Erschienen in Ausgabe: No 125 (07/2016) | Letzte Änderung: 30.06.16 |
von Hans Sixl
Alle Lebewesen reproduzieren sich von Generation zu
Generation neu. Auch wir Menschen sind abgesehen von den Feinheiten unseres
Aussehens eine körperlich nur geringfügig modifizierte Kopie unserer Vorfahren.
Dafür sorgen die auf der DNA genetisch abgespeicherten Informationen. Sie sind
auch dafür verantwortlich, dass alle Menschen seit dem Homo erectus, der vor
etwa 2 Millionen Jahren gelebt hatte, körperlich und geistig auf dieselbe Art
und Weise funktionieren. Allerdings unterscheiden wir uns geistig ganz gewaltig
von ihnen, weil wir völlig andere Erinnerungen und Erfahrungen haben und viel mehr
wissen als sie. Sind wir deshalb andere Menschen oder sind wir dennoch immer
wieder dieselben, die bei jeder Generation neu entstehen und nur andere
Erfahrungen sammeln?
Was wissen wir über
uns?
Für die nahezu perfekte Reproduktion aller Lebewesen sind
die Erbinformationen verantwortlich, die in den Genen der Zellen molekular auf
kleinstem Raum abgespeichert sind. Durch sie ist unser Körper definitiv bis in
die feinsten Details so aufgebaut und funktioniert auch vollautomatisch so, wie
er schon unzählig viele Generationen zuvor als Körper unserer Vorfahren
funktioniert hat. Das unterscheidet uns nicht von den Pflanzen und Tieren, die
ebenso wie wir Menschen nach den Regeln der Vererbung immer wieder identisch neu
entstehen. Das haben die Naturwissenschaften der letzten Jahrzehnte eindeutig
bewiesen.
Zu unserem Körper zählt natürlich auch unser
Nervensystem, das in unserem Gehirn seine Zentrale hat, in der unsere
Erinnerungen, unser Wissen und unsere Erfahrungen völlig anders als in den
Genen in unserem Gedächtnis abgespeichert sind. In ihm arbeitet ein spezieller
Mechanismus, den wir unseren Geist nennen und mit dem wir alle unsere
körperlichen und geistigen Aktionen steuern. Er stellt für die meisten Menschen
etwas Geheimnisvolles und für viele gläubige Menschen sogar etwas Göttliches
dar, weil er aus traditioneller religiöser Sicht angeblich durch den Odem
Gottes in die Menschen gelangte. Heute wissen wir, dass er völlig eigenständig
mit einer eigenen Signalsprache unsere Sinnesinformationen verarbeitet und uns
über unser Gedächtnis und unsere Sinnesorgane ein Bewusstsein von uns selbst
und die Welt, in der wir leben, verschafft. Mit ihm wissen wir auch, wer wir
sind, wie wir heißen, in welcher Familie und in welchem Umfeld wir aufgewachsen
sind. Mit ihm wissen wir aber auch, in welchem Körper wir stecken, was wir mit
ihm körperlich und geistig machen können, was wir mit ihm empfinden, wie wir
uns fühlen, was wir alles wissen, sowie was wir erlebt und erfahren haben. Das
alles verdanken wir unserem Geist, einem speziellen biophysikalischen
Mechanismus, der die entsprechenden Informationen von unseren Sinnesorganen im
Laufe unseres Lebens empfangen und die wichtigsten davon für uns in unserem
Gedächtnis abgespeichert hat.
Welche
Informationen werden in uns verarbeitet?
Mit den genetischen Informationen und den
Sinnesinformationen existieren in unserem Körper zwei völlig verschiedene Arten
von Informationen und damit auch zwei völlig verschiedene Mechanismen der
Informationsverarbeitung, zu denen auch zwei völlig verschiedene Informationsspeicher
gehören.
Die genetischen Informationen sind molekular auf der DNA
(einem Makromolekül, das Desoxyribonukleinsäure genannt wird) aufgeschrieben
und in den Chromosomen unserer Körperzellen abgespeichert. Wogegen die Sinnesinformationen
in den neuronalen Strukturen des Gehirns als unsere Erinnerungen abgespeichert
sind und unser Gedächtnis bilden. In den Zellen verarbeitet ein chemischer
Mechanismus, ein genetischer Geist, die genetischen Informationen und sorgt mit
ihnen für die richtige Konstruktion und Funktion des Körpers. Im Gehirn ist es
unser denkender Geist, ein biophysikalischer Mechanismus, der mit ionischen
Signalen arbeitet und uns mit ihnen Denken und Handeln lässt. Weil diese beiden
Mechanismen absolut nichts miteinander zu tun haben, hat unser menschlicher
Geist auch keinen Zugriff auf die genetischen Informationen in den Körperzellen,
wie auch der genetische Geist keinen Zugriff auf die Sinnesinformationen hat,
die unser Geist in unserem Gehirn verarbeitet und abgespeichert hat.
Nicht nur die Speicher und die Mechanismen der Erbinformationen
und der Sinnesinformationen sind grundverschieden, sondern natürlich auch ihr
Sinn und Zweck. Die Verarbeitung der genetischen Informationen in Pflanzen,
Tieren und Menschen sorgt für die körperlichen Aspekte der Lebewesen und die
Verarbeitung der Sinnesinformationen sorgt bei allen Lebewesen, die ein Gehirn und
Sinnesorgane haben, für die geistigen Aspekte. Zum Körperlichen zählen die
Konstruktion und die Funktion der jeweiligen Lebewesen und zum Geistigen zählt
neben dem Denken auch die Steuerung aller Aktionen entsprechend den
Erfordernissen des jeweiligen Umfelds.
Was wissen wir über
unseren Geist?
Unser Geist ist ein Mechanismus, der unsere
Sinnesinformationen verarbeitet, sie abspeichert und uns mit ihnen denken
lässt. Ein Mechanismus bewirkt etwas in einem speziell dafür konstruiertem System,
einem Gerät, Maschine oder Lebewesen, das mit Energie versorgt wird. Er ist
damit für eine bestimmte Aktion in dem System verantwortlich. Mit ihm geschieht
etwas mechanisch, elektrisch oder chemisch. Spezielle Mechanismen sorgen z.B.
dafür, dass unser Körper richtig funktioniert, dass sich die Zellen erneuern,
die Nahrung verdaut wird usw.
Der Geist des Menschen unterscheidet sich von
mechanischen Mechanismen dadurch, dass man nicht sieht, was er macht, da er mit
Informationen arbeitet. So wie unser Körper chemisch vollautomatisch
funktioniert, so funktioniert unser Geist auch vollautomatisch. Wir müssen uns
nicht darum kümmern, wie wir uns vom Kind zum Erwachsenen entwickeln und wir
müssen uns aber auch nicht darum kümmern, wie unser Geist unsere
Sinnesinformationen zu unseren Erinnerungen verarbeitet. Alles Körperliche und
Geistige geschieht in uns unaufgefordert mit speziellen Mechanismen
vollautomatisch, so wie wir es brauchen.
Da unser Geist ein Mechanismus ist, der Informationen
verarbeitet, benötigt er auch eine Konstruktion, die in der Lage ist, über
spezielle Leitungen Informationen zu empfangen und auszusenden, sowie um
geeignete Strukturen, um sie abzuspeichern. Dazu hat die Evolution ein System
von Nervenzellen und ein Gehirn entwickelt, in dem diese Aufgabe bewältigt
werden kann. Ohne ein funktionierendes Gehirn, das mit dem ganzen Körper
vernetzt ist, gibt es auch keinen Geist und mit ihm auch keinen Mechanismus,
der Sinnesinformationen verarbeitet.
Erst in höher entwickelten Vielzellern konnte sich ein
System aus Sinnesorganen, Nervenleitungen und einem zentralen Gehirn mit einem
Mechanismus entwickeln, der in der Lage war, die Sinnesinformationen vollautomatisch
zu empfangen, zu verarbeiten und abzuspeichern. Das Ergebnis dieser Arbeit stellt
uns dieser Mechanismus, den wir als unseren Geist kennen, wenn wir es brauchen,
zur Verfügung. Ohne dass wir dabei spüren oder erkennen wie er es in uns macht,
macht er uns dabei bewusst, was in einer ähnlichen Situation geschah, sodass
wir für uns die richtigen Entscheidungen treffen können. Unser Körper
informiert uns weder darüber, wie er unsere Muskeln betätigt, noch wie er die
Erinnerungen aus unserem Gedächtnis beschafft. Es würde uns sogar stören, wenn
er es machen würde, da wir dann mit Informationen überflutet würden.
Der menschliche Geist gehört also zu einem Körper, der
ihn entwickelte, in dem er seine Arbeit leisten kann und für den er unaufgefordert
und vollautomatisch arbeitet, solange er funktioniert und mit Energie versorgt
wird. Das ist wie bei einem Motor, der auch nur so lange läuft, solange sein
System intakt ist und er mit Energie versorgt wird. Wenn der Körper nicht mehr
so funktioniert wie er soll, dann sterben seine Zellen ab und wenn das Gehirn stirbt,
dann stirbt mit ihm auch sein Geist. Sobald die Funktionen des Körpers, des
Gerätes oder des Lebewesens zerstört sind, kann auch der Mechanismus seine
Aufgaben nicht mehr erfüllen. Einen Geist ohne einen lebenden Körper gibt es
nicht.
Körper sind vergänglich, da sie aus verderblichen
organischen Substanzen bestehen, die eine bestimmte Lebensdauer haben. Damit
das Leben mit dem Tod des gealterten Körpers nicht endgültig endet, kann es
zuvor körperlich und geistig mithilfe der genetischen Informationen von Grund
auf identisch erneuert werden. Natürlich werden auch mit der identischen
Reproduktion alle Funktionen und damit auch der Geist, der seine
Sinnesinformationen verarbeitet, identisch reproduziert. Allerdings startet der
Geist, wenn er mit seiner Arbeit beginnt immer wieder mit Null Informationen, deshalb
wissen wir auch nichts über unsere Zeit im Mutterleib und in den ersten Monaten
nach unserer Geburt.
Wie unterscheiden
sich genetische Informationen von Sinnesinformationen?
Der Stand unserer genetischen
Informationen, ihre Menge und Qualität, steht schon lange vor unserer Geburt
fest und hat sich seit dem Homo erectus auch nur noch marginal
weiterentwickelt. Deshalb sah auch der Homo sapiens schon vor 200.000 Jahren
genauso aus wie wir. Das liegt daran, dass das Erbgut nahezu unverändert über
die Ei-und Samenzelle von Generation zu Generation weitergegeben wird. Der
Mensch entsteht also nicht aus Staub wie in den traditionellen Religionen
gelehrt wird, sondern stets aus lebenden Zellen, die schon seit Jahrmillionen wiederum
aus lebenden Zellen entstanden sind. Das Leben wird also den Menschen nicht bei
der Geburt gegeben, sondern es war schon vorher da, genau genommen seit der
ersten lebenden Zelle. Die Besonderheit des Lebens besteht also darin, dass es
sich mithilfe der genetischen Informationen laufend in einem neuen Körper
reproduziert.
Bei den Sinnesinformationen ist
es jedoch anders als bei den Erbinformationen, die immer erhalten bleiben, weil
sie als molekulare Dokumente von Generation zu Generation weitergegeben werden.
In einer Eizelle kann es keine Sinnesinformationen geben. Diese sind nicht von
Anfang an da, sondern können erst entstehen, nachdem im Neugeborenen das Nervensystem,
das Gehirn und die Sinnesorgane voll funktionsfähig ausgebildet wurden und der
Geist mit seiner Arbeit beginnen konnte. Erst dann kann er die entsprechenden Sinnesinformationen
von den Sinnesorganen empfangen, verarbeiten, abspeichern und mit ihnen Erinnerungen
bilden. Letztere entstehen deshalb in jeder Generation nach und nach mit der
Ausbildung des Nervensystems von Grund auf neu und können nicht vererbt werden.
Obwohl dies offensichtlich ist, gibt es dennoch Institutionen, die den Menschen
vorgaukeln, sie in ein früheres Leben zurückführen zu können.
Weil es uns schwerfällt, uns von Vorstellungen zu
trennen, die wir seit der frühen Kindheit geglaubt haben, wird alles, was neu
ist und unserem traditionellen Menschen- und Weltbild widerspricht, mit
Misstrauen betrachtet. Allerdings sollten wissenschaftlich belegte Erkenntnisse
einen höheren Stellenwert haben als überlieferte Glaubensvorstellungen. Außerdem
ist es nicht allzu schwer, sich vorzustellen, immer wieder ohne alte
Erinnerungen und altes Wissen aus einem früheren Leben neu geboren werden. Natürlich
können unsere Kinder nicht wissen, was wir in unserem Körper erlebt haben und wir
können nicht wissen, was sie in ihrem Körper erleben. Denn auf Erinnerungen,
die in einem anderen Körper gesammelt wurden, hat kein fremder Geist einen
direkten Zugriff. Sie können nur kommuniziert werden.
Auch zwei absolut identische eineiige Zwillinge können
nicht wissen, was der andere gerade denkt, weil sie kein gemeinsames Gehirn und
damit auch kein gemeinsames Gedächtnis haben. Da es keine Datenverbindung
zwischen den Gehirnen wie bei Computern gibt, können deshalb Informationen
zwischen Menschen nur durch Kommunikation ausgetauscht werden. Unser Gehirn
kennt nur die Informationen, die es über unsere eigenen Sinnesorgane erhalten
hat. Es kann uns also nicht sagen, was der andere erlebt hat oder denkt und
auch nicht ob es uns mehrfach gibt.
Fazit
Die Faktenlage kann wie folgt zusammengefasst werden:
1. Wir entstehen körperlich als unveränderte Kopien
unserer männlichen und weiblichen Urahnen immer wieder nahezu identisch neu und
funktionieren mit denselben chemischen Mechanismen nach denselben genetisch
abgespeicherten Informationen. Strukturell und funktionell unterscheiden wir
uns von ihnen abgesehen von Äußerlichkeiten seit Jahrtausenden in keinerlei
Weise.
2. Geistig unterscheiden wir uns aber gewaltig von
unseren Urahnen. Der Mechanismus, mit dem unser denkender Geist funktioniert,
ist allerdings genau derselbe wie bei ihnen, aber es sind ganz andere
Informationen, die ein Leben lang sammelt und verarbeitet wurden, da wir alle
in anderen Zeiten, an anderen Orten, in anderen Familien und Gesellschaften
sowie in anderen Kulturen und Zivilisationen leben.
3. Auch wenn wir seit Jahrtausenden immer wieder
dieselben Menschen sind, so wissen wir doch nichts darüber, was wir in einem
früheren Leben erlebt haben, da Erinnerungen nicht vererbt werden können. Die
Frage: Wer sind wir eigentlich?, muss also wie folgt beantwortet werden: Wir
sind aufgrund der Genetik immer wieder dieselben neu geborenen Duplikate
unserer Vorfahren.
4. Weil wir bis vor wenigen Jahrzehnten nichts über die
Arbeit unseres Geistes wussten, haben wir zwar gesehen, dass wir immer wieder
neu entstehen, aber wir hielten es für unmöglich, dass wir innerhalb eines
Stammbaums immer wieder dieselben waren, die von Grund auf neu entstanden. Wir
waren der irrigen Ansicht, „dass es unser Gedächtnis wissen müsste“, da wir uns
auch sonst an fast alles erinnern konnten. Es hätte uns allerdings auffallen
müssen, dass wir uns nicht einmal an unsere Zeit als Säuglinge erinnern
konnten.
Weil wir uns nicht an ein früheres Leben erinnern können,
glaubten wir also auch nicht an ein immer wiederkehrendes neues Leben als
unsere eigenen Nachkommen, sondern waren fest davon überzeugt, dass unser irdisches
Leben nach dem Tod unseres jeweils aktuellen Körpers zu Ende sei. Es kam uns
nicht in den Sinn, schon vor dem Tod über das Erbgut neu geboren zu werden,
weil wir ja schließlich auch nichts davon merken, wenn wir in dem Neugeborenen reproduziert
werden. Damit waren wir von der Endlichkeit des irdischen Lebens felsenfest
überzeugt, was den verschiedenen Religionen Tür und Tor öffnete, die ein Leben
nach dem Tod in einer anderen und natürlich besseren und gerechteren Welt versprachen.
5. Natürlich ist der Glaube an ein Seelenleben oder eine
Auferstehung nach dem Tode dann nicht mehr nötig, wenn wir schon auf dieser
Welt innerhalb eines Stammbaums immer wieder mit hoher Perfektion neu geboren
werden. Das bedeutet aber auch, dass wir uns mehr auf das irdische Leben
konzentrieren sollten, als auf ein hypothetisches Seelenleben. Wenn es sich bei
dem Leben nachfolgender Generationen um unser eigenes Leben handelt, dann sind
wir auch eher bereit, uns für die Zukunft unseres Planeten einzusetzen, als Hab
und Gut für Götter oder Religionen zu opfern. Dennoch ist der Glaube in uns oft
traditionell so tief verwurzelt, dass wir ihn trotz eindeutiger wissenschaftlicher
Erkenntnisse nicht einfach aufgeben können.
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