Erschienen in Ausgabe: No 120 (02/2016) | Letzte Änderung: 11.02.16 |
Nach neuesten Umfragen hat die „Alternative für Deutschland“ die 13 Prozent-Hürde erreicht. Die AfD erstarkt! Ein gefährlicher Trend zeichnet sich ab, der von deutschen Politikern indirekt mit gefördert und nun energisch zu bekämpfen ist.
von Stefan Groß
Wir haben mittlerweile ein rechtes Problem in Deutschland.
Wer dachte, dass sich nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust der
Nationalsozialismus oder nationalsozialistisches Denken per se, durch die
aufgeklärte Vernunft, verbietet, sieht sich arg getäuscht. Im Angesicht der
Flüchtlingskrise fährt nur noch eine Partei in Deutschland auf „Erfolgskurs“,
die AfD, und dies nicht nur im Osten der Republik. Auch im bürgerlichen Milieu
der bundesdeutschen Wählerschaft gibt es einen großen Zuspruch für die neuen
Rechtskonservativen. Warnte Franz-Josef Strauß noch davor, dass es rechts der
CSU keine Partei mehr geben darf, hat sich das politische Spektrum in
Deutschland in diese Richtung, also deutlich nach rechts verschoben. Die
eurokritische und europakritische AfD – die insbesondere durch die Haßtiraden
eines Björn Höcke – einen unsäglichen Populismus und Hetze betreibt, fasziniert
dabei ausschließlich ein männliches Publikum, wie eine Umfrage von „Emnid“
ergab. Nach dem Ausstieg Bernd Lucke aus der Partei hatte sich die AfD
radikalisiert und im Poker um die Macht Luckes und Hans-Olaf Henkels „Allianz für Fortschritt und Aufbruch“ (Alfa)
aus dem Rennen und aus der politischen Wahrnehmung gedrängt. Von Alfa ist kaum etwas
zu hören, um so mehr von der AfD. Jeder achte bis zehnte Deutsche kann sich
vorstellen, diese zu wählen.
Drittstärkste politische Kraft in
Deutschland
Während die etablierten Parteien ständig in der Wählergunst verlieren, das
Vertrauen in die Große Koalition schmilzt, wächst am rechten Rand eine neue
Gefahr mit einer dramatischen Vorschubbewegung. Die Alternative für Deutschland
von Frauke Petry und Alexander Gauland steht – laut aktuellen Umfragen –
mittlerweile als drittstärkste politische Kraft hinter der CDU und der SPD.
Selbst die Grünen wurden überholt. 13 Prozent – Tendenz steigend – der
Bundesdeutschen kokettieren
mit der Partei, die 2013 als Reaktion auf die Euro-Rettungspolitik in
Berlin gegründet wurde, und die bei der Europawahl 2014 erstmals überregionale
Mandate gewann und 2014 in die Landesparlamente von Sachsen, Brandenburg und
Thüringen sowie 2015 in die von Hamburg und Bremen einzog.
Die AfD wurde zu lange ignoriert
Viele Politiker in Deutschland haben den Rechtskonservativen lange Zeit keine
Bedeutung oder gar politische Gestaltungskraft eingeräumt, von einem
Übergangsphänomen war die Rede, von „Abschaum“, „Dumpfbacken“, „Pack“,
„Arschlöchern“ und verwirrten Geistern, denen es an kritischer Urteilskraft
mangelt, und die schon wieder auf Spur kommen werden. Leider hat sich diese
Verdrängungsstrategie, das Wegschweigen, als ein Fehler erwiesen. Viele
kritische Journalisten waren bereits 2015 weitsichtiger und sagten einen
Rechtsruck in der Bundesrepublik voraus, die sich proportional zum hadernden
Abwägen bei der Flüchtlingskrise, der Entscheidungslosigkeit der
Bundesregierung, beschleunigt. Alexander Gauland gar hatte die Flüchtlingskrise
als „Geschenk“ für seine Partei bezeichnet. Ohne Asylanten und Flüchtlinge,
ohne Syrer, Iraker, Algerier und Afghanen könnte die AfD in der Tat einpacken.
Der Populismus der großen Parteien
Dennoch: Derzeit stehen die Chancen für die AfD bei den anstehenden
Landtagswahlen in die Parlamente zu kommen, gut, sehr gut. Mittlerweile hat die
AfD im Kampf um die Macht alle übrigen Parteien auf ihr semantisches Spielfeld
gezwungen, die ihrerseits auf die von der Partei parolenhaft ausgegebenen
Schablonen mit gleichfalls schablonenhaften Platitüden reagieren. Einer wieder
– wie ein Phönix – aus der Asche tretenden AfD gießt nicht nur die CSU mit
einem geplanten Brandbrief an die Kanzlerin Öl aufs Feuer, sondern auch die
Linke um Sarah Wagenknecht und Oskar Lafontaine schenken sich nichts, wenn es
darum geht, die Populisten am rechten Rand der Gesellschaft stark zu machen.
Wenn der bayerische Finanzminister Markus Söder poltert, dass sich „deutsche
Frauen wieder sicher“ fühlen müssen, regt das nicht einmal mehr
Linke-Politikerin Katja Kipping auf. Die Strategie, die potentiellen AfD-Wähler
durch populistische Äußerungen zurückzuholen, wie es CSU-Chef Horst Seehofer
gerade praktiziert, hat schon in Frankreich nicht funktioniert. Nicolas Sarkozy
hatte dort versucht, den Immigrationskurs zu verschärfen, was dabei herauskam,
war eine Stärkung des Front National.
Mehrheit der Deutschen lehnt
AfD-Ausschluss bei Fernsehduellen ab
Der Tonfall in Deutschland verschärft sich, der Drift nach rechts ist nicht nur
bei Union, SPD und Grünen zu verzeichnen, sie alle machen mit ihren Äußerungen
einen Rechtspopulismus hoffähig und stärken damit das Original. Umgekehrt ist
das Totschweigen der AfD, ihr Verdrängen aus dem politischen Diskurs, auch
nicht die Lösung des Problems. Laut „Sonntagstrend“ findet es die Mehrheit der
Deutschen falsch,
die AfD bei den Fernsehduellen nicht zuzulassen. 53 Prozent der Befragten sind dafür,
34 Prozent dagegen. Die Mainzer Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) und der
Landeschef von Baden-Württemberg Winfried Kretschmann (Grüne) hatten erklärt,
sich nicht mit der AfD an einem Tisch zu setzen. Der Ausschluss der AfD bei
TV-Duellen vor den Landtagswahlen am 13. März in Baden-Württemberg,
Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt hat so letztendlich der AfD indirekt
Auftrieb gegeben. Sie kann sich nun als „Opfer einer ganz großen Koalition von
Altparteien und Medien“, positionieren und präsentieren, wie der Mainzer
Politologe Kai Arzheimer unterstreicht. „Damit erreicht die AfD vermutlich mehr
und positivere Aufmerksamkeit, als sie durch die Teilnahme an der
Elefantenrunde erreicht hätte.“
Wie gefährlich ist die AfD?
Das Gefährliche an der AfD ist, dass die im Moment gute Bedingungen für die
Verbreitung ihrer Botschaften findet. Bereits in ihrem „Thesenpapier Asyl“ 2015
formulierte und forderte sie vieles von dem, was derzeit Gestaltungsgegenstand
der etablierten Parteien bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise ist:
Grenzschließung, Beschleunigung von Verfahren, tägliche Ausweisungen,
Residenzpflicht, Begrenzung des Nachzuges von Familienangehörigen,
Einschränkung von Geldleistungen.
Nach Außen, so scheint es, ist die AfD eine Alternative, der es ganz geschickt
gelingt, die These zu verbreiten, dass sich die großen Parteien hierzulande
mehr um Flüchtlinge und Migranten kümmern als um die eigene Bevölkerung, um die
einfachen Menschen, die sich von der großen Politik enttäuscht fühlen. Das
Perfide an dieser Taktung ist nicht neu. So mobilisierte schon Adolf Hitler
Millionen von Menschen, die sich nach der Deutschen Wirtschaftskrise in Not,
persönlichem Elend, mit Ressentiments aufgeladen, fanden, um diese in sein
uniformes Weltbild einzukleiden. Sie von dort abzuholen, war ein Leichtes
gewesen. Diese Ängste und Ressentiments schürte auch die Stellvertretende
Bundessprecherin der AfD, Beatrix von Storch,
bei „Anne Will“, wenn sie Deutschland als „Bananenrepublik“ bezeichnete, dass
Gerücht streute, dass Deutschland bald führerlos sei, weil die Kanzlerin nach
Chile oder Südamerika gehe. Geschickt inszeniert auch Storchs neue Panikmache,
dass noch acht bis zehn Millionen Syrer auf der Flucht seien.
Die Politik ist mehr denn je gefordert
Gefordert ist nun die Große Koalition, die Politiker aller Parteien, die ihre
Denk- und Argumentationsmuster im Sinne der Demokratie verstärkt in den
Mittelpunkt rücken sollten und nicht populistisch und brachial zurückrülpsen.
Es ist dringender denn je geboten, nicht nur endlich außenpolitisch zu agieren,
sondern innenpolitisch – ganz scharf im Blick dabei die AfD. Dies um so mehr
vor dem Hintergrund der Gefahr eines Rechtsrucks in der Bundesrepublik, denn
dieser könnte – wie in vielen Ländern der EU – das Land von innen wie ein
Schwamm aufsaugen. Gefordert ist ein starker Rechtsstaat, der gegen alle
Delikte scharf vorgeht, der sich aber noch deutlicher gegen
demokratiefeindliche Aktionen positionieren muss. Es gilt sich, der AfD
argumentativ zu stellen und die völkische Sprache als demokratiezersetzende
Propaganda zu entlarven. Dies bedeutet aber auch, jenseits von Ideologie und
Opportunität, die derzeitigen Probleme moralisch integer und sachorientiert zu
lösen. Um die von Krisen profitierende AfD zu schwächen, erwiese es sich als
beste Möglichkeit, die Krisen zu bewältigen. Der Politikwissenschaftler Richard
Stöss hat den Erfolg rechtspopulistischer Parteien darauf zurückgeführt, dass
ihre Popularität darin besteht, „eine gesellschaftlich relevante Konfliktposition“
zu vertreten, durch die sie sich von den etablierten Parteien unterscheidet.
Diese „relevante Konfliktposition“ gilt es der AfD aus der Hand zu nehmen.
Zuerst erschienen im „The European“ www.theeuropean.de
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