Erschienen in Ausgabe: No 122 (04/2016) | Letzte Änderung: 01.04.16 |
von Hans Gärtner
Sie kann in der Tat stolz sein: Als Erste spielte sie 2015
das Werk eines 1761 geborenen Böhmen auf CD ein. Die Rede ist von der
20-jährigen Geigerin Veriko Tchumburidze und dem Komponisten Anton Wranitzky. Den
Solopart seines 3-sätzigen Violinkonzerts in C-Dur op. 11 legte der renommierte
Dirigent Howard Griffith in die Hände der jungen Türkin aus Adana. In ihrem
Alter, so die Geigerin, sei es „ein außerordentliches Privileg, ein noch nie
aufgenommenes Konzert aufzuzeichnen“. Veriko Tchumburidze hatte also keinerlei
Vorbilder, auf die sie hätte zurückgreifen, an denen sie sich hätte orientieren
können. Sie versetzte sich in den „seinerzeit umjubelten Violinvirtuosen
Wranitzky“ und fragte sich, wie er wohl sein eigenes Meisterwerk aufgeführt
hätte. Der besonderen Herausforderung stellte Tchumburidze sich mit
jugendlicher Verve und großer Einfühlungsgabe. Dem Adagio-Satz mit der
Bezeichnung „Romanza cantabile“ gewinnt sie mehr Strenge als Süße ab, was
diesem gefühlvoll angelegten Mittelsatz sehr gut bekommt.
Der aus Zürich stammenden 24-jährigen herausragenden
Cellistin Chiara Enderle ist es – wie vielen Hörerinnen und Hörern der CD, ja
so manchem der Musikerinnen und Musiker des formidablen Münchener Kammerorchesters,
das von Howard Griffith angeleitet wird, vermutlich auch – so ergangen: Sie
hatte noch nie etwas von dem Komponisten gehört, dessen Werk, das 3-sätzige
Cellokonzert in C-Dur op. 27, ihr als Solistin anvertraut wurde: Paul
Wranitzky. Er war der Halbbruder von Anton Wranitzky und lebte von 1756 bis
1808. Anton überlebte den um fünf Jahre jüngeren Halbbruder um zwölf Jahre.
Beide waren Metzgerssöhne aus dem böhmischen Neureich (Nova Rise). Sie
avancierten zu bedeutenden, gleichviel heute beinahe in Vergessenheit
geratenenMusikerpersönlichkeiten im
Wien des ausgehenden 18. Jahrhunderts.
Im Cellokonzert, das die bewundernswert leichte und
hochkonzentrierte Chiara Enderle zusammen mit dem Münchener Kammerorchester zum
Blühen bringt, verrät Paul Wranitzky sich – wie schon sein Bruderherz im
Violinkonzert des gleichen „hellen“ Tongeschlechts – als
Mozart-/Haydn-/Albrechtsberger nahestehende klassische Tonschöpfer. Paul war
Antons erster Geigenlehrer und wurde, bevor er nach Wien (eigentlich zum
Theologiestudium) ging, in Olmütz zu einem herausragenden Violinisten. Auch
Anton fand über Umwege zur Musik. Er oblag zunächst Studien der Philosophie und
Juristerei, bevor er, unter anderem auch bei Joseph Haydn und Wolfgang
AmadeusMozart, zum Musiker heranreifte.
Das Booklet unterrichtet bis ins Detail über die Karrieren der beiden
böhmischen Brüder Wranitzky.
Von den schätzungsweise 50 Symphonien Paul Wranitzkys – nur
knapp die Hälfte wurde bislang publiziert – entschied sich der kräftig
zupackende Brite Howard Griffith für die früh entstandene in D-Dur op. 16 Nr. 3
aus dem Jahr 1792. Mit nur drei Sätzen blieb sie ohne Menuett – ähnlich der
„Prager“ von Mozart, die sechs Jahre zuvor datiert wird. Frische und Furioso
kennzeichnen den Stil dieser Symphonie von 19 Minuten Länge.
Die junge Talente fördernde „Orpheum“-Stiftung darf zu
dieser Edition beglückwünscht werden, selbstverständlich auch der Dirigent, vor
allem die beide Solistinnen. Sie hatten zu Recht das Glück, in das Fördermodell
aufgenommen worden zu sein und die zum 25-jährigen Jubiläum neu gestartete
CD-Reihe als Solistinnen eröffnen zu dürfen. Laut Ausschreibung genossen die
beiden jungen Instrumentalistinnen den Vorzug, primäre Erfahrungen in einem
Aufnahmestudio gemacht zu haben – und dies unter niveauvollen Bedingungen.
Unterstützung erfuhr „Orpheum“ durch Urs Grunder („Etor Charity Foundation“),
die „Minerva Kunststiftung“ und die Stiftung „eppur si muove“.
Anton & Paul Wranitzky: “Violin Concerto op. 11, Cello
Concerto op. 27, Symphony op. 16/3”. Ausführende: Veriko Tchumburidze, Violine,
Chiara Enderle, Violoncello, Münchener Kammerorchester unter Howard Griffiths.
Dauer: 66.40 Minuten. Erschienen bei Sony Classical 2015/16,
16,99 Euro
>> Kommentar zu diesem Artikel schreiben. <<
Um diesen Artikel zu kommentieren, melden Sie sich bitte hier an.