Erschienen in Ausgabe: Ohne Ausgabe | Letzte Änderung: 21.10.16 |
von Michael Lausberg
Neben Florenz und Rom
war die wohlhabende Stadt das dritte große Zentrum der Renaissance.[1]
Kulturelle Einflüsse aus dem Osten spiegelten sich dort in der goldgrundigen
Ikonenmalerei, der Mosaiktechnik und den Kuppelbauten, wie etwa San Marco.
Venedig war im frühen 16. Jahrhundert die führende Handelsmacht Italiens,
obwohl es zu Beginn des Jahrhunderts in Kämpfen viele seiner Besitzungen auf
dem Festland, der Terraferma, verloren hatte. Venedig herrschte am Ende des
15.Jahrhunderts über Venetien, Friaul und einen großen Teil der
Lombardei. Gründe für die Machtausdehnung auf das Festland waren die Konkurrenz
der Osmanen, die wachsende Bedeutung der Handelswege durch die Po-Ebene und
über die Alpen nach Mittel- und Nordeuropa sowie die Möglichkeit der
Lebensmittelproduktion auf den eigenen Landgütern. Nördlich der Alpen war die
Nürnberger Börse ein wichtiger Handelsplatz für Waren aus Venedig.
Die großen
Staatsaufträge der Stadt im 15. und 16. Jahrhundert gingen häufig an die
Bellini-Werkstatt.[2] Giovanni
Bellini, Schüler seines Vaters Jacopo, entwickelte aus dem mehrteiligen, oft
auf Goldgrund angelegten Altären in gotischen Schnitzrahmen eine neue Form des
Altarbildes. Er zeigte die Heiligen nicht mehr auf einzelnen Tafeln, sondern
stellte sie gemeinsam dar. Eine solche Sacra Conversazione ist heute noch an
ihrem Bestimmungsort, der venezianischen Kirche San Zaccaria, zu sehen. Der
gemalte Bildraum korrespondiert mit dem Kirchenraum. Vor der thronenden Maria
und ihrem Kind, zu ihrer Linken stehen der Heilige Petrus und Katharina, zur
Rechten Marias Lucia und Hieronymus. Seitlich der gewölbten Nische öffnen sich
schmale Streifen einer Landschaft, aus ihnen scheint das in die Szene
einfallende Licht herzurühren. An die Stelle des Goldgrundes traten in Bellinis
Bildern neben gemalter Renaissance-Architektur zunehmend größere Ausblicke in
die Landschaft.
Schon 1483 war Giovanni
Bellini offizieller Maler Venedigs geworden, viele bemühten sich um ein Bild
aus seiner Hand – ein Novum im Verhältnis von Künstler und Auftraggeber.[3]
In der Werkstatt der Brüder Bellini, neben Giovanni war auch sein Bruder
Gentile dort tätig, lernten auch Tizian und Giorgione das Malerhandwerk. Wie
kein zweiter steht Tizian für die Malerei der venezianischen Renaissance. Von
illustren Auftraggebern wurde er Zeit seines Lebens geschätzt. Als Hofmaler
Karls V. portraitierte er den Kaiser mehrmals, dessen Sohn Philipp II. von
Spanien bestellte ebenfalls Werke von Tizian, die Päpste warben ebenfalls um
seine Malergunst. Der geschäftstüchtige Maler unterhielt in seiner Heimatstadt
eine große Werkstatt mit mehreren Gehilfen, um allen Ansprüchen gerecht zu
werden.
Sein vielleicht
bekanntestes Gemälde mit der Himmelfahrt Mariens ist fast sieben Meter hoch.[4]
Das Werk entstand 1516-1518 für den Hauptaltar der Franziskanerkirche Santa
Maria Gloriosa die Frari in Venedig. Zunächst war Tizian von seinem Lehrer
Bellini beeinflusst, doch schon bald wich die Ruhe in seinen Kompositionen der
dynamischen Darstellung des Geschehens mit dramatischen Lichteffekten. In der
Assunta sind die Apostel im unteren Bildrandwie zu einem Block versammelt und begleiten mit staunend
emporgerichteten Köpfen und nach oben gestreckten Armen die Auffahrt Mariens in
den Himmel. Körper und Gewänder unterstreichen den Schwung der Bewegungen, die
Maria im Halbkreis umgebenen Engel betonen den Aufwärtszug. Das Rot des
Mariengewandes verbindet sie mit zwei der Apostel zu einem Dreieck, das obere
und untere Bildhälfte miteinander verbindet. Die Figuren sind weich modelliert
und verschmelzen mit dem sie umgebenen Raum. Der Verzicht auf scharfe Konturen
zugunsten der Farbwirkung ist kennzeichnend für die venezianische Malerei.
Bildwürdig schien Tizian
nicht nur das biblische Geschehen, er schuf auch eigenständige Landschaften
doch zunächst nur als Graphiken und nicht als kostspielige Ölbilder.[5]
Neue Kompositionen erprobte Tizian jedoch auch in seiner Malerei. Seinem Ruhm
hatte er es zu verdanken, dass verschiedene Auftraggeber ihm mitunter die Wahl
des Bildthemas überließen. Zu diesem neuen Selbstbewusstsein auf Seiten der
Künstler passt auch eine Anekdote, die Tizians Biograph Ridolfi bereithält:
Angeblich habe Kaiser Karl V. Tizian den Pinsel aufgehoben, als er diesem beim
Portraitieren heruntergefallen sei. Sicher ist, dass Künstler sich auch in
Venedig eine angesehene gesellschaftliche Stellung erarbeitet hatten.
Neben Tizian konnten
sich auch andere Maler in Venedig etablieren – jeder in seiner Nische:
Giorgione schuf Landschaftsbilder mit für heutige Betrachter schwer zu
entschlüsselnden Motiven, Veronese malte großformatige und prunkvolle
Festszenen, Tintoretto besorgte die malerische Ausschmückung der Scuola di San
Rocco, einer dem Heiligen Rochus geweihten Laienbruderschaft.[6]
Auch außerhalb der Lagunenstadt,
auf dem Festland, fanden sich Aufträge für viele Künstler. Andrea Palladio war
der Villenbaumeister im Veneto des cinquecento.[7]
Über 100 von ihm entworfenen Bauten sind erhalten. Palladio studierte die
Architektur der Antike, was sich auch in seinen architekturtheoretischen Werken
niederschlug. In seinem 1570 erschienenen und über Jahrhunderte einflussreichen
Architekturtraktat stellte er seine eigenen Bauten neben antike Bauwerke.
Palladio orientierte sich, wie schon die Baumeister der Frührenaissance, an den
Schriften Vitruvs und befasste sich vor allem mit dessen Angaben zu den
Säulenordnungen.[8]
Abgesehen von seinem Traktat publizierte Palladio auch Führer zu den antiken
Bauwerken und den Kirchen Roms. Seine in der Auseinandersetzung mit antiker Baukunst
entwickelten Entwürfe wurden von der Architektur der folgenden Jahrhunderte
immer wieder aufgegriffen.[9]
Auch bei der in der Antike geschätzten
Villenkultur nahm die Renaissance Anleihen. Die Vorzüge des Landlebens vor den
Toren der Stadt wurden, im Einklang mit den wiederaufgelegten antiken Autoren,
gepriesen. Um die Bauaufgabe Landsitz machte sich vor allem Paladio verdient.
Bei Vicenza schuf er mit der Villa Rotonda ein Landhaus, dessen Hauptbau sich
auf einem exakt quadratischen Grundriss mit Kuppelsaal erhebt und dessen vier
Außenseiten jeweils ein Portikus mit Säulen und Giebel vorgelegt ist.[10]
Die Innenansicht der ebenfalls von ihm eingerichteten Villa Barbaro zeigt die
schlichten, auf die Antike zurückgehenden Grundformen der Architektur der Renaissance.
Ausgestattet wurde die Villa nahe des norditalienischen Treviso von Paolo
Veronese. Sein Freskenzyklus ist eine Verherrlichung des Landlebens,
kontrastiert mit Ausblicken in die umgebende Landschaft. Weitere Darstellungen
beziehen sich unter anderem auf klassische Tugenden und die antike Götterwelt,
aber auch auf das idealisierte Alltagsleben in der Villa. Harmonie als
Weltordnung, in der Natur und in der Familie ist das übergeordnete Thema der
gesamten Villa. Im ersten Raum, der Sala
a Crociera, sind neben sechs idealisierten Landschaftsdarstellungen acht
Musikspielerinnen im Querriegel abgebildet, ein Mann und ein Mädchen scheinen
einzutreten. Antike Allegorien sind auch in den übrigen Räumen zu finden, die
Villa ist ein Musterbeispiel der Gedankenwelt der Renaissance.
[1]Waiblinger, F. P. (Hrsg.): Venedig. Ein literarischer Reiseführer,
Darmstadt 2003, S. 18
[2] Zuffi,
S./Castria, F.: Italienische Malerei, Köln 1998, S. 125
[3]
Stützer, H. A.: Die italienische Renaissance, Köln 1977, S. 100
[4] Gombrich, E. H.: Eine Geschichte der
Kunst, London 1995, S. 107
[5] Zuffi,
S./Castria, F.: Italienische Malerei, Köln 1998, S. 145
[6]Romanelli, G. (Hrsg.): Venedig. Kunst & Architektur, Köln 1997, S. 15
[7]Waiblinger, F. P. (Hrsg.): Venedig. Ein literarischer Reiseführer,
Darmstadt 2003, S. 87
[8] Zuffi,
S./Castria, F.: Italienische Malerei, Köln 1998, S. 135
[9]
Stützer, H. A.: Die italienische Renaissance, Köln 1977, S. 178
[10]Romanelli, G. (Hrsg.): Venedig. Kunst & Architektur, Köln 1997, S. 54
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