Erschienen in Ausgabe: No 122 (04/2016) | Letzte Änderung: 01.04.16 |
von Hans Gärtner
Buhs für Regisseur und Ausstatter, Beifall für Sänger und
Dirigent – das war die eindeutige Reaktion des Premierenpublikums auf die
Neueinstudierung von Giuseppe Verdis Oper „Un ballo in maschera“ an der
Bayerischen Staatsoper. Intendant Nikolaus Bachler mochte das Resultat dieser
seit Wochen völlig ausverkauften, mit hoher Erwartung belegten 4. Premiere der Spielzeit
2015/16 vorausgeahnt haben; durchstreifte er doch in der Pause die
Nationaltheatergefilde mit Leichenbittermiene.
Der Blick vom edlen Schwarz-Weiß-Design des Programmbuches
auf Heike Scheeles sich drei Akte nicht ändernde fahl ausgeleuchtete Bühne im
Zwanzigerjahre-Look mit toll geschwungener Freitreppe im gräflichen
Lack-Ambiente machte nicht froh. Zumal die Optik der Inszenierung des
Ex-Geigers Johannes Erath so enigmatisch wie trübe blieb und wegen ständig nach
Lösungen von rätselhaften Vermummungen, Pappkameraden und Doppelfiguren nebst
zerrverspiegelter Deckenbestückung dem Ohr für den grandios klingenden „Verdi
satt“ aus dem Graben die Schau zu stehlen sich anmaßte.
Da konnte Zubin Mehta, am 29. April 80 Jahre zählender
Ex-Generalmusikdirektor der Münchner Oper und „Ballo“-Debütant noch so feurig,
so sammet-sanft und italienischer Grandezza den Taktstock schwingen und das
Bayerische Staatsorchester zum Glühen bringen – dem Szenario dieser freilich
total unpolitisch konzipierten Neuproduktion konnten nur wenige Sympathien
entgegenschlagen. Es sei denn, jemand schwärmte für Art-Deco-Superkostüme
(Gesine Völlm) und hatte etwas übrig für einen bald Morgenmantel, bald Frack
tragenden Gouverneur, dem rachelüsterne Verschwörer im Zylinder auf den Fersen
sind und eine mit Dämonen im Bunde stehende Wahrsagerin (Okka von der Damerau
als Vamp-artig aufgeputzte Ulrica) zusetzt.
Zentralrequisit in diesem „Melodramma“ – in der 7. Szene (1.
Akt) treffen Frauen und Kinder ins Schwarze der ganzen Neuproduktion, wenn sie
singen: „Oh, wie hier alles düster erglänzt!“ – ist ein riesiges Doppelbett mit
Kissenberg und Überdecke. Darin wälzen sich abwechselnd Riccardo solo mit und
ohne seine Geliebte Amelia, pikanterweise die Gattin seines Busenfreundes
Renato, dann auch dieser mit seiner Ehefrau, die ihn jedoch mit einem Polster
ersticken oder mit Gift aus der Welt schaffen will. Alles wirkt aufgesetzt und
entspricht weder Verdis und seines Librettisten Sommas Intentionen.
Wären da nicht die mit Hochgenuss zu vernehmenden Stimmen von
Anja Harteros (als stets von Skrupeln zermürbte schöne Amelia), Piotr Beczala
(darf als erschossener Riccardo noch lässig und weiterlächelnd die Freitreppe
mit Vamp Ulrica ersteigen), George Petean (ein Renato wie aus dem Bilderbuch:
fies und feist und fast der Beste Stimmlieferant des Abends) sowie von Sofia
Fomina. Die junge Russin gibt als perlend zwitschernder Diener Oscar die
größten Rätsel auf: Ist sie also kein Hosenrollen-Mann, sondern ein reales
Weib, das Renato – ihr Spontankuss nach ihrer Entkleidung verriet es – schon
immer begehrte?
Mit Anatoli Sivko (Samuel), Scott Conner (Tom) und Ulrich
Reß (Oberster Richter) waren auch die Chargen staatsopernmäßig besetzt. Ganz
großartig wieder Sören Eckhoffs Damen und Herren des Staatsopernchors, den
Johannes Erath, das muss man ihm lassen, klug bewegte.
Die Neuinszenierung „Un ballo in maschera“ wird am 18. März
um 22.10 Uhr im Rahmen von STAATSOPERN.TV kostenlos und in voller Länge auf der
Website www.staatsoper.de/tv und auf
arte übertragen.
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