Erschienen in Ausgabe: No 120 (02/2016) | Letzte Änderung: 11.02.16 |
von Stefan Groß
Nachhaltigkeit ist derzeit in allen Medien
ein Schlagwort! Sie unterscheiden zwischen falscher Nachhaltigkeit und
Nachhaltigkeit, können Sie dies erklären?
Dieser vielzitierte Ansatz der Nachhaltigkeit ist nicht neu: Hans-Carl von
Carlowitz verwendete in einer Publikation aus dem Jahre 1713 den Begriff der
„nachhaltigen Nutzung“ der Wälder nachweislich zum ersten Mal. Das bedeutet aus
der Natur zu lernen und verantwortungsvoll mit dem Blick auf künftige
Generationen zu wirtschaften. Nachhaltigkeit entstand und gilt bis heute als
individuelles ökonomisches Modell im ländlichen Raum zur langfristigen
Sicherung der Lebens- und Produktionsgrundlagen.
Wenn dieses
Prinzip der Nachhaltigkeit, eingebettet in ein gesundes, nicht auf die schnelle
Gewinnmitnahme ausgerichtetes Wertesystem, durch die Generationen weitergegeben
wird in stetiger Obsorge für unsere Natur – auch als Produktions- und
Lebensgrundlage - , dann profitieren einerseits die nachhaltig Wirtschaftenden
stetig von der Vorsorge Ihrer Vorväter. Andererseits stehen sie selbst ihren
Kindern und Kindeskindern gegenüber in der Pflicht. Das Fundament für dieses
Handeln ist das Eigentum, die Eigenverantwortlichkeit und ein freiheitlicher
Handlungsrahmen, der die Obsorge für die nächste Generation ermöglicht. Alles,
was diesen zwingenden Prinzipien widerspricht, ist meist nicht nachhaltig,
sondern bedient sich dieses Etiketts. Das verstehe ich unter falscher
Nachhaltigkeit.
Sie sprechen immer von „Wald als Waffe“, was haben wir darunter zu
verstehen?
Viele Akteure versuchen die Bedeutungshoheit über den Wald und seine Nutzung zu
erhalten. Oft stehen dahinter keine Sachinteressen, sondern ideologische
Denkmuster, die den „Wald“ zu einem Schlachtfeld für politische Zwecke
missbrauchen. Im Kampf um mediale Aufmerksamkeit sind Alarmismus und Polemik an
der Tagesordnung. Der „Wald“ dient hier meist nur als Mittel zum Zweck. Das
merkt man vor allem daran, wenn die Bereitschaft fehlt, sich mit den eigentlich
Betroffenen – also den Waldbesitzern und Förstern – an einen Tisch zu setzen
und einen Konsens zu finden, der für alle tragbar ist.
„Wald als Waffe“ hat jedoch auch noch eine andere – positive – Bedeutung. Denn
gerade in Zeiten der Energiewende ist Wald eine echte Allzweckwaffe. Nachhaltig
erwirtschaftetes Holz ist eine der intelligentesten Ressourcen, die wir haben.
Die Ressource Öl wird bald verbraucht sein. Welche Rolle könnte der Wald in der
Zukunft bei der Ressourcenverteilung spielen?
In Deutschland entfallen derzeit rund 60 Prozent der Holzverwendung auf die
stoffliche und rund 40 Prozent auf die energetische Nutzung. Damit ist Holz als
Roh- und Werkstoff zwar unterrepräsentiert, spielt aber bereits jetzt eine
große – in Zukunft noch größere – Rolle. Gerade bei der Substitution anderer
Wertstoffe kommt Holz inzwischen eine wachsende Bedeutung zu. Die
Anwendungspalette von Holz ist gigantisch und die zukünftigen Einsatzbereiche
des Rohstoffes werden die heutigen in ihrer ökonomischen und ökologischen
Wirkung noch um ein Vielfaches übertreffen.
Angefangen bei der stofflichen und thermischen Verwertung, aber auch in der
Chemieindustrie und im Pharmabereich ist Holz als Ölsubstitut zunehmend
gefragt. Für den Energiemix ist Holz insbesondere wegen seiner Grundlasttauglichkeit
relevant. Es hat hervorragende Eigenschaften bei der stofflichen Verwertung.
Auch in Erwartung weiter steigender Preise für fossile Energien (Heizöl,
Erdgas) verzeichnet Holz einen spürbaren Verbrauchszuwachs. Mit über 60 Prozent
leistet Biomasse den größten Beitrag zur Endenergie aus regenerativen Quellen.
Gerade zum Heizen wird sie genutzt – rund 87 Prozent der regenerativen Wärme
kommt von der Biomasse, vor allem vom Holz. Dazu ist Holz ein natürlicher
Werkstoff, Kohlenstoffspeicher und Co2-neutraler sowie nachwachsender
Energieträger.
Warum ist Holz die effizienteste Lösung für das Klimaproblem?
Im Rahmen der Energiewende gewinnt der heimische Rohstoff Holz eine immer
wichtigere Rolle als Teil der „Green Economy“. Holz bietet im Vergleich zu
seinen Mitbewerbern Vorteile und ein Potenzial, welches tatsächlich zur
Effizienzsteigerung, zum Rohstoffwandel und zu einer nachhaltigen
gesellschaftlichen Entwicklung beitragen kann! Es gibt keine Technologie und
keinen Rohstoff, der die Bereiche CO2-Senke, -Speicher und -Substitution in
dieser einzigartigen Weise verbinden kann. Und das vor unserer Haustür: Der
Wald in Deutschland entlastet die Atmosphäre jährlich um rund 52 Millionen
Tonnen Kohlendioxid. Diese Leistungsbilanz ist nicht zu übertreffen.
Weshalb wird bei der Rede von Erneuerbaren Energien immer nur Wasser, Wind
und Sonne gesprochen, und das Thema Holz eher beiläufig behandelt?
Bei den erneuerbaren Energien redet ganz Deutschland von Wind, Wasser und
Sonne. Der große Teil der erneuerbaren Energien stammt jedoch aus Biomasse.
Warum diese Tatsache von der Politik beflissentlich übersehen wird, lässt
Ursachen nur erahnen. Unser Problem ist wahrscheinlich, dass wir im Lobbychor
der stimmgewaltigen vier großen Stromproduzenten nicht gehört werden. Das muss
und wird sich aber ändern.
Was haben wir unter Bioökonomie zu
verstehen?
Die ökonomische Produktion und das Denken auf Basis der Nachhaltigkeit unter
Heranziehung nachwachsender Ressourcen. Da unsere Ressourcen auf der ganzen
Welt bei einer stetig wachsenden Weltbevölkerung immer knapper werden, ist
diese Art des nachhaltigen Wirtschaftens unerlässlich – und zwar weltweit.
Warum sind Nutzungsverzichte zugunsten der Biodiversität unmoralisch,
Greenpeace argumentiert anders?
Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Die Stilllegung von 5 Prozent unserer Wälder -
eine Forderung aus der Biodiversitätsstrategie der Bundesregierung - bedeutet
einen Verzicht von 3 bis 7 Millionen Festmetern jährlich. Außerdem bedeutet der
Verzicht auf 5 Prozent: Wir schicken 45.000 Beschäftigte auf die Straße. Von
Seiten des Naturschutzes wird das Leitbild und gesellschaftspolitische Ziel der
multifunktionalen, nachhaltigen Forstwirtschaft immer stärker angezweifelt und
zunehmend eine Trennung der Waldfunktionen gefordert.
Eine Abkehr von der Multifunktionalität, von der auf drei Säulen ruhenden
Nachhaltigkeit, hätte Folgen, die wir benennen müssen. Denn hier geht es nicht
nur um blinden Aktionismus zur Spendenakquise sog. Umweltverbände. Das ist
geschäftstüchtig und legitim. Hier wird ein gesellschaftspolitisches Prinzip in
Frage gestellt, dass - aus der Forstwirtschaft kommend - ein möglicher Pfad in
eine erträgliche Zukunft wäre. Wir müssen all jene, die diese absurden
Forderungen stellen, darauf hinweisen, dass es unverantwortlich ist, durch
Nutzungsverzichte hier in Europa die Holzproduktion in andere Gebiete unserer
Erde zu verlagern, die nachweisbar nicht nachhaltig bewirtschaftet werden. Mit
jedem Festmeter, auf den wir hier verzichten, wächst der Druck auf die
Vernichtung der Primärwälder. Wenn wir heute in Deutschland auf 5 Millionen
Festmeter aus einer luxusbegründeten Ideologie heraus verzichten wollen, dann
kommt das Holz morgen aus Togo, Indonesien oder Brasilien. So erschreckend
einfach ist das.
Was können die deutschen Waldbesitzer (2 Millionen an der Zahl, eine Lobby
von mehr als vier Millionen Bundesbürgern) gegen den Klimawandel tun?
Der Wald ist beim Klimawandel Opfer und Retter zugleich. Keine Ressource, keine
Technologie, kein Rohstoff birgt so viel Potential und ist gleichzeitig so
betroffen.
Die nachhaltige Bewirtschaftung unserer Wälder und die Bereitstellung des
Klimajokers Holz ist bereits der beste Beitrag, den wir als Waldbesitzer gegen
den Klimawandel leisten können. Doch gleichzeitig bekommen wir die Auswirkungen
des Klimawandels zu spüren, unsere Forstwirtschaft wird risikoreicher. Daher
benötigen wir vitale Mischwälder mit standortangepassten, marktorientierten
Baumarten. Es geht hier um größtmögliche Flexibilität in der Bewirtschaftung und
Risikostreuung. Die ökologische Verantwortung und das ökonomische Risiko liegen
nach wie vor beim Eigentümer.
Warum ist Eigentum ein Fundamt für die Nachhaltigkeit?
Das ist wohl der wichtigste Aspekt.
Nachhaltiges
Wirtschaften, das Denken in Generationen in einer freien und demokratischen
Gesellschaft braucht das Eigentum und die Freiheit als Fundament.
Eigentum ist weit mehr als Besitz, mehr als nur ein Recht.
Eigentum ist die ökonomische Grundlage individueller Freiheit, die sich in
unserer Gesellschaft auch dadurch rechtfertigt, dass aus der Leistung des
Eigentums Gemeinwohlleistungen erwachsen. Das darf man nie vergessen.
Ich darf an dieser Stelle aber auch darauf hinweisen, dass viele Menschen das
längst verdrängt haben. Die Diskussionen um Erbschaftssteuer, Vermögensteuer,
usw. zeugen täglich davon. Merkwürdigerweise vergisst man dabei, dass Freiheit
individuelle Selbstverantwortung ermöglicht und diese Mündigkeit einen
kategorischen Imperativ fordert, dessen Maßstäbe sich verallgemeinern lassen
und die unsere Gesellschaft stützen.
Mit anderen Worten: Die Freiheit Eigentum zu erwerben, zu halten und vor allem
frei zu vererben, motiviert uns Waldbesitzer, Leistung, Engagement und einen
nachhaltigen Lebensstil an unsere Gesellschaft zurück zu geben.
Nachhaltigkeit zwingt uns aber auch zum täglichen Verzicht, zu einer
gesellschafts- und schöpfungsbejahenden Lebens- und Betrachtungsweise.
Die Wende zur Nachhaltigkeit ist eine Rückbesinnung auf Werte, die in der
momentanen Entwicklung leicht zu einer gesellschaftlichen Grundsatzdebatte
führen könnte und müsste. Nachhaltigkeit wird sich nicht in der Anonymität der
Digital Natives umsetzen lassen. Die kollektive Flucht aus der Verantwortung
und hinein in den Lebensraum freibeuterischer digitaler Lebensräume ist in
meinen Augen eine Sackgasse.
Nachhaltiger Waldnutzen ist gelebter Generationenvertrag.
Unserem Wald kommen dabei mehr Aufgaben zu als bloßer Rekonvaleszenzraum einer
fehlgeleiteten urbanen Schutztruppe.
Das haben er und unsere Gesellschaft nicht verdient!
Fragen: Dr. Dr. Stefan Groß
Der Text erschien im The European
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