eigentum, Kauf
und Verkauf usw. – also „bürgerliche Rechte“) und solche, in denen er keine
tatsächliche Kontrolle ausüben kann(Glaubens- und Überzeugungsinhalte). Hier haben die Untertanen durchaus
ihre Freiheit:
„Wenn ich nun auf die Freiheit
der Untertanen zu sprechen komme, so nur in Bezug auf diese Bande. Denn es gibt
auf der ganzen Welt keinen Staat, der genügend Vorschriften zur Regelungaller menschlichen Handlungen und Äußerungen
erlassen hat, da dies unmöglich ist. Daraus folgt notwendig, daß die Menschen
in allen vom Gesetz nicht geregelten Gebieten die Freiheit besitzen, das zu
tun, was sie aufgrund ihrer eigenen Vernunft für das Vorteilhafteste halten.
[...]Die Freiheit eines Untertanen ist daher auf die Dinge beschränkt, die der
Souverän bei der Regelung ihrer Handlungen freigestellt hat: so zum Beispiel
die Freiheit des Kaufs und Verkaufs oder anderer gegenseitiger Verträge, der
Wahl der eigenen Wohnung, der eigenen Ernährung, des eigenen Berufs, der
Kindererziehung, die sie für geeignet halten, und dergleichen mehr.“[76]
In Glaubens- und Meinungsfragen
begnügt sich der Hobbes´sche Staat ebenfalls mit dem sichtbaren
Unterwerfungsgestus, ohne auf der „Gewissensunterwerfung“ zu bestehen. Als
Beispiel sei hier aus Leviathan,
Kapitel 46 angeführt:
„Es ist richtig, daß die
bürgerliche Regierung, die beabsichtigt, einen Beamten als Lehrer anzustellen,
ihn fragen kann, ob er bereit sei, diese oder jene Lehre zu vertreten, und im
Falle einer Weigerung ihm die Anstellung versagen kann. Aber ihn zwingen, seine
Ansichten preiszugeben, wenn seine Handlungen nicht gesetzlich verboten sind,
verstößt gegen das Gesetz der Natur […].“[77]
Die letzte – und abschließende -
Freiheit besteht beim Zusammenbruch des Staates. Hier erwartet Hobbes keine
feudale, romantische oder 1945 erwünschte quasi modern-totalitäre „Nibelungentreue“,
die ja auch ganz gegen den Geist der Vertragseinsetzung wäre, der ja den Schutz
der Bürger und das salus populi zum
Ziel hat: Der Untertan wird wieder frei. Sollte der Souverän nicht mehr die
Machtmittel haben, die Untertanen gegen äußere oder innere Feinde zu schützen,
ist der Vertrag ebenfalls erloschen und sind die Untertanen ihrer Verpflichtung
ledig. Vertrags-, Loyalitäts- oder Gewissensbindungen gibt es dann nicht mehr.
Alle sind wieder vollkommen frei, sich loyal in die Obhut des neuen Souveräns
zu begeben:
„Letztlich: Wenn in einem
auswärtigen oder inneren Krieg die Feinde den Endsieg erringen, sodaß ein weiterer Schutz der staatstreuen
Untertanen nicht mehr möglich ist, da die Kräfte des Staates das Feld nicht
länger beherrschen, dann ist der Staat aufgelöst und jedermann frei, sich in
der Weise zu schützen, die ihm sein eigener Verstand anrät. Denn der Souverän
ist die öffentliche Seele, die dem Staat Leben und Bewegung verleiht; wird sie
ausgehaucht, so werden die Glieder von ihr nicht mehr gelenkt als der Leichnam
eines Menschen von seiner … entwichenen Seele. Denn kann auch das Recht eines
souveränen Monarchen durch die Handlung eines anderen nicht zum Erlöschen
gebracht werden, so aber doch die Verpflichtung der Glieder. Denn ein
Schutzloser darf überall Schutz suchen … Ist aber die Macht einer Versammlung
einmal beseitigt, so erlischt auch ihr Recht völlig, da die Versammlung selbst
aufgehoben ist und die Souveränität folglich nicht zurückkehren kann.“[78]
7. Schlussbemerkungen
Hier sind wir plötzlich wieder in
der Angst erregenden Gegenwart angelangt, die mit Horkheimer/Adorno´s Dialektik der Aufklärung in der
Vorbemerkung für 1947 (heute schon fast Prähistorie) aufgerufen wurde, die aber
bereits auch – und damit inzwischen für uns beruhigte - Geschichte zu sein
schien. Heute haben sich in unserem bewussten Leben mehrere Staatsuntergänge
bzw. der Untergang eines gar eines ganzen Staatensystems vollzogen, in deren
Nachwehen, die noch lange nicht ausgestanden sind, wie wir gerade am Konflikt
Russland/Georgien sehen können, sich weitere neue Staatsgründungen ergeben
können.
Wie werden sich deren neue Bürger
verhalten?
Von den „Staatsbürgern“ und den
Institutionen der DDR wissen wir es seit 1989: Sie haben sich dem neuen
Souverän eingeordnet – bewusst oder unterbewusst – und damit das Hobbes´sche
Modell für das Verhalten der Untertanen im Fall des Untergangs eines
Souveränsangenommenund bestätigt. Sogar Offiziere der
„Nationalen Volksarmee“ der DDR haben sich mit einer Rangminderung in die
„Bundeswehr“ des neuen Staates, der sie angegliedert wurden, eingeordnet.
Allenfalls höhere Offiziere des Sicherheitsdienstes (MfS) haben sich dessen
verweigert.
Wie
aber wird das Hobbes´sche Modell im Kaukasus oder auf dem Balkan (von
Afghanistan und dem Irak gar nicht zu sprechen) funktionieren? In
Gesellschaften, die anderen Werten, alsdenen der Marktwirtschaft verpflichtet sind? Archaischen Werten:
Blutrache, Familienehre, Clanbeziehungen usw.? Es wird nicht funktionieren, wie
wir bereits sehen können.
Wozu diese Bemerkungen, die vom
Gegenstand: Hobbes´ Leviathan,
momentan abzulenken scheinen?
Zum Ersten: Weil es Hobbes
Welt in deren weiterem Gefolge ist, in der wir leben (Hobbes Welt in deren
Anfängen, wir in deren weiterer Entwicklung). Und uns auch Hobbes nur
insoferninteressiert, in der er uns
diese Welt resp. ihre Genese und ihre Funktionsweise aus ihrer Genese zu
erklären helfen kann. Sonst hätten wir kein philosophisches, sondern nur ein
quasi archäologisches Interesse an seinem System.
Zum Zweiten: Die
Gesellschaft, an deren Entwicklungsursprung Hobbes stand und schrieb, hat sich in
ihrem Herrschaftsmodus zweifelsfrei weltweit durchgesetzt. Die o.g. genannte
Frage nach archaischeren Verhältnissen und Gesellschaften (die von der
AUFKLÄRUNG nicht berührt worden sind), die aber politisch freilich heute wieder
aktuell ist, ist nur soweit interessant (aber vielleichtfür unsere Art von Zivilisation
lebensentscheidend), als momentan noch offen zu sein scheint, wieweit sie sich
diesem Herrschaft- und Verhaltensmodell im einzelnen affirmieren oder
akkomodieren läßt.
Nach diesem sich aufdrängenden
Ausflug in die Gegenwart sei zum nun wirklichen Abschluß bemerkt:
Hobbes steht am Anfang der
modernen Staatstheorie.
Sein Anliegen ist die Befriedung
von Bürgerkriegen.
Dazu konstruiert er einen
überwältigenden Souverän: den Leviathan.
Die Darstellung aus der
Konstruktion desselben aus Verträgen war Anliegen vorliegenden Essays.
Hobbes steht am Beginn der
modernen Staatstheorie im Sinne der Vertragstheorien resp. des
Konstraktualismus. Wie jeder, der an einem Anfang steht – zugleich auch am
Anfang einer neuen sich konstituierenden und sich ihrer selbst erst bewusst
werdenden Gesellschaft - ist auch Hobbesin jeder Hinsicht ausdeutbar. Bereits seine Zeitgenossen wie Harrington[79]
haben an ihn anknüpfend andere Schlussfolgerungen gezogen.
Nach unmittelbarer Ablehnung in
seiner Zeit ist diese vieldeutige Rezeption besonders seit dem Ende des 19.
Jahrhunderts/Beginn des 20. Jahrhunderts tatsächlich auch erfolgt, als sich die
Gesellschaft, deren Grundvoraussetzungen er als Naturzustand formuliert hatte,
den bellum omnia contra omnes, und
deren Gegensätze zum Beginn des 20. Jahrhunderts als Gesellschafts-Kampf in der
Gesellschaft und im Staat neu auszufalten begannen: In scharf konturierten
Klassenkämpfenwie in ideologischen
Auseinandersetzungen, die hier nicht weiter zu verfolgen möglich ist, wurden
Probleme wieder aktuell – und deswegen wahrscheinlich wieder aufgegriffen -,
die Hobbes bewegt haben. Der Bürgerkrieg wurde unter neuen Bedingungen zum
Weltbürgerkrieg – und ist es unter nun wieder anderen Bedingungen bis heute.
Nur, daß wir aus der bisherigen Tradition Europas keinen – auch nicht mit
Hobbes – Beitrag zur seiner Befriedung geben können.
Die Konstruktion eines
Weltbürgerstaates, die wir jetzt erfragen müssten, konnte Hobbes nicht geben.
Kant hat sie angedeutet. Hegel schrieb:
„Was vernünftig ist, das ist
wirklich;
und was wirklich ist, das ist
vernünftig.“[80]
Für Hegel war dies eine Hoffnung.
Wir sind unsicher. Was als vernünftig jetzt wirklich ist, bleibtals Frage. Auch, ob alles, was wirklich ist,
vernünftig ist. Jedenfalls ist das Faktische nicht unbedingt das Wirkliche.
Dass weder das Faktische noch das scheinbar Wirkliche Bestand haben, wissen wir
inzwischen sogar aus empirisch-politischer Erfahrung. Zurück auf
Horkheimer/Adornos kritischen Anstoß zur Aufklärung von Bacon und Hobbes her
(was überhaupt Aufklärung ist und wohin uns zu welchen Zwecken sie sich wie
gewandelt hat):
Hobbes vertraute/hoffte darauf,
dass die Wissenschaft, das klare Denken nach anerkannten Regeln, auch in der
Moral- und Staatsphilosophie ein System schaffen könnte, das ein wohlerwogenes
Regiment zum salus populi schaffen
könnte.
Dieses
System hat er vorzulegen gehofft. Seine persönliche Präferenz gehörte dabei der
Monarchie. Prinzipiell war sein System aber auch anderen Systemen offen: Aus
seinerZeit z.B. dem Regiment Cromwells
als „Lord-Protector“. Prinzipiell aber auch andern Systemen, wenn sie nur
auctoritas haben und ausüben können.
Als
Erster zerlegte und beschrieb er die Gesellschaft als ein Konglomerat von
atomisierten Individuen, die nur von ihrem Wunsch nach Selbsterhaltung und
möglichst schadensfreier Selbstbereicherung getrieben werden.
Zur
Sicherung desletzteren meinteer, eine starkeauctoritas einsetzenzumüssen:den
Leviathan.
Als
Konstrukt ist der Leviathan wertfrei und für alle Systeme verfügbar, wenn er
nur den Frieden unter den Bürgern des gegebenen Staates sichert.
Hier bricht die Erfahrung der
Moderne, das zerstörerische 20. Jahrhundert ein. Dies meinen auch Horkheimer/Adorno
gegen die „instrumentelle Vernunft“ der Aufklärung, und damit – ohne das sie
ihn nennen, warum auch immer nicht - gegen z.B. Carl Schmitt: Wer ist Bürger
dieses Staates?Wer bestimmt dessen
Status?
Und
damit sind wir wieder – erschreckend – bei gegenwärtigen Fragen, die Hobbes
auch sicher zu den seinen gemacht haben würde, wenn wir ihn richtig als
Moralphilosophen verstanden haben, dem es um die recte Beantwortung der
Herausforderungen seiner Zeit ging – ebenso wie es uns um die Beantwortung der
Fragen unserer Zeit gehen muss.
Hobbes hat sein System in De Cive
nach einer „Uhr“ beschrieben, den Leviathan als Automaten: Ob diese Uhr uns zur
richtigen Zeitanzeige konstruiert ist, oder ob sie zur Zeitbombe zugerichtet
wurde, dies liegt ebenso außerhalb Hobbes´ Intention wie alle Interpretationen
seiner Texte.
Wollen
wir uns damit bescheiden, dass wir ihm mit der Einleitung seines Leviathan das zuschreiben, was er selbst
geschrieben – und wohl damit auch gemeint – hat und uns damit aller
Unsicherheiten möglicher Interpretationen und eventueller guter
Besserwissereien über die Aufklärung und deren problematische Folgen vor der
Hand – und vielleicht auch überhaupt - entschlagen, denn alle Interpretation
und Folgensuche geht an Hobbes vorbei. Er kann nichts für seine Folgen. Also
bleibt als nobles Anliegen und Ziel von Hobbes Schöpfung:
„Denn durch Kunst wird jener
große Leviathan geschaffen, genannt Gemeinwesen oder Staat, […] Wohlstand und
Reichtum aller einzelnen Glieder stellen die Stärke dar, salus populi (die
Sicherheit des Volkes) seine Aufgabe.“
8. Literaturverzeichnis
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System von Thomas Hobbes, Stuttgart-Bad Cannstatt 1980. Willms, Bernard: Die
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und
Berlin 1970.
[1] Thomas Hobbes: Leviathan, Neuwied
und Berlin 1966, S. 256
[2] Zu dem Problem dieser Methode
angewandt auf politische Wissenschaften, die Hobbes nach seiner eigenen
Überzeugung mit De Cive erst
begründet hat vgl. C.B. Macpherson, Die politische Theorie des
Besitzindividualismus, Frankfurt am Main 1967, S. 119 f., oder Wolfgang
Kerting: Hobbes zur Einführung, Hamburg 1992, S.38 ff.; Insgesamt dazu auch:
Bernd Ludwig: „Womit muß der Anfang der Staatsphilosophie gemacht werden?“, in:
Thomas Hobbes. Leviathan, Hrsg. Wolfgang Kersting, Berlin 2008, S. 47-67
[3] Thomas Hobbes: Vom Bürger. Vorwort an die Leser, Neuwied und Berlin
1967, S. 256
[4] Dass hierin freilich doch
„lebensweltliche“ Erfahrungen Hobbes eingegangen sind – auch in die
anthropologischen und gesellschaftlichen Grundannahmen - ,ist offensichtlich.
Hobbes selbst hat mit seinen verschiedentlichen Verweisen auf die Introspektion
resp. Selbsterfahrung (so z.B. in der Einleitung zum Leviathan) seiner Leser dazu zumindest einen Hinweis gegeben. Den
Aufweis, wieweit dies der Fall ist, kann hier nicht gegeben werden, sondern
kann angesichts der Fülle der Literatur dazu nur verwiesen werden: Bernd
Ludwig: „Womit muß der Anfang in der Staatsphilosophie gemacht werden?, 3.3 Die
Lehre vom Menschen und die Introspektion“, in: W. Kersting (Hrsg.), Thomas
Hobbes. Leviathan, a. a. O., S. 58-65; C. B. Macperson: Die politische Theorie
des Besitzindividualismus, a.a.O.; gegen Macpherson, aber dies auch als gegeben
ansprechend: W. Kersting: Thomas Hobbes zur Einführung, a.a.O.; Hans Dieter
Metzger: Thomas Hobbes und die Englische Revolution, Stuttgart-Bad Cannstatt
1991. – Zum Mechanismus der Umwandlung von „lebensweltlichen“ resp.
gesellschaftlichen Erfahrungen in ideologische Systeme und philosophische
Definitionen verweise ich auf: Karl Marx: Grundrisse der Kritik der Politischen
Ökonomie (Rohentwurf) 1857-1858. Einleitung, Berlin 1974, S. 5 ff.
[5] Jean Jacques Rousseau: Der Gesellschaftsvertrag,
Rudolstadt 1953, S. 37; Thomas Hobbes: Vom Bürger, a. a. O., S. 16.
[6] Wolfgang Kersting, Hobbes zur Einführung, a.a.O.,
S. 59, zur modernen Rezeption in vertragstheoretischen Begründungstheorien
ebenda, S.188 f.
[7] Ebenda, S. 191.
[8] Max Horkheimer/Theodor W. Adorno:
Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente. Zur Neuausgabe (1969),
Frankfurt am Main 172008, S. IX f.
[9] Ebenda.
[10] Ebenda, S. 97 f.
[11] Hermann Klenner: „Einführung. Hobbes – der Rechtsphilosoph und seine
Rechtsphilosophie“, in: Thomas Hobbes, Leviathan, Hamburg 1996, S. XIV und S.
XXXIV.
[12] Vgl. Thomas Hobbes: Vom Bürger,
a.a.O., S. XXX.
[13] Hermann Klenner: „Einführung. Hobbes – der Rechtsphilosoph und seine
Rechtsphilosophie“, in: Thomas Hobbes, Leviathan, a. a. O., S. XIV.
[14] Klenner verweist an gleicher Stelle dankenswerter Weise auf
Christopher Hill, Puritanism and Revolution, Harmondsworth 1986, S. 280, der
bemerkt, dass, wenn wir erst einmal mit der Lektüre des „Leviathan“ begonnen
haben, es sich als nahezu unmöglich erweist, die Argumentationskette zu
durchbrechen, ohne bis ganz an den Anfang zurückzugehen: Ebenda.
[15] Wieweit das 15. Kapitel von Macchiavells Principe hiermit
korrespondiert (wie Wolfgang Kersting: Thomas Hobbes zur Einführung, a. a. O.,
S. 25 ff. in Auseinandersetzung mit Eric Voegelin schreibt), wollen wir hier
dahingestellt sein lassen. Kersting schreibt dezidiert: „Ein neues
Theorieprogramm mit neuartigen Fragestellungen und Beweiszielen findet sich
erst bei Hobbes.“ (ebd., S. 27)
[16] „So liegen also in der
menschlichen Natur drei hauptsächliche Konfliktursachen: Erstens Konkurrenz,
zweitens Mißtrauen, drittens Ruhmsucht.“ (Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O.,
S. 95)
[17] Hegel, Geschichte der
Philosophie, S. 226, zitiert nach: Rainer Heger: Die Politik des Thomas Hobbes.
Eine Studie zur Geschichte der klassischen bürgerlichen Staatstheorie,
Frankfurt/New York 1981, S. 8.
[18] Friedrich Engels zufolge ist es der „aristokratische Materialismus“
Hobbes`, der zu der öffentlich geäußerten Antipathie führte: „Es kam aber noch
ein anderer Umstand dazu, der die religiösen Neigungen der Bourgoisie stärkte:
das Aufkommen des Materialismus in England. Diese neue gottlose Lehre entsetzte
nicht nur den frommen Mittelstand, sie kündigte sich obendrein noch an als eine
Philosophie, die sich nur schicke für Gelehrte und gebildete Weltleute, im
Gegensatz zur Religion, die gut genug sei für die ungebildete große Masse, mit
Einschluß der Bourgeoisie. Mit Hobbes betrat sie die Bühne als Verteidigerin
königlicher Allgewalt und rief die absolute Monarchie auf zur Niederhaltung
jenes puer robustus sed malitiosus, des Volks. Und auch bei Hobbes`
Nachfolgern, Bolingbroke, Shaftesbury etc., blieb die neue, deistische Form des
Materialismus eine aristokratische, esoterische Lehre und deshalb der
Bourgeoisie verhaßt, nicht nur wegen ihrer religiösen Ketzerei, sondern auch
wegen ihrer antibürgerlichen politischen Konnexionen.“( Karl Marx / Friedrich
Engels: Über Geschichte der Philosophie. Ausgewählte Texte, Leipzig 1985)
[19] Dietrich Braun: Der sterbliche
Gott oder Leviathan gegen Behemoth. Teil 1. Erwägungen zu Ort, Bedeutung und
Funktion der Lehre von der Königsherrschaft Christi in Thomas Hobbes`
´Leviathan`, Zürich 1963, S. V.
[20] Bei dieser Gelegenheit sei um Verständnis ersucht, wenn ich auf die
vielfältigen Interpretationen, die das Titelblatt des Leviathan je nach Standort des Interpreten erfahren hat, nicht
eingehen kann, obwohl dies eine reizvolle Aufgabe – sowohl philosophisch wie
ideologiekritisch – wäre. Stellvertretend dafür sei nur genannt: Horst
Bredekamp: Thomas Hobbes. Der Leviathan. Das Urbild des modernen Staates und
seine Gegenbilder. 1651-2001, 3., korrigierte Auflage, Berlin 2006; dort auch
ein umfangreiches Verzeichnis der einschlägigen Literatur, S. 169- 193.
[21] Thomas Hobbes, Leviathan, a. a. O., S. 5 f. – Zur Herkunft des
metaphorischen Bildes des Staates als „künstlichem Menschen“ aus Hobbes´
Platon-Lektüre vgl. Bernd Ludwig: „Womit muß der Anfang der Staatsphilosophie
gemacht werden? Zur Einleitung des Leviathan“, in: Thomas Hobbes. Leviathan,
Hrsg. Wolfgang Kersting, a.a.O., S. 65 f.
[22] Das Recht des Einzelnen auf alles im Naturzustand, kann laut Hobbes
nicht als Recht verstanden werden, da fixiertes Recht erst entsteht, wenn es
durch Gesetze durchgesetzt werden kann: „Eine weitere Folge dieses Krieges
eines jeden gegen jeden ist, daß nichts ungerecht sein kann. Die Begriffe von
Recht und Unrecht, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit haben hier keinen Platz.
Wo keine allgemeine Gewalt ist, ist kein Gesetz, und wo kein Gesetz, keine
Ungerechtigkeit.“ (Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 98)
[23] Es ist eine in der Sekundärliteratur viel
diskutierte Frage, ob die Hobbessche Naturrechtskonzeption hypothetisch oder
aktual zu verstehen sei. Abgesehen davon, dass die Frage für das Verständnis
des Hobbesschen Systems irrelevant ist, äußert sich Hobbes auch selber dazu:
„Vielleicht kann man die Ansicht vertreten, daß es eine solche Zeit und einen
Kriegszustand niemals gab, und ich glaube, daß er so niemals auf der ganzen
Welt bestand.“(Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O., 1966, S. 97) – Für die
Diskussion des Naturrechts ist die Spekulation des Status der Naturzustandsidee
also unerheblich, weshalb ich nicht weiter darauf eingehen möchte. Siehe für
eine sehr aufschlussreiche Betrachtung der Bedeutung und der Eigenständigkeit
des Naturzustandes im System von Hobbes die ausgezeichnete Studie von Rainer
Heger: Die Politik des Thomas Hobbes. Eine Studie zur Geschichte der
klassischen bürgerlichen Staatstheorie, a. a. O., S. 21 – Allerdings kommt auch
Heger zu dem Schluss: „Die Frage nach dem Zusammenhang bzw. der
Eigenständigkeit des zweiten [Natur des Menschen, Anm. N. E.] und dritten
Systemteils [der Staat, Anm. N. E.]der Hobbesschen Philosophie ist vorderhand,
ohne sich auf die Details des Hobbesschen Argumentationsganges einzulassen,
nicht eindeutig zu beantworten.“, (ebd., S. 21)
[24] „Daraus ergibt sich klar, daß die
Menschen in der Zeit, in der sie ohne eine allgemeine, sie alle im Zaum
haltende Macht leben, sich in einem Zustand befinden, der Krieg genannt wird,
und zwar in einem Krieg eines jeden gegen jeden.“ (Thomas Hobbes: Leviathan, a.
a. O, S. 96)
[25] Im Vorwort zu seiner Schrift „Vom
Bürger“ (De Cive), erläutert Hobbes
in einem kurzen Abriss den Aufbau seines gesamten philosophischen Systems, das
aus drei Teilen besteht: „Nachdem ich so den methodischen Aufbau dargelegt,
habe ich nun den Anlaß zu dieser Schrift und meine Absicht dabei mitzuteilen.
Ich habe mich aus reiner Neigung zur Philosophie mit ihr beschäftigt, ihre
ersten Elemente in allen Zweigen gesammelt und allmählich in drei Teilen
zusammengestellt: im ersten handle ich vom Körper und seinen allgemeinen
Eigenschaften; im zweiten vom Menschen und insbesondere von seinen Vermögen und
Leidenschaften; im dritten vom Staat und den Pflichten der Bürger.“ (Thomas
Hobbes: Vom Menschen. Vom Bürger, a. a. O., S. 71)
[26] Vgl. für eine Darstellung des Ortes der
Anthropologie Hobbes` in seinem System die grundlegende Arbeit von Ferdinand
Tönnies: Thomas Hobbes. Leben und Lehre, Stuttgart 31925, vgl. auch: Bernard
Willms: Die Antwort des Leviathan. Thomas Hobbes` politische Theorie, Neuwied
und Berlin 1970, Ulrich Weiß: Das philosophische System von Thomas Hobbes,
Stuttgart-Bad Cannstatt 1980, sowie Wolfgang Kersting: Thomas Hobbes zur
Einführung, a. a. O.
[27] Vgl. Ferdinand Tönnies: Thomas
Hobbes. Leben und Lehre, a. a. O., S. 1.
[28] Der sterbliche Gott oder Leviathan gegen Behemoth.
Teil 1. Erwägungen zu Ort, Bedeutung und Funktion der Lehre von der
Königsherrschaft Christi in Thomas Hobbes` ´Leviathan`, a. a. O., S. 126.
[29] Dafür ist auch die Hobbessche Definition von
Freiheit charakteristisch: „Freiheit bedeutet genau genommen das Fehlen von
Widerstand, wobei ich unter Widerstand äußere Bewegungshindernisse verstehe.“
(Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 163) – Auf Hobbes´ Antiaristotelismus
soll bei dieser Gelegenheit nur kurz aufmerksam gemacht werden. Es ist aus dem
o.g. ersichtlich, daß es ein grundlegender Antiaristotelismus ist, der nicht
nur in Hobbes´ naturwissenschaftlicher Methode oder in seiner Feindschaft gegen
die rhetorische Macht der antiken Schriftsteller in zeitgenössischen
Diskussionen besteht, sondern grundlegend angelegt ist: Während für Aristoteles
– und später Epikur, die Stoa usw. - die Pleonexia
das Grundübel schlechthin ist, ist sie für Hobbes (und den Kapitalismus
schlechthin) Antrieb und Motiv aller Handlungen schlechthin, die weder ethisch
noch moralisch zu hinterfragen oder zu dämonisieren ist, sondern als faktisch
gegeben und nur hinsichtlich etwaiger negativer Folgen einzuhegen ist.
[30] „Die Macht eines Menschen
besteht, allgemein genommen, in seinen gegenwärtigen Mitteln zur Erlangung
eines zukünftigen anscheinenden Guts und ist entweder ursprünglich oder
zweckdienlich. Natürliche Macht ist das Herausragen der körperlichen oder
geistigen Fähigkeiten, wie außerordentliche Stärke, Schönheit, Klugheit,
Geschicklichkeit, Beredsamkeit, Freigiebigkeit und Vornehmheit. Zweckdienlich
ist die Macht, die durch natürliche Macht oder durch Zufall erlangt wird und
als Mittel oder Instrument zum Erwerb von mehr Macht dient, wie Reichtum,
Ansehen, Freunde und das verborgene Wirken Gottes, das man gewöhnlich Glück
nennt.“ (Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 66)
[31]
Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 75.
[32]„Die Natur hat die Menschen hinsichtlich ihrer körperlichen und
geistigen Fähigkeiten so gleich geschaffen, daß trotz der Tatsache, daß
bisweilen der eine einen offensichtlich stärkeren Körper oder gewandteren Geist
als der andere besitzt, der Unterschied zwischen den Menschen alles in allem
doch nicht so beträchtlich ist, als daß der eine auf Grund dessen einen Vorteil
beanspruchen könnte, den ein anderer nicht ebensogut für sich verlangen
dürfte.“ (Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 94)
[33] „In einer solchen Lage [der des
Naturzustandes, Anm. N. E.] ist für Fleiß kein Raum, da man sich seiner Früchte
nicht sicher sein kann; und folglich gibt es keinen Ackerbau, keine Schiffahrt,
keine Waren, [...] keine gesellschaftlichen Beziehungen, und es herrscht, was
das Schlimmste von allem ist, beständige Furcht und Gefahr eines gewaltsamen
Todes – das menschliche Leben ist einsam, armselig, ekelhaft, tierisch und
kurz.“ (Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 96)
[34] An dieser Stelle muss noch auf
zwei weitere Punkte hingewiesen werden. Zum ersten ist es deutlich, dass der Naturzustand
von Hobbes in seiner theoretischen Konstruktion und den Prämissen der Macht-
und Profitmaximierung an die wirtschaftlichen Verhältnisse im sich
herausbildenden Kapitalismus erinnert (dazu bereits genannt: C. B. Macperson:
Die politische Theorie des Besitzindividualismus, a. a. O). Der Hobbessche
„Naturmensch“ kann allerdings noch heute genau so, wie er im Leviathan
beschrieben wird, auch an der Wall Street oder bei Siemens gefunden werden –
denn die Profitmaximierung, der „zukünftige Hunger“ (Hobbes), die grandios
ausgeweitete pleonexia ist ein
grundlegendes Prinzip der Marktwirtschaft (insofern hat Hobbes hier einen
genialen Archetyp entwickelt). In gewisser Weise finden wir dieses geschilderte
Verhalten in allen soap-operas und Richter- Serien des Fernsehens wieder. Oder
auch, da wir gerade eine Olympiade erlebten, in den marktförmigen Auftritten
der Athleten, die weniger dem agonalen Prinzip, als vielmehr der Devise des
Gründers der modernen Olympiade, Pierre Baron de Coubertin zu huldigen scheinen:
„Man muß seinen Reichtum unaufhörlich steigern“ (zitiert nach: taz v.
6.08.2008). Zum Zweiten ist es bei Hobbes die Notwendigkeit von Privateigentum,
die den Hobbesschen Naturmenschen zu seinem Verhalten treibt. Bei Hobbes hat
die Kategorie des Privateigentums eine zentrale Bedeutung – sie ist geradezu
das „Grundmotiv des Hobbesschen Theorems vom Naturzustand“ (Rainer Heger: Die
Politik des Thomas Hobbes. Eine Studie zur Geschichte der klassischen
bürgerlichen Staatstheorie, a. a. O, S. 31). Das Unangenehme am Naturzustand
ist, dass man sich seines Privateigentums nicht sicher sein kann, da alle ein
Recht auf alles haben und es noch kein „Mein“ und „Dein“ gibt: „Und wenn daher
zwei Menschen nach demselben Gegenstand streben, den sie jedoch nicht zusammen
genießen können, so werden sie Feinde und sind in Verfolgung ihrer Absicht, die
grundsätzlich Selbsterhaltung und bisweilen nur Genuß ist, bestrebt, sich
gegenseitig zu vernichten oder zu unterwerfen.“ (Thomas Hobbes: Leviathan, a.
a. O, S. 31) -Hobbes beschreibt und
verabsolutiert als den „natürlichen Menschen“ den Menschen des 17.
Jahrhunderts, den Menschen der beginnenden Industrialisierung und des
bürgerlichen Kapitalismus. Das Interessante an dieser Form von Ideologie ist,
dass nur unter diesen bürgerlichen Vorzeichen (Eigentum, Konkurrenz) die
Errichtung eines Staates überhaupt erst möglich wird, in dem genau diese
„Triebe“ unter einer Zwangsgewalt „geregelt“ ausgelebt werden können. Nicht zu
Unrecht hat Marx Thomas Hobbes als einen „der ältesten Ökonomen und
originellsten Philosophen Englands“ bezeichnet. (Karl Marx: „Lohn, Preis und
Profit“, in: Karl Marx / Friedrich Engels: Ausgewählte Schriften in zwei
Bänden, Bd. 1, Berlin 1968, S. 396 - Auf die Bedeutung des Privateigentums und
die Rechtfertigung bürgerlicher Interessen bei Hobbes macht auch Leo Strauss
aufmerksam: „Hobbes wendet sich nicht nur nicht gegen die ihre Interessen
verständig wahrnehmende Bourgoisie, er rechtfertigt sie sogar philosophisch,
indem die von seiner politischen Wissenschaft begründeten Ideale die Ideale
eben der Bourgeoisie sind.“ (Leo Strauss: Hobbes` politische Wissenschaft,
Neuwied am Rhein und Berlin 1965, S. 117).
[35]
Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 99.
[36] „Und weil sich die Menschen, wie im vorhergehenden
Kapitel dargelegt, im Zustand des Krieges eines jeden gegen jeden befinden, was
bedeutet, daß jedermann von seiner eigenen Vernunft angeleitet wird, und weil
es nichts gibt, das er nicht möglicherweise zum Schutze seines Lebens gegen
seine Feinde verwenden könnte, so folgt daraus, daß in einem solchen Zustand
jedermann ein Recht auf alles hat, selbst auf den Körper eines anderen.“
(Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O,S.
99)
[37] „Es brachte aber den Menschen
durchaus keinen Nutzen, in dieser Weise ein gemeinsames Recht auf alles zu
haben. Denn die Wirkung eines solchen Rechts ist so ziemlich dieselbe, als wenn
überhaupt kein Recht bestände. Wenn auch jeder von jeder Sache sagen konnte:
diese ist mein, so konnte er doch seines Nachbars wegen sie nicht genießen, da
dieser mit gleichem Rechte und mit gleicher Macht behauptete, daß sie sein
sei.“, (Thomas Hobbes: Vom Bürger, a. a. O., S. 11)
[38]
Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 99.
[39]
Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 99.
[40] „So unterscheiden sich Gesetz und
Recht wie Verpflichtung und Freiheit, die sich in ein- und demselben Fall
widrsprechen.“ (Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 99)
[41]
Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 100.
[42] Der moralische bzw. theologische Charakter des natürlichen Gesetzes
ist jedoch ein sehr umstrittener Punkt. So vertritt z. B. Howard Warrender die
vieldiskutierte These, dass die natürlichen Gesetze nur deshalb verpflichtend
sind, weil sie Gebote Gottes sind. (Siehe dazu: Howard Warrender: The Political
Philosophy of Hobbes. His Theory of Obligation, Oxford 1966.)
[43] So bemerkt auch Christine Chwaszcza: „Die natürlichen Gesetze sind
nicht als Gesetze im eigentlichen Sinne zu verstehen, sondern als von der
Vernunft ermittelte Regeln oder Vorschriften der Selbsterhaltung, die die
Bedingungen friedlicher Koexistenz formulieren. Anders als im christlichen
Naturrecht beschreiben die natürlichen Gesetze bei Hobbes kein überpositives
Recht, das einen substantiellen Maßstab politischer Gerechtigkeit, legitimer
Herrschaftsausübung und ´natürlicher Pflichten` festschreibt.“ ( Christine
Chwaszcza: „Thomas Hobbes“, in: Klassiker des politischen Denkens, Hrsg. Hans
Maier und Horst Denzer, München 2001, S. 220)
[44] Dagegen Taylor, der Hobbes
natürliche Gesetze als deontologische Moral interpretiert. Siehe
dazu: A. E. Taylor: „The Ethical Doctrine of Hobbes“, in: Hobbes Studies, Hrsg.
K. C. Brown, Oxford
1965.
[45]
Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 100.
[46]
Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 100.
[47] „Die wechselseitige Übertragung von Recht nennt man Vertrag.“ (Thomas Hobbes:
Leviathan, a. a. O, S. 102)
[48]Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 100 f.
[49]
Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 110.
[50]
Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 110.
[51] „Diese Weisungen der Vernunft
werden von den Menschen gewöhnlich als Gesetze bezeichnet, aber ungenau. Sie
sind nämlich nur Schlüsse oder Lehrsätze, die das betreffen, was zur Erhaltung
und Verteidigung der Menschen dient, während ein Gesetz genau genommen das Wort
dessen ist, der rechtmäßig Befehlsgewalt über andere innehat.“ (Thomas Hobbes:
Leviathan, a. a. O, S. 122)
[52]
Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 121.
[53]Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 101.
[54]
Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 131.
[55]Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 101.
[56] „Weil aber
auf gegenseitigem Vertrauen beruhende Verträge ungültig sind, wenn, wie im
letzten Kapitel ausgeführt, eine der beiden Parteien die Nichterfüllung
befürchtet, so kann es tatsächlich – obwohl der Ursprung der Gerechtigkeit im
Abschluß von Verträgen liegt – solange keine Ungerechtigkeit geben, bis die
Ursachen dieser Furcht beseitigt sind. Solange die Menschen im natürlichen
Kriegszustand leben, kann dies nicht geschehen. Bevor man deshalb von ´gerecht`
und ´ungerecht` reden kann, muß es eine Zwangsgewalt geben, um die Menschen
gleichermaßen durch die Angst vor einer Bestrafung zur Erfüllung ihrer Verträge
zu zwingen [...]. So liegt also das Wesen der Gerechtigkeit im Einhalten
gültiger Verträge. Aber die Gültigkeit von Verträgen beginnt erst mit der
Errichtung einer bürgerlichen Gewalt, die dazu ausreicht, die Menschen zu ihrer
Einhaltung zu zwingen, und mit diesem Zeitpunkt beginnt auch das Eigentum.“
(Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 110 f.)
[57] Diese Idee wird schon am Titelblatt des Leviathan
deutlich: Der künstliche Mensch ist mit der Überschrift aus dem Buch Hiob :
„Non est potestas super terra quae comparetur ei.“ - Siehe zur Bedeutung des
Titelblattes auch den informativen Aufsatz von Reinhard Brandt: „Das Titelblatt
des Leviathan“, in: Thomas Hobbes. Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines
bürgerlichen und kirchlichen Staates, Hrsg. Wolfgang Kersting, a. a. O.
Außerdem: Horst Bredekamp: Thomas Hobbes der Leviathan. Das Urbild des modernen
Staates und seine Gegenbilder. 1651- 2001, a. a. O.
[58] Eingang in die philosophische
Literatur hat der Begriff der persona
durch Boethius gefunden. Er definiert die Person in seinem Opusculum contra Eutychen et Nestorium als „rationabilis naturae
individua substantia“. – Hobbes dazu s. Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S.
123.
[59]Vgl. Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 123.
[60]Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 123.
[61] „Eine Menge von Menschen wird zu einer Person
gemacht, wenn sie von einem Menschen oder einer Person vertreten wird und
sofern dies mit der besonderen Zustimmung jedes einzelnen dieser Menge
geschieht.“ (Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 125)
[62]Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 135.
[63] Es gibt allerdings Rechte, die von einer
natürlichen Person nicht veräußert werden können: „Immer wenn jemand sein Recht
überträgt oder darauf verzichtet, so tut er dies entweder in der Erwägung, daß
im Gegenzug ein Recht auf ihn übetragen werde, oder weil er dadurch ein anderes
Gut zu erlangen hofft. Denn es handelt sich um eine willentliche Handlung, und
Gegenstand der willentlichen Handlungen jedes Menschen ist ein Gut für ihn
selbst. Und deshalb gibt es einige Rechte, die niemand durch Worte oder andere
Zeichen aufgegeben oder übertragen haben kann, da sich diese Auslegung
verbietet. Erstens kann niemand das Recht aufgeben, denen Widerstand zu
leisten, die ihn mit Gewalt angreifen, um ihm das Leben zu nehmen, da nicht
angenommen werden kann, er strebe dadurch nach einem Gut für sich selbst.
Dasselbe gilt für Verletzungen, Ketten und Gefängnis [...].“ (Thomas Hobbes:
Leviathan, a. a. O, S. 101)
[64]Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 66.
[65] Ulrich Weiß: Das philosophische
System von Thomas Hobbes, a. a. O., S. 203.
[66] Für eine detaillierte Auflistung
der Rechte des Souveräns siehe das 18. Kapitel des Leviathan („Von den Rechten der
Souveräne durch Einsetzung“)
[67] Thomas Hobbes,
Leviathan, a. a. O., S. 139.
[68]Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O., S. 139.
[69]Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O., S. 141.
[70]Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O., S. 138.
[71]
Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 157 ff.
[72] Auf diesen Gedanken weist auch
Leo Strauss hin: „ [...]; mit anderen Worten: sie ersetzen freiwillig die an
sich zweckmäßige gegenseitige Furcht durch die dann auch wieder zweckmäßige
Furcht vor einer neutralen, dritten Macht, vor der obersten Gewalt, und sie
ersetzen so eine unbedingte, unübersehbare und unvermeidliche Gefahr – die
Gefahr, die von einem Feinde droht – durch eine bedingte, übersehbare und
vermeidliche Gefahr – nämlich die Gefahr, die nur dem Rechtsbrecher von den
ordentlichen Gerichten droht -.“ (Leo Strauss: Hobbes` politische Wissenschaft,
a. a. O., S. 71)
[73] „Als wenn die Menschen, als sie den Naturzustand
verließen und in die Gesellschaft eintraten, übereingekommen wären, daß alle,
mit Ausnahme eines einzigen, unter dem Zwang von Gesetzen stehen und daß er
allein im Besitz aller Freiheit des Naturzustandes bleiben sollte – die durch
Gewalt noch vergrößert würde und der durch Straflosigkeit alle Zügel gelassen
wären. Dies hieße die Menschen für so töricht halten, daß sie zwar zu verhüten
suchen, was ihnen Marder oder Füchse antun könnten, aber glücklich sind, ja, es
für Sicherheit halten, von Löwen verschlungen zu werden.“, (In: John Locke:
Über die Regierung, Hrsg. Peter Cornelius Mayer-Tasch und Übers. Dorothee
Tidow, Stuttgart 1974, S. 71 (§ 93))
[74]
Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 144.
[75]Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 107.
[76] Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O, S. 165 – Hieraus
folgert Crawford B. Macpherson zu Recht, daß Hobbes Theoretiker einer
„Eigentumsmarktgesellschaft“ ist (Crawford Macpherson, a.a.O., S. 74 ff.).
[77] Thomas Hobbes: Leviathan, a. a. O
, S. 521 – Hier setzt Carl Schmitt mit der Kritik ein, „… die Unterscheidungen
von privat und öffentlich … sind damit in einer Weise eingeführt, daß sich
daraus im Laufe des folgenden Jahrhunderts bis zum liberalen Rechts- und
Verfassungsstaat alles weitere folgerichtig ergeben hat.“ (Carl Schmitt: Der
Leviathan in der Staatslehre des Thomas Hobbes, Hamburg-Wandsbeck 1938,
Neudruck 1982, S. 85). Ein autoritärer Zeuge für die Modernität Hobbes´ auf dem
Weg zum modernen Staat, der die Anlage zur Demokratie auch im Gehäuse des Leviathan sieht und belegt, wobei er sie
zugleich denunziert (s. dazu auch Iring Fetscher: Einleitung, in: Thomas
Hobbes. Leviathan, a. a. O., S. XLVI f.
[78]Thomas Hobbes, Leviathan, a.a.O., S. 254 – In der Literatur wird
verschiedentlich auf Hobbes´ doch vorhandene Verwurzelung in feudalrechtlichen
Oboedienzbeziehungen verwiesen. Meines Erachtens macht die Diktion dieser
Passage ohne weitere Diskussion seine grundsätzlich andere und rein
utilitaristische Begründung der Beziehungen zwischen Untertan und Souverän
deutlich. Hermann Klenner betont in seiner Einführung zum Leviathan, a.a.O., S. XXIX f., die von Hobbes von ihm dort genannte
Rechtfertigung der Soldaten Charles I. mit Blick auf die allerjüngste Zeit und
ihre Staats- Souveränitätsveränderungen.
[79]Harrington, Oceana, Leipzig
1991, S. 21 f.; S. 99
[80] G. W. F. Hegel: Grundlinien der Philosophie des
Rechts oder Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundrisse. Nach der Ausgabe
von Eduard Gans herausgegeben und mit einem Anhang versehen von Hermann
Klenner, Berlin 1981, S. 25, sowie Anmerkungen dazu S. 399 ff.
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