Erschienen in Ausgabe: No. 38 (4/2009) | Letzte Änderung: 23.03.10 |
Zur zeitlosen Aktualität von Franz Werfels >Die vierzig Tage des Musa Dagh<
von Bernd Rebe
„Es wird vielleicht mein Hauptwerk sein.
Ungeheure
Verantwortung hängt daran“
(Franz Werfel in einem
Brief an seine Eltern)
Auf der Berlinale 2007 lief außer
Konkurrenz der Film >Das Haus der
Lerchen< unter der Regie von Paolo
und Vittorio Taviani. Die Brüder Taviani,
in ihren Siebziger Lebensjahren stehend schon >Cineasten-Legenden< (DER
SPIEGEL), hatten schon in ihren früheren Meisterwerken >Padre Padrone< (1977) und >Die Nacht von San Lorenzo< (1982) das Thema von Leiden und
Auflehnung unter politischem Terror behandelt. In der >Nacht von San Lorenzo< ging es um eine Episode des
Widerstandskampfes der Resistenza gegen
die faschistische Miliz, im >Haus der
Lerchen< geht es um die brutalstmögliche Entrechtung, Vertreibung und
Ermordung der Armenier im Herrschaftsbereich des Ottomanischen Großreiches der
Türken im Ersten Weltkrieg.
Die den Handlungsstrang ausmachende
tragische Liebesgeschichte zwischen dem türkischen Soldaten Youssuf und der Armenierin Nunik, die die Ausrottung ihrer Familie
zunächst im Stolz überlebt, wird übrigens von Moritz Bleibtreu und Paz Vega überzeugend dargestellt.
.Die Sprengkraft des Themas zeigt
sich in den schlimmen Folgen seiner regierungsamtlichen Verdrängung: Der Mord
an dem armenisch-türkischen Journalisten Hrant
Dink im Januar 2007 markiert ebenso das fortbestehende Ausmaß
nationalistischer Verirrung rechtsextremer Kreise in der Türkei wie die
unverhohlenen Todesdrohungen gegen den türkischen Literatur-Nobelpreisträger Orhan Pamuk, der wiederholt die
Anerkennung der historischen Wahrheit der Vertreibung und Ermordung der
Armenier im Ottomanischen Reich eingefordert hat und nach Dinks Ermordung fluchtartig auf Auslandsreisen gegangen ist. Wie
ein schleichendes Gift zersetzt die Leugnung und Verdrängung der schon fast ein
Jahrhundert zurück liegenden Vertreibung und Ermordung der Armenier im
damaligen türkischen Hoheitsgebiet die moralischen Grundlagen der türkischen
Republik als Nachfolgestaat des Ottomanischen Reiches, verhindert die
Herausbildung eines weltoffenen, modernen Selbstverständnisses der Türkei und
könnte damit ein Stolperstein für die westlich-demokratische Zukunft der Türkei
in einem dramatisch erweiterten Europa sein. Die aktuelle politische
Sprengkraft des Themas hat sich zuletzt in der Reaktion der türkischen
Regierung gegen die Pläne des US-Kongresses gezeigt, eine Resolution zur
Armeniervertreibung zu verabschieden, wie schon die Schaffung eines neuen
Straftatbestandes durch die französische Nationalversammlung, der die Leugnung
der Armeniervertreibung und -ermordung unter Strafe stellt, heftigen Widerstand
der türkischen Regierung hervorgerufen hat. Auch als es im europäischen
Filmfonds Eurimage um die finanzielle
Förderung des Taviani-Filmprojekts ging (übrigens einer
italienisch-französisch-bulgarisch-spanischen Co-Produktion!), hatte der
türkische Vertreter in dem Gremium versucht, die Förderung dieses Vorhabens zu
verhindern.
Die türkische Regierung
verweigert sich einer Einsicht, die Bismarck
mit der Erkenntnis ausgedrückt hat, dass die geschichtliche Logik in ihren Revisionen noch genauer ist
als die preußische Oberrechenkammer, was in diesem Zusammenhang heißt: Man
kann, Staaten oder Regierungen können eine gewisse Zeit die Wirklichkeit
verfälschen, historische Tatsachen unterdrücken, aber irgendwann kommt >die Revision<: Die Wahrheit in ihrer
ununterdrückbaren Kraft schlägt an die Oberfläche, fordert ihr Recht. So, wie
die Deutschen, die in ihrer Mehrheit glaubten, durch
Wiedergutmachungsleistungen an Israel, durch Unterstützung jüdischer
Glaubensgemeinschaften in Deutschland, durch verbale Eingeständnisse des
Unrechts und durch andere pro-jüdische Aktivitäten den Holocaust quasi
„abgearbeitet“ zu haben, in den achtziger und neunziger Jahren des letzten
Jahrhunderts dann aber doch von der unbeschreiblichen Bestialität des von
Deutschen im deutschen Namen verübten Genocids an >den Juden< (und
anderen) eingeholt worden sind - und sich auch in prominenten politischen
Repräsentanten bis hin zur Errichtung des vom Deutschen Bundestag beschlossenen
Baus eines Holocaust-Mahnmals mitten in ihrer wieder gewonnenen Hauptstadt zu
dieser fürchterlichen Wahrheit bekannt haben! -, so wird nun die Türkei von den
fürchterlichen Untaten des Ottomanischen Reiches eingeholt und so lange von
ihnen bedrängt werden, bis die türkische Regierung sich vorbehaltlos der
historischen Wahrheit stellten wird. -
Dem Drehbuch des Taviani-Films
liegt der Roman der heute in Padua lebenden Literaturprofessorin Antonia Arslan zugrunde, der auf das
Schicksal ihrer armenischen Familie zurückgeht. Während dieser Roman durch die
Verfilmung eine weitere verdiente Anerkennung erfahren hat, liegen die Verfilmungsrechte
des anderen großen Romans über die Entrechtung, Vertreibung und Ermordung der
Armenier im Ottomanischen Reich seit siebzig Jahren ungenutzt bei Metro-Goldwyn-Mayer: Aber nicht nur in
der Nichtverfilmung von Franz Werfels
Roman >Die vierzig Tage des Musa
Dagh< zeigt sich die völlige Verkennung seines literarischen Ranges und
seiner historischen Bedeutung, sondern auch in der literaturgeschichtlichen
Rezeption scheint er eher ein Schattendasein zwischen akademischer
Pflichterwähnung und folgenloser Themenanerkennung als >Armenier-Epos< zu
führen. Die größeren Werfel-Biografien erschienen vor Jahrzehnten (Zahn 1966, Foltin 1972,Jungk 1987); einzig die in ihrer Konzentration hoch
verdienstvolle rororo-bild-monografie von
Norbert Abels aus dem Jahr 1990 liegt in der 4. Auflage von 2002 vor.
Es ist dringend Entdeckungsarbeit
zu leisten, denn Werfels >Musa
Dagh< ist zweifellos einer der bedeutendsten Romane - nicht nur
deutscher Sprache - des 20. Jahrhunderts. Der >Musa Dagh< hat alle Eigenschaften,
die einen „großen“ Roman ausmachen: Einen hoch dramatischen,
schicksalsgesättigten Stoff, geschichtliche Relevanz mit fort wirkende
Aktualität, er ist in einer Sprache evokationskräftiger, poetischer Prosa
geschrieben, in ihm sind verschiedene Handlungs- und Symbolebenen ineinander
verwoben und der Roman ist ungemein spannend – von der ersten bis zur letzten
der fast tausend Seiten. Ohne es zu merken, gleitet der Leser aus seinem
rezeptiven Leser-Dasein in die Schicksalswelt dieses Romans, verliert seinen Leserstatus,
wird mit leidender und mit hoffender Teilnehmer des ungeheuren
Roman-Geschehens.
Der Stoff
Franz Werfel hat in einem schicksalhaften Dreischritt zu dem Stoff
des Romans gefunden: Eine erste Fernberührung trifft ihn als k. und k.-
Soldaten 1916 an der galizischen Front gegen Russland, als der türkische
Kriegsminister Enver Pascha, der
Hauptverantwortliche für Deportation und Ermordung der Armenier, unweit von
Werfels Standort die Stellungen inspiziert. Nach dem Krieg liest Werfel dann in den expressionistischen
Blättern >Die Aktion< und >Das Ziel<, in denen er selbst
veröffentlichte, Aufklärungsberichte über den Völkermord an den Armeniern von Armin T. Wegner und Martin Niepage, die die publizistische Aufmerksamkeit auf dies
Thema lenkten. >Ich las damals in den
großen Zeitungen davon und gab mir … das Versprechen, eines Tages einen
geschichtlichen Roman über dieses Thema zu verfassen< (zitiert nach Abels, S. 92). Letztlich auslösend ist
ein Eindruck auf seiner zweiten orientalischen Reise in den ersten beiden
Monaten des Jahres 1930; hierzu Abels aaO:
>Wie fast immer ist es ein Augenblickseindruck, der Werfel im Gedächtnis
bleibt, sich dort ausbreitet und schließlich produktiv wirkt. Diesmal handelt
es sich um einen Augenblick im wörtlichen Sinne. Ausgehungerte Kinder, mit bleichen El-Greco-Gesichtern und
übergroßen dunklen Augen, fallen Werfel in einer Teppichweberei in Damaskus
auf. Armenieraugen sind fast immer groß,
schreckensgroß von tausendjährigen Schmerz-Gesichten, heißt es später im
Roman.< Werfel erfährt von dem
Besitzer der Weberei, dass es Kinder von den Türken erschlagener Armenier
seien, die hier arbeiten. Er macht sich erste Notizen, bereist dann das
französische Mandatsgebiet von Syrien nicht weit vom Musa-Dagh-Gebirge, zieht
vor Ort Erkundungen über den vierzigtägigen Widerstand einiger Dorfgemeinden
gegen die erdrückende militärische Übermacht der Türken ein und sammelt später
umfangreiches Material aus verschiedensten Quellen, darunter die von Pater Dr. Johannes Lepsius (1858 – 1926) unter
dem Titel >Deutschland und Armenien< herausgegebenen diplomatischen
Aktenstücke. Lepsius, der im Roman
dreimal auftritt - einmal in einem Bittgespräch mit Enver Pascha, einmal im Gespräch mit einem Beamten des deutschen
Auswärtigen Amtes und einmal bei einer armenischen Bruderschaft in Istanbul - lebte
von 1908 bis 1925 in Potsdam, wo die Stadt das Lepsius-Haus in der Großen Weinmeisterstraße 45 nun zu einer
internationalen Begegnungsstätte restauriert hat. Werfel wollte mit seinem umfangreichen Quellenstudium >selbst
strengsten Authentizitätsmaßstäben ... genügen<, wie Abels zutreffend bemerkt; dennoch ist es ihmgelungen, die Riesenmasse des historischen Stoffes in einen
durchgängigen Romanduktus umzuschmelzen. Wenn Abels feststellt >Kein
einziges Wort, das im Epos über die Ermordung und Deportation des armenischen
Volkes geäußert wird, ist eine Erfindung des Dichters<, so ist dies sehr
genau zu lesen: Kein Wort über das historische Rahmengeschehen ist falsch; die
Romanhandlung im einzelnen dagegen und einige ihrer Figuren sind aber durchaus
erfunden. Dies gilt insbesondere für die Hauptfigur in Werfels Roman, Gabriel
Bagradian:
>Wie komme ich hierher?< - Gabriel
Bagradian, ein „abstrakter Mensch“ auf dem Weg zu seinem Volk
Gabriel Bagradian stellt sich die Eingangsfrage zu dem Roman >Wie komme ich hierher?< selbst
auf einem Vorberg des in im Ersten Weltkrieg noch zum türkischen Großreich
gehörenden >Berg Moses<, des
>Musa Dagh< am Mittelmeer in Nordsyrien. Er blickt, mit dem
landesüblichen Fez auf dem Kopf, zurück und sieht, woher er kommt: >Das Haus leuchtet mit seinen grellen Mauern
und dem flachen Dach zwischen den Eukalyptusbäumen des Parks. Auch die
Stallungen und das Wirtschaftsgebäude blinken in der sonntäglichen
Morgensonne.Obgleich zwischen Bagradian und dem Anwesen schon mehr als eine
halbe Wegstunde Entfernung liegt, scheint es immer noch so nahe, als sei es
seinem Herrn auf dem Fuße gefolgt. Doch auch die Kirche von Yoghonoluk weiter
unten im Tal grüßt ihn deutlich mit ihrer großen Kuppel und dem spitzhütigen
Seitentürmchen. Diese massig ernste Kirche und die Villa Bagradian gehören
zusammen. Gabriels Großvater, der sagenhafte Stifter und Wohltäter, hat beide
vor fünfzig Jahren erbaut<. Die Villa Bagradian ist Gabriel Bagradians Geburtshaus, hier hat er die ersten zwölf Jahre
seines Lebens verbracht, den Großvater Awetis
Bagradian, den >Begründer jenes
bekannten Stambuler Welthauses, das in Paris, London und Paris Niederlassungen
besaß<, wie alle in der Gegend, bewundert. Dann geht er für
dreiundzwanzig Jahre mit seinen Eltern und seinem fünfzehn Jahre älteren Bruder
Awetis (der den Namen des Großvaters
trägt) nach Paris, besucht dort das Gymnasium, studiert an der Sorbonne und
heiratet Juliette, eine Französin,
die >gleichsam ihr Blut unnachgiebig (gegen
armenische Bindungen und Verbindungen) durchsetzt<.
Allerdings: Der Sohn Stephan hat
armenische Augen und diese Augen kann auch Juliette
nicht ändern. Noch zwei andere äußere Verbindungen bleiben zum Armenischen: Stephan erhält mit zehn Jahren - gegen Juliettes Widerstand - den armenischen
Studenten Samuel Awakian zum
Hofmeister, um die armenische Sprache zu lernen, und Gabriel nimmt 1907 an dem Kongress teil, der die Jungtürken mit der
armenischen Nationalpartei vereinigt. >Ein
neues Reich soll geschaffen werden, in dem die Rassen friedlich und ohne
Entehrung nebeneinander leben.< Für dieses Ziel, das das jungtürkische
>Komitee für Einheit und Fortschritt< Ittihad
später in Feindschaft zum armenischen Volk verrät, begeistert sich auch Gabriel Bagradian so sehr, dass er bei
Ausbruch des Balkankrieges sein versorgtes Leben als Gelehrter und Schöngeist
in Paris aufgibt und sich freiwillig zu den Waffen meldet, um nach einer
Ausbildung im Eilverfahren als Offizier einer Haubitzbatterie noch in den Krieg
zu ziehen. Dort leidet er unter der Trennung von seiner Familie, fühlt vor
allem seine Beziehung zu Juliette gefährdet, obwohl er keinen wirklichen Anlass
hierfür hat.
Nach Paris zurück gekehrt, leben
die Bagradians ein glückliches Leben,
Gabriel als >ein Denker, ein
abstrakter Mensch, ein Mensch an sich<, der sogar an den Erwerb der
französischen Staatsbürgerschaft denkt. Aber er kommt von seiner armenischen
Bindung und damit von der Bindung an >sein
Väter-Land< nicht los, denn >die
Väter haben Ungeheures dort erlitten und dennoch nicht aufgegeben. Gabriel hat
nichts erlitten. Er weiß von Mord und Metzelei nur durch Erzählungen und
Bücher. Ist es nicht gleichgültig, wohin ein abstrakter Mensch zuständig ist,
denkt er, und bleibt ottomanischer Untertan.<
Dann, am Vorabend des Ersten
Weltkriegs, kommt die große Wende im Leben der Bagradians: Sein älterer Bruder Awetis,
der mit Europa nichts im Sinn hat, war schon bald als Mitchef des
großväterlichen Unternehmens in die Türkei zurück gekehrt und hatte als >einsamkeitssüchtiger Sonderling< die Villa Bagradian in Yoghonoluk nach
mehrjähriger Verlassenheit wieder in Besitz genommen. Awetis teilt seinem jüngeren Bruder mit, dass er als schwerkranker
Mann nicht mehr in der Lage sei, das Unternehmen zu leiten, Gabriel möge zur Wahrnehmung seiner
Interessen nach Istanbul kommen. Die ganze Familie, einschließlich Hauslehrer Awakian, reist in die Türkei, kann aber
den inzwischen nach Beirut weiter gezogenen und von dort zum Sterben wieder
nach Yoghonoluk zurück gekehrte Bruder nicht mehr erreichen, der Tod ist
schneller.
Nun beziehen Gabriel, Juliette, der Sohn Stephan und der Hauslehrer Awakian die
Villa Bagradian in der dörflichen Einsamkeit am Fuße des Musa Dagh – auf
nachdrücklichen Wunsch von Juliette
und gegen Gabriels anfängliches
Widerstreben. Die Rückkehr nach Paris ist dem >ottomanischen Untertan< Gabriel Bagradian unmöglich geworden,
denn die Türkei ist auf Seiten der Mittelmächte (Deutschland, Österreich,
Italien) in den Krieg eingetreten, Frankreich ist Feindesland geworden; sie
sitzen fest am Fuße des Musa Dagh.
Gabriel Bagradian unternimmt nun fast täglich Erkundungstouren in
das Musa-Dagh-Gebirge, mit dem er immer vertrauter wird. Er eignet sich bei
diesen Touren aber nicht nur eine besondere, schon bald sehr hilfreiche
Kenntnis des äußeren Geländes an, sondern taucht in Beobachtungen,
Rückahnungen, Reflexionen und archäologischen Begegnungen mit der Geschichte
des Landstrichs in die Leidensgeschichte seines Volkes ein: >Wie komme ich hierher? All die äußere
Verquickung der Dinge beantwortet die
Frage nur höchst unvollständig. Das feierliche Erstaunen seiner Seele aber
weicht nicht. Eine leichte Unruhe schwingt mit. Die uralten Dinge, in
dreiundzwanzig Pariser Jahren überwunden, sie müssen wieder eingebürgert
werden.<
Es ist eine Zeit der
Vorbereitung, innerlich und in den Wendungen des Krieges gegen das Ottomanische
Reich mit ihren Folgen für das Leben der Armenier in diesem Staat.
Treibende Manifestationen der Fremdheit
>Fremdheit ist das zentrale Motiv im Werk Franz Werfels<,
schreibt Norbert Abels gleich am
Beginn seiner schon zitierten Biografie und belegt dies auch mit Werfel-Versen
(>Fremde sind wir auf der Erde
alle/Und es stirbt, womit wir uns verbinden<). Im Musa Dagh-Roman tritt uns die Fremdheit in vielfältigen
Manifestationen entgegen, individuell und überindividuell, ist die eigentlich
treibende Kraft sowohl des einbettenden Geschehens als auch der Handlungen
einzelner, und ist dabei Entsagungserfahrung und schmerzhafte Erlösungsperspektive
zugleich.
Da ist zum einen Gabriel Bagradian selbst, der als
>abstrakter< Kultureuropäer in suchender Spannung zu seinen armenischen
Wurzeln lebt und empfindet, >nicht nur
in der Welt, sondern auch in sich selbst ein Fremder, sobald er mit den Menschen
in Berührung kam<.
Da ist seine Frau Juliette, die als kultivierte Französin
kaum eine Chance hat, von den Armeniern als eine der ihren anerkannt zu werden,
so sehr sie sich auch als Krankenhelferin, Gastgeberin und opferbereite
Schicksalsgenossin auf dem Musa Dagh um
Gemeinsamkeit und Anerkennung bemühen mag.
Und da ist der Sohn Stephan, der sich in Sprache, Verhalten
und Kleidung seinen ebenfalls pubertierenden Altersgenossen anzupassen
versucht, für diese aber immer das verwöhnte, fremde Herrensöhnchen bleibt.
Und da ist - überindividuell - das
Schicksal der Armenier im türkischen Großreich: Sie mögen sich so verdient
machen, wie sie wollen, sie mögen für das Ottomanische Reich in Kriegen ihr
Leben lassen, der türkischen Obrigkeit gehorchen – sie bleiben Fremde in diesem
Staat, oder richtiger: Werden zu Fremden abgestempelt und schließlich verfolgt,
vertrieben und ermordet. Die Armenier erleiden Fremdheit, schließen aber auch
selbst andere als Fremde aus. Das gilt auch für die zusammen gewürfelte Soldateska
aus russischen und Soldaten anderer Nationen, die auf dem Musa Dagh von den Armeniern zur Verstärkung der Abwehr argwöhnisch
geduldet wird.
Und doch: So sehr diese Fremdheit
den hierdurch Stigmatisierten das Erleiden der Ausgeschlossenheit auferlegt, so
sehr vermittelt diese Fremdheit auch Klarheit und Kraft und kann damit
produktiv wirken:
Gabriel Bagradian ist so die Gabe der realistischen Analyse der
heraufziehenden Deportations-Bedrohung gegeben und er findet nach Zweifeln und
Anfechtungen zur Entschlossenheit eines mutigen Rettungsplans für fünftausend
seiner Landsleute. Die Fremdheit schafft die Distanz, die erforderlich ist, um
die Verhältnisse und Möglichkeiten klar einzuschätzen. Und >die Überlegenheit systematischen Denkens,
wie er es in Europa gelernt hatte, hob ihn hoch über die dumpfen und ergebenen
Häftlinge des Verhängnisses<. Er zieht Erkundungen über das nahende
Unheil ein, macht sich ortskundig im Musa
Dagh-Gebirge, lässt von Hauslehrer Awakian
Geländekarten herstellen, verbündet sich mit Waffenkundigen, Zimmerleuten,
Lehrern und Ärzten und lässt den gregorianischen Hauptpriester Ter Heigasun zum Oberhaupt der
organisierten Theokratie auf dem Musa
Dagh bestimmen, da er weiß, dass die Rettung nur mit Etablierung eines
disziplinierten Gemeinwesens mit legitimierter Letztentscheidungs-Autorität,
mit klar definierten Zuständigkeiten, eindeutiger Aufgabenzuteilung, und
geregelten Arbeitsabläufen möglich ist. So gelingt ihm mit seinen militärischen
Erfahrungen und den Handlungsprogrammen seines klar differenzierenden
Verstandes das Unwahrscheinliche, ja unmöglich Erscheinende: Die fünftausend
auf dem Musa Dagh verschanzten
Armenier widerstehen vierzig Tage lang der erdrückenden militärischen Übermacht
der Türken.
Auch sein Sohn Stephan bewirkt, getrieben durch den
Willen, die distanzierende Fremdheit zu seinen armenischen Altersgenossen zu
überwinden, eine entscheidende Stärkung der Abwehrkraft der eingeschlossenen
Armenier, indem er in einer tollkühnen Nacht- und Nebelaktion den Türken eine Haubitze
entwenden lässt.
Und selbst die fremde Soldateska,
die aus Verblendung und Rachebedürfnis nach vierzig Tagen die provisorischen
Unterkünfte der Armenier auf dem Musa
Dagh anzündet, zerstört damit zwar deren Behausungen, erweckt aber durch
den Feuerschein die Aufmerksamkeit des Kommandanten eines auf dem Meer
kreuzenden französischen Schlachtschiffes, was dann zur Rettung der
hoffnungslos Eingeschlossenen führt.
Natürlich thematisiert Franz Werfel mit der Fremdheit des Gabriel Bagradian auch seine eigene
Existenz mit den Fremdheitserfahrungen aller nichtslawischen, zumal jüdischen
Prager, deren Erbteil als Schriftsteller deutscher Sprache(neben Werfel auch Kafka,
Kisch und Rilke) doppelte und
dreifache Heimatlosigkeit ist (zitiert nach Abels). Aber Bagradian und Werfel wenden die
Fremdheit produktiv, ziehen analytische Klarheit und therapeutische Kraft aus
der Entfremdung. Zur therapeutischen Perspektive gehört aber nicht nur die
Geschichte der >Heimkehr eines
Entfremdeten, der über den Weg zur Gemeinschaft schließlich zu sich selbst
zurückfindet< (so Abels),
sondern es geht auch um die Selbstfindung
durch die produktive Tat, bei Gabriel
Bagradian durch die mutige Rettungstat, bei Franz Werfel durch die schriftstellerische Gestaltungstat. Das selbst verantwortete, befreiende
Handeln hat dabei nicht nur eine individuelle Selbstfindungsfunktion, sondern
repräsentiert zugleich
Die metaphysische Botschaft des Romans
Die Frage nach der
Bewirkungskraft von Religion, die Bedeutung des Verhältnisses zu Gott, die
Forderung eines Lebens nach seinen Geboten (auf dem Berg Moses!), die Art des
Vertrauens in eine Errettung durch einen allmächtigen Gott – diese und andere
Fragen nach dem Umgang mit dem Transzendenten durchwirken die verschiedenen
Ebenen des Romans. Schon durch das (gregorianische) Christentum der Armenier im
Gegensatz zum Islam der Türken gewinnen die Unterschiede der Religionen eine
Spannung gebende Bedeutung im Äußeren, vor allem in der Konstituierung von
Zugehörigkeit oder Fremdheit. Folgt man Norbert
Abels in seiner Feststellung, dass der Entfremdete für Werfel >stets der
Gott-Entfremdete (bleibt), derjenige also, der es aufgegeben hat, nach einem
Sinn zu fahnden<, dann hat das Gottesverhältnis des einzelnen auch
Bedeutung für seine Fremdheit und für ihre Überwindung. Schließlich
unterstellen sich die Fünftausend Armenier auf dem Musa Dagh der obersten Entscheidungsgewalt eines christlichen
Priesters, errichten in der Mitte ihres provisorischen Dorfes eine christliche
Kultstätte und zelebrieren dort nach den Möglichkeiten ihrer außergewöhnlichen
Existenz die Rituale ihrer feierlichen Messen.
Und auch für die Grundsatzfrage,
ob man den Deportationsbefehlen der türkischen Obrigkeit folgen oder ob man
Widerstand auf dem Musa Dagh leisten
sollte, spielen religiöse Überzeugungen eine Rolle. Nachdem das
Deportationsschicksal auch für die armenischen Bewohner der sieben Dörfer am
Fuße des Musa Dagh Gewissheit
geworden ist, versammelt Ter Haigasun mit
Gabriel Bagradian die Bewohner der
Dörfer im ummauerten Park der Villa
Bagradian. Hier weiß selbst Ter
Haigasun noch nicht, was er wollen soll; er beschwört seine Landsleute in
ihrer dumpfen Verzweiflung lediglich, keine törichten Vorschläge zu machen,
etwa den Behörden Bittschriften oder dergleichen zu senden, dies sei nur
unsinnige Zeitvergeudung: >Menschliche
Gnade gibt es nicht mehr. Christus, der Gekreuzigte, fordert die Nachfolge
seines Leidens. Es bleibt für uns gar nichts anderes übrig, als zu sterben… Es
fragt sich nur, wie!<
Auch nachdem Gabriel Bagradiant den Versammelten seinen überraschenden
Rettungsplan vorgestellt hat, begründet Pastor
Nokhudian seine Ablehnungdieses
Plans mit biblischen Argumenten:
>Christus befiehlt uns streng, der Obrigkeit zu gehorchen. Christus
befiehlt uns streng, dem Übel nicht zu widerstreiten. Mein Amt ist das
Evangelium. Ich kann als Hirte meiner Herde keiner Widersetzlichkeit
zustimmen.<
Seine Glaubensfestigkeit verleiht
seiner Rede Flügel: Als Folge einer bewaffneten Auflehnung erhalte die
Regierung erst das volle Recht, die versuchte Maßregel in ein rücksichtsloses
Rachewerk zu verwandeln. Dann sei der Tod nicht mehr die verdienstvolle
Leidensnachfolge des Herrn, sondern eine gesetzmäßige Strafe für Aufrührer.
Es ist dann eine Frau, die diesem
zerstörerischen Glaubenseifer entgegen tritt. Mütterchen Antaram, die Frau des alten Arztes, ist >jung vor herrlicher Empörung<, als
sie mit ihrer empörten Widerstandsrede Gabriel
Bagradian unterstützt:
>Ich bin eine Frau< - die gesättigte Stimme ertrotzte sich mit
ihrem ersten Laut völlige Ruhe - >ich bin eine Frau und spreche für alle
Frauen hier! Viel habe ich erlitten! Mein Herz ist oft und oft gestorben. Der
Tod ist mir längst gleichgültig. Ich werde gar nicht hinschauen, wenn er kommt.
Doch in der Erniedrigung will ich nicht zugrunde gehen, auf der Landstraße
werde ich nicht krepieren und nicht auf freiem Felde verfaulen, ich nicht! Doch
auch nicht leben will ich bleiben in einem der Deportationslager unter den
ehrlosen Mördern und den ehrlosen Opfern, ich nicht! Wir Frauen wollen das alle
nicht, nein, wir alle nicht! Und wenn die Männer zu feig sind, so werden wir
Weiber allein uns bewaffnen und auf den Musa Dagh ziehn…Mit Gabriel
Bagradian!<
Wir dürfen davon ausgehen, dass
diese entschiedene Rede eine Hommage an seine Frau Alma Mahler-Werfel ist, der er Weihnachten 1933 das Original des
Buches mit der Dankeszeile widmet >Meiner
Alma, der allein ich dieses Buch verdanke.< Dem entspricht die zentrale
Bedeutung dieser Sätze: In ihnen steckt das klare Bekenntnis zur Verantwortung
der Menschen für ihr Schicksal, soweit sie es durch verantwortliches Handeln
beeinflussen können, und eine ebenso klare Absage an religiös verbrämte
Schicksalsergebenheit. Franz Werfel hat
diese metaphysische Zentralbotschaft des Romans an einer eher untergeordnet
erscheinenden Stelle Gabriel Bagradian in
den Mund gelegt. Als dieser Ter Heigasun
in der Gewissheit des herauf dräuenden Verhängnisses fragt, was er denn noch
tue, als seiner Gläubigengemeinde die Wahrheit vorzuenthalten und Heigasun darauf flüsternd antwortet >Ich bete…<, da geht Bagradian, laut atmend, im Zimmer umher,
schlägt plötzlich mit der flachen Hand klatschend gegen die Mauer, dass der
Verputz abbröckelt, und stößt hervor:
Beten Sie… Aber man muß Gott auch unterstützen!“< (S. 98)
Als Bedeutsamkeitshilfe für den
Leser: Dies ist die einzige Stelle im gesamten Romantext, die gesperrt gedruckt
ist!
Die Vorwegnahme des Holocaust
Franz Werfel hat die erste Fassung des Romans in der Zeit vom Juli
1932 bis zum 30. Mai 1933 geschrieben (bis zur Drucklegung erarbeitete er drei
weitere Fassungen, einige Passagen schrieb er achtmal um). Während er auf
Breitenstein und in Santa Margherita dies Riesenwerk in so kurzer Zeit
verfasste, kamen in Deutschland die Nazis an die Macht, und es begann der Verfall
einer Kulturnation bis in die finstersten Tiefen mörderischer Barbarei. Anfang
1933 hatte die große Mehrheit der Deutschen aber noch bange Hoffnungen in einen
Neuanfang mit den Nazis und hätte – wie wohl auch fast alle späteren Täter - niemals
den bestialischen Völkermord vorausgeahnt, der später von Deutschen und im
deutschen Namen vor allem an „den Juden“ begangen wurde. Die Schilderung der
Armenierdeportationen in Werfels
Roman nimmt den Holocaust in seiner Unmenschlichkeit und völligen Irrationalitat,
in seiner bürokratischen Präzision auf der Täterseite und seiner ungläubigen
Ergebenheit in das Todesschicksal auf der Opferseite in beängstigender
Eindringlichkeit vorweg. Auch das Begleitszenario, einschließlich der
Selbstschädigung der selbst zum Untergang verurteilten Täter, die Projektion
der Schuld hierfür in einen „fremden“ Teil des eigenen Volkes, stimmt mit den
Folgen und Begleitumständen des Holocaust in erschreckender Weise überein.
Offenbar geschehen Genocide im Zwangsgehäuse einer immanenten Logik, die erst
durch die finale Katastrophe für die Täter zerschlagen wird.
Es beginnt mit der über die
Jahrhunderte geschleppten Stigmatisierung eines irgendwie abgrenzbaren Teils
des eigenen Volkes. Sowohl bei den Armeniern wie bei den Menschen jüdischen
Glaubens ist ein Entfremdungselement die andere Religion gewesen. Ein zweites
Element ist der Vorwurf besonderer Talente, die in ein vorwerfbares Privileg
umgedeutet und gegen ihre Inhaber gewendet werden. Auch die Armenier gelten als
nicht nur technisch-handwerklich besonders begabt und erfolgreich. Als Gabriel Bagradian mit Samuel Awakian Pläne für das Überleben
auf dem Musa Dagh schmiedet, sagt er
dem erschüttert Zweifelnden: >Wir
Armenier bilden uns doch immer so viel auf unsere geistige Überlegenheit ein.
Damit haben wir sie aufs Blut erbittert. Nun aber wollen wir wirklich beweisen,
wie sehr wir überlegen sind!<
Das dritte Element besteht in
einer kompensatorischen Projektion eigenen Versagens, eigener Niederlagen, in
den ausgegrenzten Volksteil. Wie bei den Nazis die mörderische Brutalität
gegenüber „den Juden“ mit den Niederlagen der Wehrmacht zunahm und die
kompensatorische Projektion des eigenen Versagens noch bei Göbbel’s unsäglicher Sportpalastrede (auch) in Transparenten mit
der Behauptung >Die Juden sind Euer
Unglück!< zum Ausdruck kam, so stand auch das Ottomanische Reich im
Ersten Weltkrieg an vier Fronten in einem Kampf auf Leben und Tod und Enver Pascha, der Kriegsminister und
stellvertretende Oberbefehlshaber der Türken und der Hauptverantwortliche für
die Armenierdeportationen, hatte bei seinem tollkühnen Feldzug im Kaukasus zwei
volle Armeekorps verloren. Auch dafür musste er jemanden verantwortlich machen
können, wenn auch nicht in der offiziellen Begründung, so doch vor sich selbst.
Und nun die Täterseite: Sie
reicht viel weiter, ist viel komplexer und geschichteter, als eine abstrakte
Formel von „den Tätern“l dies bezeichnet. Schon der staatlich-organisatorische
Kern der Mord-Deportationen stellte sich als eine Bürokratiekaskade dar, auf
der die Anordnungen vom Ministerium in Istanbul über die leitenden
Verwaltungsbeamten der Provinzen (Vilajets),
die Walis, dann als
Vollstreckungsanordnungen,zu den
Unterstatthaltern der Sandschaks, in
die die Provinzen aufgegliedert waren, und von dort zu den einzelnen Kreisen (Kasahs) und schließlich zu den
Bezirkshauptleuten in den Kreisstädten weiter stürzten, auf jeder Ebene von
Konferenzen zwischen Zivilverwaltung und immer niederrangigeren Militärs
umgeformt und angepasst, wonach man sich ins Bad oder Café begab, wenn nicht
gerade ein Festmahl bei dem Konferenzleiter stattfand, bei dem man sich von der
Erfüllung seiner Pflichten erholen konnte.
>Nach einer bestimmten, wohlbedachten Ordnung liefen bei den
Statthaltern des Reiches die Avisi des Ministeriums ein, denen dann die
allfälligen Durchführungsbefehle zur gegebenen Zeit folgten. Das bürokratische
Schaltwerk arbeitete ausnahmsweise mit erstaunlicher Pünktlichkeit, so dass es
für ein Beamtenherz diesbezüglich eine Lust zu leben war.<
Allerdings ist diese
bürokratische Geordnetheit der Todespolitik nur die eine Seite der Medaille;
die andere zeigt sich in der widerrechtlichen Aneignung von Armeniereigentum
(wie bei der „Arisierung“ vom Eigentum der verfolgten Juden in Deutschland) und
bei der bestialischen Behandlung der zu deportierenden Armenier durch die
türkischen Saptiehs, den die
Deportationsbefehle letztlich ausführenden Gendarmen. Ist je ein solcher
Deportationszug eindringlicher und verstörender beschrieben worden als von Franz Werfel?
>Mit jeder Stunde wurden die Gesichter hohler, der millionenfüßige
Schritt taumelnder. Bald entrang sich kein anderer Laut mehr dem ziehenden
Wesen als Stöhnen, Husten, Wimmern und manchmal ein wüster, krampfhafter
Aufschrei. Mit der Zeit fielen immer mehr Glieder dieses Wesens ab, sanken hin,
wurden in den Graben gestoßen und verreckten. Dann sausten die Knüppel der
Saptiehs auf die Rücken der zögernden Scharen. Wütend waren die Saptiehs. Auch
sie mussten ein Hundeleben führen, ehe sie ihre Ausgetriebenen an der Grenze
der Kasah dem benachbarten Gendarmeriekommando übergaben. Anfangs wurden noch
Standeslisten geführt. Als aber dann die Krankheits- und Todesfälle überhand
nahmen, als man immer mehr Halb- und Ganzgestorbene in den Straßengraben werfen
musste, vor allem Kinder, da erwies sich die Listenführung als höchst lästig
und der Onbaschi ließ die überflüssige Schreiberei bleiben. Ob Sarkis, Astik
oder Hapeth, ob Anusch, Wartuhi oder Koren auf freiem Feld verwesten, wer
fragte danach? Nicht alle Saptiehs waren reißende Bestien. Es ist sogar
anzunehmen, dass die Mehrzahl aus durchschnittlich guten Menschen bestand. Doch
was soll er tun, der Saptieh? Er hat den scharfen Befehl, mit der ganzen Herde
zu dieser und dieser Stunde dort und dort gestellt zu sein. Sein Herz begreift
die brüllende Mutter ganz gut, die ihr Kind aus dem Graben reißen will, die
sich auf die Straße hinwirft und in die Erde krallt. Kein Zureden hilft. Es
dauert schon Minuten und die Station ist noch zwölf Kilometer entfernt. Der Zug
stockt. Alle Gesichter verzerren sich. Aus tausend Mündern bricht ein
Wahnsinnsgeschrei. Warum wirft sich diese Menge, so entkräftet sie auch ist,
nicht auf den Saptieh und seine Kameraden, entwaffnet sie und zerreißt sie in
der Luft? Vielleicht fürchten die Gendarmen einen solchen Wutausbruch, der ihr
Ende wäre. Da gibt einer von ihnen einen Schuß ab. Die anderen ziehen den Säbel
und schlagen mit den scharfen Klingen auf die Wehrlosen ein. Dreißig, vierzig
Männer und Frauen wälzen sich in ihrem Blut. Von diesem Blut aber kommt ein
andrer Rausch über die erregten Saptiehs, die alte Gier nach den Weibern der
verhaßten Rasse. In den preisgegebenen Frauen vergewaltigt man mehr als
menschliche Wesen, man nimmt in ihnen den Gott des Feindes in Besitz. Nachher
wissen die Saptiehs kaum mehr, wie sich all das zugetragen hat< (Die vierzig
Tage des Musa Dagh, S. Fischer Verlag, 6.-7. Tausend 1996, S. 180 - 183).
Wechselt man die Saptiehs gegen >Hitlers willige Vollstrecker< aus, dann hat man die SS und
die Deportation der Juden und anderer Verfolgter unter dem NS-Regime.
Auch die Haltung der zukünftigen
Opfer gegenüber dem heraufziehenden Todesunheil schwankt, wie das der bedrohten
Juden in Nazi-Deutschland, zwischen Ungläubigkeit, Unverständnis, irrationaler
Rettungshoffnung und letztlicher Ergebung. >Diese Weinbauern, Obstgärtner, Holzschnitzer, Kammacher, Imker,
Raupenzüchter, Seidenweber, die dem Nahenden so lange entgegengewartet hatten,
sie konnten es nun, da es gekommen war, mit dem Verstande nicht fassen. Die
verfallenen Gesichter zeigten immer angestrengtere Züge. Die Lebenskraft mühte
sich ab, die kranke Verpuppung der letzten Zeit zu durchstoßen.< Und zur
Hoffnung des Übergangenwerdens: >Bis
vor wenigen Stunden noch hatten sie sich in ihrer künstlichen Schlaftrunkenheit
vorgefabelt, das große Schicksal werde gerade am Musa Dagh mit eingezogenen
Krallen vorüber schleichen. Und dann, wer waren sie? Arme, verlassene Dörfler,
ein ausgesetzter Stamm auf bedrängter Insel, ohne eine Stadt im Rücken.<
Und dann bindet auch diese
Armenier eine in langer Bürgergewohnheit eingebrannte Untertanentreue an diesen
Staat, wie auch die von den Nazis im Reich verfolgten Juden doch immer in
erster Linie Deutsche sein wollten:
>Jeder, der hier geboren war und lebte, trug für diesen Staat, den
alten Erbfeind, eine mit Grauen vermischte Ehrfurcht im Blut. Staat, das war
der Saptieh, der einen ohne Grund schlagen und in Haft nehmen durfte, Staat,
das war der Steuerbeamte und –pächter, der in die Häuser einbrach und raubte,
was ihm geeignet schien. Staat, das war die schmutzige Kanzlei mit dem
Sultanbild, den Koransprüchen und dem vollgespuckten Estrich, wo man Bedel
entrichtete, Staat,das war die Kaserne mitz dem öden Hof, wo man als Soldat
dienen musste, wo der Tschausch oder Onbaschi Faustschläge austeilte und für
den Armeniersohn eine eigene Bastonade vorrätig war. Und trotz alledem: das
hündische Gefühl der Angst und Ergebenheit gegen diesen wohlwollenden Staat
wurde auch der Armeniersohn nicht los< (S. 247).
Franz Werfel hat aber kein Hassepos auf die Türken verfasst. Er
zeichnet ein durchaus differenziertes, hinsichtlich der Haltung der
„Gebildeten“ nachdenklich stimmendes Bild, wie es ja auch für die Haltung in
der deutschen Bevölkerung zur Judenverfolgung der Nazis, wenn auch vielleicht
in anderer Verteilung, zutrifft:
>Während in den Selamliks, Cafés, Bädern, Versammlungsorten der
Provinz die moderne Welt (das heißt alles, was Zeitungen las, einen
bescheidenen Fremdwörterschatz besaß, anstatt Karagöz, dem alttürkischen
Schattenspiel, in Smyrna oder Stambul ein paar französische Komödien gesehen
hatte und ansonsten den Namen Bismarck und Sarah Bernhardt kannte), während
also diese Gebildeten, dieser fortgeschrittene Mittelstand sich restlos hinter
Envers Armenierpolitik stellte, verhielt es sich mit den einfachen türkischen
Menschen, mochten es nun Bauern oder das niedre Stadtvolk sein, durchaus
anders. Oft staunte der Müdir (Bezirkshauptmann) auf seinen Rundreisen, wenn in einem Dorfe, wohin er den
Austreibungsbefehl gebracht hatte, sich Türken und Armenier zusammenscharten,
um miteinander zu weinen. Und er verwunderte sich, wenn vor einem armenischen
Hause die türkische Nachbarsfamilie schluchzend stand und den
Tränenlos-Erstarrten, da sie ohne sich umzuschauen aus ihrer alten Tür traten,
nicht nur ein „Allah möge euch barmherzig sein“ zurief, sondern Wegzehrung und
große Geschenke mit auf den Weg gab, eine Ziege, ja selbst ein Maultier. Und
der Müdir konnte auch erleben, dass diese Nachbarsfamilie die Elenden mehrere
Meilen weit begleitete. Und er konnte erleben, dass sich seine eigenen
Volksgenossen vor seine Füße warfen und ihn anflehten:
„Laß sie bei uns! Sie haben nicht den richtigen Glauben, aber sie sind
gut. Sie sind unsre Brüder. Laß sie hier bei uns!“
Doch was half das? Selbst der gutmütigste Müdir konnte nur in ein paar
namenlosen Einöd-Dörfern eine Ausnahme machen und es heimlich dulden, dass sich
der Rest der verfluchten Rasse dort unter der Decke seiner Todesangst
verkroch.<
Auch im Element der
Selbstschädigung der Täter, des Täterstaates, gibt es eine fatale Parallele
zwischen den Folgen der Armeniervertreibung und denen des Holocaust. Beide Male
haben sich die Täter auch selbst größten Schaden zugefügt. Deutschland hatte
sich mit dem Holocaust und der Verfolgung und Exilierung des jüdischen Teils
seiner Kultur- und Wissenschaftselite als Kulturnation abgemeldet, hatte sich
von seiner Spitzenposition in der Wissenschaft in die Zweitrangigkeit
degradiert und war als verantwortlicher Faktor internationaler Politik mit dem
Odium moralischer Unzuverlässigkeit ausgeschieden, war zum Objekt der
Entscheidungen fremder Mächte geworden und hat fünfundzwanzig Prozent seines
Staatsgebiets verloren.
Die Deportation der Armenier war
in ähnlicher Weise selbstschädigend für das ottomanische Reich, das ja als
„kranker Mann am Bosporus“ mit dem Ende des Ersten Weltkrieges von der
Landkarte verschwunden war. Hierzu trugen auch andere Umstände bei; die
Armenierdeportationen hatten jedoch schon für sich genommen schlimme Folgen für
das Türkenreich, beginnend mit dem wirtschaftlichen Niedergang des Landes: >Der erste Schatten nämlich, den die
Sünde wider die Armenier auf das Reich warf, war ein jäher Wertsturz des
türkischen Papiergeldes. Seit einiger Zeit wollten sich die Kaufleute nur mehr
mit Gold und Silber bezahlt machen, worauf diese schamhaften Metalle sogleich
keusch von allen Märkten verschwanden. Die Wirtschafts-Weisen in den
Ministerien von Stambul gaben verwickelte Erklärungen für das Geheimnis der
unbegründet-plötzlichen Entwertung. Daß aber der Kreislauf des Geldes von den
Marktverhältnissen der moralischen Welt abhängen könnte, darauf ist bis zum
heutigen Tage kein Wirtschafts-Weiser gekommen< (S. 188).
Dies ist eine der Stellen, in
denen die moralische Botschaft des Romans,
die freilich überall in die Unterströmungen der großen Erzählung verwoben ist,
ausdrücklich wird. Die andere prominente Stelle finden wir im Gespräch von
Pfarrer Lepsius mit dem Geheimrat im
Auswärtigen Amt, in dem Lepsius feststellt:
>Alles auf der Welt ist zunächst eine
moralische und viel später erst eine politische Frage.<
Die Geldentwertung ist indes nur
eine minder wichtige Erscheinungsform der Selbstschädigung des Täterstaates;
die eigentlich apokalyptische Dimension der Selbstschädigung durch die
Deportation und Ermordung der Armenier kommt in Form von >zwei ägyptischen Plagen, von allerlei Neben-
und Unterplagen begleitet< über die syrischen Provinzen des
ottomanischen Reiches: Die eine ist eine wahnsinnige Heuschreckenplage, durch
die die für den militärischen Nachschub wichtige Ernte vernichtet wird, und die
zweite ist der Flecktyphus:
>Es waren unerwartete Naturereignisse aufgetreten, die rasche
Maßregeln erforderten, sollte nicht die Kriegführung, ja das ganze Leben
Syriens, der wichtigsten Etappe, völlig gelähmt werden. Die Mittelmeerprovinzen
des ottomanischen Reiches befanden sich in der schwersten Bedrängnis. Nur
selten geschieht es, dass sich die göttliche Gerechtigkeit, die eine
unverwickelte Prozessordnung nicht liebt, geschwind ertappen lässt. Im Gegensatz
zu den Gepflogenheiten menschlicher Justiz folgt hier die Strafe der Schuld
durchaus nicht auf dem Fuße. Die göttliche Gerechtigkeit ist in der kosmischen
Folgerichtigkeit aufgelöst wie das Salz im Meere. In dieser Jahreszeit und in
diesen Breiten aber schien sie sich mit einer bemerkenswerten Hast offenbaren
zu wollen, als sei selbst ihre ewig unparteiische Ruhe angesichts der Vorgänge
aus der richterlichen Objektivität geraten. Kurz, die Mühlen Gottes mahlten
diesmal schnell. … Die östliche Plage, der Flecktyphus, der über Aleppo hinaus
als geschlossene Seuche nach Antiochia, Alexandrette und in die Küstengebirge
vorstieß, war ein schauerliches Beweisstück jener kosmischen Folgerichtigkeit.
… Die Sterblichkeitsziffer des mesopotamischen Fleckfiebers …belief sich oft
auf achtzig vom Hundert. Aufgebrochen war er aus der Pestwolke, die über den
Steppen des Euphrat lag. Auf dieser höchst ungeweihten Erde, in dieser
gottlosen Senkgrube des Todes, verwesten schon seit Mai und Juni
Hunderttausende von Armenierleichen. Selbst Tiere flohen vor dem Gestank. Nur
die armen Soldaten mussten durch diese unaussprechliche Jauche der Menschheit:
Kolonnen mazedonischer, anatolischer, arabischer Infanterie mit den endlosen
Wagen und Kamelreihen der Trains wurden in tagelangen Märschen hindurch und
nach Bagdad getrieben. Dazwischen stampften die Hufe der Beduinenkavallerie.
Doch auch diese Kinder der Wildnis konnten während des Durchzugs – sie holten
das Letzte aus ihren Pferden – keine Speise bei sich behalten. Die toten
Armenier aber sandten vom „Deportationsziel des Nichts“ her ihren danksagenden
Hauch westwärts über die wenigen Schuldigen und die vielen Unschuldigen. Talaat
Bey (der türkische Innenminister, B.R.) hätte
sich im Serail-Palast des Ministeriums wohl seinen weltklugen Kopf darüber
zerbrechen können, wie merkwürdig es ausfällt, wenn man ein Volk ins Nichts
schickt. Doch weder er noch Enver (Kriegsminister Enver Pascha, B.R.) zerbrachen sich den Kopf, denn, seitdem die
Welt steht, ist die Gewalt stets mit stumpfer Unverfrorenheit der Seele
verschwistert< (S. 786, 787).
>Ein wandernder Teppich, aus blutigen
Schicksalsfäden gewoben<
- so bezeichnet Werfel die Deportationszüge der unter
den sausenden Knüppeln der Saptiehs ächzenden
Armenier. Man könnte aber auch das Handlungsgefüge des ganzen Romans, das sich
über immer neue Leidensstationen vorschiebt, mit diesem Bild kennzeichnen. In
wenigen Sätzen sind die immer neu eingebluteten >Schicksalsfäden< kaum
wiederzugeben, mit denen die Leidensmuster gewoben werden, eine kaum
übersehbare Zahl von Personen auftritt, deren Niedergangsschicksale mehr als
nur beiläufig eingefügt werden. Neben dem Ineinanderweben kaum übersehbarer
Handlungsstränge wird ein Kosmos strebender, irrender, leidender
Subjektivitäten entfaltet. So menschenfeindlich-absurd die Lage der in ihrer
Bergverschanzung Eingeschlossenen ist, so unendlich fern von allem gewohnten
und erträglichen Leben sie sich gegen immer neue Schicksalsschläge behaupten
müssen, so sehr wird ihre Leidensfähigkeit täglich neu erprobt, werden sie in
der Bewahrung ihres elementaren Menschseins über alle Grenzen des Erträglichen
hinaus immer neu gefordert. >Der
Mensch weiß nicht, wer er ist, ehedem er geprüft wird< (S. 235). Kein
Wunder, dass Verstehen und Handeln aus heller Rationalität immer mehr zum
Ausnahmezustand wird und ein wogendes Helldunkel von eingetrübten
Bewusstseinslagen, Hoffnungsgaukeleien, Erfahrungen von Krankheit und Sterben
beherrschend werden. Es ist schlicht meisterhaft, wie Franz Werfel die Veränderung der Menschen in dieser Grenzsituation
schildert, fast unauffällig-notwendig verfallen sie ihren je angezeigten
Obsessionen, verlieren ihre Identitäten, müssen und wollen trotzdem weiterleben
in den Hoffnungsresten ihrer Verzweiflung.
Kann es einen Gott geben, wenn so
etwas geschehen kann? Die Frage wird so nicht gestellt; die Menschen halten
sich eher weiter an die eingeübten Rituale ihrer Religion. Aber der Leser fragt
sich das, wie überhaupt der Leser mit in den Bannkreis des Geschehens gezogen
wird, allerdings durch seine reale Nichtbetroffenheit privilegiert und auch
privilegiert durch die Möglichkeit, das Ganze reflektieren zu können. Aber auch
der Leser wird bis an die Grenzen seiner Mitleidensgeduld gefordert, ertappt
sich selbst dabei, dass er nicht mehr weiß, ob er noch auf Rettung seines
Buchpersonals hoffen kann, hoffen darf oder ob er nicht die Eingeschlossenen
auf dem Musa Dagh ebenfalls verloren
geben sollte.
Letztlich geschieht die Errettung
der Fünftausend durch einen Akt der Zerstörung, eine ganz unglaubliche
Dialektik wird wirksam. Als alle Vorräte aufgebraucht, die Menschen völlig
ausgelaugt sind und der Angriff der erdrückenden türkischen Übermacht jederzeit
geschehen kann, werden auch noch die provisorischen Hütten der Eingeschlossenen
von einer Bande von Marodeuren in Brand gesteckt, denen man widerwillig einige
Wochen des Überlebens ermöglicht hatte. Nun ist alles verloren, der Abgrund des
Verderbens klafft auf. Doch in dieser allerhöchsten Not wird der Lichtschein
der brennenden Hütten von einem französischen Kriegsschiff aus gesichtet, was
dann zur Rettung der völlig heimatlos Gewordenen führt.
Bis auf einen: Gabriel Bagradian bleibt freiwillig auf
dem Musa Dagh, lässt die rettende
Flotte davon dampfen. Er bleibt bei seinem Sohn. Stephan hatte sich in seinem brennenden Ehrgeiz, von seinen
armenischen Altersgenossen als einer der Ihren anerkannt zu werden, dazu
hinreißen lassen, den überlebenstüchtigen Führer der jungen Bande auf einer
äußerst risikoreichen Tour als Rettung suchender Informant über das Schicksal
der Eingeschlossenen zu begleiten, war dann aber umgekehrt und bar der
Überlebensinstinkte seines großen Vorbildes in die Hände der Türken geraten,
die ihn als Bagradian-Sohn identifizierten und ihre Wut über den von seinem
Vater verantworteten Widerstand auf dem Berg an ihm mit vierzig Messerstichen
und Eisenhieben ausließen. Der Tod des Sohnes hatte Gabriel Bagradian in vorübergehende Lähmung und
Handlungsunfähigkeit gestürzt. Nun ist alles überstanden, er tritt in Ruhe an
das noch ziemliche frische Grab seines Sohnes und stirbt hier durch eine
Türkenkugel, klammert sich stürzend an das Holz des Grabkreuzes, reißt es mit
sich >und das Kreuz des Sohnes lag auf
seinem Herzen<.
Norbert Abels sieht in diesem Romanende >eine ursprüngliche Einheit auf einer erhöhten Stufe< wieder
hergestellt: >Im Opfertod finden die
Moses- und die Jesus-Symbolik ihre Verbindung. Gegenseitig erlösen sich Vater
und Sohn, alter Bund und neuer Bund. Der Weg der Gemeinschaft und der Weg des
einzelnen treffen zusammen. Hierfür ist das Kreuz der bildliche Ausdruck. Noch
deutlicher als am Ende der Geschwister von Neapel erscheint nun die Transformation der alten Vater-Sohn-Motivik. Der tote
Sohn, der von der Gemeinschaft nicht als ihresgleichen angenommen worden ist,
weil er das Stigma des Fremden trug, erlöst den sterbenden Vater. Das ist die
so paradoxe wie christliche Apotheose: dass der Vater im Sohn sich opfert für
die Gemeinschaft und dann durch den Sohn erlöst wird< (Biografie, S.
97/98).
Anstelle einer Interpretation im
Sinne dieser wechselseitigen Erlösungs-Überfrachtung lässt sich auch an eine
einfachere Erklärung dieses Endes denken: Franz
Werfel und seine Frau Alma hatten
im Mai 1919 ihren einzigen Sohn Martin
Carl Johannes infolge einer Gehirnwassersucht im Alter von zehn Monaten
verloren.
Franz Werfel hat bis an das Ende seiner Tage an seinen Sohn gedacht
und hat diese lebenslange Trauer in symbolischer Verbundenheit seinem
erfundenen Roman-Protagonisten in dem Kreuz-auf-das-Herz-Bild mit gegeben.
Vielleicht wusste Franz Werfel auch,
dass der ebenso wie Gabriel Bagradian nie
existente Moses seinen Namen von der
ägyptischen Ursprungsbedeutung dieses Wortes ableitet, nämlich Kind. Der Berg Moses ist damit der Berg
des Kindes, womit der Roman zwar der Frau gewidmet, aber für den Sohngeschrieben sein könnte.
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