Erschienen in Ausgabe: Ohne Ausgabe | Letzte Änderung: 27.10.16 |
von Jan Rebuschat
Seit bald sechs Jahren diskutieren Jakob Augstein und Nikolaus
Blome wöchentlich bei Phoenix über das aktuelle politische Geschehen. Nun
erscheint mit „Links oder rechts?“ eine Sammlung von dreißig Streitgesprächen
der Journalisten in Buchform.
Doch beginnt das Buch nicht mit Streit, sondern mit Einigkeit:
Die gemeinsame Position der
Autoren ist, dass die Demokratie nicht Gegensätze überwinden und zu einem
absoluten Konsens führen solle, sondern gerade dieser Gegensätze bedürfe, um funktionieren zu können - “Gibt es zu wenig Streit, schläft die
Demokratie ein. Gibt es zu viel, zerreißt sie." Hierfür müssten
sich die Akteure auf der politischen Achse„links oder rechts“ eindeutig
positionieren. Denn der kontinuierliche Streit zwischen
diesen beiden Positionen sei
der Motor, der eine
Demokratie antreibe.Augstein und Blome sehen daher auch in der
"politischen Horizontverengung" (Herfried Münkler), also der Annäherung der Parteien in der politischen Mitte,
eine Ursache für die aktuell wachsende Verachtung der Demokratie und der offenen
Gesellschaft:
Polarisierung sei "das
beste Mittel gegen politische Radikalisierung".
Es geht den Autoren
jedoch nicht um eine
tiefgehende Erörterung dieser Grundannahme, sondern vielmehr um die Darstellung der gelebten Polarisierung "links gegen liberal-konservativ,
visionär versus vernünftig" (wie es der Klappentext formuliert). In den Abschnitten Macht, Geld,
Moral, Heimat, Wir und Die finden sich
Streitgespräche, in denen es unter
anderem um Angela Merkel,
Kapitalismus, Home-Ehe, AfD, Brexit und Islam geht. Aufbau und Spracheerinnern hierbei stark an das
bekannte Fernseh-Format. Doch beinhaltet das Buch nicht lediglich eine Art
"Best of" aus den Fernseh-Debatten, sondern entstand auf der
Grundlage regelmäßiger Treffen.
Augstein und Blome diskutieren
offensichtlich leidenschaftlich gern miteinander: es ist ein schneller
Schlagabtausch, in dem jede Gelegenheit zum Gegenangriff genutzt wird. Man
merkt andererseits natürlich,
dass die Diskussionspartner Sympathie füreinander empfinden; das zeigt bereits die Einleitung, welche fast schon
nostalgisch auf die letzten fünf Jahre "Augstein und Blome" blickt.
Eine Spannung, wie zum
Beispiel bei den Debatten Gore Vidals und Willam
Buckleys,darf man daher
nicht erwarten. Dafür gibt es dann doch zu viele Schnittmengen zwischen den
Diskussionspartnern, was sich beispielsweise an den Positionen zur
Europäischen Union zeigt.
Vorbildlich ist,
dass Augstein und Blome ausdrücklich
Position beziehen; nie flüchten sie sich in vage Formulierungen, in
deren Auslegungsspielraum sich manch einer gern verschanzt. Die beiden Autoren bekenneneindeutig Farbe. Das ist
nichts Neues, aber wichtig für das Buch: Sie werden ihrer Forderung nach deutlicher
Positionierung gerecht. Als
einzig negativen Punkt könnte man vorbringen, dass manche Kapitel etwas länger
hätten ausfallen
können: Die Antagonisten
verlassen zuweilen dann
die Arena, wenn es gerade spannend und interessant wird. Sollte es zu einem
weiteren Buch dieser Art kommen, dann wäre es zudem reizvoll, weitere
Gesprächspartner einzubeziehen. Dies würde den Texten noch mehr Kontrast
verleihen und eine exaktere Verortung Augsteins und Blomes durch den Leser
ermöglichen: Ein Gregor Gysi wird eine andere Vorstellung von Links haben, als
Jakob Augstein.
"Links oder
rechts?" ist eine gelungene Sammlung von Streitgesprächen. Am besten wird
einem das Buch wahrscheinlich dann gefallen, wenn man sich mit keinem der
beiden Akteure vollständig identifizieren kann: Als Leser fühlte ich mich durchgehend wie der
dritte Mann in der Debatte, der mal dem einem, mal dem anderen oder keinem von beiden zustimmte.
Tatsächlich wünschte ich mir oft eine dritte Stimme in dem Buch: "Jetzt
hören Sie doch mal auf, das ist doch Quatsch." Am stärksten ging es
mir so bei dem Kapitel Heimat. „Heimat und Leitkultur sind ganz wichtige
Begriffe.“, schreibt dort Augstein. Das klingt nach romantischen Binsen, die
gern gestreut werden, wobei oft Heimat mit dem Nationalstaat, Leitkultur mit
der eigenen Lebensweise gleichgesetzt werden. An anderer Stelle bedient sich Blome dem Stereotypus: "[Merkel] kann Krise besser als Kunst.
Das geht den meisten Deutschen genauso.“, so als ob wir Deutsche alle
aus demselben Guss stammten mit minimalen Abweichungen.Aber gerade diese
Spannungen machtendas Lesenreizvoll: Wer
ein Buch liest, um letztlich nur seine eigene Position bestätigt zu bekommen,
braucht den Umschlag gar nicht erst aufzuklappen.
„Links oder rechts?“ ist am 11. Oktober 2016
beim Penguin Verlang (München) erschienen und kostet als Taschenbuch 13 €.
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