Erschienen in Ausgabe: No 125 (07/2016) | Letzte Änderung: 30.06.16 |
von Stefan Groß
Während die einen Großbritanniens Austritt aus der EU
verteufeln, Boris Johnson, möglicher Cameron-Nachfolger, und Nikel Farage,
Vorsitzender der UK Independence Party, am liebsten an den Pranger oder auf den
Scheiterhaufen stellen würden, den Rauswurf der englischen EM-Elf geradezu
frenetisch feierten, warnt der ehemalige und langjährige Präsident des
Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Hans-Werner Sinn, davor, die Briten für
den Brexit abzustrafen.
Eine
europäische „Haftungsunion“ darf es nicht geben
Angesichts der bald beginnenden Verhandlungen über den
EU-Austritt ist ein harter Kurs aus Brüssel gegenüber London nicht ratsam. Eine
europäische „Haftungsunion“ darf es nicht geben. Wie der Ökonom in einem
Interview mit der „Passauer Neuen Presse“ hervorhebt, muss Großbritannien nach
dem Austritt weiter an die Europäische Union gebunden bleiben. Als klare Kritik
an Brüssel und Berlin gesendet, betonte Sinn:
„Diejenigen, die den Briten die kalte Schulter zeigen und
weitermachen wollen wie bisher, sind schlechte Politiker.“
Sinn erachtet es daher als sinnvoll, Großbritannien künftig
wie Norwegen an die EU eng anzubinden und kritisiert jene Politiker, die nach
dem Brexit einen schnellen Austritt fordern und damit Europa im Eiltempo
zielsicher in „die falsche Richtung“ drängen, „nämlich zu einer Haftungsunion
im Inneren und einer Festung nach außen, die sich gegenüber der Welt
abschottet.“ Das käme auch den Deutschen „teuer zu stehen“.
Binnenmigration
innerhalb der EU ist Grund für Brexit
Die Armutsmigration sei, so Sinn, bei der Entscheidung der
Briten der Auslöser für die anti-europäische Stimmung gewesen. Doch dies wurde
seitens der Politiker „weitgehend totgeschwiegen“, obwohl den Politakteuren
bewusst gewesen sein muss, dass „das europäische System der Freizügigkeit und
die Integration in die Sozialsysteme anderer EU-Länder (…) wie Magneten auf
Armutsmigranten“ wirken. Für Sinn ist Europa bereits seit längerer Zeit eine
Sozialunion. Denn: „Migranten werden sehr rasch in den Sozialstaat des
Ziellandes integriert. Hier muss gegengesteuert werden.“
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