Erschienen in Ausgabe: No 122 (04/2016) | Letzte Änderung: 01.04.16 |
von Adorján F. Kovács
Mit der Ankündigung des
SPD-Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel, als Kanzlerkandidat bei der nächsten
Bundestagswahl anzutreten, ist eine Option im Bund denkbar geworden, mit der
schon in einem der neuen Bundesländer experimentiert wird, nämlich
Rot-Rot-Grün. Bei der durch die sogenannte „Flüchtlingskrise“ vorangetriebenen
Spaltung der Gesellschaft und einer Radikalisierung der Mitte könnte man bald
wieder von Lagern reden. Naiv wäre es nämlich, anzunehmen, die Radikalisierung
erfolge nur nach einer, der rechten Seite hin. Nichts wäre falscher. Zunächst
einmal hat schon der Bundestag einen so vom Wähler nicht legitimierten
Linksruck gemacht. Die Politik der Kanzlerin zweier Großer Koalitionen, die SPD
durch eine Sozialdemokratisierung der CDU überflüssig zu machen, ist zwar nicht
100%-ig erfolgreich, hat aber dazu geführt, dass große Teile der Bevölkerung
keine politische Heimat mehr haben und sich entweder von der Politik ab- oder
einer Position rechts von der CSU zuwenden. Umgekehrt hat der die Regierung
(außer CSU) und Opposition übergreifende Konsens bei der Begrüßung der
Masseneinwanderung auch dem Letzten demonstriert, dass im Bundestag zuletzt fast
von linken Blockparteien gesprochen werden konnte, die nun erst wieder an
Profil gewinnen müssen. Die CDU wird sich der CSU annähern und die SPD wird
sich weiter links verorten müssen. In einem sich so ankündigenden
Lagerwahlkampf scheint es daher nicht falsch, die aufscheinende Option als
Rotfront-Regierung zu bezeichnen.
Die von einem Mitgliederentscheid
ausgerechnet jener SPD, die ehedem Opfer einer Zwangsvereinigung mit der KPD
war, befürwortete Wahl eines postkommunistischen Ministerpräsidenten in
Thüringen war tatsächlich, wie Wolf Biermann meinte, ein "kleiner Fußtritt
des hegelschen Weltgeistes". Man könnte auch sagen, der Weltgeist habe
Humor. Wie haben sich die westlichen Politiker und Journalisten über die
unbelehrbaren Völker Mitteleuropas lustig gemacht, die nicht aus der Geschichte
lernen und Wendehälse in die Regierung wählen würden! Es sei nur an die
polnischen Regierungen unter Führung der SLD erinnert oder an die Herren Ion
Iliescu in Rumänien sowie Gyula Horn und Ferenc Gyurcsány in Ungarn, die alle
auf schöne Karrieren im kommunistischen Regime zurückblicken konnten; auf Leute
wie Lukaschenka (Weissrussland) will ich hier nicht hinweisen, weil Osteuropa
nicht vergleichbar ist.
Deutschlands Vorteil war ja, dass
der große Bruder BRD alles platt gemacht hat, was in der DDR Rang und Namen
hatte - nicht zum Nachteil Gesamtdeutschlands. Trotzdem sind während und nach
dem unsensiblen Anschluss der DDR an die BRD, also der sogenannten Deutschen
Wiedervereinigung, viele Fehler gemacht worden, so z. B.die Treuhand mit ihrer Abwicklung auch
lebensfähiger DDR-Betriebe und begleitenden Betrugsfällen. Aber die Tatsache,
dass die DDR geschluckt wurde, hat wenigstens verhindert, dass das unfähige und
korrumpierte politische Personal dieses Unrechtsstaates zu größerer Bedeutung
in der Berliner Republik gelangen konnte; zudem wurde die Nachfolgepartei PDS
vom Verfassungsschutz überwacht. Zwar ist der Verbleib eines Teils des
gigantischen Vermögens der SED, das diese Partei sich unrechtmäßig angeeignet
hatte, bis heute unklar, aber immerhin trat eine sogenannte „Unabhängige
Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen
der DDR“ der umbenannten SED-PDS auf die Füße.
Dass die ehemaligen Bürger der DDR,
die vom kommunistischen Regime profitiert haben, und das waren nicht wenige,
die alten SED-Kader gewählt hätten, wenn diese sich zur freien Wahl hätten
stellen können, mit Unterstützung der großen finanziellen Möglichkeiten, die
einer ehemaligen, aber unbehelligten Staatspartei in einem Wahlkampf zur
Verfügung gestanden wären, unterliegt wohl keinem Zweifel. Ohne die Mehrheit
der westdeutschen Stimmen wären in einem selbständigen demokratischen ostdeutschen
Staat diese Stimmen für die ehemaligen Kommunisten auch nicht so verwässert
worden. „Die Linke“ als die aus der PDS und damit der ehemaligen
DDR-Staatspartei SED hervorgegangene Partei hat trotz der Eindämmung durch den
„großen Bruder Bonner Republik“ und trotz vergleichsweise rosiger
wirtschaftlicher Verhältnisse im Osten Deutschlands bei Bundestagswahlen einen
stabilen Zuspruch zwischen 22 und 28 Prozent. Das könnte 2017 den Ausschlag
geben.
Natürlich ist Herr Ramelow ein
weichgespülter Westdeutscher und Thüringen ist nicht Deutschland. Natürlich ist
das Personal auch sonst nicht mehr identisch mit den alten Kadern, doch der
Geist ist noch da. „Die Linke“ als „der elende Rest dessen, was überwunden
wurde“, wie Biermann bei seinem Auftritt im Bundestag zu optimistisch
diagnostizierte, ist leider ziemlich vital. Jedenfalls ist es ein Witz der
Geschichte, dass Deutschland nun vielleicht von seiner Vergangenheit eingeholt
wird. Eigentlich ist es ein Skandal, dass eine Frau Kipping heute in
Talk-Runden präsent ist, während AfD-Politiker gar nicht erst eingeladen
werden.Da zeigt sich, dass man diese kommunistische
Vergangenheit nicht mit dem Geltungsbereich des Grundgesetzes, Treuhand und
anderen Instrumenten, auch nicht mit schönen Reden und Geld ausradieren kann.
Warum sollten die Deutschen klüger
sein als die Rumänen, Polen und Ungarn? Doch stimmt bedenklich, dass diese
Völker sich mittlerweile stark desillusioniert von den Postkommunisten
abgewandt haben, während die Deutschen sich ihnen heute erst zuwenden. Es würde
mich bei der Lebensmüdigkeit der immer verspäteten deutschen Nation nicht
überraschen, wenn auch im Bund eine Rot-Rot-Grüne Koalition demnächst die Macht
ergreifen würde. Die Berliner Republik würde in ihrem ewigen „Kampf gegen
rechts“ mit einer Rotfront-Regierung einen europäischen Sonderweg beschreiten.
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