Erschienen in Ausgabe: Ohne Ausgabe | Letzte Änderung: 24.10.16 |
von Jörg Bernhard Bilke
Im ehemaligen Ostberlin ist am 18. August der 1930 in der
schlesischen Hauptstadt Breslau geborene Historiker Kurt Pätzold einem
Krebsleiden erlegen. Er war 1945 auf der Flucht mit seinen Eltern nach
Thüringen gekommen und hatte von 1948 bis 1953 an der Friedrich-Schiller-Universität
in Jena Geschichte, Philosophie und politische Ökonomie studiert. Er wurde dort
1963 mit einer Arbeit „Der Zeiss-Konzern in der Weltwirtschaftskrise“
promoviert und 1973 an der Humboldt-Universität in Ostberlin mit der Arbeit „Antisemitismus
und Judenverfolgung (Januar 1933 bis August 1935)“ habilitiert. Dort blieb er
auch als Hochschullehrer bis zum Jahresende 1990, wurde aber 1992, als die
Sektion Geschichte abgewickelt wurde, entlassen.
Kurt Pätzoldt blieb sein ganzes Leben lang
Faschismus-Forscher, wurde aber von seinen westdeutschen Kollegen kaum ernst
genommen. So veröffentlichte er die Habilitationsschrift „Faschismus,
Rassenwahn, Judenverfolgung“ (1975) und Bücher über Adolf Hitler (1889-1945)
und Julius Streicher (1885-1946) und beteiligte sich nach dem Mauerfall 1989 an
der Diskussion um den Untergang des DDR-Sozialismus. Sein letztes Buch, wenige
Wochen vor seinem Tod im DDR-Nostalgie-Verlag „Edition Ost“ erschienen, trug
den Titel „Der Überfall: Der 22. Juni 1941. Ursachen, Pläne und Folgen“.
Mehrmals war er, als überzeugter DDR-Marxist, an Verfahren
beteiligt, mit denen kritische Studenten vom weiteren Studium ausgeschlossen
und der Hochschule verwiesen wurden. Nachdem er sich 1990 für die politisch
motivierten Relegierungen entschuldigt hatte, veröffentlichte eine 1968
zwangsexmatrikulierte Studentin einen „Offenen Brief“ an ihn, worin der Satz
stand: „Ihre Entschuldigung nehme ich nicht an.“ In der einstigen SED-Zeitung
„Neues Deutschland“ erschien am 19. August ein Nachruf, worin ein Satz so
beginnt: „Geboren 1930 in Wroclaw…“.
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