Erschienen in Ausgabe: Ohne Ausgabe | Letzte Änderung: 24.10.16 |
von Michael Lausberg
Seit dem Ende des Kalten
Krieges spielen ideologische Fragen und Deutungsformen über den Islam eine
wesentliche Rolle zur Absicherung und Legitimation politischer Entscheidungen.
Auch wenn die Anschläge am 11.9.2001 nicht der Anfangspunkt waren, stellen sie
doch in der internationalen Politik einen neuen Wendepunkt im Umgang mit
Muslimen und muslimisch bezeichnetenPersonen und Gruppen dar.
Die in der breiten
Öffentlichkeit kontrovers geführten Diskussionen um Moscheebauten geht es um
die Frage von symbolischer Anerkennung.[1]
An dieser Stelle dreht sich der Diskurs um Akzeptanz, Toleranz und Respekt
gegenüber einer anderen Religionsgruppe, die öffentlichen Raum, für die
Ausübung ihrer Religion gemäß des deutschen Grundgesetzes Artikel 1, Absatz 1
und 2.
In der breit geführten Debatte
um Moscheebauten werden Exklusionsaspekte deutlich: Muslime werden zu „anderen,
nicht dazugehörigen Menschen“ gemacht, von denen Gefahren ausgehen würden. Ethnisch-kulturelle
Argumentationsmuster sowie Ängste vor einer „Islamisierung“ werden als Ursachen
angeführt, weshalb ein Moscheebau nicht geduldet werden sollte. Mit rechter
Rhetorik kritisierte Ralph Giordano den geplanten Moscheebau in Köln: „Der
wahre Bauherr der zentralen Großmoschee in Köln-Ehrenfeld ist, über ihren
verlängerten Arm Ditib, die Religionsbehörde Dyanet in Ankara. Dort ist das
Projekt ausgeheckt worden, für mich von Anfang an ein Zeichen einer
integrationsfeindlichen Identitätsbewahrung, eine Kriegserklärung.“[2]
Die Vorstellung, den Islam als
monolithisch, bedrohlich und gewalttätig wahrzunehmen sowie eine
Pauschalisierung aller Muslime als Terrorverdächtige, ist nichts weiter als
eine kollektive Diskreditierung. Die Wahrnehmung und Akzeptanz pluralistischer
Lebens- und Sichtweisen von religiösen bzw. nicht-religiösen Muslimen
verhindert eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem Islam als Religion. In
vielen Moscheebaudebatten wird auch kaum zwischen unterschiedliche Strömungen
des Islams wie Sunniten und Schiiten, die sich einander sogar bekämpfen,
differenziert. Die „Angst vor dem Islam“ wird also instrumentalisiert, um
kulturelle Hegemonieansprüche nicht aufgeben zu müssen.[3]
Das Thema Moscheebau
beschäftigte die Kölner Bevölkerung in den letzten Jahren und hatte eine
überlokale gesamtgesellschaftliche Relevanz. Dabei ging es vorrangig um den Bau
der Moschee im Stadtteil Ehrenfeld, gegen den Pro Köln heftig agitierte. Pro
Köln machte die Ablehnung des Baus der Moschee zu einem wesentlichen Teil ihres
Kommunalwahlkampfes 2004. In einem Flugblatt erläuterte Pro Köln:[4]
„Wo eine Moschee steht, wird als nächstes ein Minarett und dann der
Muezzin-Ausruf bei den zuständigen Behörden beantragt. Den nicht–islamischen
Kölnern stehen also spannende Zeiten bevor. (…) Die islamischen Verbände in
Köln haben sich von den islamischen Extremisten bislang nicht distanziert. Es
ist daher sehr gut möglich, dass die neue Groß-Moschee auch eine gefährliche
Zufluchtsstätte für islamische Extremisten wird.“
Pro Köln gelang es, über 20.000
Unterschriften gegen den geplanten Moscheebau in Köln–Ehrenfeld zu
präsentieren. Dieser Teilerfolg von Pro Köln lässt erahnen, dass ihre
islamophobe Stimmungsmache bei einem Teil der Bevölkerung auf fruchtbaren Boden
trifft.
Der geplante Bau der Ehrenfelder
Moschee führte auch zu heftigen Diskussionen innerhalb der Kölner CDU. Der
Ehrenfelder Ortsverband der CDU sprach sich im April 2006 gegen den geplanten
Entwurf aus. Begründet wurde diese mit der „sehr traditionellen osmanischen
Form“, die einen „nationalen ethnischen Charakter anstatt einen übernationalen
Raum für Muslime unterschiedlicher Herkunft“ repräsentiere.[5]
Absurd wurde die Ablehnung durch die Forderung, ein Bauwerk zu planen, „mit dem
sich Nichtmuslime identifizieren können.“
Weiterhin wurde
bezweifelt, dass die geplanten 120 Parkplätze in einer Tiefgarage für den 2000
Menschen fassenden Gebetsraum ausreichen. Es wurde argumentiert, dass dies zu
einem Verkehrschaos führen könne. Der Muezzinruf müsse außerhalb des
Gebetsraumes untersagt werden, da er „anderen Mitbürgern“ nicht „aufgenötigt“
werden könnte. Dass auch Kirchenglocken anderen Leuten „aufgenötigt“ werden,
wurde wohlweislich verschwiegen. Die Verantwortlichen in der Kölner-CDU
distanzierten sich von den Plänen der Ehrenfelder CDU und äußerten[6]:
„Fraktion, Partei und Oberbürgermeister stehen zum Bau einer Großmoschee an
dieser Stelle.“
Die FDP
bemerkte zum Beschluss der Ehrenfelder CDU:[7]
„Dass man der Moschee nun aber auch ihr orientalisches Aussehen vorwirft, ist
der Gipfel der Arroganz. Immerhin handelt es sich um eine türkische
Institution, die hier als Bauherr auftritt und einen Identifikationspunkt auch
für die eigenen Mitglieder schaffen will.“
Obwohl die Parteiführung der
Kölner CDU sich für den Bau der Moschee einsetzte, entwickelte sich innerhalb
der Partei eine heftige Diskussion. Die dabei vorgetragenen Argumente waren von
islamophoben Ressentiments geprägt und boten eine Steilvorlage für die von Pro
Köln vertretenen Auffassungen. Erst auf ihrem Parteitag am 14.8.2007 rang sich
die Kölner CDU zu einer öffentlichen Zustimmung des Baus der Moschee durch. Die
Debatte innerhalb der CDU führte dazu, dass der CDU-Vorsitzende von Ehrenfeld,
Jörg Uckermann aus der Partei austrat und sich Pro Köln anschloss.
Der Kölner Autor und Publizist
Ralph Giordano sprach sich gegen den Bau der Moschee aus, da er darin die
Verschärfung einer gesellschaftlichen Polarisierung zwischen MuslimInnen und
der deutschen Bevölkerung sah, die nicht zum Gelingen der Integration beitragen
würde. Damit bot er islamophoben Argumenten von Pro Köln öffentlich eine
Argumentationsvorlage, die begeistert von Pro Köln aufgegriffen wurde. Pro Köln
ging mit der Aussage von Giordano „Es gibt kein Grundrecht auf den Bau einer
zentralen Großmoschee“ auf Stimmenfang. So hieß es auf der Homepage von Pro
Köln:[8]
„Giordanos pointierte Aussagen finden die volle Unterstützung von pro Köln und
pro NRW. Der
wahre Bauherr der zentralen Großmoschee in Köln-Ehrenfeld ist, über ihren
verlängerten Arm DITIB, die Religionsbehörde Dyanet in Ankara.“
Giordano
forderte von dem damaligen Oberbürgermeister Fritz Schramma:[9]
„Stoppen Sie diesen Bau, der kein Ausdruck muslimischen Integrationswillens
ist, sondern ein Zentrum integrationsfeindlicher Identitätsbewahrung, das
Symbol eines Angriffs auf unsere demokratische Lebensform, ein Anspruch auf
Macht und Einfluss.“ Den Bau von Moscheen in Deutschland bezeichnete er als
„sakrale Großbauten, Symbole einer Landnahme auf fremdem Territorium, Strategie
einer türkischen Außenpolitik, die längst dabei ist, in Deutschland
mitzuregieren.“[10] Die
Migrationspolitik erklärte Giordano für gescheitert; diese „gewaltige
Zuwanderungswelle“ wäre eine „Milliardenbelastung der Sozialkassen“. Er sprach
den muslimischen Zuwanderern den Willen zur Integration ab:[11]
„Das Ergebnis dieser Politik ist die Anwesenheit von Millionen von Menschen aus
einer gänzlich anderen Kultur, viele von ihnen ohne jede Qualifikation und nur
bedingt integrationsfähig und –willig.“ Nach dem Aufkommen von teils heftiger
Kritik an seinen Ansichten wollte er „mit bürgerlichem Selbstbewusstsein den
nach wie vor in linken Denkschablonen steckenden deutschen ‚Umarmern’,
Multikulti-Illusionisten, xenophilen Einäugigen und Beschwichtigungsdogmatikern
couragiert die Stirn (…) bieten.“[12]
Nach eigenen Angaben bekam er wegen seiner Aussagen im Frühjahr 2007 mehrere
telefonische Morddrohungen, die er radikalen MuslimInnen zuschrieb. Als
Reaktion darauf schrieb er:[13]
„Ich wehre mich gegen ein Erpresserpotential, das uns unter islamischer Zensur
stellen will und seine Tentakel dafür von Zentralasien bis in die Mitte Europas
unter dem Motto ‚Wer nicht kuscht, der lebt gefährlich’ ausgeworfen hat.“
Die Aussagen
des Kölner Kardinal Meisner über den Islam und den geplanten Moscheebau waren
ebenfalls eine Steilvorlage für die Agitation von Pro Köln. Beisicht erklärte
in einer Stellungsnahme zum Moscheebau:[14]
„Der Kölner Kardinal Meissner hat einmal erklärt, dass die Muslime sich auf
Toleranz gegenüber Andersgläubigen nur so lange berufen, solange sie sich in
der Minderheit befinden. Dies sollten wir nicht vergessen. So lange in der
Türkei Christen diskriminiert und die Religionsfreiheit außer Kraft gesetzt
wird, sollten bei uns keine weiteren Großmoscheen mehr gebaut werden.“
Diese
Argumente kritisierte Höhn zu Recht:[15]
„Ohne Offenheit für eine Pluralität an Religionen bleibt das Reden von
Religionsfreiheit reiner Etikettenschwindel. Das müssen sich vor allem
prominente Kirchenvertreter sagen lassen, die mit dem Hinweis auf die
Unterdrückung des Christentums in arabischen Ländern den Muslimen in
Deutschland zur Bescheidenheit beim Anmelden von Rechtsansprüchen raten. Eine
solche ‚Wechselseitigkeit’ ist unvereinbar mit der Unteilbarkeit von
Grundrechten. Wer die Anspruchnahme von Rechten hierzulande nach dem Maß der
Verweigerung von Rechten im Ausland bemessen will, offenbart eine prekäre
Distanz zu rechtsstaatlichen Prinzipien. Grundrechte werden im liberalen
Rechtsstaat nicht zuerkannt oder vergeben, sondern jeder Mensch ist als Träger
solcher Rechte anzuerkennen.“
Meisner
äußerte, beim Bau der Moschee ein „ungutes Gefühl“ zu haben. Weiterhin warnte
er vor einer Ausbreitung der Scharia in Deutschland:[16]
„Wir müssen auch wachsam bleiben, dass die Terrains, die man hier muslimischen
Mitbürgerinnen und Mitbürger zur Verfügung stellt (…) nicht Territorien werden,
auf denen sich die Scharia immer mehr entfaltet.“
Die Argumentationen von Pro
Köln gegen Moscheebauten sind durchdrungen von rassistischen Phrasen. Judith
Wolter proklamierte, dass „gerade in Ehrenfeld die Grenze lange erreicht ist,
was man unserer Gesellschaft überhaupt zumuten kann. Das Boot ist einfach voll.
Die muslimische Diaspora ist offensichtlich im Prinzip nicht integrierbar. Man
will sich zudem nicht freiwillig weiteren Sprengstoff ins Veedel holen.“[17]
Neben rassistischen und
islamfeindlichen Darlegungen brachte Pro Köln auch finanzielle Einbußen der
(„weißen“-deutschen) Wohnungseigentümer rund um die Ehrenfelder Moschee ins
Spiel. Zwischen der Einreichung des Bauantrages für den Moscheeneubau und der
Erteilung der Baugenehmigung sänken demnach die Preise der umliegenden
Grundstücke um fast 20 Prozent; nach der Fertigstellung würden die Preise noch
weiter sinken.[18]
Im Hinblick
auf die Kommunalwahlen 2009 demonstrierte Pro Köln jeweils unter einem anderen
Motto jeden zweiten Samstag im Monat gegen den Bau der Ehrenfelder Moschee.
Diese Kundgebungsserie sollte sicherstellen, dass das Thema Moscheebau auf der
politischen Tagesordnung bleibt.[19]
Protest gegen
Moscheebauvorhaben gehen nicht nur von rechtspopulistischen Parteien Pro Köln
oder Pro NRW oder von der neonazistischen NPD aus, sondern auch aus dem
bürgerlichen christlichen Lager. Als der muslimische Verein Nissan in Berlin
versuchte, ein Grundstück zum Bau eines Kulturzentrums zu erwerben, passierte
lange nichts, da sich die Prüfung des Baustadtrates über längere Zeit hinzog.
Durch Zufall stellte sich dann heraus, dass das Grundstück schon an einen
CDU-Parteifreund des Baustadtrats verkauft war. Dies deutet auf ein
abgekartetes Spiel hin, um das islamische Kulturzentrum zu verhindern.
[1][1] Kuhn, I.: Antimuslimischer Rassismus.
Auf Kreuzzug für das Abendland, Köln 2015, S. 45f
[2] Focus vom 26.9.2007
[3] Königseder, A.: Feindbild Islam, in:
Benz, W. (HRsg.) Islamfeindschaft und ihr Kontext, Berlin 2009, S. 21-33, hier
S. 25
[4]
Flugblatt von Pro Köln zur Kommunalwahl am 26.9.2004
[5]
www.ksta.de/html/artikel/1144673461049.shtml.
[6]
Ebd.
[7]
Ebd.
[8] www.pro-nrw.org/content/view/81/20
[9] Giordano, R.: Nicht die Moschee, der Islam ist das
Problem, in: Sommerfeld, F.: Der Moscheestreit. Eine exemplarische Debatte um
Einwanderung und Integration, Köln 2008,S. 37-51, hier S. 37
[10]
Ebd. S.39
[11]
Ebd. S. 40
[12]
Ebd. S. 39
[13]
Ebd. S. 50
[14] www.pro-nrw.org/content/view/824/1/
[15] Höhn, H.-J.: Die Goldene Regel, in: Sommerfeld, F.:
Der Moscheestreit. Eine exemplarische Debatte um Einwanderung und Integration,
Köln 2008, S. 125-129, hier S. 125f
[16]
Meisner, J.: Keine Angst – aber ein ungutes Gefühl,
in: SommerfeldF.: Der Moscheestreit. Eine exemplarische Debatte um
Einwanderung und Integration, Köln 2008, S. 177-181, hier S. 179f
[17] Pro Köln (Hrsg.): Informationen der Bürgerbewegung
pro Köln e.V., Nr. 2, 2.Quartal 2003, Köln 2003, S. 1
[18] www.pro-koeln-online.de/artikel 08/011008_preise.htm
[19] www.pro-koeln-online.de/artikel6/kreativ.htm
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AFKovacs 04.11.2016 17:26
Der Autor hat offenkundig keine Ahnung von in diversen Erklärungen der OIC geäußerten Absicht, durch Moscheebauten in Europa „kulturelle Hegemonieansprüche“, nämlich islamische, durchzusetzen. „Akzeptanz, Toleranz und Respekt“ werden von ihm ganz einseitig „dem Islam“ gegenüber gefordert (wobei gerade er es ist, der hier mitnichten innerhalb „des Islam“ differenziert), ohne jede Erwartung von Reziprozität. Er macht sich damit zum Steigbügelhalter politischer Ansprüche der OIC in Europa. Er zeigt auch eine Verwahrlosung wissenschaftlichen Denkens durch eine modische Verwendung des Begriffs „Rassismus“, die so überdehnt ist, dass sie jeder Bedeutung entbehrt. Der Grund ist klar: Unterbindung der Kritik einer bestimmten Religion. Dass er den jüdischen Publizisten Giordano nach dessen Tod mittelbar als „islamophob“ und „rassistisch“ attackiert, zeigt, dass bei linksliberalen Autoren die Grenzen zum islamischen Antisemitismus verschwimmen.