Erschienen in Ausgabe: No 122 (04/2016) | Letzte Änderung: 05.05.16 |
von Michael Lausberg
Seit den Anschlägen am 11.9.2001 und besonders in der
aktuellen Situation der Flucht vor Krieg und politischer Verfolgung nach Europa
ist ein Erstarken rechtspopulistische Parteien in der transatlantischen Welt zu
beobachten. In Ungarn und Polen stellen rechtspopulistische Parteien sogar die
Regierung. Aussagen zur Migrationspolitik, die vor nicht allzu langer Zeit nur
von extremen Rechten vertreten wurden, werden nun offen von bürgerlichen
Parteien lanciert. Sogar in linken Parteien gibt es inzwischen rechtspopulistische
Deutungsmuster. Diese Anbiederung an den rechten Zeitgeist führt allerdings nur
dazu, dass rechtspopulistische Aussagen gesellschaftlich akzeptabel erscheinen.
Bei Wahlen stimmen die Menschen dann doch für das Original, nicht für die Fälschung.
Vor allem beim Thema Islam findet sich in der westlichen Welt oft die
Einteilung in„Freund“ und „Feind“, „Gut“ und „Böse“ nach den Prinzipien des
antidemokratischen Staatsrechtlers Carl Schmitt.[1] Die ständige Wiederholung
der These, die christlichen europäischen Gesellschaften müssten sich gegen
einen immer als fundamentalistisch und monolithisch verstandenen Islam wehren,
dient dazu, religiöse Konkurrenzangst zu nationalisieren bzw. zu ethnisieren. Der
Islam wird als existenzbedrohend für die westliche Gesellschaft und ihre
„christlich-nationale Identität“ dargestellt. Hetze gegen Muslime ist in vielen
Ländern salonfähig geworden oder gehört wie in Polen zum politischen
Alltagsdiskurs. Von diesem Bedrohungsszenario profitieren seit Jahren die
rechtspopulistischen Parteien in Europa und Nordamerika.
Der Schwur von Buchenwald „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg“ scheint
mehr als 80 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges vergessen worden zu sein.
Die Hemmschwelle, sich trotz der leidvollen Vergangenheit und den Verbrechen
vor allem des Nationalsozialismus wieder aus diesem ideologischen Reservoir zu
bedienen, ist rapide gesunken. Parteien, die offen an faschistische Ideologeme
anknüpfen wie zum Beispiel die Goldene Morgenröte in Griechenland, schaffen aus
dem Stand den Einzug in die Parlamente. Migranten fungieren als Sündenböcke für
das sozialpolitische Versagen der etablierten Parteien, die meist
radikal-neoliberalistische Politikkonzepte präferieren.
Rechtspopulistische Parteien sehen sich als Sprachrohr einer schweigenden
Mehrheit, deren Interessen die etablierten Parteien ignorieren würden. Kern
rechtspopulistischer Politik ist eine Identitätspolitik, in der eine bedrohte
Gemeinschaft konstruiert wird. Er richtet sich in seinem Selbstverständnis
gegen gesellschaftliche Minderheiten, „fremde“ Einwanderinnen und die
politische Klasse, die er als korrupt, machtbesessen und zu wenig volksnah
ansieht. Die Regierenden würden ihre Sache schlecht machen, sich dabei
persönlich bereichern und damit „dem Volk“ schaden. Beim Rechtspopulismus als
Strategie geht es um die Instrumentalisierung von und Schwarz-Weiß-Bildern des
Politischen und groben Schemata der emotionalen Entdifferenzierung. Dabei
werden komplexe Probleme in einfache, einprägsame Parolen transformiert.
Das Ziel rechtspopulistischer Politik liegt darin, die Demokratie zu schwächen
bzw. zu zerstören und durch autoritäre Verfahrensweisen zu ersetzen.
Charakteristisch für die Personalstruktur fast aller rechtspopulistischen
Parteien ist eine starke männliche Führungsfigur, die als Gesicht der Partei
auftritt, die Homogenität der Bewegung verkörpern und an eine „Sehnsucht nach
dem starken Mann“ appellieren soll. Es wird versucht, die Wählerklientele fast
aller Parteien anzusprechen. Dabei bedienen sie sich der hegemonialen Medien
als Verstärker und Verdichter populistischer Muster. Die Pädagogik des
Populismus besteht darin, diskursive Züge zu konstruieren, die im medialen Raum
und in der Öffentlichkeit platziert werden und sich im Alltagsdiskurs endlos
wiederholen.
Eine weitere Komponente rechtspopulistischer Politik liegt darin, dass immer
vor Wahlen öffentlichkeitswirksame Maximalforderungen gestellt werden und im
Sinne einer „Catch-all“-Partei alle Wähler mitsamt ihrem politisch-sozialen
Hintergrund angesprochen werden. Rechtspopulistische Parteien stehen für eine
repressive Law-and-Order-Politik, die Maßnahmen wie Videoüberwachung,
Aufstockung von Sicherheitspersonal und mehr Befugnissen für die Polizei
beinhaltet. Der Erfolg von rechtspopulistischen Parteien steht und fällt mit
einer (männlichen) Führungsfigur.
Rechtspopulistische Politik wendet sich gegen das politische Establishment des
jeweiligen Landes: „Es sind Die-da-oben, die uns sowohl schlecht als auch zu
Unrecht regierten, denn sie würden die überwiegende Mehrheit ‚des Volkes‘ nur
unzureichend repräsentieren und sie gegen ihren Willen beherrschen.“[2]
Außerdem richtet sich die rechtspopulistische Agitation gegen Migranten,
nationale Minderheiten und andere Menschen, die ihrem Gesellschaftsdogma
widersprechen, wie etwa Homosexuelle oder Punks. Fundamentale Kritik an der EU
sowie an ihren Institutionen und eine angestrebte Revitalisierung des
jeweiligen Nationalstaates ist auch charakteristisch für rechtspopulistische
Bewegungen.
In der Bundesrepublik gewinnt man schnell den Eindruck, dass „die Nation“ im
Augenblick mehr zählt als der Verweis auf den Pluralismus im Grundgesetz. Die
Anstrengungen der politischen Bildung in der Vermittlung eines demokratischen
und differenzierten Menschenbildes müssen dringend erweitert werden.
Antirassistische Bildung und Erziehung ist nicht nur Aufgabe der
Zivilgesellschaft, sondern muss sich auch in staatlichen Programmen
wiederfinden.
[1] Schmitt, C.: Der Begriff des Politischen, Berlin 1963, S. 26.
[2] Reinfeldt, S.: „Wir für Euch“. Die Wirksamkeit des Rechtspopulismus in
Zeiten der Krise, Münster 2013, S. 51
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