Erschienen in Ausgabe: Ohne Ausgabe | Letzte Änderung: 21.10.16 |
von Michael Lausberg
Mit Hitlers
„Machtergreifung“ in Deutschland 1933 begann ein schonungsloser Kampf gegen die
künstlerische Moderne in der Kulturpolitik. Mit dem diffamierenden
Schlagwortder „Entarteten Kunst“bezeichneten die Nationalsozialisten Kunstwerke,
die ihrem reaktionären Kunstbegriff nicht entsprachen. Damit waren vor allem
Produkte der Künstlerischen Moderne gemeint, aber auch politisch missliebige
Künstler konnten mit ihren Werken ausgesondert und verfolgt werden. Begründet
wurde die „Entartung“ mit rassenideologischen Scheinargumenten, die eine
angebliche Verfallserscheinung und Dekadenz in Kunst und Kultur auf eine
„jüdisch-bolschewistische Zersetzung“ meinten zurückzuführen zu können.[1]
Die Kunst der
Expressionisten, die abstrakte Malerei, dadaistische Werke, ebenso Otto Dix‘
kriegskritische Gemälde galten den Nationalsozialisten als „entartet“. Die
Künstler wurden von den nationalsozialistischen Machthabern mit Arbeits- und
Ausstellungsverbot belegt, manchen gelang es, das Land zu verlassen. In der
Münchener Ausstellung „Entartete Kunst“ im Jahre 1937 hingen die Bilder der
Brücke-Künstler, aber auch Werke von Cezanne, Chagall, de Chirico und
Kandinsky, Klee und Max Ernst.[2]
Während der nationalsozialistischen Herrschaft erfolgte eine staatlich
organisierte Kunstzerstörung: Tausende Werke moderner Kunst wurden von den
Nazis beschlagnahmt und vernichtet, teils auch verkauft. Die offizielle Kunst
der Faschisten war ein verherrlichender Realismus, geprägt von der
Rassentheorie und der Blut- und Boden-Ideologie. Berufsverbote für verfemte
Künstler sollten die Kunstvorstellung der Nationalsozialisten diekulturpolitische Hegemonie erreichen lassen.
Moderne Kunst hingegen verkörpere
Internationalität und damit nicht das Deutschtum. Es lassen sich im Wesentlichen
drei verschiedene kunsttheoretische Ansätze nachweisen. Zum Ersten waren da
Völkische Kreise, welche ihre antisemitischen Traditionen durch
antikapitalistische Akzente ergänzten und so für eine deutsche Heimatkunst
einstanden, zu Zweiten gab es Gruppen aus nationalistischen Kreisen, welche die
deutsche Kultur von allen ausländischen Einflüssen freihalten wollten und somit
avantgardistische und expressionistische Kunst ablehnten, und zum Dritten gab
es den „altdeutsch-pangermanischen Zirkel“, welcher an den Führungsauftrag des
nordischen Volkes glaubte.
Man war der Meinung zu sehen, dass sich die Kunst
immer mehr vom Volk entfernte und war zu der Überzeugung gelangt, dass der
„Verfall“ der Kultur als Anzeichen für den Verfall der Gesellschaft zu werten
sei. Die Erklärung für den sogenannten „Kulturverfall“ suchte man in der
NS-Rassentheorie, danach sei diese Kultur ein Ergebnis des „Aufstandes von
Untermenschen“. Juden und Slaven wurden als „kulturzersetzende Rassen“
angesehen. Den „Ariern“ als kulturbegründende und kulturtragende Rasse kam nun
die Aufgabe zu, die Kultur zu erneuern und zu „reinigen“.[3]
Aufgabe der Kunst war es also, eine neue
nationalsozialistische Weltanschauung zu verdeutlichen sowie Geist und Haltung
von jedermann zu prägen. Die Kunst wurde zu einem wichtigen Werkzeug, um das
nationalsozialistische Menschenbild zu formen beziehungsweise es aufzuzeigen.
Dabei spielten Begriffe wie Volk, Heimat, Familie, Boden und Blut, die mit dem
Gefühl von gesicherter Existenz verbunden waren, eine große Rolle.
Die Nationalsozialisten benutzten Kunst jedoch nicht nur, um politische
Botschaften zu vermitteln, vielmehr sollte die Kunst Wünsche und Sehnsüchte in
der Bevölkerung wecken und so ihre Verhaltensweisen lenken. Landschaftsmotive
sollten die Schönheit des eigenen Landes aufzeigen und so Sehnsüchte nach
fernen Ländern unterdrücken, Motive mit Müttern, Vätern und mehreren Kindern
sollten das Familienleben harmonisieren und zu mehr Geburten animieren,
muskulöse, schlanke Körper sollten den staatlichen Anspruch auf gesunde,
kräftige und damit kriegsfähige Menschen verdeutlichen.[4]
Der sogenannte „Nordische Mythos“ wurde zum
Schlagwort des nationalsozialistischen Kunstverständnisses, wobei nordisch
nicht reinweg geographisch zu verstehen ist.[5]
So sahen sich die Nazis gern in der Tradition der alten Griechen und fühlten
sich sogar als Nachfolger der ägyptischen Pharaonen, deren monumentale
Pyramidenbauten Hitler bewunderte. Unter dem Wort „nordisch“ verstand man jene
menschlichen Eigenschaften wie Treue, Klugheit und Intelligenz, Gesundheit,
Schönheit und nicht zuletzt Fruchtbarkeit. Alles, was in der Geschichte auch
nur ein bisschen germanische oder nordische Werte besaß, wurde genutzt, um den
nordischen Mythos zu stützen. Der Krieg der Nibelungen, die Reformation und die
Kreuzzüge wurden von der Propaganda genutzt und sollten durch die bildende
Kunst dargestellt werden. Kunst wurde damit den Erfordernissen der Politik
untergeordnet und der NS-Staatsideologie verpflichtet.[6]
Eine entsprechende antimodernistische
Bewegung gegen die Avantgarde-Kunst der Weimarer Republik hatte sich bereits
mit dem Kampfbund für deutsche Kultur 1929 herausgebildet.Unter der Führung von Rosenberg zielte der
Bund mit öffentlichen Verlautbarungen und Kundgebungen auf eine
nationalsozialistische Durchdringung des kulturellen Lebens. Größeren Zulauf
erhielt er erst 1933 und wuchs von 1000 auf 38.000 Mitglieder, darunter Ph.
Lenard, O. Spann und W. Wagner. 1934 wurde er aufgelöst.
Auch Pablo Picasso
zählten die Nationalsozialisten zu den „entarteten Künstlern“.[7]
Sein bekanntes Antikriegsbild Guernica entstand 1937. Die republikanische
spanische Exilregierung hatte Picasso beauftragt, ein Werk für ihren Pavillon
auf der Pariser Weltausstellung 1937 zu schaffen. Als am 26. April des Jahres
deutsche Kampfflugzeuge im Auftrag des spanischen Diktators Franco die
baskische Küstenstadt Guernica bombardierten und in kürzester Zeit , und in
kürzester Zeit komplett zerstörten, stand Picassos Thema fest. Mit seinem
riesigen Ölbild von dreieinhalb von dreieinhalb mal fast acht Metern reagierte
der Künstler auf das grausame Geschehen. Die dominierenden Töne des Bildes sind
Schwarz, Weiß und bläuliches Grau. Vor einem Pferd im Todeskampf liegt die
zerbrochene Statue eines Kriegers. Ein Stier erscheint neben einer um ihr totes
Kind weinenden Frau. Entsetzen macht sich auch bei den weiblichen Gestalten
rechts im Bild – eine leidenschaftliche Anklage gegen die Zerstörung der
baskischen Stadt.
Mit der Kampfschrift der
„Entartung“ richtete sich nicht nur die Bildende Kunst, sondern auch gegen
Werke der Literatur, der Musik, des Films und der Architektur. Am 25.5.1938
wurde darum die Ausstellung „Entartete Musik“ in Düsseldorf eröffnet, mit dem
die als „Kulturbolschewisten“ denunzierten Komponisten A. Schönberg, P.
Hindemith, I. Strawinsky, und andere angegriffen werden. Zugleich wurde der
Jazz als „Nigger-Musik“ diffamiert.[8]
Der 2. Weltkrieg und die
Verdammung der modernen Kunst durch die Nationalsozialisten hatten zu einer
massenhaften Immigration europäischer Avantgardisten in den Vereinigten Staaten
geführt, darunter Piet Mondrian, Max Ernst, Marc Chagall, die
Bauhausarchitekten Walter Gropius und Ludwig Mies van der Rohe. New York, wo
die meisten Zuwanderer sich niederließen, bot einen fruchtbaren Boden für die
Kunst. Nach dem 2. Weltkrieg löste New York Paris als Kunstmetropole der Welt
ab.[9]
[1] Kashapova, D.: Kunst, Diskurs und Nationalsozialismus.
Semantische und pragmatische Studien, Tübingen 2006, S. 29
[2] Lühr, H.-P.: Die Ausstellung „Entartete Kunst“ und der Beginn der NS-Barbarei in
Dresden, Dresden 2004, S. 38
[3] Marks-Hanssen, B.: Innere Emigration? Verfemte Künstlerinnen
und Künstler in der Zeit des Nationalsozialismus, Berlin 2006, S. 22
[4] Lühr, H.-P.: Die Ausstellung „Entartete Kunst“ und der Beginn der NS-Barbarei in
Dresden, Dresden 2004, S. 68
[5] Kreis, G.: „Entartete“ Kunst für Basel. Die Herausforderung von 1939, Basel 1990, S. 17
[6] Hinz, B.: Die Malerei im deutschen Faschismus. Kunst und Konterrevolution, München 1984, S. 39
[7] Marks-Hanssen, B.: Innere Emigration? Verfemte Künstlerinnen
und Künstler in der Zeit des Nationalsozialismus, Berlin 2006, S. 28
[8] Kashapova, D.: Kunst, Diskurs und Nationalsozialismus.
Semantische und pragmatische Studien, Tübingen 2006, S. 48
[9] Hinz, B.: Die Malerei im deutschen Faschismus. Kunst und Konterrevolution, München 1984, S. 79
>> Kommentar zu diesem Artikel schreiben. <<
Um diesen Artikel zu kommentieren, melden Sie sich bitte hier an.