Erschienen in Ausgabe: No 123 (05/2016) | Letzte Änderung: 05.05.16 |
von Hans Gärtner
Als Ivor Bolton vor knapp 20 Jahren Claudio Monteverdis
„L`incoronazione di Poppea“ fürs Münchner „Prinze“ einstudierte, war es dem
Connaisseur der frühen Opernliteratur um die Wiederherstellung ähnlicher
orchestraler Verhältnisse zu tun, wie sie dem Komponisten zur Verfügung
standen. Bolton dirigierte damals zehn Musizierende, eine Hälfte Streicher, die
andere Continuo. Er selbst spielte das erste der zwei Cembali, um – anders
konnte er es sich nicht vorstellen, die „Poppea“ zu dirigieren – aktiv am Continuo
beteiligt zu sein.
Die diesen April im Cuvilliéstheater viermal en
suite von Martina Veh ganz anders als bisher gewohnt neu in Szene gesetzte
letzte Monteverdi-Oper (Uraufführung: Venedig 1643) durch das ambitionierte
Ensemble „cosi facciamo“ verfuhr – mit dem bedeutenden deutsch-südafrikanischen
Komponisten und Dirigenten Hans Huyssen – ganz ähnlich. Huyssen, wie Bolton
Verfechter einer „umfassend informierten Aufführungspraxis Alter Musik“, war,
als Barockcellist am musikalischen Geschehen unmittelbar beteiligt.
Phantastisch, wie er vom Cello aus seine „eigenverantwortliche
(Neu-)Interpretation“ der problematischen Monteverdi`schen Partitur (s. hierzu
Huyssens kompetente Erklärung im Programmheft) realisierte, zusammen mit sieben
Musizierenden, die zum Teil ungewöhnliche Klänge – etwa mit Lirone, Colascione,
Tamburellos – produzierten und Monteverdi völlig neu „hören“ ließen.
Die Instrumentalisten waren, ohne einzugreifen, ins
Bühnengeschehen einbezogen, das Nikolaus Maier als Ausstatter ganz lässig und
„cool“ handhabte – von praktikablen Stellwänden bis hinein in Kostüm-Details,
von denen Nerones Schnürstiefel nicht weniger auffielen als Ottavias schrilles
Outfit. Martina Koppelstetter gab die Verstoßene mit jenem harten Schuss
Bitterkeit, der diese Figur zu einer der einprägsamsten des Abends machte.
Schon wie sie sich, gerade verbannt, ein letztes Mal Nerone vor die Füße legte:
eine Schau.
Viele Momente der zweifellos spannenden, in Details schon
sehr schroffen, den „Normal-Zuschauer“ womöglich überfordernden Regie (des
toten Senecas Schändung und Versorgung mit Wiener Würsteln durch den schwulen
(?) Arnalto des grandiosen Carsten Fuhrmann) attackierten stark. Das Liebespaar
Nerone – Poppea (bewundernswert in ihrer Ungeschminktheit und ausgelebten Lust:
Stephanie Krug und Christian Sturm), der wunderbare, mit hauchzarten Tönen
aufwartende Ottone des Counters Christopher Robson, die leicht entzündbare
Drusilla Monika Lichteneggers und Joel Frederiksen als geradezu jugendlich
anmutender Seneca mit herrlich orgelndem Bass – ein Ensemble, das sich weniger
durch die Perfektion gesanglicher Finesse als durch die Nonchalance ihres
trefflichen Spiels einprägte.
Auf dem Foto (Hans Gärtner) nehmen (v. li.) Monika
Lichtenegger (Drusilla), Christopher Robsen (Ottone), Stephanie Krug (Poppea)
und Christian Sturm (Nerone) den Applaus des amüsierten Premierenpublikums (13.
4.) entgegen.
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