Erschienen in Ausgabe: Ohne Ausgabe | Letzte Änderung: 15.09.16 |
von Hans Gärtner
Schuster, Handschuhmacher, Feintäschner, Trachtenschneider,
Sattler, Gürtler, Tischler, Buchbinder – die Reihe der Leder verarbeitenden Handwerksberufe
ist ergänzbar. Um den Sportgerätehersteller etwa. Schon vor 100 Jahren machte
er Turnmatten aus braunem Leder. Oh, wie waren die Dinger schwer, die man als
kräftiger Schüler an Schlaufen in die Turnhalle zu hieven hatte! Wer denkt denn
in diesem Kontext an den Schmuckdesigner?Leder wird heutzutage, allerdings
von Damen, tatsächlich zu Schmuck verarbeitet, zu kuriosen Broschen und auffällig
üppigen Fingerringen.
In der Münchner Galerie Handwerk stellen derzeit Eunmi Chun,
München, Halsschmuck aus Darm, Ulrike Hamm, Berlin, Armschmuck aus Kalbspergament
aus. Beide Damen bringen den Besucher der Ausstellung „Leder“ zum Staunen. So
fein, so zart – Pergament ist ja auch Tierhaut – kann Leder sein. So bunt und
gefällig dazu – man betrachte nur mal die pastellig eingefärbten, filigran
bemalten Armreife von Ulrike Hamm. Ihre Berliner „Werkstatt für Echtes
Pergament“ stellt sie nicht von ungefähr unter das Motto „Anmut & Kühnheit“.
Fast ein halbes Hundert heimisch tätige und europaweit
bekannte Kunsthandwerkerinnen und Kunsthandwerker zeigen neueste, ebenso
konservative wie verrückte Kreationen, alle mit ausschließlichem oder
teilweisem Leder-Anteil: Umhängetaschen und Hosengürtel, Luxusschuhwerk und
Krachlederne, Langhandschuhe und Cowboystiefel, Haferl- und Bowlingschuhe,
Foto- und Aktentaschen, Bucheinbände und Sättel, Stierbeutel sogar. Eh ein
Wunder, dass es noch Firmen gibt, die sich auf die „Altsämischgerberei“
verstehen.
Wenn auch nicht ausführlich, so doch in groben Zügen wird, per
Fotos und Objekten, erklärt, wie Leder hergestellt wird – sei`s von Kalb, Ziege,
Hirsch oder Schaf, vom Charolaisrind, Perlrochen, Seewolf, Lachs, Papageienfisch
oder vom Vogel Strauß. Hohe Vorratsgläser bergen die natürlichen Gerbstoffe aus der
Rinde von Akazie, Eiche und Kastanie.
In Vorträgen informiert die Handwerkskammer für München
Oberbayern am 23. September um 14 Uhr bei freiem Eintritt über den
künstlerischen und handwerklichen Umgang mit Leder und Pergament – über die
traditionelle Herstellung von Lederhandschuhen (Annette Roeckl), zwiegenähtes Schuhwerk aus München (Schuh
Bertl), die Arbeit mit Pergament und dessen Gewinnung sowie allgemein über das
seit Jahrtausenden aus Tierhaut gewonnene Material (Gerhard E. Moog, Lederinstitut
Reutlingen), das aus unserem Alltag nicht wegzudenken ist.
Die Ausstellung (bis 1. Oktober, geöffnet Dienstag, Mittwoch
und Freitag 10 bis 18 Uhr, Donnerstag 10 bis 20 Uhr und Samstag von 10 bis 13
Uhr) zeigt in bedachtsamer Auswahl prachtvolle Einzelstücke und bildhaft
applizierte Ensembles, manche von ihnen, etwa Beate von Hartens mit reinem
Leinen gewebter Rindsleder-Teppich „Planquadrat 1070 Wien“, legen die
Überlegung eines (durchaus möglichen) Erwerbs zur Ausstattung des eigenen
Heimes nahe. Die ganze Schau in Parterre und Untergeschoß wertete eine
Besucherin am Ende ihres wohl sehr genossenen Rundgangs als „liebevolle Ode an
das Leder“. So jedenfalls steht`s von Damenhand nun im Gästebuch zu lesen. Eine
Ode ist bekanntlich ein feierliches Gedicht …
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