Erschienen in Ausgabe: No 123 (05/2016) | Letzte Änderung: 05.05.16 |
von Hans Gärtner
Kunstreferat und Künstlerseelsorge der Diözese Passau nehmen
Papst Franziskus` Aufruf zur Barmherzigkeit – nicht nur beim Wort, sondern auch
beim Bild. Nach einer feierlichen Marienvesper in der Stiftskirche St. Jakobus
und Philippus lud am 1. Mai, dem offiziellen Beginn der
Frühjahrs-Wallfahrts-Saison am bedeutendsten Pilgerort Bayerns, der Passauer
Oberhirte Stefan Oster OSB. die Gläubigen zur Vernissage in Altöttings Neue
Schatzkammer ein. Sie wird, nachdem sie bedauerlicherweise jahrelang ein
Schattendasein führte, endlich wieder bespielt. Ab sofort – vor nun schon
sieben Jahren als „Haus Papst Benedikt XVI.“ in den hierfür glückhaft
umgestalteten, innenarchitektonisch spektakulären Räumen des ehemaligen
Wallfahrtsmuseums am Kapellplatz eröffnet – aktuell zur Ausrufung des
außerordentlichen Heiligen Jahres der Barmherzigkeit passende außergewöhnlicheExponate. Unter dem Titel „Antlitz der
Barmherzigkeit“ sind 30 ausgesuchte, meist öffentlich noch nie gezeigte,
entweder aus Privatsammlungen entliehene oder von der Passauer
Künstlerseelsorge gehütete Bildwerke zu sehen, die Angesicht und Gestalt Jesu
Christi auf teils gewagte Art vor Augen führen.
Schon in diesem Leben, wird im Anschluss an die in der
Jesustrilogie geäußerten Gedanken des mit Altötting tief verbundenen
Alt-Papstes Benedikt XVI. behauptet, sei es dem Menschen, so unmöglich es auch
scheinen mag, gestattet, einen „gefilterten“ Blick in das Antlitz Gottes zu
werfen. In ihm sehe der Blickende, ob in die Krippe gerichtet oder in einen
Tempel, aufs Kreuz oder bei Kranken und Randexistenzen, stets Barmherzigkeit.
Sie würde konkret aufscheinen im Gesicht des Jesus von Nazareth.
Die Bildsprache der zeitgenössischen Künstlerinnen und
Künstler, die den Ausstellungsbesucher mit jeweils ganz eigenen, immer anderen,
fast stets leidenden, einmal fern liegenden, einmal nah heranziehenden,
strengen und milden, erschreckenden, befremdlichen oder vertrauten
Christus-Antlitzen und -Gestalten konfrontieren, lassen sich generell auf
keinerlei Kompromisse ein. Sie gehen gestalterisch entweder von vorneherein
bislang noch nie beschrittene Wege – wie etwa Andrea Cereda mit seiner Arbeit
„I.N.R.I. OOO33 D.C.“ von 2008, die bereits im Foyer die ganze linke Wand
einnimmt – oder knüpfen in Aussage und Themenwahl an altherkömmliche
Bildtraditionen an, fesseln dann aber durch die Wahl der malerischen und
materialen Mittel der Darstellung – wie etwa Mark Angus mit seiner blutrot
bemalten expressiven Glasätzung „Crucifixion of Christ“ von 2007. Diese Arbeit
zieht den die alte breite Eichentreppe ins Obergeschoß des „Hauses Papst
Benedikt XVI.“ Hinaufschreitenden sofort in seinen Bann. In einem der Säle, der
früher als Sitzungs-Zimmer verwendet wurde und rein weißen, unbemalten barocken
Deckenstuck aufweist, fügt sich dann Jesusbild an Jesusbild, von Format und
Machart jeweils völlig unterschiedlich. Gerade deshalb unmittelbar zur Meditation
zwingend.
Das Schöne an diese fesselnden Ausstellung: Sie nimmt zwar
gefangen, lässt aber, durch die kluge und bewusst zahlenmäßig gering gehaltene
Auswahl, bald wieder frei atmen. So ist Jesus: Er litt für uns. Er durchlitt
Todesangst und Sterbensschrecken. Er wurde von uns gedemütigt, gemartert und
gekreuzigt. Sein gütiges Antlitz zieht uns, nein: ruft uns an, wendet sich uns
zu. Aus Barmherzigkeit.
Die Sonderausstellung „Antlitz der Barmherzigkeit“
anlässlich des außerordentlichen Heiligen Jahres der Barmherzigkeit in der
Neuen Schatzkammer, Altötting, Haus Papst St. Benedikt XVI., ist täglich außer
Montag von 10 bis 16 Uhr geöffnet. Hierzu ist ein alle Exponate abbildender
Katalog (4,50 Euro an der Museumskasse) mit Texten von Bernhard Kirchgessner
und Bischof Stefan Oster sowie einem ausführlichen Werk- und
Künstlerverzeichnis erschienen.
FOTO (Hans Gärtner) Mark Angus: „Crucifixion of Christ“,
2007, Glas, geätzt und bemalt, 98 x 127 cm
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