Erschienen in Ausgabe: No 123 (05/2016) | Letzte Änderung: 05.05.16 |
von Stefan Groß
Antipoden gibt es viele. Der Agon regiert das polische
Geschäft und emotional ist das Regieren in Zeiten von Flüchtlingskrise und dem
Hervorbrechen der AfD, sehr emotional. Selbst unter Schwesterparteien gehört
die Fehde zum Alltag. Horst Seehofer und Angela Merkel schenken sich beide
nichts, nur im Duell der beiden Alphatiere gewinnt letztendlich stets die
Kanzlerin. Auf dem Berliner Spielfeld trumpft Merkel auf und verweist den
brüllenden Bayern immer wieder des Platzes. Gegen die Richtungskompetenz der
CDU-Chefin kann auch ein Stürmer wie Seehofer nichts ausrichten. Kurz vorm Tor
wird er zurückgepfiffen. Doch nicht nur bei den alten Schwestern rumort es
kräftig, auch die DIE LINKE geht intern auf Konfrontation. Kipping, Wagenknecht
und Ramelow – Liebe ist was anderes.
Wie steht es um die LINKEN? Um Kipping,
Wagenknecht und Lafontaine?
Auch die Linkspartei kennt keine Gnade gegenüber Abweichlern und
Andersdenkenden. Katja Kipping, das „erfrischende“ Gesicht der Partei, die ob
ihrer Jugend altbacken, burschikos, gereizt und irgendwie permanent überfordert
wirkt und aggressiv über die Bildschirme flattert und darüber hinaus zuweilen
wie ein Betonkopf mit einem fast unintellektuellen Starsinn gebetsmühlenhaft
ihre antiquierten Thesen formuliert, gilt als das emotionale Gewissen ihrer
Partei. Herrschsüchtig, ignorant und arrogant kommt die gebürtige Dresdnerin
daher. Sie hat am nachhaltigsten den Tonfall des Ostens kultiviert, und gäbe es
die DDR noch, dann hätte sie gute Aussichten auf eine grandiose politische
Karriere. Sie ist die intonierte DDR und verlängert diese als Sprachrohr in den
Westen. Das Schöne am Schlechten: Im Osten ist man an Befehlstöne gewöhnt, im
Westen verursachen diese Unbehagen.
Katja Kipping ist die Schiedsrichterin, die über den Tonfall, die politische
Korrektheit und letztendlich, was viel wichtiger ist, über die Wahrheit
entscheidet, dies kann sie gut, fast klerikal. Im Kleinen ist sie fast wie
Merkel, nur dieser um Lichtjahre, was Kompetenz, Führungsfähigkeit, politisches
Kalkül und Ausstrahlungskraft betrifft, unterlegen.
Gern im Visier von Kipping sind linke Exoten und Populisten wie Sahra
Wagenknecht und das ehemalige Ur-SPD-Gestein aus dem Saarland, Oskar
Lafontaine. Beide scherten in Sachen Willkommenskultur aus dem einmündigen Chor
immer wieder aus, äußerten Kritik und inszenierten ihre Polemik geschickt.
Mediale Aufmerksamkeit, nach der beide fast egomanisch gieren, war ihnen gewiß.
Lafontaine war schon in den 90er Jahren gegen zu viele Flüchtlinge, selbst die
aus dem Osten mochte er nicht integrieren. Und seine Ehefrau Wagenknecht, welch
Ironie der Geschichte, geboren und sozialisiert im ostdeutschen Jena und
Berlin, zeigte sich auch nicht gerade als die galanteste Fürsprecherin in
Sachen Offene-Tor-Politik, sprach vom Gastrecht, das man verwirken kann.
Auf Konfrontation mit
Sahra Wagenknecht
Die Linke ist unter Druck und die rechtspopulistische AfD im Aufwind. Laut
ZDF-Politbarometer hat sie in Ostdeutschland mit 19 Prozent die LINKEN
überholt, die nur auf 17 Prozent kommt. Bei der Bundestagswahl würde die LINKE
derzeit nur noch 7 Prozent erreichen, die AfD hingegen 12 Prozent. Dass in der
„Alternative“ Potential steckt, dass auch die LINKEN immer deutlicher zu spüren
bekommen, wenn der Wähler bei ihnen kein Kreuz setzt, hat Ramelow zu einer
außergewöhnlichen Abrechung mit der eigenen Partei genötigt. Selten und so
scharf im Ton hat ein Spitzenpolitiker mit den Parteifreunden abgerechnet. Den LINKEN wirft der
Thüringer vor, das Profil der Partei verwässert zu haben und beim Umgang mir
der AfD Fehler gemacht, diese gar gestärkt zu haben. Während
man vor 10 Jahren noch wußte, für was die LINKEN stehen, für die „Hoffnung,
dass es auch anders“ geht, habe sich die Partei nun zu sehr dem politischen
Establishment angeglichen, sei Teil desselben geworden. Das Profil der Partei
sei kaum mehr zu erkennen. Ramelow selbst sieht nur noch „viele Konzepte“. Die
LINKE leidet an einer Profilneurose. Sie sollte sich satt dessen inhaltlich
klarer positionieren, was sie derzeit nicht ausreichend macht, so die Kritik.
„Sich nur als Opposition gegen alle anderen zu definieren,“ reicht eben nicht,
denn dies macht die AfD derzeit erfolgreicher.
Ramelows
Attacke richtete sich insbesondere gegen die Fraktionschefin Wagenknecht, der
er vorwirft, übrigens ganz wie Kipping, „die Tonlage der AfD zu
imitieren“. Die Bundestagsfraktionsvorsitzende hatte für Irritationen in ihrer
Partei gesorgt und einen Eklat ausgelöst, als die erklärte, dass sich die Linke
bei ihrem Flüchtlingskurs von Kanzlerin Merkel hat „mitverhaften lassen“. Vor
den Landtagswahlen hatte Wagenknecht von „Kapazitätsgrenzen und Grenzen der
Aufnahmebereitschaft der Bevölkerung“ gesprochen und wurde daraufhin für
Stimmverluste sowohl von ihrem Vorgänger Gregor Gysi als auch
Bundesparteichefin Kipping mitverantwortlich gemacht.
Wenn es um Macht geht, dann wird auch aus einem sonst diskutierfreudigen und
dialogoffenen Menschen wie dem Thüringer Regierungschef ein reißender Wolf, der
für den Machterhalt streitet – wenn nötig dann auch gegen die eigene Partei.
Mehr Agon war nie, und schon recht nicht unter den Linken, die sich nun
gegenseitig die Schuld am Verlust der Wählerstimmen zuweisen und sich in einen
Schaukampf, in eine Schlammschlacht ohnegleichen begeben. Die Waffen sind
geschmiedet und von der sozialistischen Idee wahrer Menschlichkeit ist man weit
entfernt und Ramelow dann doch nicht so weit weg von Kipping. Die AfD wird die
Selbstzerfleischung und den Grabenkrieg der LINKEN genießen. Und Frau Merkel
und ihr Königinanbeter Kretschmann könnten sich nichts Besseres wünschen. Blöd
ist nur, dass die AfD derzeit jegliches Zweierbündnis auf Landesebene und
möglicherweise im Bund verhagelt. Aber vielleicht schaffen sich ja die LINKEN
selbst ab – sie sind zumindest auf dem besten Weg.
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