Erschienen in Ausgabe: No 121 (03/2016) | Letzte Änderung: 02.03.16 |
von Michael Lausberg
Zeitalter der Aufklärung
Immanuel Kant formulierte zur Aufklärung folgende Leitsätze:[1] „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen
aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen,
sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.
Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am
Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich
seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut dich
deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“
Das Zeitalter der Aufklärung war ein Zeitabschnitt zwischen
dem 17. und 18. Jahrhundert, der durch bestimmte Ideen und geistige
Entwicklungen geprägt war. Die Aufklärung ging zunächst von England,
Frankreich, den Niederlanden und später auch von Deutschland aus und gelangte
anschließend nach Nordamerika. In Deutschland wirkte die Bewegung der
Aufklärung vor allem im Zeitraum zwischen 1720 und 1800.
Die Aufklärungsdiskussion ab 1650 nahm Vorstellungen des
Renaissance-Humanismus und der Reformation zwischen 1480 und 1550 auf, die das
Mittelalter als vergangene Epoche definierten und von der Gegenwart eine
Neuausrichtung in Form einer Wiederbelebung der Antike forderten, um dem
Mittelalter zu entrinnen. Der Lichtmetaphorik bezüglich des „finsteren“
Mittelalters entsprach nun kontrastierend ein „helleres“ Zeitalter.
Allgemein versteht man unter dem Begriff
"Aufklärung" das Vorhaben, durch Wissen und neue Erkenntnisse Antworten
auf Fragen zu finden und Zweifel, Vorurteile oder falsche Annahmen auszuräumen.
Im Zeitalter der Aufklärung wurde die menschliche Vernunft zum Maßstab eines
jeden Handelns erklärt: Wie bereits erwähnt, war einer der Grundsätze der
Aufklärung, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen - lediglich das, was
durch ihn erfasst und erklärt werden konnte, wurde als Grundlage und Maß für
Entscheidungen und Handlungen anerkannt. Man spricht auch von der
philosophischen Strömung desRationalismus.
Der Begriff Aufklärung fasste verschiedene geistige, soziale
und kulturelle Strömungen zusammen. Die Gemeinsamkeit dieser Strömungen bestand
in der Kritik am absoluten Wahrheitsanspruch der Offenbarungsreligionen und an
den absoluten Monarchien.
Man war bestrebt, sich von alten Denkweisen und früheren
Vorstellungen zu befreien. Die Menschen sollten - anders als früher - ihren
Kopf benutzen und nichts als gegeben hinnehmen, ohne es mittels der Vernunft zu
hinterfragen. Dies richtete sich vor allem gegen blinden Gehorsam gegenüber der
Kirche und anderen Obrigkeiten, gegen Vorurteile und Aberglauben. In den Augen
der Aufklärer war allein der Verstand in der Lage, die Wahrheit ans Licht zu
bringen und Vernunft und Freiheit das richtige Mittel, um die Menschen von
Unterdrückung und Armut zu erlösen.
Die weitere Verbreitung aufklärerischer Staatsideen auch
jenseits ihres geschichtlichen Entstehungszusammenhangs ist für die
Ausgestaltung der modernen Staatenwelt anhaltend bedeutsam geblieben. Dies
zeigt sich sowohl bei der Errichtung demokratischer Systeme auf
einzelstaatlicher und zwischenstaatlicher Ebene, so in der Europäischen Union
und in den Vereinten Nationen, als auch zum Beispiel in der Forderung nach
weltweiter Garantie der Menschenrechte.
Ein wichtiger Faktor war dabei die Bildung, denn ein Spruch,
den wir heute noch kennen, war ebenfalls einer der Leitsätze der Aufklärung:
"Wissen ist Macht". Dieser Satz wurde vom englischen Philosophen
Francis Bacon geprägt und bedeutet, dass es einem Menschen erst durch Bildung
und Wissen ermöglicht wird, seinen Verstand zu benutzen und eine eigenständige
und unabhängige Person zu werden. Bildung und Wissenschaft sollten gefördert
und vor allem in allen Schichten der Bevölkerung verbreitet werden. Die
Aufklärer wollten Freiheit und Gleichheit für die Menschen sowie Toleranz
gegenüber anderen Religionen - eine Forderung, die in der damaligen
Gesellschaft äußerst neuartig und einschneidend war.
Eine geschlossene Theorie der Aufklärung gibt es nicht. Eher
wurden Theorien der Aufklärung zwischen Gruppen, die das Wort für sich
beanspruchten, sich von ihm distanzierten oder einander das Recht absprachen,
in der Tradition der Aufklärung zu stehen, diskutiert. Grundgedanken wie die
Gleichheit und Brüderlichkeit aller Menschen, wie sie in die Verfassung der
Vereinigten Staaten einflossen, wurden von einzelnen Aufklärern wie Edmund
Burke oder Moses Mendelssohn kritisch betrachtet.
An den Humanismus anknüpfend brachte in der philosophischen
Auseinandersetzung zuerst der Rationalismus angeführt von Spinoza und Leibniz
neue Denktheorien hervor. Das bis dahin hegemoniale System von den angeborenen
Ideen von Descartes wurde vom Empirismus (Locke, Hume), die Abhängigkeit allen
Wissens von der sinnlichen Erfahrung, kritisiert.[2]
Der Ruf nach Freiheit, Gleichheit und Demokratie war deshalb
so bahnbrechend und gewagt, weil die damalige Herrschaftsform der Absolutismus
war. Das bedeutet, dass es eine Person gab, die ohne Einschränkung und
Einmischung von außen herrschte. Die Gesellschaft war in Stände gegliedert -
war man einem Stand zugehörig, war es so gut wie unmöglich, Mitglied eines
anderen Standes zu werden.
Die Ständegesellschaft teilte sich auf in Klerus (alle
Geistlichen und Kirchenvertreter), Adel (gleichgültig, ob man höher oder
niedriger gestellter Adeliger war) sowie Bürger und Bauern. Ganz oben in der
Ständeordnung standen beim Klerus Bischöfe und Papst, beim Adel standen die
Fürsten, der König oder der Kaiser an der Spitze. Sie herrschten über den
dritten Stand, zu dem der Großteil der Bevölkerung gehörte. Diese Ständeordnung
sahen die Menschen damals als eine von Gott gegebene Ordnung an. Sie galt als
unumstößlich, jeder Mensch hatte seinen festen Platz.
Im 18. Jahrhundert wurde langsam Kritik an diesem System
laut, in dem Bürger und Bauern kaum Rechte hatten und trotzdem eine große Last
tragen mussten. Besonders die Bauern hatten es schwer, denn neben den Steuern
an den Staat mussten sie auch noch Abgaben an die Grundherren leisten, deren
Land sie nutzten. Die Kritik an der alten Ständeordnung kam vor allem aus dem
Bürgertum, besonders von Gelehrten. Aber auch einige Adlige fanden Gefallen an
den aufklärerischen Gedanken.
Zuerst trafen sich die Aufklärer nur im kleinen Kreis, aber
nach und nach wurden die Ideen weiter verbreitet. Es wurden Lesegesellschaften
gebildet, Philosophen begannen, an den Universitäten die Grundsätze der
Aufklärung zu lehren und über die Kunst wollte man schließlich die breite
Bevölkerung erreichen. Vorher war es gang und gäbe gewesen, dass Schriftsteller
ihre Aufträge von Adligen oder von der Kirche erhielten, jetzt war es plötzlich
anders: Wie auch heute üblich, begannen die Autoren und Dichter, für Verleger
zu schreiben, die wiederum die Bücher und Schriften an andere Menschen
verkauften.
Der Staatstheoretiker Montesquieu ist besonders
hervorzuheben. Die Grundlage für seine Staatstheorie bildete seine 1734
erschienene Studie über Aufstieg und Fall des Römischen Reiches.[3] Anders als die christliche
Geschichtsphilosophie, die den Niedergang des Römischen Reiches als das Werk
göttlicher Vorsehung betrachtet hatte, wollte Montesquieu eine auf natürlichen
Gesetzlichkeiten beruhende Erklärung für die geschichtlichen Abläufe finden und
hatte daher nach den anthropologischen, ökologischen, ökonomischen, sozialen
und kulturellen Bedingungen der politischen Entwicklungen gefragt.
Diese Einsichten formte er in seinem Hauptwerk Vom Geist der
Gesetze (1748) zu einer Staats- und Gesellschaftstheorie aus: Er versuchte, die
bestimmenden äußerlichen und vor allem mentalen Faktoren zu finden, gemäß derer
einzelne Staaten ihr jeweiliges Regierungs- und Rechtssystem entwickelt haben.
Aus diesen Faktoren ergibt sich der „allgemeine Geist“ („esprit général“) einer
Nation und diesem wiederum entspricht der „Geist“ ihrer Gesetze. Deren Gesamtheit
ist nach Montesquieu also nicht eine quasi beliebige Summe von Gesetzen,
sondern Ausdruck des natürlichen Umfeldes, der Geschichte und des „Charakters“
eines Volkes.
Montesquieu unterscheidet zwischen moderaten
Regierungssystemen – das ist die Republik in unterschiedlicher Ausprägung und
die konstitutionelle Monarchie – und solchen, die auf Gewaltherrschaft beruhen,
wie der Absolutismus und jede andere Despotie.[4] Die drei Haupttypen von Regimen:
Republik, Monarchie und Gewaltherrschaft sieht er jeweils durch eine bestimmte
menschliche Grundhaltung geprägt: die Tugend, die Ehre und die Furcht.
Für die auf Ehre beruhende konstitutionelle Monarchie, aber
auch für die auf Tugend basierende Staatsform, die Republik, hält er
Gewaltenteilung für nötig, um die Willkür durch Einzelne oder Mannschaften zu
vermeiden, sonst sind sie gefährdet despotisch zu werden.
Montesquieus politische Philosophie enthält liberale und
konservative Elemente. Er stellt die moderaten Regierungssysteme nicht gleich,
sondern favorisiert ausdrücklich die parlamentarische Monarchie nach englischem
Muster. Das dort verwirklichte Modell einer Gewaltenteilung zwischen Exekutive
und Legislative sichere am besten die Freiheit des Einzelnen vor staatlicher
Willkür.
Die Kunst spielte eine sehr wichtige Rolle im Zeitalter der
Aufklärung, schließlich war sie die beste Art, nicht nur Reiche und Gelehrte zu
erreichen, sondern auch die Allgemeinheit.[5]
Denn mit Hilfe der Kunst konnten die neuen Ideen angenehm verpackt und so
besser vermittelt werden. Die Menschen hatten nicht den Eindruck, belehrt zu
werden, sondern erfreuten sich an einem Gedicht oder Theaterstück und bekamen
trotzdem die Vorstellungen der Aufklärer mit auf den Weg.
Bestimmte Gattungen ("Textsorten") und Formen der
Literatur fanden die Aufklärer besonders geeignet, um die Menschen zu belehren.
Zum Beispiel waren Fabeln in der Aufklärung sehr beliebt, in denen Tiere
auftraten, die menschliche Züge hatten und sich wie Menschen verhielten. Der
berühmte Dichter Gotthold Ephraim Lessing führte außerdem etwas völlig Neues in
die Welt des Theaters ein: das bürgerliche Trauerspiel. Vorher war es üblich
gewesen, dass die Hauptfiguren in solchen Trauerspielen ausschließlich Adlige
waren. Lessing aber setzte Bürgerliche in den Mittelpunkt seiner Theaterstücke.
Auch Romane waren in der Aufklärung sehr beliebt, um den Lesern die neuen Ideen
zu vermitteln. Zusätzlich zu den in Deutschland entstandenen Werken wurden auch
Romane, Erzählungen und Theaterstücke aus dem Französischen und Englischen
übersetzt und in Deutschland veröffentlicht.
Das Zeitalter der Aufklärer hat neben G. E. Lessing noch
eine ganze Reihe von Dichtern und Denkern hervorgebracht, die wegen ihres
großen Einflusses uns noch heute bekannt sind. Der Dichter Christoph Martin
Wieland gilt etwa als der bedeutendste Erzähler der Aufklärung, weil er den
ersten "Bildungsroman" verfasste. Bekannte Vordenker und Philosophen
der Aufklärung sind zum Beispiel der Deutsche Gottfried Wilhelm Leibniz, der
Franzose Descartes, der Brite John Locke oder der Schotte David Hume.
Als bedeutendster Philosoph der Aufklärung wird der deutsche
Denker Immanuel Kant angesehen, von dem auch der Leitsatz der Aufklärung,
"Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!", stammt. Nach
Kant ist Aufklärung "der Ausgang des Menschen aus seiner
selbstverschuldeten Unmündigkeit" - auch dieser Satz ist berühmt geworden.
Sein wichtigstes Werk heißt "Was ist Aufklärung?" und erklärt ganz
genau, worauf es bei der Aufklärung ankommt.
Zu den bedeutendsten Vertretern der französischen Aufklärung
gehört außerdem der Schriftsteller und Philosoph Voltaire, dessen Werke auch
übersetzt und in anderen Ländern eifrig gelesen wurden. Er verurteilte den
Absolutismus scharf und kritisierte außerdem die Vormachtstellung der
katholischen Kirche. Voltaire zeichnete sich dadurch aus, dass seine Schriften
leicht verständlich waren und außerdem einen spöttischen Unterton hatten.
Das Zeitalter der Aufklärung stellte einen großen Einschnitt
in der Geschichte dar und hatte schwerwiegende Auswirkungen.[6] So wurden die Geschehnisse und Umbrüche
zur Zeit der Französischen Revolution von 1789 maßgeblich von der Aufklärung
bestimmt. Zwar kann man die "große Revolution" in Frankreich nicht
allein auf die aufklärerische Bewegung zurückführen, aber die Revolutionsführer
waren allesamt Anhänger der Ideen der Aufklärung - die Leitgedanken der
Revolution waren "Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit".
Als Folge der Revolution wurde in Frankreich der
Absolutismus abgeschafft. Zu den wichtigsten Errungenschaften der Aufklärung
gehört, dass die ersten demokratischen Verfassungen in Kraft gesetzt und
unverzichtbare Menschenrechte niedergeschrieben wurden. Die erste dieser
Verfassungen, die sich auf die Gedanken und Ideale der Aufklärung stützen, war
die Unabhängigkeitserklärung der Gründungskolonien der USA im Jahr 1776, 15
Jahre später folgten die demokratischen Verfassungen von Frankreich und Polen.
Zweifelsohne stellte das Zeitalter der Aufklärung die
Weichen für die "moderne Welt". Zum Ausgang des 17. Jahrhunderts
wurde das Ideal eines "vernunftgesteuerten Handelns" aber auch
zunehmend infrage gestellt - zum Teil kam die Kritik von Vertretern der
Aufklärung selbst. So ging der englische Philosoph und Aufklärer Shaftesbury
von einem "Sinn für das Moralische" aus, der nicht von
Vernunftstrategien, sondern von Gefühlen geleitet werde. Die einseitige
"Verstandesherrschaft" wurde von Kritikern als Abkehr von der
Gefühlswelt und Fantasie angesehen.
Bemängelt wurde von vielen zeitgenössischen Denkern,
Schriftstellern und Künstlern, dass das aufklärerische Menschenbild dem
"ganzen Menschen" nicht gerecht werde und ihn auf ein Verstandeswesen
reduziere, das in einem maschinenähnlichen Körper wohnt. Ebenso die
Fortschrittsgläubigkeit - das naive Vertrauen in die Errungenschaften der
Naturwissenschaften und Technik - wurde angeprangert. Es kamen Zweifel auf, ob
die Probleme und Konflikte im menschlichen Zusammenleben in einer von der
Vernunft geleiteten Gesellschaftsordnung beseitigt werden könnten.
Die Pädagogik wurde von den Gedanken und Konzepten der
Aufklärung komplett erneuert.[7] John Locke formulierte den Gedanken der tabula
rasa, nach dem die Menschen bei Geburt wie ein leeres Blatt seien, das erst
durch die Erziehung beschrieben würde. Damit formulierte er einen Grundgedanken
der bürgerlichen Pädagogik, in welcher der Erziehung alles möglich erscheint –
zugleich sind diejenigen, die von der Erziehung betroffen sind, ein Nichts.
Diese Ideologie findet sich auch in dem Erziehungsroman Émile oder über die
Erziehung von Jean-Jacques Rousseau; in Deutschland wurde sie unter anderem vom
Philanthropen Christian Gotthilf Salzmann und in der Schweiz von Johann
Heinrich Pestalozzi vertreten. Kindheit wurde damit erstmals in Europa als ein
eigenständiger Lebensabschnitt wahrgenommen, zuvor wurden hier Kinder als
„kleine Erwachsene“ betrachtet.
Kunstepoche der Aufklärung
Im gesellschaftlichen Leben rückte die höfische Kultur
gegenüber der bürgerlichen immer mehr in den Hintergrund. Ein bürgerlicher
Moralismus verdrängte den strahlenden Lebensgenuss des Rokoko.
In der bildenden Kunst wurden helle Farben und schwingende
Linien aktuell; die Verweltlichung religiöser Darstellungen wurden Kennzeichen
der neuen Epoche. Man versuchte, das Künstlerische verstandesmäßig zu erfassen.
Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde das Rokoko abgelöst durch den
Klassizismus, dessen Ziel in der Nachahmung antiker Kunst bestand. [8] Johann Joachim Winckelmann galt als der
geistige Begründer des Klassizismus im deutschsprachigen Raum. Für Winckelmann
stellte es die höchste Aufgabe der Kunst dar, der Schönheit Ausdruck zu
verleihen. Hierfür fand Winckelmann die Formel „edle Einfalt, stille Größe“,
die er dem Verspielten, Überladenen und Allegorischen des Rokoko
entgegensetzte. [9]
In der Malerei lösten sich die Künstler von dem häufig
allegorischen Programm der Barockzeit und malten Szenen aus der griechischen
und römischen Antike (Johann Asmus Carstens, Anselm Feuerbach)
Im späten 18. Jahrhundert begann eine Verwissenschaftlichung
der Kunst: „Erst im Jahrhundert der Aufklärung (…) begannen Künstler und
Kunstschriftsteller sich dafür einzusetzen, dass historische Kunstwerke
erhalten wurden, wofür dann ausgerechnet die französischen Revolutionsmuseen
vorbildhaft werden konnten.“[10]
Die der Aufklärung praktizierte Kunst wird bereits in der
Renaissance und im Barock eingeleitet.[11]
Die „Wiedergeburt“, die im Begriff Renaissance angesprochen wird, bezieht sich
auf die erneute Anknüpfung an die klassische Antike, auf deren Menschenbild und
Naturbegriff die Kunstproduktion aufbaut.[12]
In der Musik und Literatur blühen profane Werke. Die Reformation forciert die
Schwächung der römisch-katholischen Kirche als wichtigstem Auftraggeber der
Künstler, was auf dem Konzil von Trient mit einem ausführlichen Gegenkonzept
beantwortet wird. Die Notwendigkeit einer katholischen Gegenreformation legt
den Grundstock für die Explosion der künstlerischen Produktion in Musik und
bildender Kunst im Barock.
In der zweiten Hälfte des 18. und am Anfang des
19.Jahrhunderts, im Zeitalter der Aufklärung, begannen die gebildeten
Kreise Gemälde, Skulpturen und Architektur sowie Literatur und Musik als Kunst
im heutigen Wortsinn zu diskutieren. Themenverbindend wurde die Ästhetik in
Abgrenzung zum Hässlichen als Kategorie zur Qualifizierung von Kunstwerken
begründet. Freiheit wurde zum Ideal für Politik, Wissenschaft sowie für die
sich allmählich als eigenständige Bereiche herausbildenden Gattungen Literatur
und Kunst.
Der handwerkliche Aspekt künstlerischen Schaffens verlor an
Bedeutung. Mit dem deutschen Idealismus stand die Idee über dem Artefakt. Eine
der wichtigsten Voraussetzungen für diesen Prozess war die durch die beginnende
industrielle Revolution beschleunigte Säkularisierung.
Die Differenzierung zwischen Literatur und Kunst war das
Ergebnis der kurz zuvor begonnenen Literaturdiskussion, die sich nicht mehr mit
allen geistigen Arbeiten befasste, sondern Romane, Dramen und Gedichte als Literatur
in einem gewandelten Wortsinn zusammenfasste.
Im Bestreben, ein größeres Publikum anzusprechen, wurde der
Terminus Kunst zunächst auf Gemälde und Skulpturen verengt, auf Gegenstände,
die in den Zeitungen und Zeitschriften – den Journalen, die es seit dem frühen
18.Jahrhundert gab – vorgestellt und beurteilt wurden.[13] Es entstand ein verbreitetes Rezensionswesen.
Die Begriffe Werk, Original und Genie als Ausdrucksformen der Individualität
des Künstlers wurden durch Kant geprägt. Man unterschied zwischen inneren und äußeren
Bildern. Innere Bilder waren zum Beispiel Sprache, Vorstellungen und die Ideen,
äußere hingegen Einrichtungsgegenstände, Bauwerke oder handwerklich gefertigte
Produkte.[14]
Dem Freiheitsgedanken gemäß ist der bildende Künstler nicht
mehr einem Auftraggeber verpflichtet, sondern produziert unabhängig für einen
neu entstehenden Kunstmarkt. Damit wandeln sich zum einen die Themen, die statt
religiöser und mythologischer Motive, Porträt und Allegorie nun zum Beispiel
auch Schilderungen aus der Arbeitswelt des aufkommenden Industriekapitalismus
umfassen.
Zum anderen entwickeln sich individuelle Stile, die nicht
zuletzt als Markenzeichen, modern gesprochen als Marketinginstrument der
konkurrierenden Künstler dienen. Auch Komponisten wie Mozart verabschieden sich
aus festen Anstellungen bei weltlichen oder kirchlichen Fürsten. Diese neue
Freiheit ist mit entsprechenden Risiken verbunden, das romantische Bild des verarmten
Künstlers, verbunden mit dem Geniebegriff sind die Folgen.[15]
Die Kunstrichtung des Rokoko hat seinen Namen nach dem
Hauptmotiv seiner Ornamente erhalten, der Rocaille, dem Grotten-und
Muschelwerk.[16] Unter Rocaille im eigentlichen Sinne
versteht man die wie Meeresmuscheln gerieften und ausgefransten Formen, die an
kantigen Kurvenlinien ansetzen. Dieses Ornament trat um 1730 an Stelle des seit
etwa 1710 üblichen Laub- und Bandwerkes, das aus kurvig geführten und
verflochtenen Bändern gebildet war.
Das Rokokoornament war in der deutschen Kunst noch
phantasievoller, freier, oft auch willkürlicher als im Ursprungsland
Frankreich. Es setzte sich hier eher und häufiger über die dort noch beibehaltende
symmetrische Anordnung hinweg. Der aus der Régence entspringende Kunststil
hatte mit der Krönung Louis XV (1722) in Frankreich seinen absoluten Höhepunkt
erlebt. Bestimmt wurde dieser Stil durch Motive heiterer Dekorationskunst und
wurde durch asymetrische, architektonische und kunstgewerbliche Schmuckformen entfaltet.[17]
In der Malerei ist allgemein die Tendenz zur Verweltlichung,
zur sinnlicher Ästhetik und zur Darstellung intimer bis erotischer mit
anzüglichen Formen versehenden Situationen beliebt. Weitere Themen waren
landschaftliche Darstellungen, Phantasieporträts, Karnevalsdarstellungen und
Genreszenen. Im sakralen Bereich neigte die Rokokomalerei jedoch eher zu Themen
wie Andacht, Heiligenlegenden, also zum Bereich des Gefühls, des Einfühlens. In
der Freskomalerei (Johann Baptist Zimmermann, Matthäus Günther, Daniel Gran)
entfalteten sich nach dem Eindringen der illusionistischen,
scheinperspektivisch gemalten Architektur ins Deckenbild eine große Fülle
geistreicher Lösungen für das Problem von Bild und Rahmen.
Grundlegend war dabei etwa ab 1720 die Verwendung des, wie
oben erwähnten Roceilleornamentes, welches zwischen Architektur- und
Bildgegenstand changiert und das vermittelnde Element zwischen den Bereichen
der gebauten und der gemalten Architektur einerseits sowie gemalter Architektur
und gemalter Himmelsöffnung andererseits darstellte. Als Vorbild galt nun nicht
mehr wie in der Renaissance die römische, sondern die griechische Kunst. In
dieser wurde das nie wieder erreichte Ideal einer vollendeten Harmonie von
Kultur und Natur gesehen.
Während in Frankreich früher fast ausschließlich die
geistlichen und weltlichen Höfe als Auftraggeber fungierten, gab es zum ersten
Mal auch Aufträge von reichen, der Bourgeoisie angehörigen, Personen. Es muss
aber festgehalten werden, dass dies eher eine Seltenheit war, die aber im
späteren Klassizismus immer deutlicher ihren Durchbruch erlebte. Weiterhin
wichtig ist, dass das ganze europäische Rokoko stark durch italienischen und
französischen Einfluss geprägt wurde, der besonders die Miniatur- und
Pastellmalerei hervorbrachte. Die Farbskala erfuhr eine beträchtliche
Aufhellung in Richtung des Pastells, das die Venizianerin Rosalba Carriera um
1720/21 in Paris einführte. Weiß wurde als gleichsam materialisiertes farbiges
Licht beigemischt, wodurch sich die äußerst dekorativen, heiter festlichen
Effekte ergaben.
Wichtige Länder des Rokoko waren Italien mit Venedig,
Frankreich mit der schon damals wichtigsten Stadt Paris, Deutschland mit
München, Österreich mit Wien, England und Spanien, wobei gesagt werden muss,
dass die Wurzeln des Rokoko primär in Frankreich, sekundär in Italien
entsprangen und sich dann auf die anderen Länder ausbreiteten. Frankreich nimmt
die wichtigste Rolle der Stilepoche des Rokokos ein.[18]
Zu einem der wichtigsten Künstler dieser Epoche avancierte
der Franzose Antoine Watteau (1684-1721).[19]
Er verstand es meisterhaft den geistvollen liebenswürdigen Charme, der das
hervorstechende Merkmal des französischen Rokoko darstellte, auf seinen Werken
zum Ausdruck zu bringen. Er übte somit entscheidenden Einfluss auf die
Entwicklung dieses Stils aus. Da Watteau bereits vor Beginn der Epoche der
Aufklärung verstarb, passen seine Werke nicht ins zeitliche Raster dieser
Epoche. Watteau muss aber wegen seines großen Einflusses auf den
entscheidenden, die Kunst in den Anfängen der Aufklärung beinflussenden
französischen Rokokostils erwähnt werden.
Watteau galt als Maler der "Galanten Feste".[20] Der französische Maler flämischer
Herkunft wurde am 18. Oktober 1684 in Valenciennes geboren und kam 1702 nach
Paris, wo er 1712 zur Akademie zugelassen wurde. In seinem von Krankheit und
Schwermut überschatteten kurzen Leben schuf er ein erstaunlich umfangreiches
Werk, das in zahllosen Nachstichen verbreitet wurde und die Rokokomalerei
befruchtet hat wie kein zweites. Die leuchtende zarte Farbigkeit seiner Bilder
verschwimmt zu einem kostbar schimmernden Gesamtton, in dessen duftiger
Atmosphäre sich die heiter beschwingten Figuren in schwereloser Eleganz bewegen.
Szenen der italienischen Komödie und der höfisch galanten Gesellschaft, meist
in Parklandschaften, bilden die bevorzugten Themen.
Er hat mit seinen Schäferstücken, galanten Festen,
ländlichen Vergnügungen und Schauspielerdarstellungen eine neue Gattung der
Malerei begründet und durch seine Figuren, deren Kostüm er zumeist den arkadischen
Schäferspielen des Theaters entlehnte, einen Einfluss auf die Modetracht seiner
und der späteren Zeit ausgeübt. Schon zu seiner Zeit kamen die Coiffures à la
Watteau auf, zu denen sich später ganze Kostüme à la Watteau, die
Watteauhäubchen, die Negligés à la Watteau u. a. m. gesellten.
Mit großer Sicherheit und Lebendigkeit der Zeichnung verband
er eine geistreiche und leichte, wenn auch bisweilen flüchtige Pinselführung und
ein fein ausgebildetes Naturgefühl, das sich besonders in den landschaftlichen
Hintergründen seiner Gemälde zeigt.
Der vierbändige Korpus Recueil Julliene gehört zu den
bedeutendsten, berühmtesten und seltensten graphischen Werken des 18.
Jahrhunderts. Er ist benannt nach Watteaus Freund und Förderer Jean de
Jullienne (1686–1766), dessen Anliegen es war, mit diesem Werkverzeichnis
Watteaus Kunst zu bewahren und zu dokumentieren. 621 Radierungen erschienen
zwischen 1726 und 1735 als enorm kostspielige Prachtbände in 100 kompletten
Sätzen. Der französische König Ludwig XV. besaß 10 Exemplare dieses Werkes. Um
die Blätter einzeln verkaufen zu können, wurden später zahlreiche Sammelbände
zerlegt. Die beiden ersten Bände erschienen 1726 und 1728 und enthielten
Watteaus 350 zeichnerische Detailvorlagen für Gemälde auf hervorragender
Papierqualität in Übergröße (Format grand jésus). Dafür beschäftigte Jullienne
13 Kupferstecher, darunter Jean Audran und François Boucher. Jullienne selbst
stellte 20 Radierungen her. Die Bände 3 und 4 wurden schließlich mit 16 der
besten Graveure Frankreichs ausgeführt, darunter Jacques-Philippe Le Bas, Louis
Crépy, Charles Nicolas Cochin und Jean Audrans Sohn Benoit. Das Format grand
aigle war noch größer, wurden doch hier die Gemälde selbst zum Gegenstand.
Von seinen übrigen Werken sind hervorzuheben: Die
italienische sowie die französische Komödie und der Tanz in der Gemäldegalerie
Berlin, zwei galante Feste im Freien (in der Dresdner Galerie), der junge
Savoyarde und das Menuett (in der Eremitage zu St. Petersburg), die
Dorfhochzeit (im Soanemuseum zu London), der Ball und die Jagdgesellschaft (im Dulwich
College bei London).
Der erfolgreichste Maler des französischen Rokkoko Stils war
Francois Boucher (1703-1770).[21] Er hinterließ an seinem Lebensende
mehrere Hundert Werke. Unter diesen befinden sich kostbare Gobelins,
Buchillustrationen und natürlich viele Gemälde. In diesen rückten sowohl
aktuelle und gesellschaftliche Themen als auch galant erotische Schäferspiele
in den Vordergrund, daher wird das Rokoko auch immer als ein teilweise intimer,
erotischer, sogar manchmal als anzüglich empfundener Malereistil beschrieben.
In seinem Tun wurde er von der niederländischen Landschaftsmalerei beeinflusst,
am meisten prägten ihn aber die Kunstwerke seines Lebensgenossen Antoine
Watteau.
Der am 29. September 1703 in Paris geborene Maler war
Schüler von Francois Lemoyne und des Kupferstechers Jean-Francois Cars. 1727
reiste er für vier Jahre nach Italien, wo ihn vor allem die Werke des Tiepolos
beeindruckten. Gleich nach der Rückkehr begann seine Karriere an der Pariser
Akademie, deren Direktor er 1765 wurde. Bereits 1755 war er zum Leiter der
Königlichen Gobelinmanufaktur ernannt worden. Durch die besondere Protektion
der Madame de Pompadour, die er mehrfach porträtierte, erhielt Boucher
zahlreiche Aufträge vom königlichen Hof. Seine virtuos gemalten Bilder mit
ihren hellen, duftigen Farben und anmutig bewegten Figuren verkörpern
exemplarisch die galante Welt des Rokoko. Boucher, der auch als Buchillustrator
tätig war, starb am 30. Mai 1770 in Paris.[22]
Als Meister der dekorativen Kunst (in Gemälden, bei Deckenmalereien,
Innendekorationen, Entwürfe für die Gobelin-Manufaktur in Béauvais, für
Opernbühnenbilder und Entwürfen für die Porzellanmanufaktur in Sèvre) prägte er
jahrzehntelang den Stil am Hofe des Königs. Seine Gemälde fanden sich auf den
Fürstenhöfen in ganz Europa.
Er arbeitete hart,
malte eine große Zahl Bilder (die Bekanntheit stieg mit der Verteilung) und
brachte es schon zu einer regelrechten Produktion, wie sich in ihm auch bereits
ein industrieller Geist ankündigte. Er unterhielt ein Atelier mit Schülern, die
oft seine Werke fertig ausführten, wiederholte Ausschnitte in verschiedenen
Zusammenhängen und malte oft Kopien seiner Bilder (sog. „eigenhändige
Repliken“) für verschiedene Auftraggeber, wie etwa im Fall der Marie-Louise
O’Murphy. Als offizieller königlicher Maler wurde Boucher sehr von Diderot und
den Enzyklopädisten kritisiert. Man warf ihm vor allem während der Revolution vor,
ein leichtlebiges und frivoles 18. Jahrhundert dargestellt zu haben. Erst Ende
des 19. Jahrhunderts wurde er wieder als großer Maler geschätzt.
Die Richtung des Klassizismus neben dem Rokoko prägte die
Epoche der Aufklärung in entscheidender Weise.
Die Malerei des Klassizismus entwickelte sich ab etwa 1760.[23] Sie verkörpert einen an der Antike und
der italienischen Renaissance orientierten Kunststil. Der Klassizismus in
Frankreich wird aufgrund der klassischen Kunst des 17. Jahrhunderts als néo-classicisme
bezeichnet. Klassizistische Werke zeichnen sich durch eine einfache und klare,
gelegentlich auch strenge Formensprache aus. Als Ziel galt, durch Maß und
Harmonie eine „vollkommene“, die Natur idealisierende Schönheit
hervorzubringen. Die Kunstwerke sollten schön, edel und erziehend sein. Für
deren Erzeugung wurden Kriterien und Regeln zugrundegelegt.
Der Klassizismus wandte sich im Zeitalter der Vernunft und
Aufklärung gegen die Sinnlichkeit des zuvor herrschenden Rokoko.[24] Seit den 1820er Jahren entstand ein
Rangstreit zwischen dem Klassizismus und der beginnenden Bewegung der Romantik.
Ab Mitte des 19. Jahrhunderts trat der Realismus als weitere Gegenbewegung in
Erscheinung.
Vertreter des Klassizismus in Frankreich sind Joseph-Marie
Vien, Anne-Louis Girodet-Trioson, Élisabeth Vigée-Lebrun, François Gérard,
Antoine-Jean Gros, Jacques-Louis David und Jean-Auguste-Dominique Ingres, in
Deutschland Jakob Asmus Carstens, Johann Heinrich Wilhelm Tischbein, Anton
Raphael Mengs, Gottlieb Schick und Angelika Kauffmann.[25]
Die Maler lösten sich von dem allegorischen Programm der
Barockzeit und malten Szenen aus der griechischen und römischen Antike. Die
klassizistische Kunstauffassung stellte die Idee über die Realität. Aufgrund
einer ihm eingegebenen Idee von Vollkommenheit müsse der Künstler die
Zufälligkeiten der unvollkommenen Wirklichkeit durch den Stil seiner Gestalten
korrigieren. Das Studium von musterhaften alten Kunstwerken, das Befolgen von
Gestaltungsregeln, war dem Naturstudium übergeordnet. Auf Farbigkeit konnte ein
strenger Klassizist im Prinzip auch verzichten.[26]
Eine klar überschaubare und harmonische Komposition der
Figuren, ein ruhiges Zeitmaß waltet in allen Gebärden. Die pastose Farbgebung
des Barock verschwindet zugunsten eines flächigen Farbauftrages.
Eine unveränderliche Ordnung war der am meisten geeignete
Ausdruck für konservative, die Gesellschaftsordnung stabilisierende Absichten.
Ihn vertraten kunstpolitisch und praktisch die Akademie und die ihr
unterstellte Kunsthochschule, die Ecole des Beaux-Arts.
Die Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts in Frankreich wird
in entscheidendem Maß vom Rangstreit zwischen den Künstlern des Klassizismus
und der Romantik geprägt.[27]
In den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts gerieten die
Klassizisten mehr und mehr in Konflikt mit einer neuen Generation von
Künstlern, der romantischen Schule. Die neue Bewegung löste eine Gegenbewegung
zur Antikennachahmung des Klassizismus aus. Sie gewann in allen Bereichen des
kulturellen Lebens in Europa weltanschaulichen Einfluss. Die „Romantiker“ sahen
die antike Klassik als etwas Unwiederbringliches an und suchte nach neuen
künstlerischen Ausdrucksformen. Harmonie und Vollkommenheit werden in ihr als
verlorene Ideale betrachtet, in denen einzig sentimentale Sehnsüchte zum Vorschein
treten.
Die Malerei der Romantik wandte sich gegen die geschlossene
Bildform des Klassizismus und löste den gegenständlichen Kontur meist zugunsten
der Farbe auf. Unter diesem Aspekt wurde in Frankreich Eugène Delacroix als der
Hauptwidersacher Ingres’ angesehen.[28]
Klassizismus und Romantik werden heute aus kunsthistorischer
Sicht weniger als unversöhnlich widerstreitende Kunstformen angesehen.[29] Sie seien vielmehr zwei eng miteinander
verzahnte und einander spiegelnde Versuche, auf die ästhetischen Herausforderungen
der frühen Moderne zu antworten. Insbesondere in der Malerei des Biedermeier
und der Malerei der Spätromantik findet eine Überlappung statt.In Frankreich
wandte man sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts von Barock und
Rokoko, den Kunststilen des Absolutismus ab.[30]
Auch in der Kunst sollte der Bruch mit der alten Herrschaft der Aristokratie
augenfällig werden. Jacques-Louis David und sein Schüler Ingres übernahmen die
schlichten Formen der griechischen und römischen Antike in die Malerei. Davids
Gemälde Der ermordete Marat von 1793 zeigt dabei ein höchst aktuelles Thema.
Eine Anhängerin des französischen Königs hatte am 13. Juli 1793 den
Revolutionär Marat in seiner Badewanne erstochen. Der Nationalkonvent gab
darauf David den Auftrag, den Mord an Marat in einem Bild zu verewigen. Der
Künstler, selbst Anhänger der Revolution, malte viele ihrer Wortführer, schuf
aber auch große Leinwände mit Historien, deren mythologische und historische
Themen sich auf das zeitgenössische Frankreich beziehen ließen. Kompositionell
bestimmten horizontale und vertikale Linien viele seiner Werke. Theatralische
Posen zeichnen seine deutlich modellierten Figuren aus. Antike Themen, die
strenge Komposition und die klar gezeichneten Linien, die Davids neoklassischen
Stil kennzeichnen, standen in scharfem Kontrast zur verspielten Eleganz der
Kunst des Rokoko.
Davids Schüler Jean-Auguste-Dominiques Ingres wurde im
frühen 19. Jahrhundert der führende Salonmaler. Wie sein Lehrer perfektionierte
Ingres seine Zeichentechnik an den Skulpturen der Antike und Renaissance. Die
seit der Renaissance geführte Diskussion, on Linie oder Farbe der Vorzug zu
geben sei, setzte sich im 19. Jahrhundert fort. Als Ingres 1853 Präsident der
Ecole des Beaux-Arts wurde, setzte sich seine zeichnerische Auffassung in
weiten Kreisen durch. Schließlich lernte ein angehender Künstler sein Handwerk
an Ecole oder Akademie. Ausgestellt wurde das von einer künstlerischen Jury für
passend Befundene im jährlich stattfindenden Salon.
Ort der unter königlicher Schirmherrschaft stehenden
Ausstellung war der Salon d’Apollon im Louvre.[31]
Ihre Entscheidungen traf die Jury auf der Grundlage der Hierarchie der
Gattungen: Unangefochten an erster Stelle standen die Historienbilder, da sie
auch intellektuelle Anforderungen an die Künstler stellten, schließlich
musstensich Thema und malerische
Umsetzung entsprechen. An zweiter Stelle folgte die Genremalerei, den
geringsten Ruhm versprachen Portraits und Landschaften.
In Deutschland fasste der Klassizismus Ende des 18.
Jahrhunderts Fuß.[32] In Berlin griffen die Baumeister unter
Friedrich dem Großen auf Formen der römischen und griechischen Antike zurück,
so beim Brandenburger Tor. In München zog der Klassizismus mit Ludwig I und
dessen Ansätzen zur Stadterweiterung ein. Eines der größten städtebaulichen
Emsebles des 19. Jahrhunderts ist der Königspalast, gestaltet vom
Hauptvertreter des Münchener Klassizismus, Leo von Klenze. Am Königsplatz
verwirklichte Klenze zwei seiner Hauptwerke, die Glyptothek und die Propyläen.
Während in Architektur und Bildhauerei noch klassizistische
und historische Tendenzen bestimmend waren, trat die Malerei als Kunstgattung
hervor, in der die Romantik ihre stärkste Ausprägung fand.[33]
Die Kunst sollte Ausdruck der freien Persönlichkeit und des subjektiven
Erlebens sein.
Im Kontext der wachsenden Naturbegeisterung erlebte die
Landschaftsmalerei im 19. Jahrhundert einen enormen Aufschwung. Märchen- und
Sagenwelten, Ereignisse aus der mittelalterlichen Geschichte, ebenso der ferne
Orient waren große Themen der romantischen Künstler.[34]
Der Rückzug in die Innerlichkeit und in ferne Zeiten und Länder lag auch in der
politischen Situation begründet. Europa war in den Jahrzehnten nach der
Französischen Revolution von Kriegen erschüttert. Napoleons Feldzüge
hinterließen in Italien, Österreich, Preußen und Spanien Verheerungen.
Der bedeutendste deutsche Landschaftsmaler der Romantik war
Caspar David Friedrich.[35] Immer wieder zeichnete er die
Landschaft seiner Heimat Pommern und die wilde Natur auf der Ostseeinsel Rügen.
Er fertigte in freier Natur Skizzen an, die er im Atelier zu Landschaften
komponierte. Seine Bilder zeigen häufig weite, zerklüftete Gebirge,
Landschaften mit gotischen Ruinen und einzelnen isolierten Figuren. Einsamkeit
in der unendlichen Weite der Natur ist auch das Thema seines wohl bekanntesten
Bildes „Das Eismeer“. Seine Stimmungslandschaften sollten eine Ahnung des
Göttlichen vermitteln, wie es sich in der Natur zeige. Gleichzeitig begriff er
sie als Spiegel der Seele, da der Maler das wiedergebe, was sich in seinem
Inneren abspielte.
In Friedrichs Bildern sind die Körper, Dinge und
Erscheinungen der Natur aus ihren natürlichen Zusammenhängen gelöst, im
Bildraum organisiert und in Variationen zu immer neuen Bildkompositionen
geführt. Zeichnungen dienen als Vorarbeiten für ein Gemälde oder als Vorlage
für die Bildgestalt des Gemäldes. Landschaften unterschiedlicher Topografien
werden oft auf einer Bildfläche zusammengesetzt. Ebenso montiert der Maler
Architekturen verschiedener Stile. Bei Bäumen aus Naturstudien setzt er aus
kompositorischen Gründen nicht vorhandene Äste an. Gebirgszüge im Hintergrund
norddeutscher Landschaften werden meist zum Zweck der Hintergrundgestaltung
platziert.
Flache Landschaften sind oft aufmodelliert, so dass die
Bestimmung der zweifelsfrei zugrunde liegenden realen Orte schwierig ist.
Friedrichs Gemälde sind kaum einfache Naturnachahmung, sondern entstanden als
ein vielschichtiger Prozess von verarbeitetem Naturerlebnis und gedanklicher
Reflexion. Trotz der Zusammensetzung von Landschaften entsteht im Gemälde der
Eindruck großer Naturnähe.
Friedrichs Zeichnungen sind mit Bleistift, Feder sowie
Tusche gefertigt und finden sich überwiegend in Skizzenbüchern. Er zeigte eine
besondere Begabung in der Verwendung des gerade erfundenen Bleistifts in
mehreren Härtegraden. Seine Zeichnungen bekommen bei einer sehr differenzierten
Binnenzeichnung sogar malerische Qualität. Das vorrangige Interesse des Malers
galt Naturmotiven. In der Dresdner Umgebung, auf Reisen nach Mecklenburg,
Pommern, in den Harz oder das Riesengebirge entstanden Darstellungen von
Pflanzen, Bäumen, Felsen, Wolken, Dorfansichten, Ruinen, Küsten- und
Gebirgslandschaften.
Nach den Skizzen lässt sich der Verlauf von Friedrichs
Wanderungen rekonstruieren. Die Zeichnungen dienten als Grundlage für Elemente
von Gemälden, Sepien und Aquarellen, haben aber in ihrer Mischung aus Sorgfalt
und Lebendigkeit einen künstlerischen Eigenwert. Wegen seines geringen Talentes
im Figurenzeichnen machen Figurendarstellungen und Porträts nur einen geringen
Teil des Gesamtwerkes aus.
Die Niederlande durchliefen im Goldenen Zeitalter eine
kulturelle Entwicklung, die sich von der ihrer Nachbarstaaten deutlich
unterschied und allgemein als Höhepunkt der holländisch-niederländischen
Zivilisation angesehen wird.[36] Während in anderen Ländern reiche
Aristokraten Schirmherren und Gönner der Künste waren, spielten in den
Niederlanden wohlhabende Händler und andere Patrizier diese Rolle. Hier bildete
die aufstrebende, ungewöhnlich breite Mittelschicht zusammen mit den reichen
Bauern das entscheidende Potential für die ökonomische wie auch für die
gesellschaftliche und kulturelle Entwicklung des Landes.
Sie alle stellten einen riesigen Markt für den Absatz
gewerblicher und künstlerischer Erzeugnisse dar.[37]
Durch ihr wachsendes gesellschaftliches Ansehen entstand bei Händlern,
Handwerkern, kleinen Beamten oder Offizieren das Bedürfnis, ihren Status zur
Schau zu stellen, und zwar auf eine vergleichbare Weise, wie es im Hochadel und
Klerus gang und gäbe war. Dank ihrer Kaufkraft konnten sie sich diese Wünsche
erfüllen.
Durch das allgemein gesteigerte Interesse an der
Beschreibung der sichtbaren Welt wurde der Wunsch nach Kunstbesitz geradezu
unersättlich, und die Nachfrage nach weltlicher Malerei blühte auf wie nie
zuvor und nirgendwo sonst. Porträts beispielsweise sollten den
gesellschaftlichen Rang der eigenen Person darstellen, wenn nicht erhöhen.[38] Das über die unbedingt erforderlichen
Einrichtungsgegenstände hinausgehende Mobiliar wurde als Statussymbol
betrachtet, was sich im Besitz prächtiger Eichentruhen, achteckiger Tische und
teurer Betten bei den Bauern und in kostbaren Uhren, Spiegeln, Porzellan oder
Besteck der Bürgerschaft ausdrückte. Der teilweise ins Unerhörte wachsende
Reichtum der Niederländer garantierte somit die Lebensgrundlage der Künstler
des 17. Jahrhunderts (selbst wenn nur die wenigsten vollständig davon leben
konnten) und hatte zur Folge, dass es eine ungleich bessere „Kunstversorgung“
der Bevölkerung gab als irgendwo sonst in Europa.
Kunst und Kultur, dabei besonders die Malerei, entwickelten
sich zusammen mit ihren neuen „Kunden“ zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor.[39] Den schon damals gültigen Gesetzen der
freien Marktwirtschaft folgend, wurde das „Dienstleistungsgewerbe Kunst“ immer
differenzierter, es bildeten sich zum Beispiel Fachbetriebe für bestimmte
Gattungen der Malerei aus und gleichzeitig entstanden Bildgattungen, deren
Motive für die Malerei Neuland waren, wie beispielsweise die Landschaftsmalerei
und das Genre der Sittengemälde. Auch stilistisch wurde die Kunstlandschaft
immer vielfältiger, so dass die Auftraggeber sogar Malweisen, sei es der
flämisch-italienischen oder der holländischen Schule selbst bestimmen konnten.[40]
So bestimmten bürgerliche Auftraggeber die Kunstproduktion,
die auf dem Selbstverständnis einer frühkapitalistischen Republik fußte, was zu
einem höheren Realismus und zur Bevorzugung bestimmter Kunstgattungen wie
Porträtmalerei (Einzel- und Gruppenbildnis), Genrebilder oder Stilllebenmalerei
führte. Die schutterij, die Schützen mit ihrer Schützengilde und die rederijkers,
die Dichter, organisiert in der rederijkerskamer, der Dichtergilde (seinerzeit
„Redekammer“ genannt), waren gleichzeitig kulturelle Zentren und Förderer der
Künste. Die Schützen hatten sich zu einer Art städtischen Bürgerwehr
organisiert und sorgten nachts für Ruhe und Ordnung in den Städten. Alle
männlichen Einwohner waren ihr zu Dienst verpflichtet.
Die Dichtergilden stellten Vereinigungen auf Stadtebene dar,
die literarische Aktivitäten begünstigten und unterstützten. Die Städte waren
ebenso stolz auf diese Gilden wie die Bürger auf ihre Mitgliedschaft, die sie
sich viel kosten ließen. Große niederländische Dichter, wie zum Beispiel Pieter
C. Hooft und Joost van den Vondel, waren Mitglieder einer Rederijkerskamer. Die
einzelnen Gilden und Gildenmitglieder ließen sich gerne und oft bei der
Ausübung ihrer Ehrenaufgabe porträtieren. Ein Beispiel dafür ist das Bild der
Nachtwache von Rembrandt van Rijn.[41]
Im 17. Jahrhundert erreichte die Malerei in den Niederlanden
eine derartige Blüte, dass sie gelegentlich alleine mit dem Begriff des Goldenen
Zeitalters verbunden wird.[42] Schon im 16. Jahrhundert war die
Kunstproduktion hoch gewesen. Allein in Antwerpen sollen 1560 mehr als 300
Meister mit Malerei und Graphik beschäftigt gewesen sein, hingegen nur
169Bäcker und 78Fleischer. Nun entstanden in dem dicht besiedelten
Land in kurzer Zeit und auf engstem Raum viele Zentren der Malerei– neben
Amsterdam etwa Haarlem, Delft, Utrecht, Leiden, Den Haag und Deventer. Bald
waren Malerei und Druckgraphik geradezu allgegenwärtig, die Niederlande wurden
zu einer riesigen „Kunstfabrik“.[43] Jährlich kamen 70.000 Bilder auf den
Markt, wobei 650 bis 700 niederländische Maler durchschnittlich jeweils 94
Bilder im Jahr malten, berühmte und weniger berühmte Maler gemeinsam mit ihren
Schülern nahezu fließbandartig produzierten.
Die traditionellen kirchlichen Bildthemen wurden seit der
Reformation indessen als „katholisch“ abgelehnt, die protestantischen Bürger
wollten ihre Religiosität, ihre Lebensführung und ihre ureigenen Themen und
Probleme – in erster Linie also sich selbst in ihrem beruflichen und privaten
Umfeld, und in möglichst vorteilhafter Weise – verewigt sehen. Dies führte zur
Ausprägung neuer Bildgattungen (z.B. Tronjes) und zur Erfindung neuer Bildthemen.[44] Es entstanden geradezu massenweise
Einzelporträts und Gruppenbildnisse, auf denen die Familie, die Verwandtschaft,
die Gildemitglieder, das Ratskollegium oder Festivitäten und Feierlichkeiten
festgehalten waren; Stillleben gewährten Einblicke in das tägliche Leben des
Bürgertums mit protzigen, sinnesfreudigen Interieurs hinter äußerlich
unscheinbar und klassizistisch streng daherkommenden, schmalen Bürgerhäusern.
Vanitas-Motive rechtfertigten die Zurschaustellung von Reichtum und Macht durch
ihre warnende Botschaft.
Eine nie da gewesene Spezialisierung innerhalb der Malerei
setzte ein.[45] Willem Claesz. Heda und Willem Kalf
malten nur Stillleben. Ihre „Ontbijtjes“, ihre „Frühstücks“-Stillleben, hatten
sie sogar auf wenige Gegenstände reduziert, die sie mit geringen
kompositorischen Änderungen wieder und wieder variierten. Jan van Goyen, Jacob
van Ruisdael und Meindert Hobbema standen für die Landschaftsmalerei, Jan
Steen, Adriaen van Ostade und Adriaen Brouwer für die Bauernsatire, Gerard ter
Borch und Pieter de Hooch für das Gesellschaftsstück (einer Variation des
Genrebildes, das bäuerliche Festlichkeiten thematisiert), Pieter Jansz
Saenredam und Emanuel de Witte für die Architekturmalerei, Thomas de Keyser und
Frans Hals für Porträts.[46]
Gerard ter Borch gilt als einer der Hauptmeister des
holländischen Genrebildes. Seine erste Ausbildung als Zeichner erhielt er von
seinem Vater Gerard ter Borch d.Ä. Erste Werke, die der Vater sorgfältig
aufbewahrte, stammen aus dem Jahr 1625 und sind noch heute erhalten. Diese
zeigen Genreszenen und vor allem Landschaften aus der Umgebung von Zwolle.
1634 erhielt er das Meisterrecht und durfte seine Bilder
signieren. So stammt das früheste von ihm bekannte Werk auch aus dem Jahr 1635.
Noch im Sommer des gleichen Jahres begab er sich nach London, wo sein Onkel
Robert van Voerst erfolgreich als Kupferstecher tätig war. Dort kam er in
Kontakt zu Anthonis van Dyck. Gegen 1636 kehrte er für kurze Zeit nach Zwolle zurück,
von wo aus er Studienreisen nach Italien und Spanien unternahm. In Madrid malte
er ein Porträt des spanischen Königs Philipp IV., das jedoch nicht erhalten
ist. Zwischen 1640 und 1645 befand er sich wieder in Holland, wo er vor allem
in Holland und Amsterdam tätig gewesen ist. Dort erwachte in ihm das Interesse
an der Genremalerei.
Zwischen 1644 und 1645 war er in Amsterdam als
vielbeschäftigter Porträtist tätig und erlangte dadurch eine große Popularität.[47] Dort ist es Ter Borch gelungen sich in
den vornehmsten Amsterdamer Regentenkreisen Einzug zu verschaffen. Neben
Portraits der Familien Six, De Graeff, Pancras, De Vicq hatte er auch Bildnisse
von angesehenen Gelehrten wie Caspar van Baerle angefertigt. Diesem
Bekanntheitsgrad verdankte er es, dass ihn 1646 der holländische Gesandte
Adriaan Pauw bat, ihn zu den Friedensverhandlungen zwischen den Niederlanden
und Spanien nach Münster zu begleiten. Dort durfte er viele der anwesenden
Diplomaten porträtieren, wodurch er die Aufmerksamkeit des spanischen
Gesandten, dem Grafen von Peñeranda, erregte. Dieser nahm Gerard ter Borch in
seine Dienste, so dass dieser Augenzeuge des am 15. Mai 1648 geschlossenen
Separatfriedens zwischen den Niederlanden und Spanien wurde.
Das Ereignis hielt er in seinem berühmten Gemälde Der
Friedensschluß zu Münster fest, das heute im Rijksmuseum in Amsterdam gezeigt
wird.[48] Noch im gleichen Jahr kehrte er nach
Holland zurück, wo er in den nächsten Jahren in den verschiedensten Städten
tätig war. Abwechselnd lebte er in Amsterdam, Den Haag, Haarlem, Kampen und
Zwolle. Sein Hauptbetätigungsfeld war nun die Genremalerei, wo er in kurzer
Zeit zu einer Meisterschaft heranreifte, so dass er heute als einen der
bedeutendsten Vertreter dieser Gattung gilt. Nach seiner Heirat am 14. Februar
1654 ließ sich Gerard ter Borch endgültig in Deventer nieder.
Ab 1660 wandte er sich wieder vermehrt der Porträtmalerei
zu, so dass nur noch wenige Genrebilder entstanden.
Trotz seines ausgedehnten Wanderlebens blieb Gerard ter
Borch zeitlebens der holländischen Schule treu. Schon in seinen frühen Werken,
die deutlich von den Amsterdamer Genremalern Pieter Codde und Willem Duyster
beeinflusst sind, zeigt sich sein Interesse für die Wiedergabe menschlicher
Figuren, die vorrangig von einer Seite beleuchtet werden und sich in Räumen mit
spärlicher Einrichtung befinden. In diesem Genre der Malerei waren seine Werke
den größten Entwicklungen unterworfen. Malte er anfangs vor allem Szenen aus
dem Volks- und Soldatenleben, spezialisierte er sich ab 1648 auf Interieurszenen
mit einigen wenigen Figuren, die galante Paare und meist Damen beim Lesen,
Schreiben, Musizieren oder der Toilette zeigen.[49]
In der Art der Anordnung und Darstellung der Figuren
beschritt Gerard ter Borch völlig neue Wege und wurde damit zum Wegbereiter für
jüngere Meister, die sich an ihn orientierten. Beispielhaft seien hier nur
Gabriel Metsu, Pieter de Hooch und Jan Vermeer genannt. Seinen Porträtstil
entwickelte Garard ter Borch unter dem Einfluss des Haarlemer Malers Hendrick
Pot. Bereits in den 1640er Jahren war dieser voll ausgereift und kaum
Wandlungen unterworfen. Seine Modelle sind meist schwarz gekleidet und vor
neutralen grauen Hintergründen abgebildet.
Mit der Frührenaissance sind endgültig die Goldgründe
mittelalterlicher Heiligenbilder durch Landschaften ersetzt, zunächst noch, wie
bei Giotto, als kulissenartige Zusammenstellung einzelner Motive, später als
einheitlicher Hintergrund.[50]
Im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts entstand nördlich der
Alpen ein neues, vorher unbekanntes Naturempfinden. Die Natur erhielt in
Bildern der Donauschule einen eigenständigen Rang; Naturstudien ohne
Menschendarstellungen sind keine Seltenheit. Das erste reine Landschaftsgemälde
ohne jegliche Figuren ist das Bild Donaulandschaft mit Schloss Wörth, entstanden
um 1522 von einem Maler der Donauschule, Albrecht Altdorfer.[51] Frühe Beispiele aus dem nördlichen
Europa für die Wiedergabe einer konkreten Landschaft - des Genfer Sees – sind Der
wunderbare Fischzug des Konrad Witz - oder einer realistischen Darstellung von
bewegtem Wasser auf dem um 1435 entstandenen Christophoros des gleichen Malers.[52]
Sowohl in Venedig als auch in Florenz fanden die Anregungen
aus dem Norden und die Entdeckungen der Perspektive in Italien auf
unterschiedliche Weise ihren Niederschlag. In Piero della Francescas
Montefeltro-Diptychon schaut der Betrachter aus der Vogelperspektive auf eine
sich weit ausbreitende, lichte Landschaft, wobei sich Porträt und Landschaft
auf unterschiedlichen und unverbundenen Bildebenen befinden. Leonardo da Vinci
(† 1519), von dem auch die erste reine Landschaftszeichnung stammt, stellte als
Hintergründe einiger seiner Gemälde, wie der Felsgrottenmadonna, der Mona Lisa
oder der Anna Selbdritt, alle im Louvre in Paris, keine Abbilder einer realen
Natur dar. Diese Landschaften sind vielmehr eine Art Überblick über die
elementaren Erscheinungsformen der Natur: Erde, Wasser, Fels und Luft, Nähe und
Ferne, Wärme und Kälte.
Als ein Vermittler niederländischer Malkunst in Venedig gilt
Antonello da Messina († 1479), der sich um 1475 in Venedig aufhielt.[53] Ebenso folgenreich für die
Landschaftsdarstellungen venezianischer Maler waren Dürers Holzschnitte,
während seine Landschaftsaquarelle aus der Italienreise nicht publiziert waren
und schon wegen ihrer Funktion als Arbeitsskizzen keine öffentliche Wirkung hatten.[54] Bei den Venezianern Bellini, Giorgione
und Tizian entfaltete sich die für die venezianische Malerei charakteristische
Verschmelzung von Figuren und Landschaft, Licht und Farbe zu einer
stimmungsvollen Bildeinheit von poetischer und lyrischer Qualität. Giorgione
malte mit seinem Gewitter um 1515 das erste Bild, in dem die Figuren an den
Rand gerückt sind und Landschaft zum Bildthema wird.[55]
Ab Mitte des 16. Jahrhunderts kam es in den Niederlanden zu
einer ersten Blüte der Landschaftsmalerei, die mit den Namen Joachim Patinir,
Gerard David, Hieronymus Bosch und Pieter Brueghel verknüpft ist.[56] Von Joachim Patinier († 1524) stammen
die überblicksartigen Weltlandschaften, in denen biblische oder mythologische
Figurengruppen fast nur den Rang von Staffagefiguren einnehmen. Auch auf
Breughels Bild Sturz des Ikarus von 1558 ist das eigentliche – mythologische –
Thema an den äußersten Rand gerückt zu Gunsten der Darstellung einer weiten
Landschaft im Licht der Morgensonne, zu deren harmonischem Einklang auch der
tätige Mensch gehört.[57]
[1] Zitiert aus Löwith, K.:
Das Verhältnis von Gott, Mensch und Welt in der Metaphysik von Descartes und
Kant, Heidelberg 1964, S. 25
[2] Bahr, E. (Hrsg.): Was ist Aufklärung? Thesen und Definitionen.
Reclam, Stuttgart 2008, S. 20
[3] Hereth, M: Montesquieu zur Einführung, Wiesbaden
2005, S. 26
[4] Desgraves, L.: Montesquieu, Frankfurt 1992, S. 47ff
[5] Meyer, A.: Die Epoche der Aufklärung. Akademie,
Berlin 2010, S. 35ff
[6] Bahr, E. (Hrsg.): Was ist Aufklärung? Thesen und Definitionen.
Reclam, Stuttgart 2008, S. 23ff
[7] Meyer, J.: Erziehung im
18. Jahrhundert, Berlin 1987, S. 72ff
[8] Dönike, M.: Pathos,
Ausdruck und Bewegung. Zur Ästhetik des Weimarer Klassizismus 1796-1806, Berlin
2005, S. 15f
[9] Leppmann, W.: Johann
Joachim Winckelmann. Ein Leben für Apoll, Berlin 1996, S. 13
[10] Grasskamp, W.: Ist die
Moderne eine Epoche? Kunst als Modell, München 2002, S. 24
[11] Dönike, M.: Pathos,
Ausdruck und Bewegung. Zur Ästhetik des Weimarer Klassizismus 1796–1806.
= Die Nachahmung des Gewaltsamen,
Berlin u. a. 2005,S. 28
[12] Baumgart, F.: Vom
Klassizismus zur Romantik. 1750-1832. Die Malerei im Jahrhundert der
Aufklärung, Revolution und Restauration, Köln 1974, S. 9
[13] Ebd., S. 30
[14] Ebd., S. 32
[15] Ebd., S. 38
[16] Panik, N.: Kultur des
Absolutismus, München 1989, S. 177
[17] Tzionis, A./Liane Lefaivre, L.: Das Klassische in der Architektur. Die
Poetik einer Ordnung, Braunschweig u. a. 1987, S. 72
[18] Ebd., S. 179
[19] Ebd., S. 180
[20] Ebd.
[21] Ferster, J.: Französische
Geschichte, Hamburg 1993, S. 348
[22] Ebd., S. 349
[23] Dönike, M.: Pathos,
Ausdruck und Bewegung. Zur Ästhetik des Weimarer Klassizismus 1796–1806.
= Die Nachahmung des Gewaltsamen,
Berlin u. a. 2005, S. 40
[24] Laugier, M.-A.: Manifest
des Klassizismus, Zürich u. a. 1989, S. 32
[25] Baumgart, F.: Vom Klassizismus zur Romantik. 1750-1832.
Die Malerei im Jahrhundert der Aufklärung, Revolution und Restauration, Köln 1974, S. 52
[26] Laugier, M.-A.: Manifest
des Klassizismus, Zürich u. a. 1989, S. 35
[27] Toman, R. (Hrsg.): Klassizismus und Romantik. Architektur – Skulptur – Malerei –
Zeichnung, Köln 2006, S. 45ff
[28] Ebd., S. 49
[29] Ebd., S. 58
[30] Tzionis, A./Liane Lefaivre, L.: Das Klassische in der Architektur. Die
Poetik einer Ordnung, Braunschweig u. a. 1987, S. 46
[31] Ebd., S. 99
[32] Dönike, M.: Pathos,
Ausdruck und Bewegung. Zur Ästhetik des Weimarer Klassizismus 1796–1806.
= Die Nachahmung des Gewaltsamen,
Berlin u. a. 2005, S. 49ff
[33] Ebd., S. 53
[34] Baumgart, F.: Vom Klassizismus zur Romantik. 1750-1832.
Die Malerei im Jahrhundert der Aufklärung, Revolution und Restauration, Köln 1974, S. 82
[35] Ebd., S. 79
[36] Sander, J./ Kemperdick, S.: Der Meister von Flémalle und Rogier van der Weyden: Die Geburt der
neuzeitlichen Malerei: Eine Ausstellung des Städel Museums, Frankfurt am Main
und der Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin, Ostfildern
2008, S. 6
[37] Pächt, O.: Van Eyck, die Begründer der
altniederländischen Malerei. München 1989, S. 120
[38] Pächt, O.: Altniederländische
Malerei. Von Rogier van der Weyden bis Gerard David. München 1994, S. 97
[39] Pächt, O.: Van Eyck, die Begründer der
altniederländischen Malerei. München 1989, S. 121
[40] Pächt, O.: Altniederländische
Malerei. Von Rogier van der Weyden bis Gerard David. München 1994, S.
100
[41] Pächt, O.: Van Eyck, die Begründer der altniederländischen
Malerei. München 1989, S. 120
[42] Sander, J./ Kemperdick, S.: Der Meister von Flémalle und Rogier van der Weyden: Die Geburt der
neuzeitlichen Malerei: Eine Ausstellung des Städel Museums, Frankfurt am Main
und der Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin, Ostfildern
2008, S. 6
[43] Pächt, O.: Van
Eyck, die Begründer der altniederländischen Malerei. München 1989, S.
121
[44] Sander, J./ Kemperdick,
S.: Der Meister von Flémalle und
Rogier van der Weyden: Die Geburt der neuzeitlichen Malerei: Eine Ausstellung
des Städel Museums, Frankfurt am Main und der Gemäldegalerie der Staatlichen
Museen zu Berlin, Ostfildern 2008, S. 6
[45] Pächt, O.: Van
Eyck, die Begründer der altniederländischen Malerei. München 1989, S.
122
[46] Pächt, O.: Van
Eyck, die Begründer der altniederländischen Malerei. München 1989, S.
127
[47] Pächt, O.: Altniederländische
Malerei. Von Rogier van der Weyden bis Gerard David. München 1994, S. 80
[48] Pächt, O.: Altniederländische
Malerei. Von Rogier van der Weyden bis Gerard David. München 1994, S. 102
[49] Sander, J./ Kemperdick, S.: Der Meister von Flémalle und Rogier van der Weyden: Die Geburt der
neuzeitlichen Malerei: Eine Ausstellung des Städel Museums, Frankfurt am Main
und der Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin, Ostfildern
2008, S. 16
[50] Büttner, N.: Geschichte
der Landschaftsmalerei, München
2006,.S. 17
[51] Büttner, N.:Die Erfindung der Landschaft. Kosmographie
und Landschaftskunst im Zeitalter Bruegels, Göttingen 2000,S. 23
[52] Eclercy, B. (Hrsg.): Nah und Fern. Landschaftsmalerei von Brueghel bis Corinth, Köln
2011, S. 52
[53] Feldges, U.: Landschaft
als topographisches Porträt. Der Wiederbeginn der europäischen
Landschaftsmalerei in Siena, Bern 1980, S. 28
[54] Eschenburg, B.: Landschaft
in der deutschen Malerei - vom späten Mittelalter bis heute, München,
1987, S. 89
[55] Landschaft, in: Barck, K. u.a. (Hrsg.): Ästhetische Grundbegriffe. Studien zu einem historischen Wörterbuch.
3. Auflage, Stuttgart 2001, S. 617–695, hier S. 627
[56] Büttner, N.: Geschichte
der Landschaftsmalerei, München
2006,.S. 36
[57] Eschenburg, B.: Landschaft
in der deutschen Malerei - vom späten Mittelalter bis heute, München,
1987, S. 53
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