Erschienen in Ausgabe: No 117 (11/2015) | Letzte Änderung: 17.11.15 |
von Anna Zanco-Prestel
Unter dem Motto „Bridges“ – „Brücken“ fanden sowohl der
diesjährige „Europäische Tag Jüdischer Kultur“ als auch die anschließenden
„Jüdischen Kulturtage 2015“, die mit einem vielseitigen Programm den
Kulturherbst am Jakobsplatz belebt haben.
Zu den Höhepunkten der wie immer mit großem Elan von Ellen Presser konzipierten
Veranstaltungsreihe zählte die Lesung von Georg Stefan Troller aus seinem neuen
Buch „Mit meiner Schreibmaschine-Geschichten und Begegnungen“. In seiner
Sammlung aus in „Lettre Internationale“ und „Die Zeit“ erschienenen Essays geht
es um seine Begegnungen mit Zeitgenossen, die er mit viel Mitgefühl und
Selbstironie zugleich skizziert. Illustre Protagonisten der Kulturszene unserer
Tage wie Man Ray oder Groucho Marx, Marlène Dietrich oder Peter Handke
füllen seine Erzählungen und gesellen sich gleichzeitig zu Menschen, die er
noch kaum zu kennen glaubt.
An den siebzigsten Jahrestag der Befreiung des KZ Dachau erinnerte die
deutsch-amerikanische Filmproduktion „Die Befreier“ für die Regie von Emanuel
Rotstein, der seit 2010 Leiter von A+E Networks Germany mit den Sendern HISTORY
und A&E ist. Im Mittelpunkt steht hier das emotionsgeladene Zusammentreffen
in Dachau zwischen dem 87jährigen Shoah-Überlebenden Joshua Kaufman und dem
89jährigen Dan Gillespie, der ihn dort als Soldat der 42. Infanteriedivision
befreite.
Neben einer Dance- Performance mit dem erfolgreichen Duo Jill und Amnon Damti
und einem Film über den Rheinländer Tom Franz, der mit seiner Koch Show
„Masterchef“ im israelischen Fernsehen das Herzen der Israelis wie kaum ein
anderer Deutscher in den letzten 70 Jahren eroberte, fand ein unvergesslicher
Abend mit dem Multitalent Lucian Plessner statt, der Stücke aus der
argentinischen Folklore an der Gitarre spielte.
Abwechselnd las er mit gleicher Einfühlsamkeit aus den Erzählungen von Alberto
Gerchunoff, die vom gemeinsamen Leben der heimischen und jüdischen Gauchos
sprechen und als Gründungstext der jüdisch-lateinamerikanischen Literatur
gelten.
Begleitet wurden die „Jüdischen Kulturtage“ von der Ausstellung „Jüdisches
Bestiarium – Fabelhafte Tiere von A wie Ameise bis Z wie Ziz. “ im Foyer der
IKG am Jakobsplatz. „Bestiarien“, Fabeln, die vom Aussehen und Verhalten
tierischer Lebewesen – sei es reeller wie auch märchenhaft-allegorischen
Ursprungs – inspirieren ließen, hat es überall und zu jeder Zeit gegeben. Im
antiken Ägypten und in Mesopotamien, dank Aesop im alten Griechenland oder
Phädrus in Rom. In der christlichen Welt erfreuten sie sich im 13. und 14. Jht.
größter Beliebtheit. Eine Reihe humorvoller Illustrationen des amerikanischen
Zeichners Mark Podwal erweitert unser Blickfeld um die jüdische Perspektive.
Die Bibel ist – wie man weiß – eine bunte Quelle unzähliger Geschichten, die
von oft unheimlichen Begegnungen zwischen Menschen und Tieren berichten: Eva
und die Schlange, Abraham und das Widder, Jonas und Leviathan. In Podwals
witzig-nachdenklichen Zeichnungen geht es aber nicht allein um biblische
Tiergestalten oder um rituelle Handlungen, sondern auch um die Identifikation
von Juden mit Tieren bei der Namensgebung (Straus, Hirsch, Löw) oder selbst –
diesmal herabwertend - bei antisemitischen Beschimpfungen von Luther bis hin
zur NS-Propaganda.
Powals sensible Striche erzählen uns vom frommen Storch, der Gebetsriemen
geschluckt hat, und sich der Spinne gesellt, die auf Königs David Harfe spielt;
vom Esel, auf dem Abraham „zur Aufopferung Isaaks ritt“ und – laut dem
Propheten Zacharias – eines Tages selbst den „Messias“ tragen wird; vom Schwein
als schwarzer Schatten jener römischen Wölfin dargestellt, die für Juden als
negatives Symbol der Zerstörung gilt, wobei Rom als Inbegriff der Perfidie
durch das Schwein, das am meisten verachtete Tier, versinnbildlicht wird.
Schließlich vom Phoenix, der seine Unsterblichkeit der Weigerung verdankt, die
verbotene Frucht vom Baum der Erkenntnis zu kosten. In Buchform sind die
Zeichnungen in einer eleganten Publikation im Berliner Hentrich & Hentrich-Verlag
erschienen. In einschlägigen Kommentaren des Autors werden die Zeichnungen in
all ihrer Komplexität erläutert: Tiefgründige Texte, die den Band in eine
kleine Kulturgeschichte verwandeln, so lehrreich wie unterhaltend für alle.
Zeichnen ist für Mark Podwal – nach Kafkas Wort – eine „Form des Gebets“. Seit
beinahe drei Jahrzehnten ist er als Künstler an verschiedenen Projekten u.a.
für des Jüdische Museums in Prag und im Ghetto-Museum in Theresienstadt
beteiligt. Als erfolgreicher Buchautor hat er sich einen Namen mit Werken wie
„Zeichnen für Gott“ und „Jerusalem Sky“ gemacht. Gepriesen wurde das
„ökumenische Kinderbuch“, in dem er auf jüdische, christliche und muslimische
Legenden zurückgreift, in The New York Times mit den Worten: „Drei Glauben,
eine Lehre“.
"Jüdisches Bestiarium - Fabelhafte Tiere von A wie Ameise bis Z wie Ziz",
Hentrich & Hentrich Verlag 2015,
Aus dem amerikanischen Englischen von Henriette Schröder
Mit einem Nachwort von Michael Brenner
80 Seiten – 31 s/w Abbildungen € 17, 90
ISBN 978-3-95565-127-5
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