Erschienen in Ausgabe: No 40 (6/2009) | Letzte Änderung: 05.09.11 |
von Otto Löw
Um es vorweg zu nehmen: Der 1809 geborene Komponist hat
die Saalestadt nach heutiger Kenntnis nie besucht. So bedeutet der Titel also
nur die Beantwortung der Frage: Welche Rolle spielte seine Musik in den
hiesigen Konzertprogrammen der damaligen Zeit? Diese Frage ist schwer zu
beantworten. Es sind durchgehend nur die Akademischen Konzerte dokumentiert.
Aber was ist mit den nicht wenigen Chören, dem Männergesangverein Winzerla, dem
Bürgerlichen Gesangverein, der Sängerschaft St. Pauli, der Singakademie, der
Liedertafel und manch anderen mehr? Alle diese hatten wohl Chöre des
Komponisten im Programm, schon auf Grund seiner allgemeinen Popularität, aber
das ist eher eine doch ziemlich sichere Vermutung denn durch Nachweise
bestätigt, und zumindest weiß man nicht, was da am häufigsten gesungen wurde.
Das Wirken des Universitätsmusikdirektors Wilhelm Stade für Mendelssohn
Bartholdy
Es ist ein glücklicher Moment in der Musikgeschichte der Universität, dass 1838
sowohl eine neue Akademische Konzertkommission ihren Anfang nahm als auch ein
neuer Universitätsmusikdirektor berufen wurde. Dieser Wilhelm Stade mit kaum
mehr als zwanzig Jahren hatte nicht nur mit spärlicher Entlohnung auszukommen,
ihm fehlte auch ein eigenes Orchester. Die Programmstruktur war damals anders
als heute, variabler. Der großen Sinfonie am Anfang folgte so manche
Kammermusik, Arien und und Opernausschnitte, Virtuosenwerke. Im zweiten Teil,
meist ohne eine Sinfonie, war oft eine Ouvertüre zu hören. Man blieb also meist
der Tradition verpflichtet.
Allein - die Liste der Komponisten ist beachtlich, die Stade in Jena erstmals
vorstellte, ist beachtlich, und das ist, neben der verstärkten Aufführung von
Oratorien und einer beträchtlichen Zahl von Uraufführungen, das eigentliche
Verdienst.
Der Aufführungszahl nach stehen nach 1840 unter den lebenden Komponisten wie
Gioacchino Rossini, Robert Schumann, Hector Berlioz, Franz Liszt die Werke von
Mendelssohn Bartholdy an vorderster Stelle. Häufiger gespielt werden nur Ludwig
van Beethoven, Wolfgang Amadeus Mozart und anfangs Carl Maria von Weber. Für
einen Komponisten, der vorher dahier nicht auf dem Konzertprogramm auftaucht,
ist das beachtlich und lässt neben allem anderen auf eine große Zuneigung des
Publikums schließen.
Mendelssohn Bartholdy hat bekanntlich auch die Matthäus-Passion von Johann
Sebastian Bach wieder aufgeführt, was schließlich zur Folge hatte, dass
manchenorts wie in Jena erstmals auch wieder Kompositionen des
Barockkomponisten zu hören waren.
Wilhelm Stade ging 1860 nach Altenburg bei deutlich besserer Bezahlung. Auch
die verdiente Auszeichnung mit dem Ehrendoktorhut änderte daran nichts mehr.
Eines Tages um die Jahrhundertmitte kam das Joachim-Quartett nach Jena, mit dem
Konzertmeister Carl Stör aus Weimar, dem Bratscher Walbrül und dem Cellisten
Bernhard Cossman. Sie brachten den Pianisten Hans von Bülow mit, der mit den
anderen das d-Moll-Klaviertrio von Mendelssohn Bartholdy spielte. Mit den
Kutschen waren aus Weimar illustre Gäste gekommen, Bülows Mutter und Bettina
von Arnim. Es ging spät in der Nacht bei Mondenschein zurück, und als man in
Weimar ankam, war der Kutscher eingeschlafen. Die Pferde hatten den Weg allein
gefunden.
Leider hat sich heutzutage das Spektrum der von Felix Mendelssohn aufgeführten Werke
ganz allgemein ziemlich eingeengt, obwohl man hier und dort und vor allem auf
Tonträgern doch hin und wieder etwas wie "Oedipus auf Kolonnos",
„Athalia", "Antigone", "Die Loreley”, "Die
Entsagung", einen der nicht wenigen Psalmen, auch die achtstimmigen, hören
kann.
Das Wirken des Universitätsmusikdirektors Ernst Naumann von 1860 - 1906
Der neue Dirigent, ein bescheidener Mann mit unendlichem Fleiße, hat zumindest
in den Anfangsjahrzehnten, als er noch selbst die Programme ausarbeitete,
manchmal fast in jedem Konzert einer Spielzeit Kompostionen von Felix
Mendelssohn Bartholdy vorgestellt. Das betrifft sowohl Sinfonien als
Ouverturen, Konzertarien und Instrumentalkonzerte, Lieder und Chöre,
Kammermusiken. Letztere behielten zwar ihren Platz in den üblichen Akademischen
Konzerten, aber Naumann entwickelte gleich von Beginn an Musikalische Soireen
mit Liedern und Kammermusikwerken. Es waren anfangs vorwiegend Musiker der
Hofkapelle in Weimar, mit Naumann als Bratscher, die diese Programme
bestritten, und manch ein Werk von Mendelssohn Bartholdy war dabei. Zu den oben
genannten ersten Solisten der Hofkapelle aus Weimar kamen auch deren Chef
Eduard Lassen, als Pianist, dazu Sänger wie z. B. der berühmte Feodor von Milde
oder Emilie Genast-Merian.
Nicht nur das Violinkonzert in e-Moll dieses Komponisten erfreute sich großer Beliebtheit.
Auch die Klavierkonzerte waren dahier zu hören. Eher kennt man heute wohl den
"Elias", die gesamte Musik zu "Ein Sommernachtstraum" von
William Shakespeare, "Die erste Walpurgisnacht" und den "Paulus".
1886, einen Monat vor seinem Tode, weilte Franz Liszt in Dornburg. Während die
meisten anderen den Weg über die Höhen zurück nach Weimar fanden, fuhr Liszt
nach Jena, um sich den "Paulus" von Mendelssohn Bartholdy anzurühren.
Niemand wusste, dass die Unterrichtsstunde am nächsten Tag die letzte sein
sollte. Liszt begann sie mit Musik von Felix Mendelssohn Bartholdy.
Man kann heutzutage weder von einer Vernachlässigung noch von einer besonderen
Pflege der Musik von Felix Mendelssohn Bartholdy in Jena sprechen. Die
Kompositionen sind längst normale Bestandteile der Konzertprogramme geworden,
wobei eine größere Bandbreite aus seinem Schaffen allerdings kein Schaden wäre.
Allein seine Orgelmusik ist einigermaßen regelmäßig in der Stadtkirche und auch
in der Friedenskirche zu hören. Wo bleiben die Lieder, Chöre und die
lohnenswerte Kammermusik ? Hat nicht eine erneute Aufführung des
"Paulus" in diesem Jahr 2009 gezeigt, wie begeistert diese Musik
aufgenommen worden ist?
Es hat der Musik selbst des Felix Mendelssohn Bartholdy eigentlich bei ihrer
festen Verwurzelung zum Beispiel in den vielen Chören nicht sonderlich
geschadet, dass sie während der Zeit des Nationalsozialismus nicht gespielt
werden durfte, wenn auch die Unterbrechung anschließend zu mancher Unkenntnis
geführt hatte. Und um ihn aus den Herzen und Hirnen ganz zu tilgen, wurde auch
sein Denkmal in Leipzig abgerissen. An welchem Merkmal wollte man eigentlich
festmachen, dass ausgerechnet dies keine deutsche Musik sei? Einst hatte schon
ein Richard Wagner mit der Verteufelung Felix Mendelssohn Bartholdys begonnen,
aber damals hatte keiner daran gedacht, ihn von den Spielplänen zu vertreiben.
Trotz der langen Abstinenz bis zum Ende des Krieges hatten so manche Sänger den
Melodienreichtum behalten, worauf man dann wieder aufbauen konnte. Es sollte
nicht vergessen werden, zumal es eigentlich heutzutage trotz vieler Bemühungen
noch nicht völlig überwunden ist, dass mit Mendelssohn Bartholdys Werken auch
viele andere Musik verboten wurde und anderes sich gar nicht entwickeln konnte.
Auf den beschrittenen Wegen wie mit dem "Paulus" durch die Jenaer
Philharmonie oder den Liedern, die z. B. der Volkschor Lobeda zu seinem
Jubiläum gesungen hat, oder den Orgelsonaten in der Stadtkirche kann man ruhig
weitergehen, aber vielleicht findet sich dann hin und wieder Platz für manches
arg lang nicht gehörte Werk.
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