Erschienen in Ausgabe: Ohne Ausgabe | Letzte Änderung: 26.10.16 |
von Vera Lengsfeld
Nachdem
sich das Spektakel über die ungeheuerliche Frechheit, die sich das Volk, von
seinen Vertretern gern Pöbel, Mischpoke, Schande oder Pack genannt, am 3.
Oktober in Dresden leistete, gelegt hat, ist es Zeit, Bilanz zu ziehen.
Die
ungekrönte Königin der Meinungsmacher war Claudia Roth, die bei anderer
Gelegenheit ohne Hemmungen zu haben, mit Deutschland verrecke-Rufern
marschiert. Roth wurde porträtiert, als die tapfere Politikerin, die versucht
haben soll, mit dem Mob vor der Frauenkirche „Kontakt aufzunehmen“. Wo immer
die Aufnahmen dieses bemerkenswerten Ereignisses gezeigt wurden, konnte
man nicht verstehen, was Roth als „Kontaktaufnahme“ sagte. Ihre Ansprache
lautete: „Herr lass Hirn herabregnen!“. Weil sie das sichtlich nicht auf sich
bezog, obwohl sie allen Grund hätte, mehr Hirn für sich zu erflehen, war das
eine glatte Pöbelei und kein Gesprächsangebot. Das konnte nur schief gehen,
sollte es wohl auch. Roth wollte nicht reden, sondern sich vor den Kameras in
Szene setzen, was ihr dank williger Mithilfe der Medien gelungen ist.
Medienstar
des Tages Nummer zwei war die Frau des sächsischen SPD-Chefs Martin Dulig, die
angesichts des undankbaren Volkes, das beim Anblick ihres Mannes nicht jubelte,
sondern Unmut äußerte, in Tränen ausbrach. Als die Zähren seiner Gattin
getrocknet waren, zeigte Dulig auf Facebook, wie gut er austeilen konnte:
Hasspöbler, Schande, Rassisten hielt er seinen Wählern entgegen und kündigte
ihnen den Kampf an. Im Namen von „Mitmenschlichkeit und Herz“. Herr Dulig
sollte vor seiner eigenen Tür kehren, ehe er den großen Besen gegen „Hass und
Gewalt“ schwingt.
Sein Sohn Johann Dulig, mit jungen 20 Jahren
schon Kreisrat in Meißen, hat fast zeitgleich mit den von seinem Vater heftig
kritisierten Protestieren auf Facebook ein Foto des zerstörten Dresden
gepostet, versehen mit dem launigen Kommentar: „Deutsche Kurven abfackeln“.
So
viel zu Herz und Mitmenschlichkeit im Hause Dulig. Natürlich ist Johann Duligs
Hass auf die Dresdener cool, weil links. Mit der richtigen Gesinnung darf man
getrost zehntausenden Menschen den Tod wünschen. Er wollte, schob Jung-Dulig,
als es doch noch Kritik gab, lediglich zeigen, dass Dresden eine
„Täterstadt“ war.
In
der Frauenkirche warnte Ministerpräsident Tillich vor den Leuten, deren Worte
„die Lunte legen können: für Hass und Gewalt“. Er meinte damit aber nicht die
Linksextremisten, die auf linksunten.indymeda zu gewaltsamen Aktionen
aufgerufen hatten. Während er das sagte, brannten draußen schon die ersten
Autos mit Pirnaer Kennzeichen, von denen die Antifanten vermuteten, dass sie
von Pegida-Anhängern gefahren werden. Auch zu den linksextremistischen
Anschlägen auf Polizeiautos am Vorabend von Tillich kein Wort.
Bundestagspräsident
Norbert Lammert, dessen launige Rede als Bewerbung für den
Bundespräsidentenposten gewertet wurde, legte den unzufriedenen Deutschen nahe,
sich doch besser zu fühlen. Er beklagte, dass die Deutschen das Bild ihres
eigenen Landes viel zu negativ darstellten. „Wir können und dürfen durchaus
etwas mehr Selbstbewusstsein und Optimismus zeigen“, sagte er. Deutschland
könne sich „durchaus eine kleine Dosis Zufriedenheit“ erlauben, wenn nicht
sogar ein Glücksgefühl.
Ja,
wir sollten glücklich sein, dass uns rumänische Polizisten tatkräftig dabei
unterstützen, der sprunghaft gestiegenen Kriminalität Herr zu werden. Wir
sollten zufrieden sein, dass die Mazedonier uns tapfer vor zehntausenden
weiteren „Flüchtlingen“ bewahren und sich stoisch dafür von unserer
Kanzlerin beschimpfen lassen. Wir sollten mit Selbstbewusstsein und Optimismus
der flächendeckenden Zerstörung unserer Landschaft durch Wind-und Solarparks
zuschauen, denn sie dienen ja nur unserm Wohlstand, auch wenn wir einen
sprunghaft wachsenden Beitrag an Geld dafür zu leisten haben, dass wir statt
einer kontinuierlichen Grundversorgung zunehmend „Zappelstrom“ bekommen.
Schließlich leben die Völker in Afrika seit jeher mit einer unzuverlässigen
Stromversorgung. Die Neuankömmlinge von dort können uns beibringen, wie man
spielend damit fertig wird.
Im
von der Kanzlerin ausgerufenen postfaktischen Zeitalter gelten eh nur noch die
richtigen Gefühle, die uns die schnöde Realität vergessen lassen.
Wie
man mit Andersdenkenden umspringen sollte, dafür hat der Parteinachwuchs
durchaus kreative Vorschläge. Der SPD-Jungmann Tom Haungs, Jusovzorsitzender
in Mainz, wünschte sich angesichts der Videoaufnahmen von Claudia Roths
„Kontaktaufnahme“, dass die abgelichteten Dresdener „verantwortungsvolle“
Arbeitgeber hätten. Mit verantwortungsvoll meint er, dass alle, die es noch
wagen, der von Regierung und staatskonformen Medien vorgegebenen Linie zu
widersprechen, rauszuschmeißen wären.
Ich
musste mir mein Berufsverbot in der DDR noch mit anderthalbjähriger härtester
Oppositionsarbeit verdienen. Heute soll eine Meinungsäußerung genügen, um
gefeuert zu werden. Vielleicht kennt Haungs die Claudia ja von der Deutschland
verrecke-Demo. Hat Haungs, der sich anscheinend auf eine
Politikerkarriere vorbereitet, die ihm vom Steuerzahler finanziert wird, bedacht,
dass eine weitere Dezimierung der 15 Millionen Produktiven, die für alles
aufkommen müssen, zu Engpässen bei der Versorgung führen könnten? Natürlich
nicht zuerst bei den Politikern. Aber wenn der Wirtschaft die Arbeitskräfte
ausgehen, trifft es früher oder später auch die Politikerkaste, die sich in den
vergangenen Jahrzehnten daran gewöhnt hat, ohne jede Skrupel Geld auszugeben,
das sie nicht verdient hat und vermutlich niemals verdienen könnte.
Kanzlerin
Merkel hat an diesem denkwürdigen Tag vor der Kamera Respekt eingefordert. Sie
hat anscheinend völlig das Gefühl dafür verloren, dass sie eine gewählte
Volksvertreterin und keine Erbprinzessin ist. Wie kein anderer Kanzler hat sie
dafür gesorgt, dass der Respekt vor diesem Amt abnimmt, denn sie ist dabei,
nicht nur alles zu verspielen, was in Deutschland nach den Diktaturen aufgebaut
wurde, sondern ihre selbstherrlichen Alleingänge sind zu einer Gefahr für
Europa geworden. Solange sie morgens in die Zeitung schaut und sich die
Protokolle der Bundespressekonferenz durchliest, ist für sie die Welt in bester
Ordnung. Kritische Journalisten haben früher der Regierung auf die Finger
geschaut. Heute schreiben kritische Journalisten die Kritiker der Regierung
nieder.
Dabei
kommt es zu grotesken gedanklichen Verrenkungen. Stellvertretend sei Stefan
Berg vom Spiegel genannt, der sich dazu verstieg zu behaupten, die Sachsen
wären so wütend auf Merkel, weil sie von ihr weniger Zuwendung bekämen, als die
Flüchtlinge. Berg war noch ziemlich jung, als die DDR scheiterte. Er hätte
eigentlich lernen können, dass demokratische Regierungen keine gütigen oder
strafenden Eltern sind, sondern lediglich gewählte Körperschaften, die
stellvertretend für ihre Wähler Probleme lösen sollen. Allerdings zeigt Bergs
Denke, wie weit sich das Politik- und Medienkartell bereits von diesen
demokratischen Selbstverständlichkeiten verabschiedet hat.
Das
Pack/ der Mob/ die Mischpoke soll das Geld heranschaffen und den Mund halten.
Für alle, die das nicht schnell und willig genug akzeptieren, gibt es Denk- und
Redeverbote.
Frau
Claudia Roth will nach ihren bitteren Erfahrungen in Dresden eine gewaltige,
dauerhaft finanzierte „Demokratieoffensive“ starten. Die 100 Millionen, die
Familienministerin Schwesig bereitstellt, reichen nicht aus. Das Volk, der
große Lümmel, ist immer noch aufmüpfig.
Die
Protestierer von Dresden sind diejenigen, deren Petitionen an die Politiker im
Papierkorb landen, die keine oder nichtssagende Antworten aus den
Abgeordnetenbüros bekommen, deren Kommentare in den Medien gelöscht oder gar
nicht erst zugelassen werden, denen niemand zuhört, denen die Beteiligung am
demokratischen Willensbildungsprozess verwehrt wird, die immer häufiger
erleben, wie Recht und Gesetz gebrochen werden von denen, die dafür gewählt
wurden, es zu bewahren.
Es
sind diejenigen, die nur ein Vierteljahrhundert nach der letzen deutschen
Diktatur nicht wieder die Arroganz der Macht ertragen wollen.
Der Text erschien auf Vera Lengsfeld.de
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