Erschienen in Ausgabe: No 119 (01/2016) | Letzte Änderung: 07.01.16 |
von Michael Lausberg
Mali ist das größte Land Westafrikas mit etwa 90
Prozent Menschen muslimischen Glaubens. Die Mehrheit der Muslime in Mali sind
Sunniten. Der Rest sind Anhänger der christlichen Religion, traditionelle
indigene Religionen oder Atheisten. Die meisten Muslime erkennen die Demokratie
als gültige Staatsform an, die sie als kompatibel mit dem Islam auslegen.
Im 9. Jahrhundert brachten muslimische Berber und
Tuareg-Händler den Glauben des Islam südwärts in Westafrika, wo er auch im
heutigen Mali Fuß fassen konnte. Dort gründeten sich Sufi-Bruderschaften
(Tarika), die politischen und gesellschaftlichen Einfluss besaßen. Städte wie
Timboktu, Gao und Kano wurde internationalen Zentren des islamischen Lernens.
Die Tuareg
sind ein zu den Berbern zählende Gemeinschaft, deren Siedlungsgebiet sich über
die Wüste Sahara und den Sahel erstreckt.[1] Von
den Tuareg werden neben ihrer eigenen Sprache mehrere Verkehrssprachen
gesprochen, von Songhai über Arabisch und Hassania bis Französisch Sie lebten
jahrhundertelang nomadisch im Gebiet der heutigen Staaten Mali, Algerien,
Niger, Libyen und Burkina Faso und zählen heute etwa eineinhalb bis zwei, nach
Eigenangaben bis drei Millionen Menschen. Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts
sind viele inzwischen sesshaft geworden. In den letzten Jahren kam es immer
wieder zu Aufständen der Tuareg, die sich behindert fühlen, ihre
hirtennomadische Lebensweise fortzuführen.
Die bis heute weit verbreitete arabische
Volksetymologie Tawariq bedeutet „von Gott Verstoßene“ und dient dazu,
eine arabische Überlegenheit über die Tuareg auszudrücken.[2] Grund
dafür sind die liberalen religiösen Auffassungen der Tuareg, die von Vertretern
einer strengen muslimischen Doktrin als verwerflich angesehen wird. Der Name
Tuareg hat sich seit der Kolonialzeit im deutschen, frankophonen und
angloamerikanischen Sprachraum eingebürgert. Die Tuareg selbst bezeichnen sich
nicht mit diesem Namen. Die emische Bezeichnung der Tuareg lautet Imushagh
in Mali.[3]
Im 11. Jahrhundert wurden sie von arabischen
Beduinen vom Stamm der Banu Hilal aus dem Fessan vertrieben und sahen sich
abgedrängt in die Gebiete der zentralen Sahara, insbesondere das Tassili
n'Ajjer, Aïr und Ahaggar, wo sie seit dieser Zeit leben.[4]
Insoweit konnten sie sich einer Arabisierung ihrer Kultur (Schrift, Sprache,
Handwerkskultur, matrilineare Sozialstrukturen) entziehen. Gleichwohl
übernahmen sie den Islam.Nach dem Untergang des Songhaireichs im
Zuge des marokkanischen Eroberungskrieges im 16. Jahrhundert drangen die Tuareg
zunehmend auch in die Sahelzone ein und errangen in der Folgezeit unter anderem
die Kontrolle über Timbuktu und das Sultanat Aïr mit Sitz in Agadez.
Die Tuareg mussten immer wieder um das Recht
kämpfen, als freies Volk anerkannt zu werden und nach ihrer Tradition leben zu
dürfen.[5] Im
19. Jahrhundert leisteten sie der vordringenden Kolonialmacht Frankreich in der
Saharazone von Westafrika lange Zeit heftigen Widerstand. Erst 1917 wurde ein
Friedensvertrag geschlossen. Mit dem Ende der französischen Kolonialherrschaft
in Westafrika 1960 wurde das Siedlungsgebiet der Tuareg zwischen den nunmehr
unabhängigen Staaten Mali, Niger und Algerien aufgeteilt, wobei kleinere
Gruppen der Tuareg zudem in Libyen und Burkina Faso leben.[6]
1990 bis 1995 revoltierten die Tuareg in Mali und
Niger aufgrund der Unterdrückung und Ausgrenzung durch die jeweiligen
Regierungen. Ein Führer des Tuareg-Aufstandes war Mano Dayak. Mitte der 1990er
Jahre wurden die Aufstände nach der Unterzeichnung von Friedensverträgen
beendet. 2007 beschuldigte die neu gegründete Tuareg-Rebellengruppe Bewegung
der Nigrer für Gerechtigkeit die Regierung, den Friedensvertrag nicht
einzuhalten.[7] Außerdem fordern sie einen
Anteil des Gewinns aus dem Uranabbau nordwestlich von Agadez für die Tuareg.[8]
Die
bewaffneten Auseinandersetzungen im Norden des Landes führten dazu, dass die
Sicherheitskräfte gravierende Menschenrechtsverletzungen wie außergerichtliche
Hinrichtungen, Geiselnahme und Folter verübten. Bewaffnete Gruppen im Norden
Malis waren für Übergriffe wie z.B. sexuelle Gewalt, vorsätzliche und
willkürliche Tötungen und Körperstrafen verantwortlich. Beide Seiten schrecken
nicht davor zurück, Kindersoldaten. für ihre Zwecke zu rekrutieren.
Die Geschichte
des Islam bei den Tuareg begann bereits zu Lebzeiten des Propheten und
Religionsstifters Mohammed im 7.Jahrhundert. Truppen arabischer Kamelreiter
drangen von der Mittelmeerküste ins Landesinnere vor, um den Islam in Afrika zu
verbreiten. Soweit erforderlich, wurde Waffengewalt eingesetzt. Sie stießen
über den libyschen Fessan und die zentralsaharischen Bergländer vor, bis sie
zur nigrischen Ténéré-Wüste gelangten, nördlich des Tschadsees. Die Ausbreitung
des Islam war maßgeblich von Interesse für das Gelehrtenwissen der arabischen
Händler. Damit war er für die Handelsinteressen bestimmt.[9]
Der Transaharahandel war zu dieser Zeit sehr
wichtig für die Bewohner des Gebietes des heutigen Mali. Seit dem 5.
Jahrhundert kam es durch den Aufstieg des Reiches von Ghana in der westlichen Sahara
zu einem erneuten Aufschwung des Handels. Durch die Entstehung einer sozialen
Oberschicht im Niger-Senegal-Gebiet stieg die Nachfrage nach Luxusgütern aus
dem Norden erheblich an. Die Intensivierung des Handels wurde auch durch den
staatlichen Schutz von Ghana begünstigt.
Im Austausch für das Gold der Wangara lieferten
die nordafrikanischen Händler hauptsächlich Salz aus den Salinen von Taghaza
(Nordmali) und Idschil (Westmauretanien), da Salz im tropischen Westafrika sehr
begehrt war. Endpunkt des Handels im Maghreb war bis ins 11. Jahrhundert Sidschilmasa.
Auf der Bornustraße zwischen dem Tschadsee und Tripolis waren Sklaven seit der
Antike das wichtigste Ausfuhrprodukt. Salz kam in diesem Bereich aus den Oasen
von Bilma und Fachi. Wichtigste Importprodukte aus Nordafrika waren Pferde, Stoffe
und Waffen. Innerhalb der Handelsnetzwerke spielten bis zum 12. Jahrhundert ibaditische
Gruppen aus Nordafrika eine tragende Rolle.
Unter dem Songhaireich stieg Timbuktu ab 1450 am
Niger zum bedeutendsten Handelszentrum in der Sahelzone auf. Es wurde durch die
engen Kontakte mit dem Maghreb auch Zentrum der islamischen Kultur im
westlichen Afrika mit der Kulturstadt Timbuktur. Allerdings wurde das
Songhaireich 1591 durch eine Invasion der aus dem heutigen Marokko stammenden Saadier
zerschlagen.
Insbesondere im 11. Jahrhundert sah sich die
ansässige Bevölkerung einer nachhaltigen Offensive islamisch-kultureller
Überlagerung ausgesetzt.[10]
Ganze Stammesgruppen mit ihren Familien und Herden wanderten in die
Hoheitsgebiete der Berber ein. Viele Bewohner wichen den militarisierten
Eindringlingen aus und verzogen sich in die schwach besiedelten Gebiete der
Sahara. Wo sich der Islam in der Region etablierte, erzeugte die Bevölkerung
großes Sendungsbewusstsein. Dieses Phänomen konnte insbesondere in der
westlichen Sahara beobachtet werden wie das Almoravidenreich in der Zeit von
1046 bis 1147. Im 11.Jahrhundert hatte der Islam die gesamte Westsahara
durchdrungen und die berberischen Stämme unter seinen Einfluss gebracht. Als
Folge des Eindringens wanderten die einheimischen Bevölkerungsgruppen nach
Süden ab und lösten weitere Wanderungsbewegungen aus, die bis heute nicht zum
Stillstand gekommen sind.[11]
Bei den berberischen Vorfahren der heutigen
Tuareg vollzog sich der Prozess der Islamisierung und Arabisierung deutlich
verhaltener. Die Kontakte zu den arabisierten Nomaden waren trotz der
abgeschiedenen und dünn besiedelten Regionen Fessans und der Berge recht eng.
Sie waren offen für die arabischen Kultureinflüsse, was ganz besonders für die
Religion gilt.[12] Sie ließen jedoch eher
gewähren, als dass sie aktiv wurden. Gleichwohl schlichen sich tradierte Kulte
zunehmend aus und verloren sich bei diesem Adaptionsprozess, der noch heute
nicht abgeschlossen ist. Der Forschungsreisende und Ethnograph, Henri Lhote,
der ein Standardwerk über die Tuareg geschrieben hatte, schrieb in einem
Kapitel über die Kel Ahaggar Algeriens und die religiösen Verhältnisse bei den
Sahara-Bewohnern:[13]
„Auch wenn sie sich wie alle Neubekehrten darum
bemühen, alte Glaubensbräuche zu verbergen, ist es doch richtig, daß solche
hier und da zu erkennen sind“
Möglicherweise vermochte der almovaridische Agag
Alemin, der ein berühmter Korangelehrter war und eine schulmeisternde Gruppe um
sich gebildet hatte, der Tuaregschicht der „Inselemen“ (Korangelehrten) eine gewisse
Orientierung zu geben.[14] Das
Vordringen der europäischen Mächte beschleunigte die Islamisierung des
saharisch-sahelischen Raumes. Insbesondere die islamischen Führer boten der
bevorstehenden Kolonialverwaltung die Stirn. Sie organisierten Widerstände, die
ab 1916 in der Ausrufung des Heiligen Krieges gipfelten und den Kaosenaufstand
im Osten sowie den Firhun (Aufstand im Westen) nach sich zogen. Die
daran beteiligten Tuaregführer genießen bis heute legendären Ruhm. Aufgrund
fehlender Geschlossenheit der Tuaregstämme gingen die Kämpfe letztlich
verloren.[15]
Zwar gilt der Koran den Tuareg als „Heiliges
Buch“; dennoch ist nicht zu verkennen, dass mangels arabischer Sprachkenntnisse
der Zugang zum Buch schwer fiel und auch heute noch schwerfällt.[16]
Koranschulen waren und sind Knaben vorbehalten. Deren Besuch ist unregelmäßig,
da viele Tuareg noch nomadische Lebensweisen pflegen. Jahrhunderte alte
Moscheen existieren in Gao, Agadez und Timbuktu, vereinzelt im südlichen
Ahaggar und im Aïr, sie werden aber bei weitem nicht so benutzt wie in anderen
muslimischen Lebensräumen.
Zumeist wird vom Besuch einer Moschee abgesehen.
Stattdessen wird eine Bodenfläche gereinigt, die mit einem Kreis loser Steine
eingefriedet wird. Dieser Ort gilt sodann der religiösen Handlung.[17] Das
Gebet wird unter diesen kargen Umständen in Richtung Mekka verrichtet.
Pilgerfahrten nach Mekka wiederum werden zumeist abgelehnt, da sie als reines
Renommee verstanden werden.
Der Ramadan wird großzügig ausgelegt, oft unter
Hinweis darauf, das Volk habe außerhalb des Fastenmonats bereits zu oft Hunger
zu leiden oder aber dass Tuareg als „Reisende“ (Nomaden) derartiger
Pflichten überhaupt ledig seien. Insgesamt attestieren Wissenschaftler den
Tuareg ein oberflächliches Verhältnis zur Religion des Islam.[18]
Die Tuareg-Gemeinschaft ist bis heute stark
hierarchisch strukturiert. Man unterscheidet eine Nomenklatur, die von den
„Adeligen“ über die „Korangelehrten“, „Vasallen“ und die „Sklaven“ bis hin zu
den „Schmieden“ reicht. Die „Ineslemen“ sind die religiöse Klasse der
Korangelehrten, die sich durch erbrechtliche oder durch taugliche
Studienabschlüsse in diese Position bringen konnten. Ihr Stellenwert ist
vergleichbar mit dem der Adeligen („Noblen“). Sie beschäftigen sich mit der
Exegese des Koran und anderer religiöser Schriften. Praktische Relevanz
offenbart sich in der Festlegung des Termins für den Aufbruch der
Kamelkarawanen, bei Hochzeiten oder Beerdigungen.[19]
Ihren Unterhalt (traditionell Speisen, heute Geld oder Geldwertes wie Ziegen)
verdienen sich die Ineslemen aus dieser Tätigkeit. Weiterhin legen sie ihre
Erfahrungen in Zetteln als Niederschriften fest und beschäftigen sich mit
magischen Formeln; diese wurden oft in Kleidungsstücke eingenäht oder in
Metallbehältern aufbewahrt, die als Halsamulett getragen wurden. Die
Niederschriften befassen sich überdies mit Anleitungen zu Heilzwecken; die
Tinte der Niederschriften wird mit Wasser aufgeweicht und als Trunk dem
Heilsbedürftigen gereicht, der die Texte so gewissermaßen verinnerlichDen
Prozeduren gemeinsam ist, dass sie hoher Geheimhaltung unterliegen. Mittels
Amulett-Briefchen werden auch wertvolle Tiere (insbesondere Kamele) geschützt.
Es gilt den Teufel und dessen negative Kraft (iblis) zu bannen.[20]
Die im Islam verbreiteten Feste werden von den
Tuareg kaum oder mit deutlichen Abweichungen gefeiert. Der Fastenmonat
(Ramadan) wird nicht stringent eingehalten.[21] Kaum
Bedeutung haben Ereignisse wie die Lailat al-Qadr (Nacht der Bestimmung),
das Fest des Fastenbrechens („ʿĪdu l-Fitr“), das Opferfest, die Himmelfahrt
Mohammeds, die Nacht der Vergebung („Lailatu l-Barā'a“), oder das „Jalsa
Salana“ (Fest der spirituellen Erbauung).
Ein Fest, das in der weltweiten islamischen
Bevölkerung regelmäßig nicht gefeiert wird, hat bei den Tuareg jedoch eine
große Bedeutung, der Feiertag Mawlid an-Nabi zu Ehren des Geburtstages
Mohammeds.[22] Bestenfalls finden
Zusammenkünfte statt, um Geschichten und Legenden aus dem Leben des Propheten
zu erzählen oder zu hören. Dabei stehen die Moscheen erleuchtet.
Den Tuareg gilt es als Fest schlechthin. Zu Mitternacht strömen Menschenmengen
aus allen Himmelsrichtungen zu besonderen für das Fest vorgesehenen und
vorbereiteten Kultplätzen. Jeder hat die beste Kleidung seines Repertoires am
Leib. Es wird gesungen und in der Morgendämmerung werdenKamelritte demonstriert.[23]
Ein wichtiges Fest ist das der männlichen
Beschneidung. Die frisch beschnittenen Männer, etwa im Alter von 18 Jahren
erhalten Gesichtsschleier, sodass der Weg in die männliche Geschlechterrolle
und die kulturellen Werte der Bescheidenheit eröffnet sind. Viele Rituale
integrieren islamische und vorislamische Elemente in ihre Symbolik. Dabei
handelt es sich um Verweise auf die matrilineare Linie der Ahnfrauen,
vorislamische Geister, die Erde, Fruchtbarkeit und Menstruation.
Die Weltsicht der Tuareg erlaubt, dass die Seele
(Iman) persönlicher als Geister ist.[24] Die
Seelen Verstorbener sind frei. Tote Seelen können Nachrichten bringen; im
Gegenzug werden Gegenleistungen erbracht, wie Hochzeitsabsprachen. Die Zukunft
könne gelegentlich vorhergesagt werden, wenn auf den Gräbern der Ahnen
geschlafen wird. Vorstellungen über das Jenseits (Paradies) entsprechen denen
des offiziellen Islam.[25]
Besonders geprägt von überlieferten kulturellen
Werten aus der vorislamischen Zeit ist die Stellung der Frau in der
Tuareg-Gesellschaft. Die soziale Bedeutung der Frau weicht von den üblichen
islamischen Traditionen deutlich ab. Frauen genießen enorme
Verhaltensfreiheiten im Umgang mit Männern und engen die Dominanz des
männlichen Geschlechts ein.[26] Die
Frau ist gleichberechtigt und hat keine Rechenschaft darüber abzulegen, wohin
sie geht und was sie tut, solange sie die Fürsorge für die Familie nicht
vernachlässigt. Matrilokalität und deren Vorschriften lassen es zu, sich von
einem ungeliebten Ehemann scheiden zu lassen. Auch können den Mann
benachteiligende Eigentumsrechte treffen.[27]
Allein das Erbrecht wird korangerechter
ausgelegt; so erbt der Sohn grundsätzlich das Doppelte der Tochter. Aber auch
diese Regelungen werden umgangen, indem zu Lebzeiten verschenkt wird.
Verschiedene Güter sind gar nicht übertragbar und können nur genutzt werden
(„ach iddaren“), was den Verbleib in der Familie der Frau bedeutet, soweit auch
hier matrilokale Vorschriften Anwendung finden. Dabei handelte es sich zumeist
um Nutztiere und deren Milch. Der Entzug aus dem Güterkreislauf und dem
Verbleib in der mütterlichen Erblinie, werden diese Tiere auch zum Gegenstand.
Die wahhabitische Rechtsschule ist in Mali stark
vertreten. Dies sind die Anhänger einer
puristisch-traditionalistischen Richtung des sunnitischen Islams, die der hanbalitischen
Rechtsschule folgen. Die Bewegung gründet sich auf die Lehren Muhammad ibn Abd
al-Wahhabs. Die Wahhabiten lehnen den Sufismus, den Kalām und auch alle Formen
des schiitischen Islams ab. Sie wenden sich darüber hinaus auch strikt gegen
Heiligenverehrung, Wallfahrten zu Gräbern und die Feier des Prophetengeburtstags.
Die Anhänger Ibn Abd al-Wahhabs nehmen für sich
in Anspruch, die islamische Lehre authentisch zu vertreten.
Glaubensauffassungen, die mit dem Wahhabismus nicht vereinbar sind, werden von
ihnen in der Regel als unislamisch deklariert. Die meisten Wahhabiten leben
heute in Saudi-Arabien, wo ihre Lehre staatliche Förderung genießt.
Mitte der 1940er Jahre verbreitete sich die
wahhabitische Lehre auch nach Westafrika, wo sie bestimmten bürgerlichen
Schichten, insbesondere Händlern, als „anti-klerikale Ideologie“ zur Brechung
der Macht der Marabouts diente.Wahhabiten wurden zum Beispiel schon in dieser
Zeit als eigene Gruppe in den Netzwerken junger malischer Studenten und Händler
mit Kontakten zum Mittleren Osten sichtbar. 1951 gründeten junge Wahhabiten in Bamako
eine Zweigniederlassung der Gesellschaft der muslimischen jungen Männer.
Wahhabiten traten darüber hinaus in Scharen der Union Culturelle Musulmane
(UCM) bei, als diese 1957 ihren ersten Kongress in Dakar abhielt.
Die wahhabitische Lehre fasste auch schon sehr
früh in der Elfenbeinküste Fuß. 1950 rief Kabiné Diané aus Guinea in Bouaké mit
der Madrasa Sunniyya die erste wahhabitische Schule ins Leben. Sie hatte
zwei Jahre später bereits 354 Schüler.Nach dem Modell der Madrasa
Sunniyya wurde 1958 eine zweite wahhabitische Schule in Adjamé gegründet. Die
Leitung der Madrasa Sunniyya selbst ging 1958 in die Hände von Mory
Moussa Camara aus Mali über, der die Schule in Dar al-Hadith umbenannte. 1962
erhielt die wahhabitische Gemeinde in Abidjan zum ersten Mal eine eigene
Moschee.
Schon im Laufe der 1950er Jahre kam es in verschiedenen
Städten der Elfenbeinküste zwischen den Wahhabiten und den Anhängern der
Marabouts, die die Unterstützung der französischen Kolonialverwaltung hatten,
zu Schlägereien. Der bedeutendste derartige Konflikt ereignete sich 1951/52 in Bouaké,
wo die wahhabitische Gemeinschaft relativ zahlreich war. Weitere Streitigkeiten
ereigneten sich in Gagnoa (1956), Treichville (1958) und Man (1959 bis 1962).
Erneute Konflikte zwischen Wahhabiten und den Vertretern des traditionellen
Islams traten in den 1970er Jahren auf, als sich die Wahhabiten in
verschiedenen Städten, so in Danané und Korhogo, beim Gebet von den anderen
Muslimen absonderten. Ende der 1970er Jahre wurden bei Auseinandersetzungen
auch verschiedene wahhabitische Moscheen zerstört.
Einer der bedeutendsten Könige in Mali war Mansa
Musa (1312-1337), der den Einfluss Malis auf den großen Niger-Stadtstaaten
Timbuktu, Gao und Djenn erweitert. Mansa Musa war ein frommer Muslim und baute
prächtige Moscheen in ganz Mali. Seine mit Gold beladene Pilgerfahrt nach Mekka
machte ihn zu einer historischen Figur auch in der europäischen
Geschichtsschreibung. Unter Mansa Musa wurde Timbuktu einer der wichtigsten
kulturellen Zentren nicht nur Afrikas, sondern der ganzen Welt. Die große
Moschee von Djenné mit ihren Lehmziegeln gilt als ein Höhepunkt der
sudanesisch-sahelischen Architektur in Mali. Die erste Moschee auf dem Gelände
wurde im 13.Jahrhundert erbaut; die aktuelle Struktur stammt aus dem 1907.
Die Moschee ist der Mittelpunkt der Stadt Djenné
im Binnendelta des Niger. Sie zählt zu den berühmtesten Bauwerken Afrikas und
wurde von der UNESCO im Jahr 1988 gemeinsam mit der Altstadt Djennés und
einigen umliegenden Ausgrabungsstätten zum Weltkulturerbe erklärt.
Der Bau der ersten Moschee von Djenné lässt sich
auf die Zeit zwischen 1180 und 1330 eingrenzen. Der Imam der Moschee Es-Sa'di
schrieb 1620, dass im Jahr 1180 der Sultan Koi Kunboro öffentlich zum Islam
übertrat. Anschließend stellte er seinen Palast den Gläubigen zur Verfügung und
ließ ihn zur ersten Großen Moschee von Djenné umbauen. Seine beiden Nachfolger
waren für den Bau der Türme und der Mauer veranwortlich, so dass heute als
Gründungsdatum das Jahr 1240 genannt wird.
Amadu Hammadi Bubu, der Gründer des
Massina-Reichs, ließ das Bauwerk 1834 zerstören und anschließend verfallen. Der
Verfall wurde durch die Lehmbauweise, welche einer ständigen Überprüfung und
Pflege bedarf, beschleunigt. Der Eroberer betrachtete die Moschee als zu üppig
und luxuriös. Der einzige Teil, der vom ursprünglichen Gebäude übrig blieb, ist
die Umfassung mit den Gräbern der lokalen Führer. Die zweite Moschee wurde bis
1896 auf Basis der alten Pläne wieder errichtet, wurde jedoch in einem
bescheideneren Stil gebaut. Sie wurde für die heutige Moschee jedoch wieder
abgerissen, die sich in Größe und Aussehen an der ersten orientiert. Zu diesem
Zeitpunkt war Djenné Teil von Französisch-Westafrika, und die Franzosen
leiteten die Errichtung der Moschee und der nahe gelegenen Madrasa in die Wege
und unterstützten das Vorhaben politisch und finanziell. Der Bau der
derzeitigen Großen Moschee begann 1906 und war wahrscheinlich 1907 oder 1909
abgeschlossen.
Viele Moscheen in Mali erhielten mittlerweile
eine elektrische Verkabelung und sanitäre Einrichtungen. In einigen Fällen
wurden dazu die Oberflächen der Moscheen verkachelt. Dabei wurden das
historische Erscheinungsbild und die strukturelle Integrität der Gebäude
zerstört. Die Moschee von Djenné wurde zwar mit einem Lautsprecher-System
ausgestattet, die Bürger von Djenné widersetzten sich jedoch erfolgreich der
äußeren Modernisierung des Gebäudes.
Die Gebetswand (qibla) der Großen Moschee
ist ostwärts gegen Mekka ausgerichtet. Vor ihr liegt der Marktplatz der Stadt.
Die Quibla wird durch drei große Minarette und achtzehn kleine Kuppeln überragt.
In jedem Minarett führt eine spiralförmige Treppe zum Dach, auf dem eine
konisch geformte Spitze sitzt.
Ein Dach bedeckt das eigentliche Moscheegebäude,
die andere Hälfte der Anlage dient als offene Gebetshalle. Neunzig Holzsäulen
in der inneren Gebetshalle stützen das Dach der Moschee. Die zweite, offene
Gebetshalle liegt im Hof hinter dem überdachten Moscheeteil. Sie ist im Norden,
Süden, Westen von Wänden umgeben, den östlichen Teil schließt der überdachte
Moscheeteil ab. In den Wänden sind Arkaden eingelassen, die den inneren Hof
umziehen. Mehr als 2000 Menschen haben darin Platz.
Die Moschee von Djenné war im Mittelalter eines
der wichtigsten islamischen Zentren. Tausende von Studenten kamen, um hier den
Koran zu studieren. Auch wenn es zahlreiche Moscheen gibt, die älter sind als
die heutige Moschee von Djenné, ist diese Moschee doch eines der wichtigsten
Symbole sowohl der Stadt Djenné als auch des Staates Mali.
In vielen Teilen des Landes wird der Islam nicht
so streng ausgelegt und ist lokalen Gegebenheiten angepasst. Frauen werden im
wirtschaftlichen und politischen Leben eingebunden und müssen in der Regel
keine Schleier tragen. Der Islam in Mali hat mystische Elemente, Verehrung der
Vorfahren und der traditionellen animistischen Überzeugungen absorbiert. Viele
Aspekte der traditionellen Gesellschaft in Mali fördern Normen mit
Demokratieerziehung, einschließlich Toleranz, Vertrauen, Pluralismus, die
Gewaltenteilung und die Rechenschaftspflicht der Regierung gegenüber ihren
Wählern.
Beziehungen zwischen der muslimischen Mehrheit
und die Christen und andere religiösen Minderheiten--einschließlich Praktiker
der traditionellen indigenen Religionen- sind in der Regel als tolerant zu
bezeichnen. Anhänger verschiedener Glaubensrichtungen findet man innerhalb der
Familie. Viele Anhänger einer Religion nehmen an religiöse Zeremonien anderer
Religionen, besonders Hochzeiten, taufen und Beerdigungen teil.
Ausländischen islamischen Prediger herrschen im
Norden, während die Dama, eine regionale islamische Gruppe, Moscheen in Kidal,
Mopti und Bamako unterhält. Die Dawa hat Anhänger unter den Bellah, die einst
die Sklaven der Tuareg-Adligen waren, und auch unter den arbeitslosen
Jugendlichen gewonnen. Die Dawa hat einen starken Einfluss in Kidal, während
die wahhabitischen Bewegung in Timbuktu gewachsen ist.
Im August 2003 gab es ein Konflikt in dem Dorf
Yerere bei dem traditionellewahhabitischen Sunniten angegriffen wurden. Dies ist jedoch eher die
Ausnahme, die meisten religiösen Gruppen sind nicht an einem Alleinvertretungsanspruch
ihrer jeweiligen Religion interessiert.
Ausländische christliche Missionsgruppen mit Sitz
in Europa sind in der in der Entwicklungsarbeit beschäftigt, in erster Linie
mit der Bereitstellung medizinischer Versorgung und Bildung. Diese
Hilfstätigkeiten werden mit dem Werben um den Übertritt zur christlichen
Religion verbunden. Ausländische Missionare können im Land ohne Einmischung der
Regierung ihrem Ziel nachgehen; Muslime und Nichtmuslime können frei
missionieren.
Im Südwesten des Landes haben sich animistische
Traditionen, die vor dem Islam vorherrschend waren, erhalten. Der Mensch soll
im Animismus aus einem Körper und mindestens einer Seele bestehen. Diese
"Seele" ist nicht an den Menschen gebunden, lebt auch nicht in ihm,
sondern in seiner Nähe. Sie ist mit Emotionalität, Willen und Denkvermögen
ausgestattet. Die Seelen sollen den Körper beschützen (insbesondere vor
Attacken böser Geistwesen). Sie beeinflussen zudem die normalen Lebensvorgänge
im menschlichen Körper.
Lebende Verwandte eines Verstorbenen sind für die
Seele des Verstorbenen verantwortlich. Sie müssen sie versorgen, und – viel
wichtiger – sie dürfen den Verstorbenen nicht vergessen. Denn solange an die
Seele eines Verstorbenen gedacht wird, ist sie in einem Zustand persönlicher
Unsterblichkeit. Darum hat die Familie in animistischen Kulturen einen so hohen
Stellenwert. Wenn die Verstorbenen jedoch vergessen werden, dann erlischt die
persönliche Unsterblichkeit, und sie werden somit zu Geistwesen, die keine
Anbindung mehr an die Welt der Ahnen und somit auch nicht mehr an die Menschen
haben. Wenn sie dann den Menschen erscheinen, gibt es niemanden, der sie beim
Namen nennen könnte, und sie können Furcht und Schrecken verbreiten.
Ahnenverehrung und Gräberkult sind sehr wichtig,
denn die Ahnen können der Gemeinschaft helfen oder sie auch strafen. Zu diesen
Ahnen kommt noch eine Galerie von Geistern und Dämonen, von guten Wesen und
bösen Wesen, die durch Opfer, Geruch und Riten gelockt oder vertrieben werden
können. Diese Geisterwelt ist das Erklärungsmuster für viele Phänomene wie
Krankheit, Missernten, Hungersnöte, Unfälle und andere Nöte. Wenn etwas
Derartiges geschieht, wird gefragt, wer die Geistwesen verärgert hat, wer
Gesetze gebrochen hat und damit die Ahnen gegen die Gemeinschaft aufgebracht
hat.
Animistische Gruppen wandeln auf den Gräbern
ihrer Ahnen.Eine Lösung des mystischen Bandes zur Totenwelt (etwa
durch einen Umzug in eine andere Gegend oder Deportation wie im Sklavenhandel)
würde Unglück über ihre Familie und das Leben der Gemeinschaft bringen.
Es gibt Geistwesen, die das Geschehen in der Welt
entscheidend beeinflussen. Diese Geister sind entweder böse oder gut, je
nachdem, wie man sie sich den Menschen gegenüber eingestellt denkt. Geister
sind selbständige Wesen, die keine Beziehung (mehr) zu den Ahnen haben. Ahnen
werden zu Geistern, wenn es niemanden mehr gibt, der den Verstorbenen kannte.
Die wesentlichsten Einflüsse und Wirkungen der jenseitigen auf die diesseitige
Welt haben Geistwesen, die als Ahnengeister gegen ihre lebenden
Verwandtschaftsgruppen Sanktionen verhängen, wenn deren Mitglieder gegen
ethische und soziale Normen verstoßen haben.
Grundsätzlich kann man animistische Kulturen in
zwei Kategorien einteilen: solche mit Ahnenkult und solche, die keinen
besonderen Ahnenkult betreiben. Fundamental anders ist die Art, wie Kulturen
mit der jenseitigen Welt in Kontakt treten.
Im Animismus mit Ahnenkult (vorwiegend in
Kulturen von sesshaften Bodenbauern) sind es Medien, die eine Verbindung mit
der Geisterwelt herstellen. Die Geister werden als „Fortsetzung“ der
Persönlichkeit von verstorbenen Gruppenmitgliedern begriffen. Da es demnach
eine verwandtschaftliche Beziehung zwischen den Ahnengeistern und der sozialen
Gruppe gibt, können die Geistwesen – deren aktive Gegenwart sich im
passiven Medium zeigt – sehr direkt um Hilfe gebeten werden; das Medium wird
„besessen“.Wenn der Kontakt seitens der Menschen gesucht wird, dann
wird eine „Sitzung“ arrangiert, in deren Verlauf man erwartet, dass ein
gutartiges Geistwesen von dem Medium Besitz ergreift, um sich ihm mitzuteilen.
Schamanen und ähnliche Geisterbeschwörer hingegen
gibt es im Animismus ohne Ahnenkult. Geisterbeschwörer sind Vermittler
von Wissen, von dem man voraussetzt, dass es im Jenseits vorhanden ist, und das
als Handlungsanweisung in Krisensituationen aller Art dient.
Die Verfassung sieht für die Religionsfreiheit
vor, und die Regierung respektiert im Allgemeinen dieses Recht in der Praxis.
Es gibt keine Staatsreligion; die Verfassung definiert das Land als einen
säkularer Staat, bekämpft aberreligiöse
Praktiken, die eine Bedrohung für die soziale Stabilität und Frieden sein
könnten.
Familienrecht, Gesetze in Bezug auf Scheidung,
Ehe und Vererbung basieren auf einer Mischung aus lokaler Tradition und
islamischen Recht und Praxis.
Während der Präsidentschaftswahlen im April und
Mai 2002 stattfand, betonte die Regierung und die politischen Parteien die
Säkularität des Staates. Als wenige Tage vor den Wahlen ein radikaler
islamischer Führer die Muslime aufforderte, für ehemalige Premierminister
Modibo Keita zu stimmen, kritisierte der Hohe Rat des Islam, die ranghöchste
islamische Einrichtung des Landes, die Anweisung und warb für eine freie
Entscheidungsfindung.
Im Januar 2002 wurde der Hohe Rat des Islams
geschaffen, um religiöse Angelegenheiten für die gesamte muslimische
Gemeinschaft zu koordinieren und die Qualität der Predigten in Moscheen zu
standardisieren. Alle muslimischen Gruppen erkennen seine Autorität an.
Die afrikanisch
geführte internationale Unterstützungsmission in Mali (AFISMA) war eine Militärmission unter
Führung der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS zur Unterstützung
der Regierung des ihres Mitgliedes Mali gegen islamistische Rebellen im Rahmen
des seit 2012 herrschenden Konfliktes im Norden des Landes.
Am 6. April 2012 erklärten zwei Sprecher der
rebellierenden Tuareg die Unabhängigkeit des Azawad von der Republik Mali. Das
Exekutivkomitee der MNLA bat die internationale Gemeinschaft, ihren Staat
unverzüglich anzuerkennen. Der französische Verteidigungsminister Gérard
Longuet sagte, die Erklärung bedeute nichts, solange andere afrikanische
Staaten die Unabhängigkeit des Gebietes nicht anerkennen. Wenig später
bezeichnete die Afrikanische Union die Unabhängigkeitserklärung der MNLA für
nichtig. nach Catherine Ashton, Sprecherin der EU-Außenbeauftragten hatte die Europäische
Union in der Krise durchgehend deutlich gemacht, dass sie die territoriale Unversehrtheit
Malis respektiere.
Inzwischen hatte sich in Azawad eine Ansar Dine
genannte islamistische Gruppe gebildet, die der Al-Qaida nahesteht. Diese
Gruppe führte die Scharia ein und kämpfte für einen islamischen Staat, während
sich die MNLA für einen religiös neutralen Nationalstaat einsetzte. Frauen
mussten sich verschleiern, des Diebstahls Verdächtige mussten damit rechnen,
dass ihnen die rechte Hand abgehackt wurde. Schon kurz nach der
Unabhängigkeitserklärung brach der Bund zwischen der MNLA und Ansar Dine,
angeführt von Iyad Ag Ghaly, der nach Angaben seiner Anhänger bei einem
Aufenthalt in Pakistan seinen wahren Glauben fand, wegen politischer und
religiöser Differenzen. Islamistische Gruppierungen distanzierten sich
zunehmend von der Unabhängigkeitserklärung der MNLA und vertrieben ihre
ehemaligen Verbündeten aus Timbuktu und anderen Städten der Region. Am
28.Juni 2012 brachte Ansar Dine nach Kidal auch Gao und Timbuktu vollends
unter ihre Kontrolle, vertrieb die MNLA aus den Städten und setzte dort die
Scharia durch.
Im Mai und Juni 2012 zerstörten Mitglieder von
Ansar Dine das zum UNESCO-Welterbe gehörende Mausoleum Sidi Mahmud Ben Amar in
Timbuktu und drohten Anschläge auf weitere Mausoleen an. Ende Juni 2012 wurde
Timbuktu (im Fokus die Lehmmoscheen von Timbuktu) aufgrund des bewaffneten
Konflikts in Mali auf die Rote Liste des bedrohten Weltkulturerbes gesetzt.
Kurz danach wurde die Zerstörung der durch die UNESCO denkmalgeschützten
Grabstätten von Sidi Mahmud, Sidi Moctar und Alpha Moyaunter unter Verhöhnung
der UNESCO fortgesetzt. Im November 2015 tötete Ansar Dine drei Menschen bei
einem Anschlag auf das Lager der Blauhelm-Soldaten in Kidal.
In einer Videobotschaft vom 6. April 2012
erklärte die Ansar Dine, dass sie die Unabhängigkeitserklärung der MNLA nicht
anerkennt. Ziel sei das islamische Recht der Scharia in ganz Mali.
Viele Tuareg werfen der Regierung von Mali vor,
dass sie versucht habe, ihr Volk auszulöschen. Nach Bamako geflohene Nordmalier
demonstrierten dort mehrfach gegen die Abspaltung des Azawad und beabsichtigen,
die Rebellen zu entmachten.Am 8. April 2012 gründete sich die
überwiegend aus ethnischen Arabern aus Timbuktu bestehende Miliz Front de
libération nationale de l'Azawad (FLNA), die nach eigenen Aussagen über 500
Kämpfer verfügt.
Die Mission wurde durch die am 20. Dezember 2012
verabschiedete Resolution 2085 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen
legitimiert, welche einen Einsatz einer afrikanisch geführten internationalen
Unterstützungsmission in Mali für einen Zeitraum von einem Jahr vorhersah. Die
Resolution ermächtigte die Mission der Westafrikanischen Staatengemeinschaft,
„alle notwendigen Mittel“ zu ergreifen, um der Regierung Malis bei der
Rückeroberung des Nordens aus den Händen „terroristischer, extremistischer und
bewaffneter Gruppen“ zu helfen. Die AFISMA wurde am 01. Juli 2013 durch die
United Nations Multidimensional Integrated Stabilization Mission in Mali (MINUSMA)
abgelöst.
Der Vorstoß der islamistischen Rebellen und die
anschließenden französische Intervention 2012 hatten Konsequenzen. Anfang
Januar 2013 kündigte der Präsident der ECOWAS, Alassane Ouattara, am 11. Januar
2013 an, gemäß der UN-Resolution 2085 innerhalb kürzester Zeit die geplante
Entsendung der 3300 Soldaten umfassenden Eingreiftruppe einzuleiten. An diesem
Einsatz beteiligten sich Soldaten aus Senegal, Nigeria, Niger, Burkina Faso,
Ghana, Elfenbeinküste, Guinea, Togo und Benin.
Zunächst gab es Probleme bei der Finanzierung des
Militäreinsatzes. Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft schätzte die
Kosten der Unterstützungsmission auf 375 Millionen, fast doppelt so teuer wie
erwartet. Die Europäische Union sagte 50 Millionen Euro als finanzielle
Unterstützung zu.
Am 28. Februar 2013 entschied sich der Deutsche
Bundestag auf Bitten Frankreichs dafür, seinem Partnerland die Bereitstellung
von Lufttransportkapazitäten sowie Luftbetankung für die französischen
Streitkräfte bereitzustellen und ihn in seinem Kampf gegen die Rebellen
logistisch zu unterstützen. Dazu wurde ein Kontingent mit einem Airbus A-310
MRTT und drei C-160 Transall sowie dem notwendigen Unterstützungs- und
Bodenpersonal bereitgestellt.
Die Opération
Serval war eine Intervention der französischen Streitkräfte in Mali auf
Anfrage der dortigen Regierung. Die Vereinten Nationen billigten dieses
Vorgehen mit der Resolution 2085 des UN-Sicherheitsrates vom 20. Dezember 2012.
Das offizielle Ziel der Operation war es, die malische Armee beim Aufhalten,
Zurückdrängen und Ausschalten militanter Islamisten aus dem Azawad, welche
einen Vorstoß in das Zentrum des Landes begonnen hatten, zu unterstützen.
Außerdem sollte durch die Operation die Sicherheit von ca. 6.000 französischen
Zivilisten, die sich im Land aufhielten, gewährleistet werden. Von der
unsicheren Lage in Mali waren zudem die wirtschaftlichen Interessen Frankreichs
betroffen, da Mali und das Nachbarland Niger über wichtige Bodenschätze
verfügen, die von französischen Firmen seit längerer Zeit ausgebeutet werden.
Nachdem es im Januar 2012 infolge des
Bürgerkrieges in Libyen zu verstärkten Waffenlieferungen nach Mali gekommen
war, begannen Stammesangehörige der Tuareg von der Nationalen Bewegung für die
Befreiung des Azawad (MNLA) eine Rebellion gegen die malische Regierung.
Im April 2012 beendete die Offensive gegen die
Regierung und erklärte die Unabhängigkeit von Azawad. Im Juni 2012 jedoch
geriet die MNLA in Konflikt mit den islamistischen Gruppierungen Ansar Dine und
Bewegung für Einheit und Dschihad in Westafrika (MUJAO), nachdem die Islamisten
mit der zwangsweisen Einführung der Scharia in Azawad begonnen hatten. Bis zum
17. Juli 2012 hatten MUJAO und Ansar Dine die MNLA gewaltsam aus allen
bedeutenden Städten verdrängt. Am 1. September 2012 wurde Douentza, eine Stadt
in der Region Mopti unter der Kontrolle der Ganda-Iso-Miliz, von der MUJAO
eingenommen.Am 28. November 2012 vertrieb die Ansar Dine die MNLA
aus Léré, einer Kleinstadt im Kreis Niafunké in der Region Timbuktu.
Diese Entwicklungen führten dazu, dass sich der
Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in seiner Sitzung am 20. Dezember 2012
der Situation in Mali. beschäftigte, was letztendlich zur Resolution 2085 führte, die eine
afrikanisch geführte internationale Unterstützungsmission in Mali legitimierte.
Die Situation der malischen Armee nach mehreren
Monaten militärischer Auseinandersetzungen mit den Rebellen verschlechterte
sich immer weiter. Den Rebellen gelang es Ende Januar, die Kleinstadt Konna
einzunehmen. Sie bewegten sich anschließend in Richtung der strategisch
wichtigen Großstadt Mopti, die den Zugang zur Hauptstadt Bamako ermöglicht.
Daraufhin richtete der Präsident der malischen Übergangsregierung, Dioncounda
Traoré, ein offizielles Gesuch um militärische Unterstützung zur Verhinderung
der jihadistischen Offensive an Frankreich. Als Folge der französischen
Kolonialpolitik in Westafrika, die bis in die 1960er Jahre andauerte, war Mali,
nicht zuletzt durch die gemeinsame Sprache, stark von der ehemaligen
Kolonialmacht und den ebenfalls französischsprachigen Nachbarländern geprägt
und auch jetzt noch durch die Rekolonialisierungspolitik Frankreich
wirtschaftlich abhängig.
Der französische Staatspräsident François
Hollande gab seine Zustimmung, so dass die französische Armee in Mali seit dem
Nachmittag des 11. Januar 2013 interveniert. Es war der erste Auslandseinsatz
französischer Truppen seit der Amtseinführung Hollandes im Mai 2012. Ziel sei
es, die Regierungstruppen von Mali im Kampf gegen „terroristische Elemente“ zu
unterstützen. Am 15. Januar erklärte Hollande auf einer Pressekonferenz in
Dubai, dass die französischen Truppen Mali erst verlassen und die Operation
beenden würden, wenn Mali sicher sei sowie eine legitime Ordnung und einen
Wahlprozess habe. Außerdem dürften die Terroristen die territoriale Integrität
von Mali nicht mehr gefährden.
Hollande nannte drei Hauptziele der Operation:
·Stopp des terroristischen Angriffs,
·Sicherung von Bamako und der dort lebenden
mehreren tausend französischen Staatsbürger,
Mali mit Hilfe der von den Franzosen
unterstützten AFISMA in die Lage zu versetzen, seine territoriale Integrität
wiederherzustellen.
Die militärischen Interventionen sind auch durch
die zahlreichen Rohstoffvorkommen in Mali zu erklären. Der dortige Bergbau ein
relativ junger Wirtschaftszweig. Die ersten Explorationen wurden in den 1980er
Jahren durchgeführt, in den 1990er Jahren begann die stürmische Entwicklung der
Goldgewinnung. Heute ist Mali der drittgrößte Goldproduzent Afrikas nach
Südafrika und Ghana. Jährlich werden bis zu 50 Tonnen Gold gewonnen (10%
davon von zahlreichen nicht-industriellen Goldschürfern); die Reserven werden
auf 800 Tonnen geschätzt. Neben Gold lagern weitere Rohstoffe im Boden, dazu
gehören geschätzte 20 Millionen Tonnen Phosphate, 40 Millionen Tonnen Kalk, 53
Millionen Tonnen Steinsalz, 1,2 Milliarden Tonnen Bauxit, 2 Milliarden Tonnen Eisenerz,
10 Millionen Tonnen Mangan, 10 Milliarden Tonnen Ölschiefer, 60 Millionen
Tonnen Marmor, 5000 Tonnen Uran und 1,7 Millionen Tonnen Blei und Zink.
Aufgrund schlechter Infrastruktur und Energieversorgung sind diese Rohstoffe
bislang zwar geologisch erfasst, aber nicht erschlossen.
Die Dominanz des Goldbergbaus wird durch die
Anzahl der erteilten Lizenzen demonstriert: im Jahr 2011 gab es 251
Explorationslizenzen und neun Abbaulizenzen für Gold, jedoch nur 32
Explorationslizenzen und zwei Abbaulizenzen für alle anderen Rohstoffe
gemeinsam.Der Goldabbau steuert 25% des Staatshaushaltes und 7% des
Bruttoinlandsproduktes bei.Die wichtigsten Minen wie Sadiola, Yatela, Morila
oder Syama gehören mehrheitlich ausländischen Gesellschaften wie Anglogold
Ashanti, Iamgold oder Randgold Resources, lediglich das Unternehmen Wassoul’Or,
Betreiber der Kodieran-Goldmine, ist überwiegend in malischem Besitz.
Den Minenbetreibern wird vorgeworfen, Umwelt und
Lebensgrundlage der Bevölkerung zu zerstören, Arbeitskräfte auszubeuten, den
Dorfgemeinschaften jedoch keine Vorteile zu bringen.In der Tat
hatten 2011 alle Bergbauunternehmen gemeinsam weniger als 10.000 Arbeitsplätze
geschaffen. Vor diesem Hintergrund ist die Ankündigung zu sehen, dass eine
Änderung des Bergbaugesetzes den Staatsanteil erhöhen und das Mitspracherecht
der lokalen Gemeindeverwaltungen ausdehnen soll.
[1] Forkl, H./Kalter, J./Leisten,
T./Pavaloi, M. (Hrsg.): Die Gärten des Islam, London/Stuttgart 1993, S. 271
[2] Ebd.
[3] Ebd., S. 272
[4] Ebd., S. 110
[5]
Kaufmann, H.: Wirtschafts- und
Sozialstruktur der Iforas-Tuareg, Köln 1964, S. 16
[6] Ebd., S. 19
[7] Ebd., S. 36
[8]
Krings, T. Sahelländer, Darmstadt
2006, S. 56
[9] Ebd.,
S. 32
[10] Ebd., S. 34
[11] Forkl/Kalter/
Leisten/Pavaloi, Die Gärten des Islam,
a.a.O., S. 274
[12]
Nicolaisen, Economy and Culture of the
Pastoral Tuareg, a.a.O., S. 89
[13]
Zitiert aus Lhote, H.: Les Touaregs du
Hoggar, Paris 1955, S. 46
[14] Forkl/Kalter/
Leisten/Pavaloi, Die Gärten des Islam,
a.a.O., S. 274
[15]
Nicolaisen, Economy and Culture of the
Pastoral Tuareg, a.a.O., S. 89
[16]
Hureiki, J.: Tuareg - Heilkunst und
spirituelles Gleichgewicht, Schwülper 2004, S. 26
[17] Freitag,
A., Die Tuareg. Ein Wüstenvolk
zwischen Gott und Geistern, S. 11
[18] Forkl/Kalter/
Leisten/Pavaloi, Die Gärten des Islam,
a.a.O., S. 274
[19] Ebd., S. 272
[20] Ebd., S.
274
[21] Ebd., S.
276
[22] Freitag, Die Tuareg. Ein Wüstenvolk zwischen Gott und
Geistern, a.a.O., S. 12
[23] Forkl/Kalter/
Leisten/Pavaloi, Die Gärten des Islam,
a.a.O., S. 274
[24] Nicolaisen, J.: Economy and Culture of the Pastoral Tuareg,
Kopenhagen 1963, S. 124
[25] Ebd., S. 125f
[26] Köhler,
A.: Verfassung, Soziale Gliederung,
Recht und Wirtschaft der Tuareg, Berlin 1972, S. 26 ff.
[27] Krings, Sahelländer, a.a.O., S. 265
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