Erschienen in Ausgabe: Ohne Ausgabe | Letzte Änderung: 28.07.16 |
von Hans Gärtner
Von Anfang an war er dabei, als Daland in München. Regie-Revoluzzer
Peter Konwitschny wollte, konnte nicht auf ihn verzichten, als er Richard
Wagners „Fliegenden Holländer“ unter der Ägide von Staatsopern-Intendant Sir
Peter Jonas vom Bolschoi-Theater Moskau ans Nationaltheater München holte. Das
war vor gut einem Jahrzehnt. Mit dieser dem lebenden finnischen „General“-Bass
Matti Salminen geradezu auf den mächtigen Leib geschriebenen Partie
verabschiedete dieser sich nun von der Opernbühne.
Zweimal gab es im Rahmen der diesjährigen Münchner
Opernfestspiele den „Holländer“, beide Male im nahezu ausverkauften Haus. Die
Besetzung hat sich total geändert – vom Dirigenten (Asher Fisch, der um Buhs
nicht herumkam) über Steuermann (jungenhaft, agil, höhensicher: Dean Power), Mary (in ihrem
Element: Okka von der Damerau), Erik (Wookyung Kim, zurecht gefeiert ob seines
aufrechten Tenors), Senta (große Heroinen-Stimme: Catherine Naglestad) bis zum
Titelhelden (Johan Reuter, der sich wacker schlug). Einzig der Daland des Matti
Salminen blieb als Fels in der Brandung.
Konwitschny, der in zwei „historisch-romantische“ Akte 1 und
3 einen modernen, bei der Premiere 2006 geteilte Publikumsakzeptanz auslösenden
Fitnessroom-Aufzug einbaute, schickte darin seinen Daland aufs Tretrad. Vor
zehn Jahren noch hielt Salminen ein paar Takte länger drauf aus, heute, mit 71
Jahren, strampelt er nur noch zwei kurze Runden. Was nicht heißt, dass dem
Hünen die Luft ausgehen würde. Er schaffte seine Partie, vom Duett mit dem
gestrandeten Käpt`n vom zerfetzten Todesschiff bis zur verschlagen aufgedrehten
Senta-Begrüßungs-Szene. Daland ist eine dankbare Abschieds-Rolle, weil heikle
Passagen mit Spielbass-Nonchalance überstanden werden können.
Im Komödiantischen ist der in Turku geborene satte Bass sehr
wohl auch zu Hause, etwa mit Mozarts Osmin, selbst wenn er, zumal in München,
wo er 2003 Bayerischer Kammersänger wurde, vor allem die ernsten Figuren gab –
nein, sie jeweils unvergesslich formte und ihnen seine machtvolle, zupackende
Stimme lieh: König Marke, Rocco, Hagen, Landgraf, Pogner, Hunding, Komtur,
Gurnemanz. Fehlen noch Sarastro und der König Philipp in Verdis „Don Carlo“.
Mit dieser Rolle stieg Matti Salminen ins Opernsängermetier ein, damals, in
Helsinki, war er erst knackige 24. Als er vor zwei Jahren noch einmal zu seiner
ergreifenden, Mitleid erregenden Beziehungskrise mit der Arie „Sie hat mich nie
geliebt“ anhob, in Salzburgs Großem Festspielhaus, merkte man Salminens noch
ausdrucksgewaltigem Organ die Jahre schwerer Arbeit und auch Verausgabung an.
Glanz und Geschmeidigkeit haben wohl nachgelassen, nicht aber Präsenz und
Präzision.
Es war also an der Zeit, abzutreten. Der Recke streckte
jedenfalls jetzt die Waffen, was seine Münchner Auftritte angeht. So viele Fans
hat er in seinem Opernleben gesammelt – von New York über London, Barcelona,
Wien, Berlin, vor allem – nach Köln – Zürich, bis zu den Festivals von
Bayreuth, Salzburg, Savonlinna. So viele Opernfreunde werden den Finnen
vermissen, der nach seinem Landsmann Talvela mit dem gleichem Vornamen (aber
mit „r“ vor dem ersten „t“) über Jahre hinweg die nordischen Bässe der
Opernbühnen der Welt vertrat wie kein zweiter seiner Zunft. Mit Wehmut wird
Matti Salminen von den Münchnern in den Ruhestand entlassen. Seine zahlreichen
Einspielungen auf Platte oder Zelluloid erhalten ihn lebendig. Wer gar nicht
lassen kann von Matti, der reise im Herbst nach Berlin, wo er noch einmal den
Rocco im „Fidelio“ geben wird.
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