Erschienen in Ausgabe: Ohne Ausgabe | Letzte Änderung: 18.07.16 |
Diesen Juli feiert das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) sein dreijähriges Bestehen und sein größter Wunsch ist es, Realität zu werden. Doch wenn TTIP kommt, wird es für alle Seiten nachteilig sein.
von Robert Born
Die wirtschaftlich stärksten Länder des Deals teilen diesen Wunsch - ganz vorne
Angela Merkel als große Befürworterin und Barack Obama, der es zur Priorität
seiner auslaufenden Präsidentschaft gemacht hat.Die Zukunft Europas liegt nun in den Händen
der EU-Komission, welche verantwortlich für die Verhandlungen ist und es
scheint, dass die einzige positive Seite am dreijährigen Bestehen des transatlantischen
Freihandelsabkommen ist, dass es (noch) nicht von allen involvierten Parteien
befürworten wurde.
Geheimhaltungkann als Warnsignal
gesehen werden
Wenn TTIP in Kraft tritt, ist es das größte
Handelsabkommen des Geschichte. Es würde den Handel zwischen dem amerikanischen
und europäischen Markt abdecken - die Hälfte des globalen
Bruttoinlandsproduktes und fast ein Drittel der globalen Handelsströme. Kurz
gesagt besteht das Hauptziel von TTIP darin, Hindernisse für den Handels
zwischen der EU und der USA zu beseitigen - dies jedoch ist nur die Spitze des
Eisbergs.
Die Geheimhaltung der gesamten Abmachung kann als ein erstes Warnsignal gesehen
werden.Nur eine handvoll Menschen haben
Zugang zu den Dokumenten, auf denen die Verhandlungen basieren - und das nur
unter Hochsicherheitsbedingungen und ständiger Überwachung. Die
Internetauftritte der amerikanischen Regierung - der United States Mission To
The European Union und der Office Of The United States Trade Representative -
veröffentlichen keinerlei aktuelle Informationen über die Verhandlungen. Sie
stellen lediglich Presseerklärungen bereit - letzte nach der zwölften
Gesprächsrunde im Februar diesen Jahres, obwohl eine neue Pressekonferenz
bereits im April stattfand.
Warum TTIP?
Es fanden zahlreiche Demonstrationen gegen
TTIP in Europa statt, aber es war wenig über die TTIP-Inhalte bekannt, bis
Greenpeace (Niederlande) anfang Mai drei Viertel der bis dato bestehenden
Dokumente der Öffentlichkeit zugänglich machte. Es zeigte sich erstmals, was
beide Seiten des Tisches in einzelnen Bereichen wollen - und bestätigte die
Befürchtungen vieler Menschen.
Artikel 3 des Vertrages beispielsweise
befasst sich mit Landwirtschaft. Die europäische Union möchte, dassbeide Seiten Forschung und Innovation
fördern, um rentable Nahrungsmittelerzeugung und gleichzeitig eine nachhaltige
Wirtschaft natürlicher Ressourcen sicherzustellen." Die USA wirbt für
einen robusten globalen Lebensmittelmarkt und möchte "unberechtigte
Handelsmaßnahmen, die die globalen Nahrungsmittelpreise insbesondere durch
Ausfuhrabgaben, Ausfuhrverbote von Agrarprodukten/Argrargütern erhöhen "
verhindern sowie "neue innovative landwirtschaftliche Produkte und
Strategien entwickeln, die (...) sichere und bezahlbare Nahrungsmittel
ermöglichen".
TTIP öffnet die Tür für gentechnisch
veränderte Lebensmittel und Nutzpflanzen
Es ist offensichtlich, dass die USA ihre
Argrarprodukte nach Europa bringen möchte, ohne jedlichen Restriktionen zu
unterliegen. Sobald TTIP in Kraft tritt, öffnet es Europas Tür für gentechnisch
veränderte Lebensmittel und Nutzpflanzen. Laut Greenpeace könnte "unter
solch einem System der Weg frei gemacht werden für Pestizide, die
wissenschaftlich mit Krebs in Verbindung gebracht werden, außer es gibt einen
100-prozentigen Konsens über ihre schädigende Wirkung." Die amerikanische
steht der europäischen Lebensweise gegenüber - Quantität versus Qualität.
Der Fairness halber ist zu sagen, dass manche Standards der USA höher sind als
europäische, wie zum Beispiel die Richtlinien für Autoabgase oder toxische
Inhaltsstoffe von Spielzeug. Diese strengen Standards könnten wiederum von
europäischer Seite unterlaufen werden.
Das Brüssel der Lobbyisten
Der amerikanischen Ausgabe der Zeitung The
Guardian zufolge, gibt es in Brüssel, Sitz der EU-Kommission, über 30.000
Lobbyisten und 75% der europäischen Gesetze werden von diesen beeinflusst. Die
Internetplatform der Corporate Europe Observatory dokumentierte597 geheime TTIP-Meetings mit der
europäischen Komission im Zeitraum von Januar 2012 bis Februar 2014, darunter
528 mit Lobbyisten. Die gleiche Quelle veröffentlichte Emailverkehr mit
Saatgutunternehmen, darunter Monsanto, Syngente, Limagrain und andere
GM-Riesen, in dem sie die Teilnehmer der EU-Delegation zu privaten Meetings
einladen. In den Treffen wollten die Organisationen insbesondere drei Anliegen
an TTIP formulieren: Die Gesetze bezüglich Pflanzengesundheit,neue Verfahren der Pflanzenzüchtung (beide
Seiten sehen keine Gründe für eine Regulierung) und die genetische Modifikation
von konventionellem Saatgut.
Wahrscheinlich ist die größte Bedrohung,
die von TTIP ausgeht, ein Streit zwischen Staat und Investoren.So könntenUnternehmen eine Regierungverklagen, um mögliche Restriktionen beziehungsweise
Investitionshindernisse zu beseitigen.Ein
neues größtenteils aus privaten Rechtsanwälten bestehendes Sondergerichthätte in diesem Fall das letzte Wort. Etwas
ähnliches trat ein, als die Welthandelsorganisation (WTO) letztes Jahr gegen
amerikanische Gesetze für Fleisch-Ettikettierungen entschied. Die Folge dieser
Entscheidung ist, dass man den Fleischetiketten nicht mehr entnehmen kann,
woher das Fleisch stammt.
TTIP basiert auf derselben Grundidee wie
NAFTA (Nordamerikanisches Handelsabkommen). Zwanzig Jahre, nachdem NAFTA in
Kraft tat, veröffentlichte Public Citizen's Global Trade Watch ernüchternde
Fakten. “NAFTA schaffte neue Privilegien und Schutz für Investoren (...), indem
sie Produktionsstätten in Billiglohnländer verlagerten. "Außerdemseidas Handelsdefizit in den
USAum 580% angestiegen - ähnliches kann
Europa durch TTIP erwarten.
Jobs?
Jobs? Während Politiker einen Aufschwung
versprachen, verloren durch NAFTA rund eine Millionen US-Amerikaner ihre
Arbeit.Schlechtere Arbeitsbedingungen
und liberaleRegeln für den Handel in
denUSA könnte auch in Folge von TTIP in
Europa dazu führen, dass die Arbeitslosigkeit ansteigt.
TTIP wird für beide Seiten nachteilig sein,
jedoch bleiben die Verhandlungen auch wegen der Lobbies, die von dem Deal
profitieren würden,in vollem Gange.
Barack Obama möchte den Deal besiegeln, bevor seine Antszeit ausläuft.
Ex-Premierminister David Cameron ist ein großer Befürworter während sich der
Vorsitzende von UKIP Nigel Farage gegen TTIP aussprach. Vielleicht ist die
Ablehnung von TTIP das einzig Positive am Brexit.
Der Text erschien zuerst auf "The European"
>> Kommentar zu diesem Artikel schreiben. <<
Um diesen Artikel zu kommentieren, melden Sie sich bitte hier an.