Erschienen in Ausgabe: No 123 (05/2016) | Letzte Änderung: 05.05.16 |
In Deutschland kämpft Rot-Grün für eine Legalisierung der Droge Cannabis, die Union ist da anderer Meinung. Allein bei Schwerkranken sollte es eine Ausnahme geben, wie das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig nun entschied
von Stefan Groß
Seit uralten Zeiten beflügelt der Rausch jenseits von Rationalität und
Gesundheitsökonomie den Menschen. Ob Drogenkonsum, Sexualität oder Alkohol – er
zeigt sich als elementarer Trieb, der stärker als der Logos ist und jenseits
irgendeiner Zweck-Mittel-Kalkül regiert; er entzieht sich jeder Pragmatik, ihm eignet
pure Unmittelbarkeit und er ist der Freiheitsakt an sich, weil er Dispens von
den Notwendigkeiten des Lebens verschafft und Dimensionen eröffnet, in denen
das Ich aus sich heraustritt, sich transzendiert und sich dem Kollektiv oder
Gott überantwortet.
Bereits Friedrich Nietzsche hatte zwischen zwei Prinzipien unterschieden,
die die Welt regieren. Das Apollinische und das Dionysische. Wobei er dem Gott
Apollon den klaren Verstand, das staatliche Ordnungsdenken, das Streben nach
Begrenzung, Maß und Gestalt zuordnete. Unter das Dionysische subsumierte er das
Rauschhafte und Ausufernde, das Grenzenlose und Formaufhebende, das das
Gestalthafte in den Wesensgrund, den Weltgrund zurückwirft. Nietzsche machte
keinen Hehl daraus, dem Dionysischen ergeben zu sein. Die hier entfesselte
Freiheit, die das Gehirn bewußt umgeht, dieses suspendiert, kulminiert in berauschenden
Festen, in der Ekstase
– Orgien, Sex und Drogen inklusive. Das Dionysische bleibt die
Kraft, die im wechselseitigen Kampf mit dem Apollinischen aber zu wahrhaft
kulturellen Gestalten heranwächst.
Drogenkonsum hoch Hochkonjunktur
Auch im Jahr 2016 kämpft das Apollinische gegen das Dionysische. Laut
neuesten Studien hat der Konsum von Drogen Hochkonjunktur. Jährlich geben Europäer
24 Milliarden Euro für den illegalen Drogenkonsum aus, allein 22 Millionen
Erwachsene konsumierten 2015 Cannabis. Ecstasy, Kokain, neue psychoaktive
Substanzen, LSD, Schnüffelstoffe, Crystal Meth, Heroin und Methamphetamine wie
Crystal Meth sind beliebter denn je, getreu dem Motto, was verboten ist, reizt
um so mehr. Die illegalen Drogen haben die legalen längst auf die hinteren
Plätze verwiesen. Beim Cannabisverbrauch hat sich die Zahl in Deutschland in den
letzten vier Jahren fast verdoppelt. 4,8 Prozent der Männer und 2,7 Prozent der
Frauen unter 26 Jahren genießen die Droge regelmäßig.
Alkohohl und Zigaretten sind out,
Opioide dagegen in
Immer uncooler bei Jugendlichen hingegen sind Alkoholexzesse und exzessiver
Zigarettenkonsum. Nie wurde weniger gesoffen und geraucht als 2015 –
ausgeschlossen dabei das Komasaufen, das sich nach wie vor großer Beliebtheit
erfreut. Demgegenüber wollen ältere Bevölkerungsgruppen nicht auf den
regelmäßigen Konsum von Alkohol und auf das Zigarettenrauchen verzichten. Doch
immer mehr Jugendliche, so der Drogenbericht von 2015, greifen zu psychoaktiven
Substanzen. Der derzeitige Hype auf dem US-Markt ist die „Superdroge“ Fentanyl,
laut New York Times, „Heroins tödlicherer Cousin“. Fentanyl wirkt 50 mal so
stark wie Heroin. In den USA hat das äußert gefährliche Schmerzmittel aus der
Gruppe der Opioide, das überdosiert zu akutem Atemstillstand führt, 2014
bereits zu 5500 Todesfällen geführt und damit das Heroin vom Spitzenplatz verdrängt.
Fentanyl ist mittlerweile auch in Deutschland angekommen.
Während die Drogenpolitik in Deutschland restriktiv ist, ist man in den
Niederlanden liberaler, ein Gang in den Coffeeshop genügt und die Seligkeit
naht. In den USA blüht geradezu eine Cannabis-Industrie. So darf in 23
Bundesstaaten Marihuana zu medizinischen Zwecken verkauft werden. Auch Kanada
hat den Cannabiskonsum seit Anfang 2016 erlaubt. Dort erfreut sich „Chrontella“,
eine Art Nutella mit Cannabis höchster Beliebtheit – 300 Milligramm vom
Superstoff für 20 Euro.
Rot-Grün gegen Schwarz. Die
Legalisierung ist ein Politikum
In Deutschland ist derzeit ein Kampf um die Legalisierung von weichen Drogen,
insbesondere um Cannabis, entbrannt. Viele Städte, darunter, Düsseldorf, Berlin,
Köln oder Duisburg werben dafür, das Rauschmittel in Maßen zu legalisieren und
nicht mehr unter Strafe zu stellen. Rot-Grün in Bremen will gar das neue Flagschiff
für eine neue Drogenpolitik werden und wirbt für eine Legalisierung der
illegalen Droge. Nach dem Crystal Meth Skandal des Grünen-Bundestagsabgeordneten
Volker Beck hatte sich auch die grüne Jugend Baden Württembergs hinter den
Politiker gestellt und die Prohibition der Drogenpolitik für gescheitert
erklärt. Im Ländle, das vom schwarzen Grünen Kretschmann regiert wird, will man
sich auf Landesebene dafür einsetzen, dass die straffreie Menge von Cannabis
auf 10 Gramm angehoben wird. Durch eine Legalisierung ließe sich der illegale Konsum
beschränken, so das Argument.
Während links-grün sich im Dionysischen wiegen, streiten CDU und CSU fast
apollinisch gegen diese Offensive. So führt Marlene Mortler, Drogenbeauftragte
der Bundesregierung (CSU) ihren harten Kurs gegenüber den weichen Drogen weiter
fort und betont: „Wer in dieser Situation die vollumfängliche Legalisierung von
Cannabis fordert, der sorgt dafür, dass noch mehr Jugendliche zum Joint greifen“
Cannabis
als Medikament und die neue Sonderregelung für Schwerkranke
Für viele Mediziner hingegen ist Cannabis mehr
als ein Rauschmittel, es ist ein Medikament. Hier setzt man auf seine
therapeutische, heilende Wirkung. Hanf lindert Schmerzen, wirkt entzündungshemmend
und hat weniger gefährliche Nebenwirkungen als Morphine oder etwa Opiate.Ob
multiple Sklerose, die Augenkrankheit Grüner Star oder das Tourette-Syndrom –
überall lassen sich Heilerfolge belegen. Selbst die „Apotheken Umschau“ sieht
in Cannabis einen „Stoff für Herz und Hirn“.
Nach einem Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts in
Leipzig dürfen seit April 2016 chronisch Kranke unter bestimmten Voraussetzungen
Cannabis zu Hause anbauen – unter der Voraussetzung, dass das Betäubungsmittel
für die medizinische Therapie notwendig ist und das die Krankenkassen die
Kosten für Cannabis-Produkte aus der Apotheke nicht
übernehmen. Damit
wurde eine Klage eines schwerkranken Mannes mit multipler Sklerose, der den
privaten Hanfanbau legalisieren wollte, in dritter Instanz entsprochen.
Nach der Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichtes steht es jetzt kranken Menschen frei, einen Antrag
beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zu stellen, um Hanf in
der Wohnung, im Bad oder auf dem Balkon anzubauen. Was vor Jahren undenkbar
war, ist jetzt zumindest in Ausnahmefällen erlaubt. Um derartige
Sonderregelungen in Zukunft aber zu umgehen, hat Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe
(CDU) Anfang 2016 einen Gesetzentwurf vorgestellt. Danach sollen die Krankenkassen
für Tropfen und Kapseln mit THC sowie für Cannabisblüten die Kosten übernehmen.
Der Notwendigkeit des Eigenanbaus wäre dann ein Riegel vorgeschoben. Bis zur
endgültigen Entscheidung im Bundestag ist der Anbau von Hanf für therapeutische
Zwecke, wenn es keine Therapiealternative gibt, zumindest vorerst möglich.
Droht uns aber jetzt, wie in Israel ein Run auf Hanfprodukte? Dort haben
bereits mehr als 20.000 Patienten eine Lizenz zum Kauf der Medizin.
Überlassen wir die Drogen den Kranken
Was den
illegalen Konsum von harten Drogen betrifft – von Fentantyl, Herorin und all
den anderen gefährlichen Substanzen, auch der von Rot-Grün geforderte legale
Gebrauch von Cannabis für alle –, so sollte weiterhin das Apollinische regieren,
der Staat ein striktes Nein über den Gebrauch stellen und restriktivagieren. Das Dionysische, der Rausch um
des Rausches Willen, erweist sich als potentiell gefährlich. Die Folgen, die
dieser mit sich bringt, sind eben nicht kreativ, sondern im Gepäck trägt er
Tod, Krankheit und Abhängigkeit. Drogen bleiben Killer der Selbstbehauptung und
Mündigkeit, so sehr sie auch eine andere Form der Freiheit eröffnen. Sie sind
Zeichen von Willensschwäche, von Entmutigung oder depressiver Verstimmung und
sie finden dort eine Heimat, wo das menschliche Ich in Ausnahmesituationen sich
selbst bewußt – sei es Vergnügen, sei es Gruppenzwang –gefährden will und die Droge als letzten
Ausweg begreift, um die Absurditäten des Lebens, die Mühen der Ebene, die
Seinsverlassenheit, die Einsamkeit und Arbeitslosigkeit zu kompensieren. Eine
Kompensation, die aber zu kurzfristig greift und die Alltagsrealität später um
so absurder erscheinen läßt. Die ewige Wiederkehr als Flucht vor Problemen der
Realität ist dann vorprogrammiert. Der circulus vitiosus, der Teufelskreis, bleibt eine
Abwärtsspirale.
Bei der
Legalisierung zur Therapiezwecken für chronisch Schwerkranke hingegen erweist
sich Cannabis zum Beispiel als probates Heilmittel, das den Betroffenen die
Möglichkeit gibt, teilweise schmerzfrei zu agieren. Nur hier geht das
Apollinische und das Dionysische eine Synthese ein. Und in der Palliativmedizin
sind Opiate schon seit Jahren Gegenstand der Behandlung – und das ist auch gut
so.
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