Erschienen in Ausgabe: No 123 (05/2016) | Letzte Änderung: 05.05.16 |
von Hans Sixl
Vorbemerkungen
Unter Evolution versteht man die Entwicklung der
Lebewesen und deren in Genen codierten Merkmale durch Mutation und Selektion.
Da sich jedoch die Ereignisse in der Natur nicht nur auf das biologische Leben
beschränken, wurde der Begriff der Evolution auf weitere Fachgebiete wie die
Chemie, Mathematik, Informatik, Kosmologie, Soziologie usw. ausgedehnt. Dieser
Beitrag befasst sich mit der Kausalkette der Informationen beginnend mit ihren
elementaren physikalischen Ursprüngen und den anschließenden evolutionären
Phasen. Die ersten Phasen stehen in engen Zusammenhang mit der Evolution der
Materie auf der Basis der Standardtheorie der Kosmologie, die die Entwicklung
unseres Universums beschreibt. Die letzten Phasen stehen im engen Zusammenhang
mit der Evolution des Lebens und mit der durch Menschen bewirkten technischen
Entwicklung.
1.
Einleitung
Selbst wenn wir uns auf die Informationen
beschränken, die auf uns ununterbrochen über unsere Sinnesorgane einwirken,
stellen wir bereits vielfältige grundverschiedene Arten von Informationen fest.
Mit unseren Augen erfassen wir optische Informationen, die uns Auskunft über
Farben, Formen, Größen, Gestalten von Objekten und Lebewesen sowie über den
Ablauf des Geschehens geben. Sprachinformationen sind bereits sehr spezielle
akustische Informationen, die wir mit unseren Ohren empfangen. Unsere
Rezeptoren in Nase und Mund geben uns chemische Informationen über Gerüche und
Geschmäcker und unser Tastsinn gibt uns physikalische Informationen über das
Gefühlte wie warm oder kalt, hart oder weich, groß oder klein, rund oder eckig
usw.
Darüber hinaus existieren weitere Informationen, die wir nicht mit
unseren Sinnesorganen erfassen können, die wir aber in biologischen Systemen
weitgehend erforscht, sowie in technischen Systemen sogar selbst entwickelt
haben. Gemeint sind damit einerseits die genetischen Informationen und die
Informationen, die im neuronalen Netzwerken des Gehirns verarbeitet werden, sowie
andererseits die Informationen, die in Computern und anderen elektronischen
Geräten auf unterschiedlichsten Datenträgern abgespeichert werden können.
Spezielle
Teilchen, Atome, Moleküle, Objekte, Maschinen, Pflanzen, Tiere und Menschen
erkennen wir an ihren Eigenschaften, die sie uns bei einer Wechselwirkung, d. h.
bei einem Informationsaustausch vermitteln. Diese so kommunizierten
Informationen charakterisieren dabei ihre jeweiligen Identitäten.Wir empfangen diese Informationen direkt über
unsere Sinnesorgane oder indirekt mit Hilfe von technischen Geräten oder
Apparaturen, die uns Auskunft über ihre physikalischen und chemischen
Eigenschaften geben.
Die
Dynamik der Ereignisse in unserem Universum wird durch Informationen, die in
den Eigenschaften der Materie stecken und die Mechanismen ihrer Verarbeitung
ausgelöst. Wie bereits mehrfach gezeigt wurde, funktioniert deshalb alles auf
unserer Welt über Kommunikation und Verarbeitung von Informationen, für die
entsprechend der verschiedenen Arten der Informationen auch verschiedene Mechanismen
verantwortlich sind, die in den bereits publizierten Teilen der „Naturwissenschaft
des Geistes“ in Tabularasa beschrieben wurden.
2. Die
ersten Informationen – Start der Kausalkette
Die Kausalkette der Evolution der Information
beginnt in den ersten Millisekunden der Entstehung unseres Universums, welches
entsprechend der Standardtheorie der Kosmologie (1) vor etwa 13,7 Milliarden
Jahren aus einer Raum-Zeit-Energie-Singularität entstand. Die Informationen,
dieser Singularität steckten, sind uns messtechnisch nicht zugänglich. Aber die
Sekundenbruchteile nach dem „Urknall“ aus der Energie entstandenen Elementarteilchen
können aufgrund der in den letzten Jahrzehnten gewonnenen naturwissenschaftlichen
Erkenntnisse in Laborexperimenten hergestellt und mit technischen Mitteln untersucht
werden. Die Informationen, die sie charakterisieren, teilen sie uns bei ihren
Wechselwirkungen über ihre spezifischen Eigenschaften mit.
Da die
Elementarteilchen die ersten Teilchen in unserem Universum waren, sind mit
ihnen gleichzeitig die ersten Informationen entstanden. Heute wissen wir, dass
es genau 61 verschiedenen Elementarteilchen gibt, von denen ohne die
entsprechenden Antiteilchen 37 Elementarteilchen (18 Quarks, 6 Leptonen und 13
Bosonen) in späteren Schritten die heutigen Atome aufbauten. Die Quarks und Leptonen, die als Fermionen bezeichnet
werden, sind die kleinsten Teilchen der Materie, die eine Masse tragen. Sie
werden deshalb auch alsMaterieteilchenbezeichnet.
Die Bosonen sind für den Informationsaustausch und die dabei verursachten
Kräfte zwischen den Materieteilchen zuständig. Aufgrund dieser beiden
Eigenschaften werden sie auch als Austauschteilchen und Kraftteilchen
bezeichnet.
Die Elementarteilchen sind die ersten
Teilchen unseres Universums. Sie enthalten die elementarsten Informationen, die
uns messtechnisch zugänglich sind. Ihre Informationen geben uns u. a. Auskunft
über ihre Masse, ihre Ladung und ihren Spin und charakterisieren mit ihnen
eindeutig ihre Identität, so wie man auch Personen über die Informationen, die
z.B. im Reisepass enthalten sind, identifizieren kann.
Bei jeder Wechselwirkung mit anderen
Elementarteilchen teilen sie ihnen ihre Informationen über ihre spezifischen
Eigenschaften mit. Damit sind sie wie wir Menschen in der Lage, Informationen
mit ihresgleichen auszutauschen und wahrzunehmen.
Die
Erkenntnis, dass schon die kleinsten unteilbaren Teilchen der Materie in
Analogie zum Menschen wahrnehmungsfähige „Wesen“ sind und deshalb neben dem
Körper noch einen Geist besitzen, bestätigt die Monadentheorie von Leibniz (2),
der vor mehr als 300 Jahren natürlich noch nichts von Elementarteilchen und einem
Informationsaustausch zwischen Elementarteilchen wusste. Sein Grundgedanke ging
aber zu Recht davon aus, dass alle Eigenschaften der Natur und damit auch alle
Wesensmerkmale der Menschen in einer endlosen Kausalkette ihre Ursache in den
kleinsten Teilchen der Materie haben sollten.
Die
Bildung der Elementarteilchen aus der Anfangssingularität kann noch nicht als
evolutionärer Prozess beschrieben werden, da dabei die Mechanismen der
Evolution, die durch Mutation und Selektion beschrieben werden, nicht erkennbar
sind. Das unterscheidet den Beginn der Kausalkette von allen folgenden
physikalischen, chemischen und biologischen Folgeschritten, die durch
Informationsaustausch verursacht werden. Die dabei entstehenden anziehenden
Kräfte lassen die Teilchen zu neuen zusammengesetzten Teilchen mit neuen
Informationen reagieren.
3. Physikalische
Evolution der Information – 1. Phase der Evolution
Die physikalische Evolution der Materie und
ihrer Information begann Sekundenbruchteile nach dem Urknall mit den
Elementarteilchen. Unmittelbar danach bildeten sich aus denQuarks die Nukleonen und etwa eine Minute
später die ersten leichten Atomkerne und Atome, vor allem Wasserstoff und
Helium. Schwerere Atome entstanden erst im Lauf von Jahrmilliarden durch
Fusionsprozesse in Sternen und gewaltige Explosionen im Weltall.
Die physikalische
Evolution der Materie und ihrer Information startete damit mit der starken
Kernkraft, die zwischen den Quarks wirkte. Von den vielen
Kombinationsmöglichkeiten der 12 verschiedenen Quarks sind allerdings nur die
Nukleonen stabil. Von ihnen hat das Proton eine unendliche Lebensdauer und das
ungebundene Neutron hat eine mittlere Lebensdauer von etwa 15 Minuten. Die
positiv geladene Protonen bestehen aus jeweils zwei Up-Quarks und einem
Down-Quark und die neutralen Neutronen aus jeweils zwei Down-Quarks und einem
Up-Quark. Die Eigenschaften der so gebildeten Protonen und Neutronen
unterscheiden sich u.a. aufgrund der Bindungsenergie des
Elementarteilchenverbundes und ihrer Anregungszustände, die die
Elementarteilchen allein nicht kennen. Die Nukleonen tragen damit nicht nur
veränderte sondern zusätzlich noch völlig andersartige Informationen, die
deshalb als emergent bezeichnet werden.
Aus
der Vielzahl der Kombinationsmöglichkeiten der Elementarteilchen, die den Mutationender genetischen Erbanlagen
entsprechen, stehen aus Stabilitätsgründen nur die aus ihnen zusammengesetzten
Protonen und Neutronen für weitere Evolutionsschritte zur Verfügung. In
Analogie zum „survival of the fittest“ bei den Lebewesen ist aus diesem Grund
das Selektionskriterium der physikalischen Evolution der Materie und ihrer
Information die Stabilität der gebildeten neuen Teilchen, da nur Teilchen, die
„überleben“ eine Chance für eine weitere evolutionäre Entwicklung haben.
Die
Informationen, die die Elementarteilchen beschreiben, betreffen nur ihre
zahlenmäßig überschaubaren individuellen physikalischen Eigenschaften. Zu
diesem geänderten Satz von Eigenschaften kommen bei den zusammengesetzten
Teilchen neue Eigenschaften hinzu, die es zuvor noch nicht gab. Dazu zählen
ihre Bindungsenergien, die ihre jeweiligen Lebensdauern bestimmen und ihre
Anregungszustände, die sie bei Wechselwirkungen mit Photonen einnehmen können.
Nachdem sich das Universum entsprechend abgekühlt hatte, konnten in
weiteren Schritten der physikalischen Evolution die Nukleonen mit Nukleonen
aufgrund der starken Kernkraft zu den Atomkernen reagieren und danach konnten
die positiv geladenen Atomkerne mit den negativen Elektronen aufgrund der
elektromagnetischen Kraft die neutralen Atome des Periodensystems bilden. Erst
bei der Zusammenlagerung von Nukleonen zu Atomkernen werden die Neutronen durch
die Bindung mit der starken Kernkraft stabil und zerfallen nicht mehr. Damit
und mit den geänderten Bindungsenergien und Anregungszuständen werden bereits
in den Atomkernen emergente Informationen erzeugt.
Aus der Vielzahl der
Kombinationsmöglichkeiten (Mutation) der Nukleonen und Elektronen steht aus
Stabilitätsgründen (Selektion) nur eine begrenzte Anzahl von Atomen für weitere
Evolutionsschritte zur Verfügung, bei denen die Protonenzahl im Kern der
Elektronenzahl in der Hülle und die Protonen und Neutronenzahl in einem
vernünftigen Verhältnis zueinander stehen müssen.
Das
Wasserstoffatom besteht beispielsweise aus einem Proton und einem Elektron und
das Kohlenstoffatom besteht aus sechs Protonen, sechs Neutronen und sechs
Elektronen. Die einzelnen etwa hundert bekannten verschiedenen elektrisch
neutralen Atome unterscheiden sich damit chemisch durch die Anzahl der Protonen
und Elektronen und physikalisch durch die Anzahl der Neutronen. Die elektrisch
geladenen Ionen eines bestimmten Atoms unterscheiden sich durch die Anzahl der
Elektronen in der Elektronenhülle und die entsprechenden Isotope durch die
Anzahl der Neutronen im Kern.
Das
erst 150 Jahre alte Periodensystem der Elemente zeigt als wesentliche Information
für alle Chemiker, dass die chemischen Eigenschaften der Atome unabhängig von
den Eigenschaften der Kernbausteine sind und sich daher nicht einfach additiv
aus den Eigenschaften der jeweils zugefügten Teilchen ergeben. Sie
unterschieden acht Hauptgruppen mit ähnlichen chemischen Eigenschaften, die im
Wesentlichen durch die Anzahl der äußeren Elektronen ihrer Elektronenhülle
bestimmt wird. Die Elektronenhülle spielt damit die entscheidende Rolle für
alle chemischen Reaktionen.
Heute
wissen wir, dass die Eigenschaften der Elektronen in einem Atom durch ihre
speziellen Elektronenfunktionen vorgegeben wird, die quantenmechanisch
berechnet und durch Quantenzahlen charakterisiert werden können. Es handelt
sich dabei um Wellenfunktionen, die als lokale räumliche Gebilde den Atomkern
in ihrem Zentrum tragen. Die Quantenphysik bestimmt dabei ihre speziellen
dreidimensionalen Formen, die nichts mit den Wellenfunktionen der ungebundenen
Elektronen zu tun haben. Die erste Schale bildet dabei eine kugelsymmetrische
s-Funktion, die zweite Schale zusätzlich die keulenförmigen p-Funktionen, die
dritte zusätzlich die noch komplizierteren d-Funktionen usw. Die speziellen
Wellenfunktionen der einzelnen Atome und ihre Energien und Anregungszustände
stellen damit eine völlig anderen Satz von neuen Information dar, die im
Gegensatz zu der Funktion der ungebundenen Elektronen ist, die als
fortschreitende Welle mit kinetischer Energie und nicht als stehende Welle mit
speziellen Anregungszuständen beschrieben wird. Die Zusammenlagerung von
Protonen, Neutronen und Elektronen zu Atomen generiert damit wiederum emergente
Informationen, bei denen die Elektronenhülle die entscheidenden neuen
Informationen liefert.
Mit jedem hinzugefügten Elektron verändert
ein Atom seine Identität, da mit ihm der Quantenzustand des Atoms verändert
wird, der für die Energie, die Struktur und die Reaktivität der Elektronenhülle
zuständig ist, und mit ihnen zu völlig neuen Eigenschaften schafft, die nicht
allein der Änderung der Elektronenzahl entsprechen.
Beispielsweise wird ein hoch reaktives
Chloratom, dem man ein Elektron gibt, ein Chlorion mit den Eigenschaften eines
Edelgases. Auf diese Weise generiert jede Veränderung der Elektronenzahl in der
Elektronenhülle emergente Informationen und ändert mit ihnen die Eigenschaften
und die Identitäten der betroffenen Atome bzw. Ionen.
4. Chemische
Evolution der Information – 2. Phase der Evolution
Für die chemische Evolution der Materie und
ihrer Information istallein
dieelektromagnetische Fundamentalkraft
verantwortlich, die die Atome zu Molekülenverbindet. Die Nukleonen der Atome können nicht miteinander reagieren, da
sie durch die räumlich ausgedehnten Elektronen auf Abstand gehalten werden.
Ähnliches gilt für die inneren Elektronen der Elektronenschale, die in der
Regel eine abgesättigte Edelgaskonfigurationaufweisen. Aus diesen Gründen bestimmen allein die äußeren Elektronen
die Eigenschaften und damit die Chemie der Atome. Entsprechend der
Quantenmechanik bilden mit Ausnahme von Wasserstoff und Helium jeweils zwei kugelsymmetrische
s- und sechs p-Elektronen, die die Form einer kurzem Hantel bzw. einer
rotierenden Acht haben, die äußere Elektronenschale der Atome. Daraus folgen acht
Hauptgruppen mit Atomen jeweils unterschiedlicher chemischer Reaktivität, die
sich periodisch mit jeder neuen Schale wiederholen.
Obwohl
die Anzahl der Kombinationsmöglichkeiten der Atome des Periodensystems riesig
ist, bilden nur sieben Atome mit sich selbst oder anderen Atomen insgesamt 17
stabile zweiatomige Moleküle. Bei drei- und mehratomigen Molekülen erhöht sich
die Anzahl der Kombinationsmöglichkeiten um viele Zehnerpotenzen und führt dann
aber ebenfalls wieder zu einer beschränkten Zahl stabiler Moleküle.
Bei chemischen Reaktionen zwischen Atomen
entstehen wesentlich weniger Moleküle als statistisch möglich sind. Das Selektionskriterium ist die Stabilität
der Moleküle. Ähnlich wie bei der Evolution des Lebens nicht beliebige
Lebewesen entstehen können, so können auch bei der chemischen Evolution aus
Atomen nicht beliebige Moleküle entstehen.
Durch
den Übergang von einzelnen Atomen zu mehratomigen Molekülen entstehen
Strukturen, die es zuvor nicht gab. Die Verbindungslinien zwischen den
Atomkernen der einzelnen Moleküle können ein Liniengebilde, ein Flächengebilde
wie ein Dreieck, Viereck oder Sechseck usw. oder ein räumliches Gebilde wie ein
Tetraeder usw. bilden. Da sich die Elektronen zwischen mehreren Atomen aufteilen,
sind automatisch die Elektronenzustände und deren Energien total verändert.
Ferner ergeben sich durch die geometrische Struktur der Moleküle völlig neue
Elektronenstrukturen mit veränderten Energiezuständen, die die Stabilität der
Moleküle und ihre Reaktivität bestimmen. Alle chemischen Reaktionen zwischen
Atomen führen deshalb zu Molekülen mit emergenten Eigenschaften, die sie als
Informationen bei allen weiteren Wechselwirkungen mit anderen Teilchen
kommunizieren und dabei ihre Identitäten offenbaren.
Die
elektronischen und geometrischen Strukturen der Moleküle lassen sich bei
einfachen Molekülen mit nicht zu großer Anzahl von Atomen quantenmechanisch noch
einigermaßen genau berechnen. Die dabei entstehende Vielfalt und Komplexität
der heute insgesamt bekannten stabilen dreidimensionalen Moleküle ist dabei schon
so groß, dass inzwischen mehr als 70 Millionen Chemikalien in der Datenbank für
chemische Verbindungen, dem Chemical Abstracts Service (CAS) aufgeführt
sind.
Warum
sich die ursprüngliche Identität der Atome bei ihrem Zusammenschluss zu
Molekülen total verändert, kann bei der Reaktion von zwei fünfwertigen Stickstoffatomen
zu einem Stickstoffmolekül leicht veranschaulicht werden. Insgesamt zehn äußere
Elektronen der beiden Atome teilen sie sich dabei so auf, dass sie sechs
gemeinsam in einer Dreifachbindung nutzen und jeweils mit den restlichen beiden
Elektronen eine Edelgaskonfiguration mit insgesamt jeweils acht äußeren
Elektronen ausbilden. Aus zwei sehr reaktiven Atomen entsteht damit ein
chemisch sehr stabiles Molekül, das chemisch einem Edelgas und geometrisch
einer Hantel gleicht.
In
weiteren Schritten der chemischen Evolution der Materie und ihrer Information
können Atome mit Molekülen und Moleküle mit Molekülen sowie mit ihren
ionisierten Partnern reagieren.Dabei
erhöht sich die Komplexität der Strukturen und ihrer Größe, die bei Polymeren
zu endlos lang erscheinenden Molekülen führen kann. Die Chemiker unterscheiden
dabei zwischen mehreren Bindungstypen in Molekülen, die sich auch zu
Flüssigkeiten, Kristallen und Festkörpern zusammenlagern können. Mit
Festkörpern verschiedenster Form, Härte und Farbe und Flüssigkeiten
unterschiedlicher Viskosität bildeten sich weitere emergente Eigenschaften und mit
ihnen emergente Informationen.
5.
Geologische Evolution der Information – 3. Phase der Evolution
Die Gravitationskraft ist die schwächste aller
Fundamentalkräfte und deshalb auch nicht imstande einzelne Teilchen aneinander
zu binden. Sie trat deshalb erst etwa 400 Millionen Jahre nach dem Urknall in
Erscheinung, als sie Wasserstoffgas zu den Sonnen verdichtete und damit die
ersten Sterne bildete. Unser Sonnensystem entstand durch sie noch viel später,
etwa neun Milliarden Jahre nach dem Urknall aus interstellarem Gas und dem
Sternenstaub explodierter Supernovae. Die dabei durch Gravitationskraft
gebundene Materie stellt die letzte Phase der Evolution der Materie und ihrer
Information dar. Mit ihr schließen sich Materieteilchen zu größeren
strukturellen Einheiten, wie Sonnen, Planeten, Monde, Kometen usw. zusammen. Im
anfänglich gasförmigen und flüssigen Zustand handelt es sich dabei um
kugelförmige Gebilde, da alle Teilchen den energetisch günstigsten Zustand so
nahe wie möglich am Gravitationszentrum einnehmen möchten.
Während der Abkühlung der Erde veränderten
sich die Eigenschaften der Erde und schafften mit ihnen ständig neue
Informationen.
Zunächst
kondensierten bei Temperaturen unter 2.000°C die schweren Bestandteile mit
hohem Schmelzpunkt. So sanken Eisen und Nickel unter der Einwirkung der
Schwerkraft ins Zentrum der Erde und bildeten den Erdkern. Bei 1.500°C
kristallisierten Oxide und Silikate zunächst zu schweren Gesteinen, die den
Erdmantel aufbauten und unter 1.000°C kristallisierten etwas später die
leichteren Gesteine. Sie bildeten die äußere Erdkruste, die sich durch
plattentektonische und vulkanische Vorgänge ständig veränderte und die Gebirge
aufbauten. Während sich die Erdkruste bildete, entwickelte sich die Atmosphäre.
Erst nachdem sich die Erdoberfläche auf Temperaturen unter 100°C abgekühlt
hatte, fiel der erste Regen auf die Erde. Danach bildeten sich die ersten Seen,
Flüsse und Ozeane. Regen und Wind führten zur Verwitterung des Gesteins und
veränderten die Landschaft durch Erosion und Ablagerung von Sedimentgesteinen.
Vor
etwa fünf Milliarden Jahren entstand damit unsere Erde zunächst als glühende
Kugel, die sich im Lauf einer Milliarde Jahre abkühlte und so die unbelebte
Natur unserer Erde mit ihren charakteristischen Eigenschaften schuf, die ihre
sehr speziellen Informationen trugen. Erst 500 Millionen Jahre später konnte
sich nach weiterer Abkühlung auf vernünftige Temperaturen auf unserem Planeten
Leben entwickeln. Nach gängigen Theorien
entstand dabei in einem ersten Schritt ein einzelliger Organismus, von dem alle
heutigen Lebewesen abstammen, die sich in den darauf folgenden 3,5 Milliarden
Jahren bis heute entwickelten.
Die Gravitation schuf mit der Erde die
Grundlagen für die Entwicklung der zunächst unbelebten Natur und der
anschließenden belebten Natur mit ihren jeweils
sehr speziellen emergenten Informationen.
Insbesondere Pflanzen, Tieren und Menschen unterscheiden
sich mit ihren jeweils sehr speziellen Eigenschaften bereits rein äußerlich
optisch in ihrer Form, Gestalt und Dynamik. Die zugehörigen emergenten
Informationen verschaffen dabei jedem einzelnen Lebewesen eine eigene Identität.
6. Biologische
Evolution der Information – 4. Phase der Evolution
Damit die ersten Lebensformen auf unserem
Planeten entstehen konnten, mussten ganz bestimmte Voraussetzungen erfüllt
sein. Die wichtigsten davon sind im Folgenden aufgeführt.
- Es mussten vernünftige Temperaturen herrschen,
damit die organischen Moleküle, die die Zellen der Lebewesen bilden, nicht
zerfallen.
- Es musste Wasser für die Chemie im Inneren der
Zelle und als Medium für den Informationstransport vorhanden sein.
- Spezielle Moleküle mussten Zellstrukturen schaffen,
um die Lebensvorgänge im Inneren der Zelle von der Außenwelt abzugrenzen.
- Andere Moleküle mussten gleichzeitig innerhalb
der Zelle Strukturen entwickeln, die die Zelle lebensfähig machten.
- Für die Speicherung und Verarbeitung der
Erbinformationen mussten spezielle Moleküle gebildet werden, die nicht nur in
der Lage waren, eine Vielzahl von genetischen Informationen zu tragen, sondern
sie auch zur Steuerung der Lebensprozesse innerhalb der Zelle zu nutzen und
sich bei der Zellteilung zu replizieren.
Damit sich aus Molekülen eine lebende Zelle
bilden kann, müssen also zahlreiche Bedingungen gleichzeitig erfüllt sein.
Durch sie erhöht sich der Grad der Komplexität ganz enorm, da es sich nicht um
den Übergang von einem Molekül zu einer speziellen Struktur aus Molekülen
handelt, sondern um den Übergang von einem System von verschiedenen Molekülen
zu einer komplexen lebenden Zelle, die aus verschiedenartigen molekularen
Subsystemen aufgebaut ist, die in ihren Aufgaben genauestens aufeinander
abgestimmt sein müssen.
Wie
durch die Forschung der letzten Jahrzehnte eindeutig bewiesen wurde, hat sich
die biologische Vielfalt des Lebens evolutionär aus einer ersten lebenden Zelle
entwickelt, die als Urzelle bezeichnet wird. Die lebenden Zellen aller
Lebewesen zeichnen sich nicht nur durch ihre speziellen chemischen und
strukturellen Eigenschaften, sondern auch durch sehr spezielle biologische
Mechanismen aus, die in der Lage sind, Energie und Informationen abzuspeichern,
mit denen sie die Lebensprozesse in Gang halten. Mit ihnen hat es dieNatur verstanden, eine riesige Datenmenge zum
Aufbau und zur Funktion der Zelle in einem winzigen Zellkern molekular
abzuspeichern und sie bei der Zellteilung laufend perfekt zu kopieren, damit
sie ohne Informationsverlust von Generation zu Generation weitergegeben werden
konnte. Diese Aufgabe leistet ein ungewöhnliches Makromolekül, auf dem die
genetischen Informationen mit Molekülen als Buchstaben eindimensional
abspeichert sind und welches mitsamt seiner Information perfekt vervielfältigt
werden kann.
Die
dazu notwendigen spezifischen chemischen Eigenschaften und die zugehörigen
speziellen molekularen Strukturen besitzt die DNA (DesoxiriboNucleicAcid), ein langes Kettenmolekül, das in Form einer Doppelhelix aufgebaut und aus vielen molekularen
Bausteinen, denNukleotiden besteht (3). Jedes
Nukleotid besteht aus einem Phosphatrest, dem Zucker Desoxyribose und einer von
vier organischen Basen (Adenin, Thymin, Guanin und Cytosin, oft abgekürzt mit
A, T, G und C). Die beiden Stränge der Doppelhelix sind durch Paare der
aufgeführten Basen verbunden, deren spezielle molekulare Sequenzen die
Erbinformation tragen.
Genetische
Informationen sind nie zuvor dagewesene und damit emergente Informationen, die
den Aufbau und die Funktion der einzelnen Lebewesen festlegen. Sie sind in den
Sequenzen der A-, G-, T- und C- Moleküle auf der DNA enthalten.
Ähnlich wie bei den Molekülen, die
gegenüber den einzelnen Atomen auch noch geometrische Strukturmerkmale und
damit Informationen enthalten, die unabhängig von den chemischen Eigenschaften
der einzelnen Atome sind, kommen bei der DNA, die sich aus vielen Molekülen
zusammensetzt, neue emergente Strukturmerkmale hinzu, die durch die speziellen
Sequenzen der Basenpaare gegeben sind. Die Information, die in diesen
Strukturmerkmalen steckt, ist vergleichbar mit derInformation, die in einem Wort steckt und
dies ist eine abstrakte Information, die nichts mit den chemischen
Eigenschaften der Moleküle, die sie tragen oder des Buchstaben oder des Stoffes,
auf dem sie aufgedruckt sind, zu tun haben.
AlsGenwird ein Abschnitt auf der DNA bezeichnet, der die
Grundinformationen zur Herstellung der biologisch aktivenRibonukleinsäuren (RNA) enthält, die bei der Transkription als
Kopie eines codierten DNA-Abschnitts hergestellt wird. Die darauf enthaltene
Abfolge der Basen legt die Abfolge der Aminosäurendes
jeweiligen Proteins fest, wobei jeweils drei Basen für eine bestimmte
Aminosäure stehen. Die DNA enthält damit einerseits die Information für die
Herstellung derProteine, die für die biologische Entwicklung eines
Lebewesens und den Stoffwechsel in der Zellebenötigt werden. Andererseits
kann sich die DNAmit Hilfe von Enzymenselbst verdoppeln
(replizieren). Die dabei entstehenden Einzelstränge dienen alsVorlage für
den jeweils zu synthetisierenden komplementären Gegenstrang, der sich an sie
anlagert. Jeder einzelne DNA-Strang bestimmt eindeutig die Basen-Abfolge des
gegenüberliegenden Stranges, denn jede Basekann
nur mit einem festgelegten Partner (Adenin mit Thymin und Guanin mit Cytosin)
über Wasserstoffbrücken eine stabile Bindung eingehen. Diese spezifische
Paarung sorgt für den gewünschten Vervielfältigungsmechanismus für das Erbgut
aller Lebewesen.
Der
erste elementare Schritt der biologischen Evolution des Lebens hängt eng mit
der natürlichen Synthese der DNA zusammen. Nur mit ihr konnte Leben in der
Urzelle durch molekulare Speicherung und Verarbeitung von Informationen
entstehen. Alle Lebensformen verwenden DNA, RNA und Proteine als Bausteine und dazu den genetischen
Code, der den Informationsfluss zwischen diesen Bausteinen regelt.
Das Besondere an den Adenin-,
Thymin-, Guanin- und Cytosinmolekülen ist, dass sie fest an einem DNA-Strang
gebunden sind und nur relativ lose über Wasserstoffbrückenbindungen an ihr
Partnermolekül, das sie mit dem zweiten DNA-Strang verbindet. Auf diese Weise
ist es möglich, dass die beiden Stränge wie ein Reißverschluss voneinander
gelöst werden können. Die feste Bindung der A-,T-, G- und C-Moleküle an den
DNA-Strang verändert allerdings ihre chemischen Eigenschaften nur geringfügig,
sodass sie als einzelne Moleküle betrachtet werden können, die wie Buchstaben
eines Wortes an einem Faden aneinandergereiht sind und die chemisch so
reagieren, als ob sie ungebunden wären.
Zur Herstellung der Proteine nutzt die Zelle die Baupläne, die in der DNA-Sequenz des
Erbguts verschlüsselt sind. Da die DNA aus Nukleinbasen und Proteine aus
Aminosäuren bestehen, muss die Erbinformation entsprechend übersetztwerden. Dazu benötigt
die Zelle den genetischen Code, der die Übersetzung eindeutig definiert. Zur
Umsetzung stellt die DNA mit den Nukleinbasen ein Alphabet aus vier Buchstaben
A, T, G, C bereit, mit denen zwanzig verschiedene Aminosäuren benannt werden
müssen. Dazu nutzt die Zelle eine Wortlänge von drei Buchstaben und fasst
jeweils drei aufeinander folgende Basen in der DNA-Sequenz zu einer Einheit,
dem Codon, zusammen. Ihre Abfolge legt fest, welche Aminosäure an welcher
Stelle des Proteins eingebaut wird. 64 statistisch mögliche unterschiedliche
Codons müssen 20 Aminosäuren, Start- und Stopp-Signale vertreten.
Der genetische Code, mit dem diese
Zuordnung erfolgt, wurde schon vor fünfzig Jahren entschlüsselt. Da die
Gene auch die zellulären Lebensprozesse steuern und für den Aufbau der
Strukturen und Funktionen der jeweiligen Lebewesen verantwortlich sind, ist
davon auszugehen, dass der Anteil der genetischen Informationen, der zwar von
der DNA abgelesen, aber nicht an der Proteinchemie beteiligt ist, zur Steuerung
dieser Prozesse genutzt wird. Wie dies geschieht, ist
allerdings noch nicht bekannt. Dafür könnten noch unbekannte Ablesemechanismen
der RNA-Information verantwortlich sein. Die vielen verschiedenen RNAs,
mit denen die Erbinformation der einzelnen Gene der DNA abgelesen wird,
enthalten alle lange Basensequenzen, die wie eine geschriebene Zeile auch
mehreren längeren Wörtern entsprechen könnten, deren Informationen zur
Steuerung verschiedenster Prozesse dienen könnten.
Unabhängig von offenen Fragen stecken alle
genetischen Informationen in dem Muster der verwendeten Symbole entlang dem
DNA-Strang. Das ist direkt analog zu der Art, wie Informationen mit
Morsezeichen oder mit den Buchstaben des Alphabets in einer Zeile auf einem
Band aufgeschrieben werden können. Die DNA benutzt dazu vier molekulare Symbole
A, T, G und C. Technisch werden beim Morsen drei Symbole (kurzes Zeichen,
langes Zeichen und Pause) verwendet und wir verwenden beim Schreiben die 24
Buchstaben des Alphabets. Jeder geschriebene Text kann grundsätzlich in eine
andere Sprache übersetzt werden. Es muss dabei allerdings bekannt sein, wie
viele Zeichen einem Buchstaben und wie viele einem Wort entsprechen oder wann
ein Wort beginnt und endet. Drei Zeichen eines DNA-Strangs entsprechen einer
Aminosäure, die durch einen Buchstaben charakterisiert werden kann. So betrachtet,
enthält die RNA viele Buchstaben, die auch einem Wort oder vielen Wörtern
entsprechen könnten.
7.
Evolution abstrakter Information – 5. Phase der Evolution
Wie beschrieben, kann jede Art von Materie und
jedes Lebewesen grundsätzlich mit einer Vielzahl von ganz konkreten
Informationen charakterisiert werden, die sich aufgrund ihrer messbaren und
quantifizierbaren Eigenschaften ergeben. Informationen beschreiben auf diese
Weise jeden Bestandteil der unbelebten und belebten Natur. Wie in den vorangehenden
Abschnitten beschrieben, entstanden die ersten messbaren Informationen in
unserem Universum zusammen mit den Elementarteilchen. Von da an ist die Anzahl
und Komplexität der Informationen in 13,7 Milliarden Jahren bis heute ins
Unermessliche gestiegen. Dies liegt sowohl an der Vielfalt der Chemie und der
Materialien, die sich in unserem Universum evolutionär entwickelt haben als
auch an der Vielfalt des Lebens, das sich ausgehend von der Urzelle evolutionär
in den letzten 4 Milliarden Jahren entwickelt hat.
Neben den konkreten Informationen, die in
messbaren Eigenschaften stecken, waren für die Menschen, seit sie existierten,
ganz andere Informationen wichtig. Das waren Informationen, die ausgesprochen
und von Mensch zu Mensch kommuniziert werden konnten.
Die in
einer Sprache enthaltenen Informationen, kann man nur dann verstehen, wenn man
die Sprache beherrscht. Was ein Wort bedeutet, muss gelernt werden.
Beispielsweise wird die Art eines Teilchens (Elementarteilchen, Atom, Molekül,
…) durch ein Wort gekennzeichnet, in dem eine abstrakte Information enthalten
ist, die das Teilchen benennt und damit etwas über die Zusammensetzung und die
Eigenschaften des Teilchens aussagt. Ähnliche abstrakte Informationen stecken
auch in einer Symbolik und in elementaren molekularen Strukturen, die durch
Teilchenzahlen, Abstände und Winkel beschrieben werden, wie zum Beispiel ein
Dreieck, Quadrat, Tetraeder, Polymer oder eine Helix.
Sobald viele Teilchen im Spiel sind, können
mit ihnen zeitliche und örtliche Muster gebildet werden, die in Signalen,
Symbolen und Bildern stecken und neue abstrakte Informationen (Wörter, Sätze …)
enthalten. Diese Muster dienen der Verständigung. Die Informationen, die in
ihnen stecken, können nur dann verstanden werden, wenn man die Sprache kennt,
bzw. den Code beherrscht.
Derartige Muster nutzte die belebte Natur bereits in den ersten
Einzellern zur Speicherung, Übertragung und Weiterverarbeitung genetischer
Informationen. Die Speicherung erfolgt auf der DNA als Informationsträger. Bei
ihrer Übertragung werden molekulare Kopien der gespeicherten DNA-Informationen
mit der mRNA als molekular bewegliche Informationsträger benutzt, um die
Information von der DNA zum Wirkort ins Zytoplasma zu transportieren, wo die
Weiterverarbeitung erfolgt.
Innerhalb der Zelle handelt es sich um mikroskopische Distanzen, die von
kleinen Molekülen als Träger der Informationen rasch durch thermische Diffusion
überbrückt werden. Sobald aber zahlreiche verschiedene Informationen über
größere makroskopische Distanzen übertragen werden, müssen dazu Signale benutzt
werden, sonst dauert es viel zu lange. Signale enthalten grundsätzlich nur
abstrakte Informationen. Ein Beispiel dazu stellt unsere Sprache dar, die
akustisch in Tönen verschiedenster Art übertragen wird, wobei jedes Wort eine
abstrakte Information enthält.
Signale und Muster (Töne, Worte, Bilder …)
bestehen grundsätzlich aus einer Sequenz von mehreren Teilchen (Molekülen,
Photonen, Buchstaben, Symbolen …) und unterscheiden sich deshalb grundsätzlich
von einzelnen atomaren oder molekularen Informationsträgern, die nur die
charakteristische Information über ihre eigenen spezifischen Eigenschaften
tragen.
Schon
lange vor der menschlichen Sprache hat die Natur zur Kommunikation zwischen den
lebenden Zellen von Vielzellern eine eigene spezielle Signalsprache entwickelt.
Damit die Information sehr schnell und effizient über größere Distanzen
innerhalb eines größeren und komplexeren Lebewesens übertragen werden kann, hat
sie Nervenbahnen zwischen Sendern und Empfängern entwickelt, über die
elektromagnetische Signale mit Hilfe der in der Zellflüssigkeit beweglichen
Ionen geschickt werden können. Beispielsweise produzieren die Sinnesorgane
Signale und senden sie an das Gehirn. Aber auch das Gehirn produziert Signale
und sendet sie an die Muskulatur. Alle Teile des Körpers sind von einem
Nervennetzwerk überzogen, über welches ununterbrochen Signale laufen.
Die
spezielle Sprache, mit der alle abstrakten Informationen im Innern der
Lebewesen kommuniziert werden, ist noch nicht entschlüsselt. Vermutlich handelt
es sich dabei um eine universelle biologische Signalsprache, die im Laufe der
Entwicklung zu immer komplexeren Systemen evolutionär weiterentwickelt wurde.
Die
Muster, der in den Sinnesorganen produzierten elektromagnetischen Signale,
müssen allerdings nicht nur zum Empfänger transportiert, sondern dort auch
verarbeitet und abgespeichert werden. Beispielsweise werden die akustischen
Sprachsignale, die wir über unser Ohr empfangen, im Ohr in entsprechende
elektromagnetische Signale umgewandelt und über den Hörnerv in das Gehirn
geleitet. Dort werden die zeitabhängigen Muster der Töne, die in den Signalen
der einzelnen Wörter enthalten sind, auf den Neuronen des Gehirns als
ortsabhängiges Muster abgespeichert, ähnlich wie es auch auf einer Audio-CD
geschieht. Diese Muster können dann viel später, wenn entsprechende Worte mit
unserem Kehlkopf geformt werden müssen, aus dem Gedächtnis wieder aktiviert
werden.
Zur
Speicherung müssen die als Funktion der Zeit ankommenden Muster der akustischen
Signale in ortsabhängige Muster umgewandelt werden. Was beim Aufnehmen von
Texten und beim Abspielen gemacht wird, geschieht auch beim Schreiben und
Lesen. Die gehörten zeitabhängigen Signale werden dabei in aneinandergereihte
und damit ortsabhängige Buchstabenserien aufgezeichnet, die auf diese Weise
abgespeichert werden und zu einem späteren Zeitpunkt wieder ausgelesen werden
können.
Die zeitabhängigen Muster der Signale, die akustische
oder elektromagnetische Informationen transportieren, müssen bei ihrer
Abspeicherung in ortsabhängige Muster umgewandelt werden.
Die
Natur hat es schon in der Frühphase der Evolution verstanden, die mit Augen und
Ohren wahrgenommenen zeitabhängigen Ereignisse als Bild- und Tonfolgen lokal
als ortsabhängige Strukturen im Gehirn abzuspeichern und bei Bedarf wieder zu
aktivieren. Ähnliches gilt auch für unsere unterbewusst wahrgenommenen
Empfindungen.
Neben
dem Wissen, das die Natur in den drei Milliarden Jahren ihrer Existenz in den
Genen abgespeichert hat, hat auch der Mensch, seit er existiert, Wissen in
seinem Gedächtnis angesammelt und durch Kommunikation, allerdings nur über
Jahrtausende hinweg, von Generation zu Generation weitergegeben. Wie bei dem genetischen
Wissen, das als kodierte Informationen in abstrakten molekularen Mustern auf
der DNA abgespeichert ist und für den Aufbau und die Funktion des Lebewesens
wichtig ist, besteht auch das Wissen der Menschheit aus kodierten
Informationen, die in abstrakten Mustern allerdings in neuronalen Netzwerken
abgespeichert sind und für das menschliche Leben einen Sinn ergeben. Das heißt,
diese Informationen wurden deshalb verarbeitet, abgespeichert und
weitergegeben, weil sie für die Menschen einen Nutzen erkennen ließen. Nutzlose
Informationen haben keinen Wert und werden deshalb auch nicht abgespeichert.
Nur was eine Bedeutung für die Menschen hat, wird im Gedächtnis abgespeichert.
Das Gehirn arbeitet also wie die genetische Informationsverarbeitung sehr selektiv.
Das
umfangreiche Wissen, das auf diese Weise seit Bestehen des Lebens und der
Menschheit in den Genen und den Neuronen abgespeichert wurde, besteht damit
nicht allein aus Material- und Strukturinformationen, sondern auch auf
Informationen über natürliche Gesetzmäßigkeiten und Mechanismen, die das Leben
regeln.
8.
Technische Evolution der Information – 6. Phase der Evolution
Technische Errungenschaften sind das Werk der
Menschen, mit denen sich die Welt viel schneller verändert als durch die
Evolution in einem vergleichbaren Zeitraum. Sie entstehen ebenfalls durch
Mutation und Selektion. Zur Unterscheidung werden dabei neue Bezeichnungen wie
Entwicklung anstelle von Evolution und trial and error anstelle von Mutation
und Selektion benutzt.
Ein wesentlicher Vorteil der technischen
Entwicklung gegenüber der natürlichen Evolution ist die menschliche
Intelligenz, mit der wir denken und gezielt planen können. Das kann die Natur
nicht. Indem wir vorausschauend Erfahrungen und Wissen der Vergangenheit nutzen
und die Gesetzmäßigkeiten der Natur in unsere Überlegungen einfließen lassen, können
wir den Erfolg oder Misserfolg eines Vorhabens mit hoher Sicherheit geistig
vorhersehen.
Im
Gegensatz zur Biologie arbeitet die Technik vorwiegend mit anorganischen
Substanzen und schafft damit Systeme, die die Natur evolutionär niemals selbst
erzeugen könnte. Neben Holz waren vor allem Steine, Keramik und Metalle in der
Frühzeit der Menschheit die wichtigsten Materialien zur Erzeugung von
Werkzeugen und Baumaterialien. Zu den wichtigsten technischen Disziplinen, die
zu den größten Veränderungen in den letzten Jahrhunderten geführt hatten,
zählen der Maschinenbau und die Elektrotechnik. Motoren nutzen die
Energieressourcen und ein Netzwerk von elektrische Leitungen versorgt die
Menschheit mit elektrischer Energie. Die Halbleitertechnologie und die mit ihr
verbundene Mikroelektronik haben der Informations- und Kommunikationstechnik in
den letzten Jahrzehnten einen enormen Aufschwung verliehen. Automatische
Fertigungsanlagen produzieren heute Maschinen und Kraftfahrzeuge der
verschiedensten Art. Küchengeräte, Fernsehgeräte, Computer, Smartphones und das
Internet zählen heute zu den wichtigsten Bestandteilen eines Haushalts. Kurz,
die Welt sieht heute aufgrund der aktuell zur Verfügung stehenden Technik
vollkommen anders aus als vor hundert Jahren.
Verantwortlich für die rasanten technischen Entwicklungen ist das Wissen
der Menschheit, das auf technisch abgespeicherten Informationen beruht. Das
durch Kommunikation und eigene Erfahrung angesammelte Wissen in den Köpfen der
Menschheit wurde vor Jahrtausenden von Generation zu Generation nur sehr
selektiv und ausschließlich mündlich weitergegeben. Erst nachdem die Menschen
Lesen und Schreiben gelernt hatten, wurde es möglich, das Wissen der Menschheit
auf Papier und später in Lehrbüchern abzuspeichern. Und seit wenigen
Jahrzehnten steht dem modernen Menschen nahezu das gesamte Wissen der Welt über
das Internet zur Verfügung.
So wie
die Natur evolutionär eine Vielfalt von Lebewesen entwickeln konnte, so war
auch die Menschheit in der Lage eine Vielfalt von technischen Geräten mit
Fähigkeiten zu entwickelt, die genau ihren Wunschvorstellungen entsprachen.
Alles, was nicht funktionierte oder so funktionierte, wie es sollte, wurde
verworfen. So wie sich die Lebewesen, die die Natur entwickelte, durch sehr
spezielle Eigenschaften auszeichnen, so zeichnen sich auch die technischen
Geräte durch sehr spezielle Eigenschaften aus, die einen Satz von Informationen
repräsentieren, der beispielsweise durch technische Daten spezifiziert werden
kann.
Die in
den letzten Jahrzehnten entwickelte Informationstechnik arbeitet wie die Natur
mit Informationen, die als Datensätze abgespeichert sind. In den Genen sind
uralte Informationen, die im Laufe der seit fast vier Milliarden Jahren
andauernden Evolution des Lebens angesammelt wurden, abgespeichert. In den
Gehirnen der Lebewesen sind andere Informationenabgespeichert. Es handelt sich dabei um
Informationen, die das jeweilige Lebewesen während seines kurzen Lebens selbst
über seine Sinnesorgane wahrnehmen konnte. Wir Menschen haben zusätzlich gegenüber
den Tieren den Vorteil nicht nur mit Bildern, sondern auch mit unserer Sprache
zu denken, das heißt, Informationen zu verarbeiten. Mit diesen besonderen
geistigen Fähigkeiten sind wir in der Lage, uns gegenüber dem Rest der
Lebewesen persönliche Vorteile zu verschaffen, die uns ihnen gegenüber
evolutionär auszeichnen. Beispielsweise haben schon vor Jahrtausenden die
ersten Menschen Geräte entwickelt, die ihnen bei der Jagd und im
Überlebenskampf enorme Vorteile verschafften.
Mit der Mikroelektronik ist es gelungen, Schrift-
und Bildinformationen auf kleinstem Raum abzuspeichern. Wie in der Biologie
können Informationen auch in der Technik nur auf Informationsträgern
abgespeichert werden. In der Biologie sind es die DNA-Moleküle, die die
genetischen Informationen tragen und die Neuronen, die in den Gehirnen die Bild
und Sprachinformationen abspeichern. In der Technik sind es Magnetbänder,
Festplatten, CDs, DVDs, die als Datenträger verwendet werden, die die
gewünschten Informationen in einer technischen Sprache digitalisiert
abspeichern. Mit ihr ist es auch gelungen, technische Geräte zu entwickeln, die
in der Lage sind, Informationen zu verarbeiten, so wie unser Gehirn
Informationen verarbeitet, wenn es denkt, rechnet, plant, eine Fremdsprache
erlernt oder übersetzt usw.
Telekommunikation und Nachrichtentechnikbeschäftigen sich vorwiegend mit Radio-,
Fernseh-, Telefonie- und Funktechnologien, die Nachrichten, Reportagen und
Filme übertragen, welche bekanntlich aus Informationen bestehen. Allgemein
formuliert, handelt es sich dabei um die Gewinnung, Umwandlung, Übertragung und
Speicherung vonSignalen. Ihre Hauptaufgabe ist
es, Informationen möglichst unverfälscht von Sendern zu Empfängern zu
übermitteln. Das erste mathematische Modell der technischen
Kommunikation geht auf Shannon (4) zurück, der für die Bell Telephone
Laboratories arbeitete. Es definierte die Information als „physikalische Größe“
mit einer Maß- bzw. Zähleinheit, demBit.
Der Begriff der Information,
den die Nachrichtentechnik seit Shannon benutzt, bezieht sich wie die
Nachrichtentechnik selbst ausschließlich auf Informationen, die mit Signalen
als Informationsträger übertragen oder in örtlichen Mustern abgespeichert
werden. Der Begriff der Information, wie er von Shannon benutzt wird, bezieht
sich damit ausschließlich auf abstrakte Informationen, die in zeitlichen und
örtlichen Mustern enthalten sind.
Die große Bedeutung
seiner Theorie für die Technik liegt darin, dass es mit ihr möglich ist, den
Aufwand für die technische Übertragung von abstrakten Informationen in
verschiedener Gestalt (Töne, Zeichen, Bilder) quantitativ festzulegen und damit
die Effizienz von Codes sowie die Kapazität von Informationsspeichern und von Übertragungskanälen
zu bestimmen. Die Definition des Bit eröffnet damit technische Möglichkeiten, mit
denen unterschiedliche Darstellungsformen von Nachrichten und Bilddokumenten in
einem gemeinsamen, für technische Zwecke vorteilhaften Umgang mit Information genutzt
werden können. Das Ergebnis ist eine Folge von elektrischen Impulsen, die durch
einen Binärcode ausgedrückt werden kann. Das ist letztendlich die Grundlage der
Informationstechnik auf digitaler Basis sowie für Multimedia. In der Praxis
erfolgte der digitale Umbruch der Informationstechnik verbunden mit der
stürmischen Entwicklung der Mikroelektronik erst Ende des 20. Jahrhunderts.
So wie die Natur gelernt hat, ihr Wissen in
abstrakter Symbolik in Genen und Neuronen abzuspeichern, so hat auch die
Menschheit gelernt, ihr Wissen mit sprachlicher Symbolik zunächst auf Stein,
Holz, Papyrus und dann auf Papier in Büchern oder schließlich elektronisch
abzuspeichern. Die technische Abspeicherung und Nutzung des Menschheitswissens
ist der bisher letzte Schritt der technischen Evolution
der Information. Da die Möglichkeiten der modernen Informationstechnologien
aktuell so intensiv wie nie zuvor genutzt werden, wird unsere heutige
Gesellschaft auch als Informations- und Kommunikationsgesellschaft bezeichnet.
Literatur
(1)
Hawking, Stephen & Mlodinow, Leonhard. Der große Entwurf. Rowohlt, Reinbek, 2012
(2)
Leibniz, Gottfried, Wilhelm 1646-1716
(3)
Watson, J.D. and Crick, F.H. Molecular structure
of nucleic acids; a structure for deoxyribose nucleic acid.Nature.1953 Apr 25;171(4356):737-8.
(4)
Shannon, Claude E. &
Warren Weaver. A Mathematical Model of
Communication.Urbana, IL. University of Illinois
Press 1949
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